BT-Drucksache 14/6539

Kriminalität wirksamer bekämpfen - Innere Sicherheit gewährleisten

Vom 3. Juli 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6539
14. Wahlperiode 03. 07. 2001

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Norbert Geis, Erwin Marschewski
(Recklinghausen), Ronald Pofalla, Günter Baumann, Meinrad Belle,
Dr. Joseph-Theodor Blank, Sylvia Bonitz, Hartmut Büttner (Schönebeck),
Dr. Jürgen Gehb, Dr. Wolfgang Götzer, Martin Hohmann, Volker Kauder,
Hartmut Koschyk, Beatrix Philipp, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Klaus Rose,
Anita Schäfer, Dietmar Schlee, Dr. Rupert Scholz, Clemens Schwalbe,
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Thomas Strobl (Heilbronn), Dr. Susanne
Tiemann, Dr. Hans-Peter Uhl, Andrea Voßhoff, Hans-Otto Wilhelm (Mainz),
Bernd Wilz, Wolfgang Zeitlmann und der Fraktion der CDU/CSU

Kriminalität wirksamer bekämpfen – Innere Sicherheit gewährleisten

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Freiheit und Sicherheit sind elementare Grundbedürfnisse der Menschen. Aus
dem hoheitlichen Anspruch des Staates auf das Gewaltmonopol resultiert seine
Verpflichtung, Freiheit und innere Sicherheit zu gewährleisten. Im Rechtsstaat
ist innere Sicherheit Grundlage für Freiheit und Frieden nach innen. Der Schutz
vor Kriminalität, die Verhinderung von Straftaten und ihre Aufklärung, die
Ahndung von Verbrechen sowie der Schutz vor den Gefahren für die öffent-
liche Sicherheit und Ordnung sind unabdingbare Voraussetzung für die Lebens-
qualität der Bürger und ihr gedeihliches Zusammenleben. Sicherheit ist ein
wichtiger Faktor nicht zuletzt auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Der Deutsche Bundestag spricht den Ermittlungsbehörden, insbesondere den
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, Dank und Anerkennung dafür aus, dass
sie – auch unter oft schwierigen und gefährlichen Verhältnissen – ihren unver-
zichtbaren Beitrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit leisten.

Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2000 belegt, dass ein wirk-
licher Durchbruch bei der Bekämpfung der Kriminalität bislang noch nicht
gelungen ist; denn die Kriminalitätszahlen stagnieren insgesamt auf hohem
Niveau. Auch wenn es erfreulich ist, dass die Gesamtzahl der polizeilich erfass-
ten Straftaten im vergangenen Jahr um 0,6 % zurückgegangen ist: 6 264 723
Straftaten sind 6 264 723 zu viel. Wir dürfen uns mit dieser Zahl nicht zufrie-
den geben.

Einzelne Aussagen der Polizeilichen Kriminalstatistik geben ebenfalls Anlass
zu großer Besorgnis:

– Die Zahl der Tatverdächtigen bei der Gruppe der Heranwachsenden (18 bis
unter 21 Jahre) ist deutlich angestiegen: 247 586 Tatverdächtige wurden
allein in dieser Altersgruppe registriert; die Heranwachsenden stellen damit

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einen Anteil von 10,8 % aller Tatverdächtigen, obwohl ihr Anteil an der
Gesamtbevölkerung lediglich 3,4 % beträgt.

– Die Zahl der Tatverdächtigen bei der Gruppe der Jugendlichen (14 bis unter
18 Jahre) ist zwar in den vergangenen beiden Jahren leicht zurückgegangen,
aber die absolute Zahl beträgt immerhin noch 294 467. Die Jugendlichen
stellen damit einen Anteil von 12,9 % aller Tatverdächtigen, obwohl ihr An-
teil an der Gesamtbevölkerung lediglich 4,4 % beträgt.

– Bei den Kindern (unter 14 Jahre) wurden immerhin 145 834 Tatverdächtige
registriert, eine erschreckend hohe Zahl. Besonders besorgniserregend ist
hier der überproportionale Anstieg der Körperverletzungs- und Raubdelikte.

– Überhaupt nimmt die Gewaltkriminalität zu; auffällig ist hier insbesondere
die Zunahme der gefährlichen und schweren Körperverletzungen.

– Besonders besorgniserregend ist der Anstieg der registrierten Rauschgift-
delikte um 7,8 %. Dabei ist vor allem erschreckend, dass die Zahl der erst-
auffälligen Konsumenten harter Drogen um fast 10 % auf 22 584 Personen
und die Zahl der Drogentoten um 12 % auf 2 030 angestiegen ist.

Die Stagnation der Kriminalitätszahlen auf hohem Niveau ist kein unabänder-
liches Naturgesetz. Sie ist auch Folge verfehlter Kriminalitäts- und Sicherheits-
politik. Jedenfalls ist die Sicherheitslage in unionsgeführten Ländern signifi-
kant besser als in vielen sozialdemokratisch regierten Ländern. Die Menschen
sollen sich in unserem Land ohne Angst vor Verbrechen sicher und zu Hause
fühlen. Der Schutz der Bürger muss Maßstab unseres Handelns sein. Innere
Sicherheit verträgt keine Experimente zu Lasten der Bevölkerung.

