Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2015, Az. 4 StR 21/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10404

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Gegenstand

Strafverfahren: Revisionsrüge der Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines bereits gehörten Zeugen


Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Juli 2014 wird als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen „gewerbsmäßigen Betruges in 18 Fällen, davon in 14 Fällen tateinheitlich mit Urkundenfälschung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und bestimmt, dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen sowie materiell-rechtliche Beanstandungen gerichtete Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revisionsbegründungen sämtlicher Verteidiger der Angeklagten sind rechtzeitig bei Gericht eingegangen (§ 345 Abs. 1 StPO).

3

Hat ein Angeklagter mehrere Verteidiger, genügt zwar die Zustellung des Urteils an einen von ihnen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 [juris Rn. 7]; [X.], Beschluss vom 12. September 2012 - 2 [X.] jeweils mwN). Wird das Urteil aber mehreren Empfangsberechtigten zugestellt, beginnt die [X.] grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde ([X.], Beschluss vom 2. November 2010 - 1 [X.] [juris Rn. 23] mwN). Stellt das Gericht das Urteil daher mehreren Verteidigern zu, so läuft die [X.] für jeden dieser Verteidiger ab der letzten Zustellung, sofern diese innerhalb der bereits zuvor in Lauf gesetzten Frist erfolgt ist. Nur wenn die [X.] aufgrund der ersten Zustellung(en) bei einer der weiteren Zustellungen bereits abgelaufen war, wird durch diese keine neue Frist in Gang gesetzt ([X.], Beschluss vom 27. Juli 2012 - 1 StR 238/12, [X.], 435, 436 mwN).

4

Da hier sämtliche Zustellungen innerhalb der am 7. Oktober 2014 in Lauf gesetzten [X.] erfolgten, sind auch die am 10. November 2014 eingegangenen Begründungen rechtzeitig zu Gericht gelangt.

5

Des von Rechtsanwalt [X.]    mit [X.] vom 30. April 2015 „hilfsweise" gestellten [X.] bedurfte es daher nicht.

6

2. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

7

a) Die Verfahrensrügen, die die nochmalige Vernehmung der Zeugin J.    zum Gegenstand haben, greifen - wie der [X.] in der Antragsschrift vom 14. April 2015 ausgeführt hat - nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat:

8

Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit dieser [X.]. Wird in der Revision die Ablehnung eines Antrags auf Vernehmung eines bereits angehörten Zeugen geltend gemacht, muss nämlich mitgeteilt werden, dass und wozu der Zeuge in der Hauptverhandlung bereits ausgesagt hat ([X.], Urteile vom 13. Dezember 2001 - 5 [X.]; vom 21. März 2002 - 5 StR 566/01; vgl. auch [X.], Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12). Denn nur dann kann geprüft werden, ob es sich nicht um einen bloßen Antrag auf Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme oder auf Feststellung ihres Inhalts handelte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 3 [X.], [X.], 257, 258 f. - bei [X.]; vom 18. Februar 2004 - 2 StR 462/03, [X.], 630, 631; Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 [X.]) und ob der Antrag als Beweisantrag zu verbescheiden war oder als Beweisanregung abgelehnt werden durfte (vgl. [X.], Urteil vom 18. Mai 2000 - 4 [X.], [X.]St 46, 73, 80).

9

Ob hierfür - auch angesichts der Besonderheiten des Falles (vgl. [X.] f.) - der bloße Vortrag ausreicht, die Zeugin sei in ihrer früheren Vernehmung weder zu den nunmehr behaupteten Tatsachen befragt worden noch habe sie sich hierzu geäußert, kann dahinstehen. Die [X.] sind nämlich jedenfalls wegen fehlenden Beruhens (§ 337 Abs. 1 StPO) unbegründet. Denn die Verurteilung im Fall 4 der Urteilsgründe wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung begegnet schon deshalb keinen Bedenken, weil der [X.] des fingierten Verkaufs des [X.] an   [X.]    auch gefälschte [X.] vorgelegt wurden und der von M.     als „Geschäftswagen“ genutzte Pkw bereits kreditfinanziert erworben worden war, anschließend der Einkauf nochmals unter Übergabe (anderer) gefälschter Fahrzeugpapiere betrügerisch finanziert wurde (Fall 2 der Urteilsgründe) und erst dann die Finanzierung für den fingierten Ankauf durch   [X.]    erfolgte. Es kommt deshalb für die rechtliche Würdigung nicht darauf an, dass die [X.] - zusätzlich - eine Täuschung über die wahren finanziellen Verhältnisse des Darlehensnehmers durch Vorlage von Lohnbescheinigungen für   [X.]    bejaht hat. Dass die Angeklagte den Betrug durch mehrere unwahre Angaben bewirkt hat, hat die [X.] der Angeklagten auch nicht strafschärfend angelastet. Entsprechendes gilt im Fall 5. Dort liegt eine Täuschung bereits darin, dass die Finanzierung dem tatsächlich nicht beabsichtigten Einbau einer Gasanlage dienen sollte.

