Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.08.2023, Az. 30 W (pat) 72/21

30. Senat | REWIS RS 2023, 6743

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2019 115 355

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2023 unter Mitwirkung des Richters [X.] als Vorsitzendem sowie der Richterin [X.] und der Richterin kraft Auftrags Wagner

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 09 des [X.] vom 15. September 2021 wird aufgehoben, soweit darin der Widerspruch hinsichtlich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen

„Klasse 09: Herunterladbare elektronische Publikationen; Gespeicherte Computersoftware; Schutzmasken; Herunterladbare Computerprogramme;

Klasse 35: Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Hygienepräparate“

zurückgewiesen worden ist.

Die Löschung der angegriffenen Marke 30 2019 115 355 wird auch für diese Waren und Dienstleistungen angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 26. November 2019 angemeldete Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 20. Januar 2020 unter der Nummer 30 2019 115 355.3 für die Waren und Dienstleistungen

3

„[X.]: Radios; Herunterladbare elektronische Publikationen; Gespeicherte Computersoftware; Zeitaufzeichnungsgeräte; Herunterladbare Computerspielsoftware; Audiovisuelle Unterrichtsapparate; Schutzmasken; Brillen; Smartphones; Herunterladbare Computerprogramme;

4

Klasse 14: Legierungen aus Edelmetall; Rohes oder geschlagenes Gold; Juwelierwaren, Schmuckwaren; Armbanduhren; Schmuckschatullen; Achate; Strass [Edelsteinimitation]; Uhren; Unbearbeitetes oder getriebenes Silber; Furnituren [Schmuckzubehör];

5

[X.]: Werbung; Kommerzielle Verwaltung der Lizenzierung von Waren Seifen und Dienstleistungen für Dritte; Marketing; Verkaufsförderung [Sales promotion] für Dritte; Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Dienstleistungen einer Im- und Exportagentur; Geschäftsführung für freiberufliche Dienstleister; Verwaltungstechnische Bearbeitung von Bestellungen; Sponsorensuche; [X.] in Bezug auf pharmazeutische, medizinische und veterinärmedizinische Artikel sowie Hygienepräparate“

6

in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 21. Februar 2020.

7

Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus insgesamt drei für die Widersprechende registrierten Marken, nämlich aus der u.a. für die Waren

8

„Seifen, Parfümeriewaren, Zahnputzmittel; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; elektrische, photographische, Filmapparate und -instrumente soweit in Klasse 9 enthalten, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; [X.]netaufzeichnungsträger, Schallplatten; …. Bekleidungsstücke, auch Sportbekleidung, Kopfbedeckungen; … “

9

am 20. April 1999 angemeldeten und seit dem 21. September 1999 eingetragenen Wortmarke 399 22 430

Goldbär

sowie aus der für die Waren

„Klasse 30: Zuckerwaren“

seit dem 25. Juli 1978 eingetragenen Wortmarke 974 380

Goldbären

und der für die Waren

“Klasse 30: Zuckerwaren, feine Back- und Konditorwaren und nicht medizinische Kaugummis”

seit dem 25. April 2013 eingetragenen Wortmarke 30 2013 024 951

[X.]

wobei der Widerspruch sowohl auf den [X.] der [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2[X.]als auch auf den [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gestützt wurde.

Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für [X.] des [X.]s hat mit Beschluss vom 15. September 2021 unter Zurückweisung des weitergehenden Widerspruchs die Teillöschung der angegriffenen Marke für die Waren „Radios; Zeitaufzeichnungsgeräte; Herunterladbare Computerspielsoftware; Audiovisuelle Unterrichtsapparate; Smartphones“ angeordnet, da insoweit zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär unter Zugrundelegung einer originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft dieser Widerspruchsmarke, einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit sowie einer mittelgradigen Ähnlichkeit dieser Waren der angegriffenen Marke zu den für die Widerspruchsmarke registrierten Waren [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bestehe.