I. Bekämpfung der Alltagskriminalität

Vandalismus, Schmierereien und Belästigungen, etwa durch aggressives Bet-
teln, offene Drogenszenen, die Verwahrlosung von Straßen und Plätzen sowie
die Beschädigung öffentlicher Verkehrsmittel beschäftigen die Bürgerinnen und
Bürger oft mehr als spektakuläre Verbrechen. Das Rechtsbewusstsein nimmt er-
heblichen Schaden, wenn solche Delikte nur deshalb nicht mehr strafrechtlich
verfolgt werden, weil sie massenhaft begangen werden. Hemmschwellen wer-
den so gesenkt, Rechtsbrecher ermutigt und kriminelle Karrieren begünstigt.

Der Deutsche Bundestag fordert die Länder auf:

– die Strafverfahren im Bereich der Kleinkriminalität durch abgestimmte Ver-
fahrensweisen zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft zu beschleunigen
und hierdurch die Sanktionsquote zu erhöhen;

– der Verwahrlosung von Orten der offenen Drogenszene oder Treffpunkten
alkoholisierter Obdachloser entschiedener entgegenzutreten.

Der Deutsche Bundestag erklärt,

– dass er die Strafbarkeit von Graffiti-Schmierereien in den Tatbeständen der
Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und der gemeinschädlichen Sachbeschädi-
gung (§ 304 StGB) durch geeignete Ergänzungen klarstellen werde;

– dass er beabsichtigt, den Gerichten ein flexibleres und effektiveres Sank-
tionsinstrumentarium an die Hand zu geben und dabei insbesondere das
Fahrverbot zu einer vollwertigen Hauptstrafe aufzuwerten.

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II. Präsenz der Polizei und Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten

Die Polizei ist für alle Bürger da. Sie muss so organisiert und strukturiert wer-
den, dass sie sofort erreichbar und schnell am Ort des Geschehens ist. Eine
„sichtbare“ Polizei verstärkt das Sicherheitsgefühl der Menschen. Dazu kann
insbesondere die Einrichtung kleinerer Polizeidienststellen im ländlichen Raum
beitragen. Durch den offenen Einsatz von Videotechnik an Kriminalitätsbrenn-
punkten kann Kriminalität vorgebeugt, ihre Häufigkeit reduziert und die Auf-
klärung von Straftaten gesteigert werden. Erste Erfahrungen mit offener Video-
überwachung sind positiv und zeigen einen Rückgang von Straftaten.

Der Deutsche Bundestag fordert:

– die Einführung einer gesetzlich geregelten offenen Videoüberwachung in
allen Ländern;

– eine Regelung über die Aufzeichnung und Auswertung der Bilder für Zwe-
cke der Strafverfolgung.

III. Kommunale Kriminalprävention und bürgerschaftliche Beteiligung

Verhütung von Kriminalität geht alle an. Dort wo Kriminalität entsteht und sich
zuerst auswirkt, sind die Ursachen und kriminalitätsfördernden Umstände kon-
kret anzugehen. Dies kann wirksam nur im vernetzten Zusammenwirken aller
für die Erziehung, Lebensgestaltung und das gesellschaftliche Zusammenleben
Verantwortung Tragender erfolgen.

Besonderes Gewicht kommt der bürgerschaftlichen Beteiligung an der Polizei-
arbeit zu. Das bürgerschaftliche Engagement ist für die innere Sicherheit zu
nutzen und zu fördern. Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Berlin, Branden-
burg und Sachsen haben mit der Einrichtung von freiwilligen Polizeihelfern
sowie einer ehrenamtlichen Sicherheitswacht (sog. Sicherheitspartnerschaften)
die Möglichkeit eröffnet, dass sich Bürger aktiv an der Arbeit beteiligen können.
Das Aufgabenfeld solcher Sicherheitspartnerschaften ist auch die kommunale
Kriminalprävention. Die Bürger wirken im Umfeld von Kinderspielplätzen,
Schulen und Kindergärten durch Streifen mit. Sie unterstützen Betreuungsange-
bote für gefährdete Jugendliche und wirken in der Verkehrsprävention mit. Sie
sind präsent in Angsträumen, wie Parkhäusern und öffentlichen Anlagen, und
stellen einen Begleitdienst in öffentlichen Verkehrsmitteln für Schüler und
Senioren.

Der Deutsche Bundestag fordert:

– den Ausbau der von Kommunen, Polizei, Schulen, Jugend- und Sozialarbeit,
Kirchen, Vereinen, Verbänden, der Wirtschaft und nicht zuletzt von der
gesamten Bürgerschaft getragenen kommunalen Kriminalprävention;

– die Stärkung hierzu geschaffener „Kriminalpräventiver Räte“ und „Sicher-
heitspartnerschaften“ sowie die Förderung bürgerschaftlichen Engagements;

– die Schaffung von Anreizen zum Mitwirken an solchen Sicherheitspartner-
schaften.

