BT-Drucksache 14/8589

Für einen sanften Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen

Vom 19. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8589
14. Wahlperiode 19. 03. 2002

Antrag
der Abgeordneten Annette Faße, Reinhard Weis (Stendal), Hermann Bachmaier,
Klaus Barthel (Starnberg), Dr. Axel Berg, Petra Bierwirth, Anni Brandt-Elsweier,
Rainer Brinkmann (Detmold), Hans-Günter Bruckmann, Hans Büttner (Ingolstadt),
Dr. Peter Danckert, Christel Deichmann, Petra Ernstberger, Gabriele Fograscher,
Norbert Formanski, Monika Ganseforth, Iris Gleicke, Günter Gloser, Angelika Graf
(Rosenheim), Hans-Joachim Hacker, Alfred Hartenbach, Anke Hartnagel,Gustav
Herzog, Reinhold Hiller (Lübeck), Frank Hofmann (Volkach), Brunhilde Irber,
Gabriele Iwersen, Susanne Kastner, Ulrich Kelber, Walter Kolbow, Anette Kramme,
Horst Kubatschka, Konrad Kunick, Christine Lambrecht, Robert Leidinger,
Gabriele Lösekrug-Möller, Dr. Christine Lucyga, Dieter Maaß (Herne), Winfried
Mante, Dirk Manzewski, Ulrike Mascher, Christoph Matschie, Heide Mattischeck,
Ulrike Mehl, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Christoph Moosbauer, Jutta Müller
(Völklingen), Dr. Martin Pfaff, Georg Pfannenstein, Karin Rehbock-Zureich,
Dr. Carola Reimann, Margot von Renesse, René Röspel, Gudrun Roos,
Gerhard Rübenkönig, Marlene Rupprecht, Siegfried Scheffler, Otto Schily,
Horst Schmidbauer (Nürnberg),WilhelmSchmidt (Salzgitter), Richard Schuhmann
(Delitzsch), Fritz Schösser, Ewald Schurer, Erika Simm, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk,
Wieland Sorge, Wolfgang Spanier, Rita Streb-Hesse, Ludwig Stiegler, Reinhold
Strobl (Amberg), Joachim Stünker, Jella Teuchner, Uta Titze-Stecher, Hedi
Wegener, Wolfgang Weiermann, Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Dr. Margrit
Wetzel, Jürgen Wieczorek (Böhlen), Verena Wohlleben, Hanna Wolf (München),
Heidemarie Wright, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Helmut Wilhelm (Amberg),
Ekin Deligöz, Franziska Eichstädt-Bohlig, Hans-Josef Fell, Gerald Häfner, Winfried
Hermann, Ulrike Höfken, Michaele Hustedt, Steffi Lemke, Dr. Reinhard Loske,
Christine Scheel, Sylvia Voß, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für einen sanften Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Angesichts des noch ungebrochenen Wachstums im Straßengüterverkehr ist die
Forderung nach Verlagerung des Gütertransports auf die umweltverträglichen
Verkehrsträger Bahn, Küsten- und Binnenschiff unverändert aktuell. Die Nut-
zung der Bundeswasserstraßen durch die Binnenschifffahrt als ein im Hinblick