Hingegen scheide in Bezug auf die weiteren von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine [X.] sowohl in Bezug auf die Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär als auch die beiden übrigen Widerspruchsmarken 30 2013 024 951 [X.] und 974 380 Goldbären auch unter Berücksichtigung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 974 380 Goldbären für „Zuckerwaren“ aus, da die Waren sämtlicher Widerspruchsmarken keine Ähnlichkeit zu den weiteren von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufwiesen.

In Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke komme auch keine Löschung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] in Betracht.

Gegen die (Teil)Zurückweisung des Widerspruchs hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt, mit der sie zunächst die Löschung der angegriffenen Marke für sämtliche weiteren Waren und Dienstleistungen begehrte. In der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2023 hat sie den Widerspruch in Bezug auf die von der Zurückweisung betroffenen und damit beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke dahingehend beschränkt, dass dieser sich insoweit nur noch gegen die Zurückweisung des Widerspruchs hinsichtlich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen

„[X.]: Herunterladbare elektronische Publikationen; Gespeicherte Computersoftware; Schutzmasken; Herunterladbare Computerprogramme;

[X.]: Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; [X.] in Bezug auf Hygienepräparate“

richtet. Hinsichtlich der weiteren beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen hat sie den Widerspruch sowie die Beschwerde zurückgenommen.

Sie macht geltend, dass in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke eine [X.] jedenfalls mit der Widerspruchsmarke 974 380 Goldbären vorliege, da ausgehend von einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit der sich insoweit gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen entgegen der Auffassung der Markenstelle eine ausreichende Ähnlichkeit aufwiesen.

Die Widersprechende beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.]s vom 15. September 2021 aufzuheben, soweit darin der Widerspruch hinsichtlich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen

„[X.]: Herunterladbare elektronische Publikationen; Gespeicherte Computersoftware; Schutzmasken; Herunterladbare Computerprogramme;

[X.]: Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; [X.] in Bezug auf Hygienepräparate“

zurückgewiesen worden ist und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2019 115 355 auch für diese Waren und Dienstleistungen anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert, was auch für das Verfahren vor der Markenstelle gilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist hinsichtlich der allein noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen

„[X.]: Herunterladbare elektronische Publikationen; Gespeicherte Computersoftware; Schutzmasken; Herunterladbare Computerprogramme;

[X.]: Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; [X.] in Bezug auf Hygienepräparate“

der angegriffenen Marke begründet. Denn in Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen besteht (ebenfalls) eine [X.] zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär, so dass die angegriffene Marke über die von der Markenstelle angeordnete Teillöschung hinaus auch für diese Waren und Dienstleistungen zu löschen ist (§ 43 Abs. 1 Satz 2 [X.])

A. Die Frage, ob [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur [X.] [X.] 2020, 52 Rn. 41-43 – [X.] [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.] 2020, 870 Rn. 25 – [X.]/[X.]; [X.], 1058 Rn. 17 – [X.]; [X.] 2018, 79 Rn. 7 – [X.]/[X.]; [X.], 1104 ff. – [X.]/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 – [X.]; [X.], 283 Rn. 7 – [X.]/[X.] DEUTSCHE [X.]). Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu ü sind (vgl. [X.], a. a. [X.] Rn. 48 – [X.] [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; [X.] a. a. [X.] Rn. 25 – [X.]/INJEX).

Ausgehend davon besteht zwischen der Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär und der angegriffenen Marke hinsichtlich der im [X.] genannten Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke eine [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

1 . Dabei ist zunächst auf Seiten der Widerspruchsmarke in Zusammenhang mit den für eine Ähnlichkeit zu den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke allein in Betracht kommenden Waren „Seifen, Parfümeriewaren, Zahnputzmittel; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; elektrische, photographische, Filmapparate und -instrumente soweit in Klasse 9 enthalten, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; [X.]netaufzeichnungsträger, Schallplatten; …. Bekleidungsstücke, auch Sportbekleidung...“ von einer originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen, da es sich bei dem Markenwort Goldbär jedenfalls in Bezug auf diese Waren weder um eine beschreibende noch „sprechende“ Angabe handelt.