IV. Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität

Die Kriminalität bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ist in den
vergangen Jahren dramatisch angewachsen, seit 1993 um mehr als 66 %. Die
Zahlen für 2000 stagnieren auf hohem Niveau: Ein leichter Rückgang bei den
unter 18-Jährigen wird durch einen weiteren Anstieg in der Gruppe der 18- bis
20-Jährigen kompensiert. Über 30 % aller Tatverdächtigen sind jünger als

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21 Jahre! Vor allem die Zunahme an Gewaltanwendung gibt zu erheblicher
Sorge Anlass.

Es ist dringend geboten, diesen Fehlentwicklungen entgegenzutreten. Die wich-
tigsten Beiträge dazu leistet eine auf Wertevermittlung ausgerichtete Erziehung
in Familie, Kindergärten, Schule und Freizeiteinrichtungen sowie die Jugend-
arbeit der Kirchen und Vereine. Jedoch bedarf es auch einer Korrektur durch
den Gesetzgeber.

Der Deutsche Bundestag erklärt, dass er folgende Gesetzesänderungen zu be-
schließen beabsichtigt:

– Schaffung einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für ein richterliches Erzie-
hungsgespräch;

– Klarstellung, dass eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinne der einschlä-
gigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) insbesondere dann
zu vermuten ist, wenn das Kind wiederholt in erheblicher Weise gegen Straf-
gesetze verstoßen hat;

– Schaffung einer Rechtsgrundlage für das Familiengericht, in geeigneten
Fällen dem Minderjährigen selbst aus erzieherischen Gründen Weisungen
zu erteilen;

– Einführung eines „Warn- oder Einstiegsarrests“. Der Richter soll neben
einer Bewährungsstrafe Jugendarrest anordnen können, da eine zur Bewäh-
rung ausgesetzte Jugendstrafe als Bestrafung oftmals kaum wahrgenommen
wird, wohingegen dem Jugendlichen bei gleichzeitiger Anordnung eines
Jugendarrests der Ernst der Lage unmissverständlich vor Augen geführt
wird („Gelb-rote Karte“).

– Verankerung des Fahrverbotes als Zuchtmittel des Jugendstrafrechts. Da bei
Jugendlichen und Heranwachsenden Mobilität eine große Rolle spielt und
dem Führen von Kraftfahrzeugen erhebliches Prestige zukommt, verspricht
das Fahrverbot im Einzelfall eine große erzieherische Wirkung. Es sollte da-
her auch bei solchen Taten anwendbar sein, die nicht im Zusammenhang mit
dem Straßenverkehr stehen.

– Einführung einer neuen Sanktion „Meldepflicht“. Dem Richter soll es
ermöglicht werden, dem Verurteilten die Pflicht regelmäßiger Meldung bei
einer amtlichen Stelle aufzuerlegen und auf diese Weise insbesondere den
Besuch bestimmter Veranstaltungen unmöglich zu machen;

– Erhöhung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens bei heranwachsenden
Intensiv- und Gewalttätern. Bei schwersten Verbrechen Heranwachsender
soll das Gericht über das derzeitige Höchstmaß von zehn Jahren hinaus eine
Jugendstrafe von bis zu 15 Jahren verhängen können, auch um eine augen-
fällige Diskrepanz gegenüber erwachsenen Straftätern, die das 21. Lebens-
jahr gerade vollendet haben, zu überwinden;

– Klarstellung, dass Straftaten Heranwachsender – dem Willen des Gesetzge-
bers entsprechend – in der Regel nach allgemeinen Strafrecht zu ahnden
sind, die Anwendung von Jugendstrafrecht hingegen die zu begründende
Ausnahme darstellt. Derzeit wird selbst bei schweren und schwersten Straf-
taten vielfach schematisch und ohne nähere Prüfung auf Heranwachsende
das Jugendstrafrecht angewandt;

– Beschleunigung der Jugendstrafverfahren, weil gerade bei jungen Straftätern
die erzieherische Maßnahme der Tat auf dem Fuß folgen muss. Geboten
erscheint insoweit die Einführung des Beschleunigten Verfahrens auch in
Jugendstrafsachen sowie die Möglichkeit, die Vorführung anzuordnen oder

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einen Haftbefehl zu erlassen, wenn der Jugendliche der mündlichen Ver-
handlung unentschuldigt fernbleibt.

V. Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität

Drogenabhängigkeit beraubt Menschen ihrer Freiheit und Würde. Die Droge
diktiert ihren Lebensablauf. Sucht schädigt das familiäre und soziale Umfeld.
Missbrauch führt zur Verarmung, Verelendung und oftmals zum Tod. Beschaf-
fungskriminalität beeinträchtigt die Sicherheit der Bevölkerung ganz erheblich.
Die Entwicklung der Rauschgiftkriminalität verläuft dramatisch. Schon der
Anstieg der registrierten Rauschgifttoten in den vergangenen Jahren belegt dies
auf traurige Weise. Die von der Polizei registrierte Rauschgiftkriminalität weist
von 1994 bis 2000 eine Steigerung von rund 85 Prozent auf. Die Situation ist
gekennzeichnet durch eine hohe Verfügbarkeit illegaler Drogen, verbunden mit
aggressiven Marktstrategien der Dealer, und ein eingeschränktes Risikobe-
wusstsein junger Menschen, vor allem hinsichtlich Cannabis und der Party-
droge Ecstasy.

Erstes Ziel einer verantwortlichen Drogenpolitik muss es sein, die Anzahl der
Drogenkonsumenten möglichst gering zu halten. Der Deutsche Bundestag
fordert deshalb, die Diskussion um die Freigabe von Drogen zu beenden.

Die Strafvorschriften des Betäubungsmittelrechts dienen dem Ziel, die Verfüg-
barkeit von Drogen zu reduzieren und damit präventiv gegen die Ausbreitung
von Sucht zu wirken. Ein ganzheitlicher Ansatz in der Drogenpolitik muss in-
des auf drei Säulen aufbauen: Prävention – Repression – Therapie. Der Schutz
der Nichtsüchtigen ist durch vorbeugende Aufklärung über die Gefahren des
Drogenkonsums und die gesellschaftliche Ächtung von Rauschgift zu gewähr-
leisten. Es müssen zur Prävention Kurse für Eltern und Erzieher eingerichtet
werden. Die Polizei muss konsequent gegen Drogendealer vorgehen und den
einfachen Zugriff auf Drogen verhindern; offene Drogenszenen dürfen nicht
geduldet werden. Gegen ihre Entstehung ist bereits im Ansatz mit aller Ent-
schiedenheit vorzugehen. Der Drogenhandel ist auch durch das konsequente
Abschöpfen der in diesem Kriminalitätsbereich erzielten Gewinne zu bekämp-
fen. Diejenigen, die Hilfe aus der Sucht suchen, dürfen nicht allein gelassen
werden. Sie müssen medizinische und soziale Angebote erhalten. Dazu bedarf
es ausreichender Plätze in Beratungseinrichtungen sowie für Entzug, Therapie
und Nachsorge.

VI. Bekämpfung der von Ausländern begangenen Straftaten

Der Anteil der Ausländer (Drittstaatsangehörige ohne EU-Bürger) am Krimina-
litätsgeschehen ist – auch nach Abzug von ausländerspezifischen Delikten –
immer noch mehr als doppelt so hoch als ihr Anteil an der Bevölkerung. Grund
dafür ist allerdings nicht, dass „die Ausländer“ generell krimineller wären als
ihre deutschen und EU-Nachbarn. Grund ist vielmehr die besondere Zusam-
mensetzung der ausländischen Wohnbevölkerung (so sind Ausländer in der be-
sonders kriminalitätsanfälligen Bevölkerungsgruppe der jungen, männlichen
und in der Großstadt lebenden Personen überrepräsentiert), ein hoher Anteil
von ausländischen Straftätern, die sich hier nur vorübergehend oder illegal auf-
halten („importierte Kriminalität“), sowie die Tatsache, dass viele Ausländer in
schwierigen sozialen Verhältnissen leben. Von den im Jahr 1999 anhängigen
Verfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität hatten über drei Viertel
internationalen Bezug. Weit über die Hälfte der Tatverdächtigen waren Aus-
länder.

Die Rechtstreue von Ausländern hängt auch entscheidend von ihrer Bereit-
schaft und Fähigkeit zur Integration ab. Je besser die Integration gelingt, umso
geringer ist die Kriminalitätsanfälligkeit und umgekehrt. Auch deshalb legt der

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Deutsche Bundestag großen Wert auf die Integration der rechtmäßig und dauer-
haft hier lebenden Ausländer. Bei ausländischen Straftätern muss aber die Mög-
lichkeit der Haftverbüßung im Heimatland verstärkt umgesetzt werden. Auf die
Zustimmung des Straftäters zur Haftverbüßung im Heimatland darf es hierbei
nicht ankommen.

Der Deutsche Bundestag fordert:

– dass schon eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zur Ausweisung
bzw. Abschiebung führen muss. Angesichts der verhängten geringen Frei-
heitsstrafen bei schon recht schweren Taten erscheint es nicht sachgerecht,
die nach dem Ausländergesetz zwingende Ausweisung an eine Freiheits-
oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren zu knüpfen;

– dass ausländische Verurteilte verhängte Freiheitsstrafen auch ohne ihre Zu-
stimmung regelmäßig in ihren Heimatländern verbüßen sollten und dass
die Bundesregierung die entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarungen
ohne Abstriche unverzüglich umsetzen möge.

