Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.08.2011, Az. 28 W (pat) 100/10

28. Senat | REWIS RS 2011, 4024

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "RODIS/RHODIUS" – Warenidentität bzw. -ähnlichkeit – klangliche Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 63 884

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 16. August 2011 unter Mitwirkung der Richterin [X.] sowie [X.] und Schell

beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 3, 7 und 8

2

3

4

5

eingetragene Wortmarke

6

RODIS

7

wurde Widerspruch aus der prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 4 543 138

8

[X.]

9

eingelegt, die für die nachfolgend aufgeführten Waren der [X.], 7 und 8

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 7 des [X.] hat den Widerspruch zunächst zurückgewiesen, auf die Erinnerung der Widersprechenden hin dann aber die angegriffene Marke wegen bestehender Verwechslungsgefahr in vollem Umfang gelöscht. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der vorhandenen [X.] hielten die beiden Vergleichsmarken zumindest in klanglicher [X.]insicht nicht den erforderlichen Abstand ein, um die Gefahr von Verwechslungen sicher ausschließen zu können.

[X.]iergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung trägt sie vor, es fehle bei [X.] Aussprache bereits an einer relevanten phonetischen Ähnlichkeit der beiden Marken, da der Vokal „U“ in der Widerspruchsmarke betont werde und einen klanglichen Laut besitze. Außerdem würden die unter der angegriffenen Marke vertriebenen Produkte im Gegensatz zu den Waren der Widerspruchsmarke ausschließlich an Fahrzeug- und Industrielackierer geliefert, weshalb eine Verwechslungsgefahr auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheide.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle vom 28. Mai 2010 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende ist der Beschwerde entgegengetreten und hat zur Begründung auf die ihrer Meinung nach zutreffende Würdigung in dem angefochtenen Beschluss verwiesen. Angesichts identischer oder äußerst ähnlicher Vergleichswaren und der schriftbildlichen und klanglichen Ähnlichkeit der Markenwörter könne eine Verwechslungsgefahr keinesfalls ausgeschlossen werden.

Sie beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, da zwischen den Vergleichsmarken die Gefahr von Verwechslungen i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht.

Die [X.]auptfunktion einer Marke besteht darin, die mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen im [X.]inblick auf ihre betriebliche [X.]erkunft für die Verbraucher sicher von denen anderer Unternehmen unterscheidbar zu machen. Dadurch bietet sie für den Verkehr die Gewähr dafür, dass die mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt bzw. erbracht wurden, das dann auch ggf. für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (vgl. [X.], 210, 212, Rdn. 54 f. - [X.]/[X.]). Diese [X.]erkunftsfunktion wird beeinträchtigt, wenn Marken einander verwechselbar ähnlich sind und die beteiligten Verkehrskreise deshalb irrtümlich annehmen können, die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben bzw. aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Die Prüfung, ob eine Verwechslungsgefahr in diesem Sinne gegeben ist, erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Ähnlichkeit der wechselseitigen Waren und der Vergleichsmarken. Daneben ist aber vor allem auch die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke für die kollisionsrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung. Die einzelnen Faktoren sind dabei zwar zunächst voneinander unabhängig zu beurteilen, dann aber in der kollisionsrechtlichen Gesamtwürdigung in einer Art von Wechselbeziehung zu bewerten, so dass beispielsweise bei einem höheren Grad der [X.] eine Verwechslungsgefahr bereits bei einem weniger ausgeprägten Grad der Markenähnlichkeit vorliegen kann und umgekehrt (vgl. [X.] GRUR 2006, 237, 238, Rdn. 18 f. – [X.]; [X.] WRP 2006, 92, 93, Rdn. 12 – coccodrillo; sowie [X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rdn. 32 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einem normalen Schutzumfang des Widerspruchszeichens auszugehen.

Die [X.] beanspruchen identische bzw. hochgradig ähnliche Produkte, so dass sich im [X.]inblick auf die Markenähnlichkeit hohe Anforderungen an den Abstand ergeben, den das angegriffene Zeichen zum Widerspruchszeichen einzuhalten hat, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Soweit von der Beschwerdeführerin die vermeintlich unterschiedlichen Vertriebsmodalitäten der gegenseitigen Waren hervorgehoben wurden, vermag dieser [X.]inweis bereits deshalb kein anderes Ergebnis zu begründen, da in der kollisionsrechtlichen Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ausschließlich von der [X.] und nicht vom tatsächlichen Marktauftritt der Parteien auszugehen ist.

Die Ähnlichkeit von Vergleichsmarken ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie – soweit vorhandenen – ihres jeweiligen Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kann eine relevante Annäherung bzw. Übereinstimmung in einer der genannten [X.] ausreichen, um eine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu begründen (vgl. [X.] GRUR 2006, 413, 414 [Rz. 21] - [X.]/[X.]), soweit ihnen beim Vertrieb der Waren oder Dienstleistungen eine zur Begründung des erforderlichen Grades der Zeichenähnlichkeit hinreichende Bedeutung zukommt (vgl. [X.] GRUR 2006, 237, 239 - [X.]/Picasso).

In klanglicher [X.]insicht unterscheiden sich die beiden Markenwörter letztlich nur durch den zusätzlichen Buchstaben „U“ am Wortende des Widerspruchszeichens, da der Konsonant „[X.]“ am Wortanfang der Widerspruchsmarke ohne hörbare Auswirkungen bleibt. Auch der zusätzliche Vokal „U“ am Wortende entfaltet keine prägnante Auswirkung, stattdessen wird der phonetische Gesamteindruck der Vergleichsmarken durch die Übereinstimmungen in den ersten vier Buchstaben und dem Wortabschluss dominiert. Die Buchstabenfolge „

Diese Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen. Das Patentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung (§ 69 [X.]). Eine mündliche Verhandlung findet nur statt, wenn sie von einem Beteiligten beantragt wird, Beweis erhoben werden soll oder wenn der zur Entscheidung berufene Senat eine solche für sachdienlich hält. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt und auch der Senat hat eine solche nicht für sachdienlich erachtet. Auf den entsprechenden [X.]ilfsantrag der Beschwerdegegnerin kommt es nicht an, weil dieser Antrag nur für den Fall gestellt worden war, dass der Senat ihren Anträgen nicht bereits im schriftlichen Verfahren stattgeben sollte.

Meta

28 W (pat) 100/10

16.08.2011

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.08.2011, Az. 28 W (pat) 100/10 (REWIS RS 2011, 4024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4024

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