2. Weiterhin weisen die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär entgegen der Auffassung der Markenstelle eine jedenfalls überdurchschnittliche Ähnlichkeit auf.

a. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.], im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können ([X.] [X.] Int. 2010, 129 Rn. 60 – [X.]/[X.]]; [X.] WRP 2020, 1453 Rn. 23 – [X.]/YO; [X.], 382 Rn. 37 – [X.]). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.] ([X.] [X.] 2007, 700 Rn. 35 – [X.]/ Shaker [Limoncello/[X.]]; [X.] 2017, 1104 Rn. 27 – [X.]/[X.]).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (vgl. z. B. [X.] 2013, 833 Rn. 45 – Culinaria/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – [X.]/pure; [X.], 930 Rn. 22 – [X.]/ [X.]; [X.], 64 Rn. 15 – Maalox/[X.]), da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Beschreibende Bestandteile sind dabei nicht von vornherein und generell von der Beurteilung der Ähnlichkeit ausgenommen (vgl. [X.] [X.] 2020, 52 Rn. 49 – [X.] [Roslagspunsch/ [X.]]).

b. Ausgehend davon weisen die Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär und die angegriffene Marke aufgrund der Ausgestaltung der angegriffenen Marke als Wort-/Bildmarke und der dadurch bedingten Berücksichtigung des [X.] in Form der zeichnerischen Darstellung eines Bären (mit Schal) zwar nicht in schriftbildlicher, so jedoch in klanglicher und vor allem begrifflicher Hinsicht ganz erhebliche Ähnlichkeiten auf.

aa. Bei den in klanglicher Hinsicht nach dem Grundsatz „Wort vor Bild“ allein maßgeblichen Markenwörtern bzw. Wortbestandteilen Goldbär und „[X.]“ wird der angesprochene allgemeine Verkehr jeweils eine Kombination des identischen [X.]/[X.] Substantivs „Gold“ mit dem nicht nur bedeutungsgleichen, sondern in der [X.] wie [X.] Sprache klanglich weitgehend identisch artikulierten Begriff „Bär“ bzw. „[X.]“ erkennen, was zu einem weitgehenden Gleichklang der Markenwörter Goldbär und „[X.]“ führt.

bb. Vor allem jedoch wird der Verkehr die ihm ohne weiteres verständlichen und geläufigen Wortbestandteile beider Markenwörter begrifflich ohne weiteres einander zuordnen und daher auch ohne besondere Kenntnisse der [X.] Sprache in dem Markenwort „[X.]“ auf Anhieb die [X.] Entsprechung der Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär erkennen. Beide Begriffskombinationen wird er daher trotz ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Sprachen begrifflich gleichsetzen.

Dem steht auch der Bildbestandteil der angegriffenen Marke in Form einer zeichnerischen Darstellung eines Bären nicht entgegen, da dieser sich in einer Illustration des [X.] „[X.]“ erschöpft, so dass der Verkehr diesen sich im Wesentlichen in einer herkömmlichen zeichnerischen Darstellung eines Bären erschöpfenden Bildbestandteil dem Wortbestandteil „[X.]“ zuordnen und mit diesem gleichsetzen wird, woran auch der den Aussagegehalt des [X.] nicht wesentlich beeinflussende Schal um den Hals des dargestellten Bären nichts ändert.

cc. Insgesamt ist daher von einer zumindest überdurchschnittlichen Zeichenähnlichkeit zwischen den [X.] auszugehen.

3. In Anbetracht der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär sowie der jedenfalls überdurchschnittlichen Ähnlichkeit der angegriffenen Marke mit dieser Widerspruchsmarke kann dann aber im Rahmen der Gesamtabwägung eine [X.] zwischen diesen Zeichen nicht verneint werden, soweit sie sich nach der vorliegend mangels Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung maßgeblichen [X.] auf bzw. bei mehr als nur gering ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen können. Davon ist in Bezug auf die allein noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke auszugehen.