VII. Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und Abschöpfung von Ver-
brechensgewinnen

Der Deutsche Bundestag betrachtet die Zunahme Organisierter Kriminalität mit
besonderer Sorge. Typische Erscheinungsformen der Organisierten Krimina-
lität finden sich im Rauschgift- und Waffenhandel, im Menschenhandel und in
der Schleuserkriminalität, in der Wirtschafts-, Fälschungs-, Eigentums- und
Umweltkriminalität sowie im Bereich der Prostitution. Organisierte Krimina-
lität ist durch hochentwickelte Konspiration, abgeschottete Strukturen, interna-
tionale Arbeitsteilung und Logistik gekennzeichnet.

Die Bedrohung durch Straftaten der Organisierten Kriminalität stellt weiterhin
eine Herausforderung von Staat und Gesellschaft dar. Seit 1993 bewegt sich die
Zahl anhängiger Ermittlungsverfahren im Bereich der Organisierten Krimina-
lität konstant bei ca. 800; der durch die Organisierte Kriminalität verursachte
Schaden liegt Schätzungen zufolge in Milliardenhöhe.

Der Deutsche Bundestag fordert:

– den Verfassungsschutz in die Lage zu versetzen, im Rahmen von Vorfelder-
mittlungen Strukturaufklärungen zu unternehmen und die gewonnenen Er-
kenntnissen an die Justizbehörden weiterzugeben;

– anlassunabhängige Kontrollen im Bereich des internationalen Verkehrs. Der
Organisierten Kriminalität, die international und in hohem Maße mobil ist,
kann nur so wirksam begegnet werden.

Der Deutsche Bundestag erklärt, dass er durch entsprechende Gesetzesänderun-
gen beabsichtigt:

– eine Kronzeugenregelung für Straftaten, die dem Kernbereich der Organi-
sierten Kriminalität zugehören, wieder einzuführen. Bei dieser Regelung
kann die Strafe abgemildert, gegebenenfalls sogar von Strafe abgesehen
werden, wenn der Beteiligte dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen
eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden kann. Denn vielfach kommen
die Strafverfolgungsbehörden nur mit Hilfe von Insidern an Hintermänner
und Drahtzieher heran;

– die Telefonüberwachung bei Korruption, bei sämtlichen Formen des schwe-
ren Menschenhandels sowie bei anderen Formen schwerer Kriminalität

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zuzulassen, wenn die Strafverfolgung auf andere Weise aussichtslos oder
wesentlich erschwert ist;

– eine klare und praxisnahe Rechtsgrundlage für den Einsatz Verdeckter
Ermittler zu schaffen;

– den Einsatz von Videotechnik zur Wohnraumüberwachung zu ermöglichen
und die Regelung über die akustische Wohnraumüberwachung zu verschär-
fen, da die geltende Regelung zu viele Schlupflöcher für Rückzugsräume der
Organisierten Kriminalität lässt.

Bei der Bekämpfung Organisierter Kriminalität kommt der Abschöpfung von
Verbrechensgewinnen eine besondere Bedeutung zu. Täter in den Bereichen
der Organisierten Kriminalität, Wirtschafts- oder Bandenkriminalität, der ge-
werbs- oder serienmäßig begangenen Straftaten erzielen aus ihrer Begehung
erhebliche Gewinne. Diese dienen nicht nur der Finanzierung eines luxuriösen
Lebenswandels. Vielmehr werden die Gewinne in neue Straftaten investiert,
über Vermögensübertragungen und international angelegte Finanztransfers ver-
schleiert oder in den legalen Wirtschaftskreislauf eingebracht. Gewinnerzielung
ist der wesentlichste Antrieb der Organisierten Kriminalität. Ein Entzug finan-
zieller Ressourcen und Logistik muss die Organisierte Kriminalität an ihrem
Lebensnerv treffen.

Der Deutsche Bundestag fordert:

– eine Verschärfung der Vorschriften zur Gewinnabschöpfung, insbesondere
Änderungen im Verfallsrecht;

– die Finanzermittlungen zum Aufspüren und Sicherstellen von Vermögen als
festen Bestandteil der Strafverfolgung anzusiedeln und hierzu eine ausrei-
chende Anzahl dafür ausgebildeter und möglichst ausschließlich für diese
Aufgaben eingesetzter Kriminalbeamter und Staatsanwälte zur Verfügung
zu stellen;

– das abgeschöpfte Geld zur Entschädigung der Opfer einzusetzen und im
Übrigen unmittelbar der Polizei und Justiz zur Kriminalitätsbekämpfung
zuzuweisen.

VIII. Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität

Nicht nur im Bereich der Organisierten Kriminalität sind nationale Grenzen für
Straftäter kaum mehr ein Hindernis. Der Wechsel in einen anderen Staat oder
die internationale „Tätigkeit“ verschaffen dem Kriminellen einen Vorsprung,
weil die Strafverfolgungsbehörden bürokratische Barrieren bei der Ermittlung
oder Verfolgung im anderen Land zu überwinden haben. Diese Hindernisse
sind zu beseitigen.