b) Auch im Übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Soweit sich die Revisionsführerin gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung sowie die Annahme von ([X.] und tatmehrheitlicher Begehung wendet, nimmt der Senat ebenfalls Bezug auf die Ausführungen des [X.]s in der Antragsschrift vom 14. April 2015 und bemerkt ergänzend:

aa) Zwar reicht ein mittelbarer Vorteil des Täters zur Begründung der [X.] nur aus, wenn er ohne Weiteres darauf zugreifen kann oder sich selbst geldwerte Vorteile aus den Taten über Dritte verspricht ([X.], Beschlüsse vom 13. September 2011 - 3 [X.], [X.], 339; vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215 jeweils mwN). Für die Annahme von [X.] ist aber weder erforderlich, dass der Täter seinen Lebensunterhalt allein oder auch nur überwiegend durch die Begehung von Straftaten bestreiten will ([X.], Urteil vom 9. März 2011 - 2 [X.], [X.]R StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2), noch dass er tatsächlich auf die betrügerisch erlangten Vermögenswerte zugegriffen hat; denn maßgeblich und ausreichend ist eine dahingehende Absicht ([X.], Beschluss vom 7. September 2011 - 1 StR 343/11, [X.], 373). Daher reichen betrügerisch erlangte Betriebseinnahmen für den Arbeitgeber zur Begründung gewerbsmäßigen Handelns eines Angestellten aus, wenn diese dem Täter mittelbar - etwa über das Gehalt oder Beteiligung an Betriebsgewinnen - zufließen sollen ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, [X.], 282, 283 mwN; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 263 Rn. 364).

Es kommt daher vorliegend nicht darauf an, ob das Autohaus neben den betrügerischen auch über „legale Einkünfte" verfügte und ob das Gehalt der Angeklagten tatsächlich bezahlt wurde und - falls ja - ob diese Gelder aus den betrügerischen Geschäften herrührten. Die Absicht der - nach den Feststellungen (trotz [X.] Mitte) - nicht als faktische Geschäftsführerin des Autohauses handelnden - Angeklagten, durch die Taten ihre und ihres Ehemannes Existenz zu sichern, genügt vielmehr. Dies hat das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt ([X.] 13).

Hinsichtlich des Schuldspruchs verweist der Senat darauf, dass das Vorliegen gesetzlicher Regelbeispiele für besonders schwere oder minder schwere Fälle nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist und die Kennzeichnung des Betrugs als "gewerbsmäßig" daher entbehrlich war (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2012 - 3 StR 458/12).

bb) Auch die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und deren vom [X.] vorgenommene Kompensation hält im Ergebnis der Überprüfung stand.

Zwar hat der Tatrichter Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen zu ermitteln und im Urteil konkret festzustellen ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124, 146). Der sachlich-rechtlich zu fordernde Erörterungsbedarf darf aber mit Rücksicht auf die vielen denkbaren Verfahrensvorgänge, die für die Entscheidung eine Rolle spielen können, nicht überspannt werden. Es reicht deshalb aus, wenn das Revisionsgericht anhand der Ausführungen im Urteil im Sinne einer [X.] nachvollziehen kann, ob die festgestellten Umstände die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] tragen und sich die [X.] innerhalb des dem Tatrichter insoweit eingeräumten [X.] hält (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2014 - 2 StR 308/13).

Dem werden die Urteilsausführungen (insbesondere auf [X.] 25) noch gerecht. Eine (zulässige) Verfahrensrüge ist nicht erhoben.

[X.][X.]

                           Mutzbauer                                    [X.]

Meta

4 StR 21/15

01.06.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 17. Juli 2014, Az: 25 KLs - 253 Js 27231/09 - 11/13

§ 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2015, Az. 4 StR 21/15 (REWIS RS 2015, 10404)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10404

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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