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auf Luftschadstoffemissionen, Lärmbelastung, Flächenbedarf und Energiever-
brauch ökologisch verträglicheren Verkehrsträger verdient dabei besondere
Förderung. Besonders im Bereich des grenzüberschreitenden Güterverkehrs
und auf langen Transportrelationen hat das Binnenschiff systembedingte Vor-
teile gegenüber dem LKW.
Die Qualität und der Ausbaustandard der Bundeswasserstraßen mit einer Ge-
samtlänge von etwa 7 300 Kilometern ist ein wichtiger Faktor für die Leis-
tungsfähigkeit der Binnenschifffahrt. Hierbei spielen Abladetiefe und Fahrrin-
nenbreite der Wasserstraßen, aber auch die Höhe der Brücken über die
Wasserstraßen eine wichtige Rolle. In Deutschland weisen die Bundeswasser-
straßen im Hinblick auf die Schiffbarkeit regional zum Teil beträchtliche Unter-
schiede auf.
Die Teilstrecke zwischen Straubing und Vilshofen mit einer Länge von rd.
70 km ist der letzte freifließende schiffbare Abschnitt der Donau in Deutsch-
land; dieser Abschnitt wird im Bericht des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) an den Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen des Deutschen Bundestages vom Dezember 2001 als einer der
wesentlichsten Engpässe im bundesdeutschen Wasserstraßennetz qualifiziert.
Dessen zügige Beseitigung ist Voraussetzung dafür, Verlagerungspotenziale
von der Straße auf die Wasserstraße zu realisieren. Auch die Europäische Kom-
mission hat in ihremWeißbuch über die „europäische Verkehrspolitik bis 2010“
vom 12. September 2001 eine Verbesserung der Befahrbarkeit der Donau zwi-
schen Straubing und Vilshofen als eines der vorrangigen Verkehrsprojekte be-
schrieben; sie hat dabei allerdings offen gelassen, welche Maßnahmen zur Be-
seitigung dieses Engpasses ergriffen werden sollen. Gleichzeitig stellt das
Weißbuch klar, dass der Donauausbau unter Beachtung der gemeinschaftlichen
Rechtsvorschriften zum Umweltschutz zu erfolgen hat.
Der Ausbau der gesamten Donau für die Binnenschifffahrt in Deutschland war
seit dem Jahr 1921 Gegenstand von insgesamt elf Verwaltungsabkommen zwi-
schen dem Deutschen Reich bzw. der Bundesrepublik Deutschland einerseits
und dem Freistaat Bayern andererseits. Konkrete rechtliche Verpflichtungen des
Bundes, eine bestimmte Ausbaulösung auf dem Streckenabschnitt zwischen
Straubing und Vilshofen herzustellen, ergeben sich aus diesen Verwaltungsab-
kommen allerdings nicht. Dies ergibt sich aus dem Finanzierungsvorbehalt, der
das gesamte Vertragswerk prägt. Die Verwaltungsabkommen regeln insbeson-
dere die finanzielle Lastenverteilung zwischen dem Bund und Bayern. Das
Budgetrecht des Deutschen Bundestages und damit die Entscheidung über die
Art des Donauausbaus in diesem Streckenabschnitt bleiben davon letztlich un-
berührt.
Bei der anstehenden Entscheidung über den Umfang der Ausbaumaßnahmen
wird sowohl regional als auch bundesweit öffentlich und kontrovers darüber
diskutiert, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse
auf diesem Donauabschnitt bestehen. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung hat
die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd (WSD Süd) im Auftrag des
BMVBW alle sinnvollen Ausbauvarianten untersucht und im Mai 2001 ihren
Schlussbericht vorgelegt. Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen des Deutschen Bundestages hat am 20. Februar 2002 zu dem Schlussbericht
der WSD Süd eine Expertenanhörung durchgeführt, in der alle untersuchten
Ausbauvarianten in verkehrlicher, wirtschaftlicher, ökologischer und rechtli-
cher Hinsicht einer abschließenden Würdigung unterzogen wurden.
Die in den vertieften Untersuchungen der WSD Süd bewertete Ausbauvariante
A (flussbauliche Maßnahmen) ist diejenige Ausbaumaßnahme, die unter ver-
kehrswirtschaftlichen, ökologischen und haushaltspolitischen Aspekten den
Vorzug gegenüber allen anderen Varianten verdient:

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l Variante A weist bei der volkswirtschaftlichen Bewertung mit einem Nut-
zen-Kosten-Faktor von 8,3 den mit Abstand besten Wert aller Varianten auf.
Die Investitionskosten sind mit rd. 420 Mio. Euro die geringsten aller Vari-
anten (im Vergleich zu rd. 560 Mio. Euro bei der Variante C, 725 Mio. Euro
bei der Variante D1 und 780 Mio. Euro bei der Variante D2).