Der Deutsche Bundestag fordert:

– den Ausbau der Aufgaben und Befugnisse von EUROPOL mit dem Ziel,
EUROPOL zu einer BKA-ähnlichen Einrichtung zu entwickeln. Diese Ins-
titution soll für den Bereich der Europäischen Union das leisten, was das
BKA für die Bundesrepublik Deutschland leistet. Sie soll nicht nur mit
Koordinierungsaufgaben betraut werden, sondern eigene operative Befug-
nisse erhalten;

– in entsprechender Weise eine Erweiterung der Aufgaben und Befugnisse von
EURO-JUST bis hin zu einer europäischen Staatsanwaltschaft;

– die Einrichtung einer europäischen Polizeiakademie;

Drucksache 14/6539 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– die Möglichkeit, Beschuldigte, Zeugen und Sachverständige nicht nur
unionsweit zu laden, sondern auch ihr Erscheinen in einem anderen
EU-Staat zwangsweise durchzusetzen;

– dass die Polizeibehörden in der Europäischen Union sich insbesondere zur
Bekämpfung der Massenkriminalität gegenseitig bei Ermittlungsersuchen
Amtshilfe leisten, um den zeitaufwendigen Weg über die internationale
Rechtshilfe zu ersparen;

– eine Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von strafprozessualen
Entscheidungen in Ermittlungs- und Strafverfahren;

– eine Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit und des Informations-
austausches auch mit dem außereuropäischen Ausland zur Kriminalitäts-
bekämpfung, insbesondere in den Bereichen Drogenschmuggel, Menschen-
und Waffenhandel, Terrorismus und Geldwäsche.

IX. Bekämpfung des Extremismus

Der Deutsche Bundestag fordert Wachsamkeit gegenüber jeder Form von In-
toleranz, Extremismus und Gewalt. Notwendig ist ein entschlossener Kampf
gegen jede Form von Intoleranz, Hass und Gewalt – ganz gleich, aus welchen
politischen Motiven die Täter handeln. Es darf keine Toleranz gegenüber In-
toleranz geben.

Da extremistische Parteien, Organisationen und Personen aggressiver und
gewaltbereiter werden, muss die wehrhafte Demokratie mit allen ihr zur Ver-
fügung stehenden Mitteln dagegen vorgehen. Um diesen Kampf erfolgreich zu
führen, werden fundierte Informationen benötigt. Dafür ist notwendig, dass die
Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder über ausreichende Mittel
und Personal verfügen, um ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen zu können. Wer
den Verfassungsschutz einschränken oder gar abschaffen will, beseitigt ein
wesentliches Element der Verteidigungsfähigkeit unseres Staates und seiner
Sicherheitsvorsorge.

Der Deutsche Bundestag fordert:

– alle rechtlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung des Extremismus zu nutzen
und insbesondere verfassungsfeindliche Bestrebungen intensiv vom Verfas-
sungsschutz, auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln, zu beobachten;

– Veranstaltungen von Extremisten genau auf ihre Zulässigkeit zu prüfen,
durch polizeiliche Maßnahmen zu überwachen und – soweit rechtlich zuläs-
sig – zu unterbinden;

– Verbotsmöglichkeiten nach dem Vereinsrecht sowie die Möglichkeit des
Entzuges der durch ein Finanzamt gewährten Gemeinnützigkeit konsequent
zu nutzen;

– gegen die Herstellung und Verbreitung extremistischer, vor allem rassis-
tischer und gewaltverherrlichender Texte, Bilder und Symbole gezielt vor-
zugehen.

Aufzüge von Extremisten können mit dem bestehenden versammlungsrecht-
lichen Instrumentarium kaum hinreichend verhindert werden. Der Deutsche
Bundestag erklärt deshalb, dass er eine Änderung des Versammlungsgesetzes
zu beschließen beabsichtigt, mit der die Regelung über befriedete Bezirke er-
weitert und ein Versammlungsverbot schon bei der Gefahr einer nachhaltigen
Beeinträchtigung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland ermög-
licht wird.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/6539