a. Eine Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der [X.] wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggfls. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie - was zu unterstellen ist - mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. [X.] [X.] 1998,922,923f., [X.]-29- [X.]; [X.] 2006,582, Rn. 85 - [X.]; [X.]2001,507,508 - [X.]/R[X.];[X.] 2006,941, [X.]; [X.] 2021,724,727, Rn.36- [X.]/PURE [X.]; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 9 Rdn. 59, 60 m. w. N.). In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden ([X.] 2014,1101, [X.] Gelbe Wörterbücher, mwN; [X.] 2021,724,727, Rn.36- [X.]/PURE [X.]). Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen und erhöhter Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke die Annahme einer [X.] wegen des Abstandes der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.] [X.] 1998,922, [X.] - [X.]; [X.] 2006,941, [X.]; [X.] 2009,484, [X.] - [X.]; [X.],1145, Rn.34- Pelikan; [X.] 2015,176, Rn.17 - [X.]/[X.];[X.] 2021,724,727, Rn.36- [X.]/PURE [X.]). Liegt nach diesen Grundsätzen eine absolute Waren- und Dienstleistungsunähnlichkeit vor, scheidet eine [X.] aus (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 9 Rn. 37, 63 mwN).

bb. Ausgehend davon besteht eine zur [X.] zwischen den [X.] führende mehr als nur geringe Ähnlichkeit zunächst zwischen den von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten Waren „Herunterladbare elektronische Publikationen; Gespeicherte Computersoftware; Herunterladbare Computerprogramme“ und den für die Widerspruchsmarke registriertenGeräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild“. Denn diese Waren der Widerspruchsmarke umfassen aufgrund der technischen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte oberbegrifflich nicht nur Geräte zur Aufnahme, Aufzeichnung, Übertragung, Bearbeitung und/oder Wiedergabe von analogen, sondern auch von digitalen Bild- und/oder Tonsignalen und/oder Daten, so dass es sich bei diesen in erster Linie, aber nicht ausschließlich der Unterhaltungselektronik zugehörigen Geräten begrifflich um Computer/ EDV-Hardware zur elektronischen Erfassung, Bearbeitung, dem Transport sowie der Aus- und Wiedergabe von Daten handeln kann.

Da die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen somit zum engeren Bereich der elektronischen Datenverarbeitung gehören können und die Hersteller von EDV-/Computergeräten und -anlagen oftmals auch die Grundsoftware für diese EDV-/Computergeräte bzw. -anlagen anbieten, demnach der Vertrieb von Computerhardware und dem zugehörigen Betriebssystem in der Regel als zusammengehörige Einheit unter der Verantwortung eines einzigen Herstellers erfolgen, besteht eine in aller Regel mittlere, jedenfalls aber mehr als nur geringe Ähnlichkeit (vgl. [X.] (pat) 30/04 - 33 W (pat) 91/07- [X.]/[X.] (pat) 30/04- TEECware/[X.]; 30 W (pat) 50/16 – [X.]/Schneider Electric)

Dies gilt nicht nur den von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten Waren „Gespeicherte Computersoftware; Herunterladbare Computerprogramme“, sondern auch für „Herunterladbare elektronische Publikationen“, da ein mit dem Begriff (elektronische) „Publikation“ definitionsgemäß bezeichnetes veröffentlichtes (elektronisches) „Werk“ als geschützte oder eine schützbare Schöpfung im Sinne des Urheberrechts (vgl. DUDEN-online zu „Publikation“) auch ein „Computerprogramm“ sein kann (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG).

bb. Eine mehr als nur sehr geringe Ähnlichkeit besteht weiterhin zwischen den von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten „Schutzmasken“ und den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren „Bekleidungsstücke, auch Sportbekleidung“. Diese Waren weisen vor dem Hintergrund, dass „Schutzmasken“ oberbegrifflich auch zB gegen Kälte schützende (Ski-)Masken im Outdoorbereich umfassen, Überschneidungen in der stofflichen Beschaffenheit und in ihrer Funktion als den Körper schützende Materialien auf. Dementsprechend treten Hersteller von oberbegrifflich unter „Bekleidungsstücke“ fallende Ski(unter)bekleidung auch als Hersteller von Schutzmasken in Form von vor Kälte schützenden Skimasken in Erscheinung. Vor diesem Hintergrund liegt für den Verkehr die Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft jedenfalls nicht so fern, dass von einer lediglich sehr geringen Ähnlichkeit oder sogar Unähnlichkeit dieser Waren ausgegangen werden kann; vielmehr besteht zwischen diesen Waren eine für eine [X.] ausreichende mehr als nur geringe Ähnlichkeit.