l Variante A wird zu einer spürbaren Verbesserung der Verkehrverhältnisse
auf der Donau führen: Die verkehrspolitisch gewünschten Verlagerungs-
potentiale vom LKW auf das Binnenschiff liegen nämlich in erster Linie im
Bereich des Containerverkehrs. Der Containerverkehr hat sich in den letzten
Jahren zu einem Wachstumsmotor für die Binnenschifffahrt entwickelt. Im
Zeitraum von 1995 bis 2000 wuchs der Containerverkehr um rd. 110 % auf
insgesamt 10,5 Mio. t. Allein im Jahr 2000 konnte ein Zuwachs von 22 %
erzielt werden. Containertransporte mit dem Binnenschiff bedürfen jedoch
nicht in erster Linie größerer Abladetiefen, sondern höherer Brückendurch-
fahrten. Hier besteht an der Donau noch erheblicher Anpassungsbedarf. Die
Brücken sollten daher für einen dreilagigen Containerverkehr angehoben
werden. Die Realisierung einer der Staustufen-Varianten zur Verbesserung
der Abladetiefe von bis zu drei Metern würde vor allem zu einer Kapazitäts-
erweiterung der Binnenschifffahrt im Massengutverkehr führen. Die großen
Massengutsektoren, wie Stein, Erze, Metallabfälle und Mineralölerzeug-
nisse dominieren zwar immer noch in der Binnenschifffahrt, haben aber an
Bedeutung verloren.

l Variante A ist die mit Abstand umweltverträglichste Ausbauvariante: Ein
Ausbau ohne Staustufen kann die für den Lebensraum Donau-Auenwald
notwendige Wasserstandsdynamik – und damit verbunden die Eigenart der
Landschaft und die Artenvielfalt in der Aue – weitgehend erhalten. Die Be-
einträchtigungen von potenziellen und gemeldeten FFH-Gebieten wären
relativ gering. Gegenüber der Europäischen Union hat sie darum die besten
Aussichten auf Akzeptanz. Im Flussbett selbst erhält nur die Variante A die
gegebene Fließgeschwindigkeit und -dynamik und somit die ökologische
Vielfalt. Variante A entspricht darüber hinaus wegen der mit ihr geplanten
Rückverlegung von Deichen und der Schaffung von Flutpoldern am besten
den Zielen des Hochwasserschutzes in der gesamten Region.

Demgegenüber sind die Ausbauvarianten D1 und D2 (mit zwei bzw. drei Stau-
stufen) schon wegen ihrer deutlich schlechteren Nutzen-Kosten-Faktoren von
5,2 bzw. 5,3 und ihrer negativen ökologischen Auswirkungen abzulehnen. Die
untersuchte Ausbauvariante C weist gegenüber der Variante A ebenfalls einen
schlechteren Nutzen-Kosten-Faktor (6,4) und eine bedeutend negativere ökolo-
gische Bewertung auf.
Die Varianten C, D1 und D2 würden das vom Bund in den Jahren 1989 bis 2001
mit insgesamt 7,326 Mio. Euro geförderte Naturschutzgroßvorhaben „Mün-
dungsgebiet der Isar“ massiv beeinträchtigen. Bei diesen Varianten wäre im
Übrigen aus Gründen des europäischen Rechts, vor allem wegen der Betroffen-
heit von FFH- und Vogelschutzgebieten, der Versuch einer Realisierung mit
erheblichen Verfahrensrisiken verbunden. Den berechtigten Anliegen der Bin-
nenschifffahrt und der verladenden Wirtschaft wäre mit einer solchen ergebnis-
offenen Fortsetzung der Variantenprüfung nicht gedient.
Bei Abwägung aller Aspekte der verschiedenen untersuchten Ausbauoptionen
ist die Variante A die kostengünstigste, umweltfreundlichste und verkehrspoli-
tisch vertretbarste Ausbauvariante; sie ist im Hinblick auf die bevorstehende
EU-Osterweiterung am schnellsten zu realisieren.

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Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
nunmehr das Raumordnungsverfahren und weitere Planungen für den Ausbau
der Donau zwischen Straubing und Vilshofen einzuleiten und dabei ausschließ-
lich die Ausbauvariante A (nach dem Schlussbericht der Vertieften Untersu-
chungen der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd vom Mai 2001) zugrunde
zu legen.

Berlin, den 19. März 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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