X. Bekämpfung der Hochtechnologie-Kriminalität

In den letzten Jahren haben sich kriminelle Handlungen im weltweiten Daten-
netz drastisch vermehrt. Notwendig ist ein Bündel von Maßnahmen vor allem
im Bereich der Prävention. Die Hersteller von Programmen sind aufgerufen,
ihre Produkte sicherer zu machen. Aber auch die Nutzer müssen nachhaltig
sensibilisiert werden. Dies gilt namentlich für die Wirtschaft in Bezug auf die
besonders schadensträchtige Wirtschaftsspionage. Zudem bedarf es einer Ver-
besserung der internationalen Zusammenarbeit. Für den Bereich des Straf- und
Strafverfahrensrechts nimmt der Deutsche Bundestag mit Sorge zur Kenntnis,
dass sich die Bundesregierung unter Rücksichtnahme auf internationale Ver-
handlungen über Mindeststandards auf eine abwartende Haltung zurückgezo-
gen hat.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Empfehlung im
„Vierten Zwischenbericht der Enquete-Kommission Zukunft der Medien in
Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesell-
schaft“ vom 22. Juni 1998, den derzeitigen Strafrechtsschutz gegen das Frei-
setzen von Computerviren und ähnlichen Programmen ebenso wie die Prakti-
kabilität des geltenden Strafverfahrensrechts einer Prüfung zu unterziehen
(Drucksache 13/11002, S. 125), unverzüglich umzusetzen und es nicht bei den
bloßen Ankündigungen zu belassen, auf die sich ihre Antwort auf die Große
Anfrage der Fraktion der CDU/CSU „Wirksamer Schutz vor Computeratta-
cken“ (Drucksache 14/6321, Fragen 10, 24 u. pass.) beschränkt.

XI. Konsequente Nutzung der DNA-Analyse

Die DNA-Analyse hat sich in den vergangenen Jahren als hervorragendes Be-
weismittel bewährt. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag für den Schutz der
Bevölkerung vor gefährlichen Straftaten. Dabei handelt es sich um ein Verfah-
ren mit bagatellhaftem Eingriffscharakter, weil die Erhebung und Auswertung
genetischer Fingerabdrücke in Strafverfahren ausschließlich der Identitätsfest-
stellung und nicht etwa der Erlangung von Informationen über personenbezo-
gene Eigenschaften dient. Zudem ermöglicht die DNA-Analyse auch den siche-
ren Nachweis der Unschuld von Verdächtigen. Gleichwohl lässt das geltende
Recht eine Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen
lediglich in sehr engen Grenzen zu. Gegen den Willen des Betroffenen ist die
DNA-Analyse derzeit insbesondere nur aus Anlass einer Straftat von erheb-
licher Bedeutung vorgesehen, obwohl diese Einschränkung weder kriminalis-
tisch sinnvoll noch verfassungsrechtlich geboten ist.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass
vielfach weniger gewichtige Straftaten – z. B. exhibitionistische Handlungen –
der Beginn einer kriminellen Karriere sind, an deren Ende schwerste Straftaten
stehen können. Insbesondere werden Sexualstraftaten in der Regel von Tätern
mit einer hohen kriminellen Vorbelastung begangen. Sobald im Einzelfall eine
derartige Entwicklung bereits anlässlich einer weniger gewichtigen Tat prog-
nostiziert werden kann, sollte mit der DNA-Analyse nicht gewartet werden
müssen, bis es tatsächlich zu Straftaten von erheblicher Bedeutung gekommen
ist.

Der Deutsche Bundestag fordert zum Schutze der Bevölkerung vor Sexualver-
brechen und anderen schweren Straftaten eine konsequente Nutzung der DNA-
Analyse.

Der Deutsche Bundestag appelliert an die Bevölkerung, sich freiwillig DNA-
Verfahren zu unterziehen, wenn in einzelnen Ermittlungsverfahren wegen
Straftaten von erheblicher Bedeutung der Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit
aus einer bestimmten Gemeinde oder Region stammt oder sich dort aufhält.

Drucksache 14/6539 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag erklärt, dass er durch entsprechende Gesetzesänderun-
gen beabsichtigt:

– künftig aus Anlass jedweder Straftat die richterliche Anordnung der DNA-
Analyse als möglich und ausreichend vorzusehen, sofern im jeweiligen Ein-
zelfall Grund zu der Annahme besteht, dass von dem Täter Sexualver-
brechen oder andere schwere Straftaten zu befürchten sind;

– längere Aufbewahrungsfristen für die gespeicherten Identifizierungsmuster
festzulegen. Auch später muss ein Abgleich mit an Tatorten gesicherten
Spuren möglich sein, wobei sie ausschließlich im Fall der Übereinstimmung
angezeigt werden müssten (so genannte schlafende Daten).

XII. Bekämpfung von Sexualstraftaten

Entsetzliche Verbrechen aus jüngster Zeit haben deutlich gemacht, dass der
Schutz der Allgemeinheit vor Sexualverbrechen und anderen schweren Strafta-
ten dringend der Verbesserung bedarf. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger
muss den hohen Rang einnehmen, der ihm gebührt. Dort, wo das geltende
Recht Defizite aufweist, muss der Staat entschlossen handeln; nur so wird er
seiner Verantwortung gegenüber den potenziellen Opfern und ihren Angehöri-
gen gerecht. Zur Bekämpfung von Sexualstraftaten sind daher neben der konse-
quenten Nutzung der DNA-Analyse weitere Maßnahmen notwendig.