cc. Ebenso weisen die zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen „Großhandelsdienstleistungen in Bezug auf Hygienepräparate“ zu den für die Widerspruchsmarke registrierten Waren „Präparate für die Gesundheitspflege“ eine mehr als nur geringe Ähnlichkeit zueinander auf.

Für die Annahme einer Ähnlichkeit zwischen Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen und den auf sie bezogenen Waren reicht es aus, dass sich die Dienstleistungen auf die entsprechenden Waren beziehen und die angesprochenen Verkehrskreise auf Grund dieses Verhältnisses annehmen, die Waren und Dienstleistungen stammten aus denselben Unternehmen (vgl. [X.] 2014,378Rn.39- [X.];; [X.]; [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.] § 9 Rn. 124). Davon ist für das Verhältnis zwischen den Waren „Präparate für die Gesundheitspflege“ und den „[X.] in Bezug auf Hygienepräparate“ auszugehen. So können „Präparate für die Gesundheitspflege“ und „Hygienepräparate“ identisch sein, da für körperliche Hygiene bestimmte Produkte auch der Gesundheitspflege dienen können. Zudem bieten Händler, insbesondere Drogeriemärkte, in diesem Warensektor der Gesundheits- und/oder Hygieneprärate häufig neben dem Verkauf fremder Waren auch Waren mit eigenen Handelsmarken an (vgl. [X.] 2014, 378, 381 ([X.]) - [X.]), so dass eine mehr als nur geringe Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Waren und den darauf bezogenen [X.] nicht in Abrede gestellt werden kann.

dd. Von einer mehr als nur geringen Ähnlichkeit ist auch zwischen den für die Widerspruchsmarke 399 22 430 Goldbär registrierten Waren „Seifen, Parfümeriewaren, Zahnputzmittel; Präparate für die Gesundheitspflege; diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; elektrische, photographische, Filmapparate und -instrumente soweit in Klasse 9 enthalten, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; [X.]netaufzeichnungsträger, Schallplatten; …. Bekleidungsstücke, auch Sportbekleidung, … “ und der von der angegriffenen Marke zu [X.] weiterhin beanspruchten Dienstleistung „Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen“ auszugehen. Denn vor dem Hintergrund, dass die Betreiber von Handelsplattformen für Dritte wie [X.] seit Jahren und in zunehmenden Umfang auch eigene Waren und Dienstleistungen anbieten, liegt für den Verkehr die Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen jedenfalls nicht so fern, dass eine Ähnlichkeit zwischen diesen in Abrede gestellt werden könnte. [X.] diese auch nicht besonders ausgeprägt sein, so ist doch angesichts der vorgenannten Berührungspunkte von einer mehr als geringen und im Rahmen der Gesamtabwägung aller Faktoren für eine [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ausreichenden Ähnlichkeit auszugehen.

4. Daher ist die Löschung der angegriffenen Marke auch für diese von ihr beanspruchten Waren und Dienstleistungen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] anzuordnen.

5. Da die angegriffene Marke in Bezug auf die allein noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen bereits aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 399 22 430 Goldbär der Löschung unterliegt, ist der gegen diese Waren und Dienstleistungen gerichtete Widerspruch, soweit er auf die Wortmarken974 380 Goldbären und 30 2013 024 951 [X.] gestützt worden ist, (derzeit) gegenstandslos.

C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da Billigkeitsgründe für eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

Meta

30 W (pat) 72/21

17.08.2023

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.08.2023, Az. 30 W (pat) 72/21 (REWIS RS 2023, 6743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6743

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