Ein mit den Händen zu greifendes Defizit weist das geltende Recht insoweit
auf, als keine ausreichenden Möglichkeiten bestehen, gegen Straftäter vorzuge-
hen, deren Gemeingefährlichkeit sich erst im Verlauf des Strafvollzugs ergibt.
Sie müssen derzeit nach Vollverbüßung der verhängten Freiheitsstrafe entlassen
werden, auch wenn die Gefahr weiterer schwerster Straftaten droht. Denn nach
der gegenwärtigen gesetzlichen Konzeption besteht keine Möglichkeit, die Si-
cherungsverwahrung anzuordnen, falls sich erst im Strafvollzug zeigt, dass die
Gefahr weiterer schwerer Straftaten gegeben ist. Damit zwingt das Gesetz dazu,
die mit einer Entlassung hochgefährlicher Täter verbundenen Risiken einzuge-
hen und im Extremfall abwarten zu müssen, bis sich der Täter erneut in schwer-
wiegender Weise vergangen hat.

Besonders der Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch bedarf weiterer
Verbesserung. Jährlich werden bundesweit mehr als 15 000 Fälle sexuellen
Missbrauchs von Kindern registriert; die entsprechende Dunkelziffer dürfte um
ein Vielfaches höher liegen. Eine Erhöhung der einschlägigen Strafrahmen des
Strafgesetzbuches (StGB) ist deshalb unabdingbar, um die generalpräventive
Wirkung zu stärken. Nur so wird dem hohen Rang der durch das Sexualstraf-
recht geschützten Rechtsgüter in angemessener Weise Rechnung getragen.

Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs schließlich ist ein bewährtes und
äußerst effizientes Instrument der Strafverfolgung. Aus Gründen der Verhält-
nismäßigkeit ist sie beschränkt auf eine Auswahl besonders gravierender Straf-
taten. Kindesmissbrauch sowie die Verbreitung von Kinderpornographie fallen
derzeit nicht unter diesen Katalog. Diese Einschränkung ist in hohem Maße
unbefriedigend. Denn gerade zum Schutze der Schwächsten in unserer Gesell-
schaft darf ein derart effizientes Mittel der Strafverfolgung nicht von vornhe-
rein ausgeschlossen sein.

Der Deutsche Bundestag erklärt, dass er durch entsprechende Gesetzesänderun-
gen beabsichtigt, den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern zu
erhöhen, insbesondere durch:

– die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung einer Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung. Künftig soll es möglich sein, die Sicherungsverwah-
rung bis zum Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe anzuordnen,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/6539

sofern sich die Gefährlichkeit des Verurteilten (erst) im Verlaufe des Straf-
vollzugs erweist;

– eine Kennzeichnung der Grundfälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern
(§ 176 Abs. 1 und 2 StGB) als Verbrechen. Durch eine solche Strafschärfung
(Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) würde zugleich erreicht, dass bereits
die bloße Verabredung zum Kindesmissbrauch sowie der Anstiftungsver-
such unter Strafe gestellt sind;

– eine Anhebung der Mindeststrafe für die Herstellung und Verbreitung
kinderpornographischer Schriften;

– die Möglichkeit, auch im Falle des Verdachts des Kindesmissbrauchs oder
der Verbreitung von Kinderpornographie die Telefonüberwachung anzuord-
nen, wenn die Strafverfolgung auf andere Weise aussichtslos oder wesent-
lich erschwert wäre.

XIII. Opferschutz

Angesichts von jährlich über 6 000 000 registrierten Straftaten in der Polizei-
lichen Kriminalstatistik müssen Polizei und Strafverfolgungsbehörden zuneh-
mend auch die Situation der Geschädigten und der Opfer von Kriminalität und
Gewalt berücksichtigen. Opfer sind nicht nur die eigentlichen Gewaltopfer. Da-
neben sind es auch Menschen, an denen sonstiges kriminelles Unrecht began-
gen wurde und die über eine materielle oder körperliche Schädigung hinaus
seelisch verletzt sind. Darüber hinaus werden nicht alle Straftaten und damit
Opfer der Polizei bekannt (Dunkelfeld) und in der Polizeilichen Kriminalstatis-
tik abgebildet. So ist eine sehr hohe Dunkelziffer insbesondere bei Gewalt im
sozialen Nahraum und familiären Umfeld, deren Opfer überwiegend Kinder
und Frauen sind, anzunehmen. Damit werden jährlich Millionen Menschen in
eine Opferrolle gedrängt.

Der Deutsche Bundestag erklärt, dass er die bereits gesetzlich festgeschriebe-
nen Rechte für Opfer optimieren werde, um vor allem praktische Verbesserun-
gen zu bewirken, das so genannte Adhäsionsverfahren effizienter zu gestalten,
die Opferentschädigung zu steigern und angemessene Lösungen für Fälle der
Gewalt im sozialen Nahraum zu finden.

Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Auffassung, dass eine effiziente Straf-
verfolgung den besten Opferschutz darstellt. Auch dürfen die Interessen der
Opfer von Straftaten und der Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern hinter
dem Resozialisierungsinteresse nicht zurückstehen.

Berlin, den 3. Juli 2001

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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