Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2010, Az. III ZR 12/10

3. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1059

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Gegenstand

Kapitalanlagebetrug im Zusammenhang mit der Beteiligung an einen Filmfonds: Vorsatznachweis bei unterlassenen für die Anlageentscheidung bedeutenden Angaben im Emissionsprospekt


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 18. Dezember 2009 - 20 U 2897/08 -, soweit dieses den Beklagten zu 2 betrifft, gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

1

Der Kläger erwarb durch auf Abschluss einer "Beitrittsvereinbarung" gerichtete Erklärungen vom 17. April 2001 und 27. August 2001 Beteiligungen an der [X.] in Höhe von insgesamt 150.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Der Beitritt wurde - dem von der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft herausgegebenen Prospekt entsprechend - über die [X.] zu 1, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als Treuhandkommanditistin nach einem im Prospekt Teil B abgedruckten Vertragsmuster "Treuhandvertrag und Mittelverwendungskontrolle" vorgenommen. Zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos aus der Filmvermarktung war im Emissionsprospekt vorgesehen, dass für einen Anteil von 80 % der Produktionskosten Sicherheiten bestehen sollten, etwa in Form von Ausfallversicherungen. Der Kläger, dessen wirtschaftliche Erwartungen sich nicht erfüllt haben, erhielt aus den Beteiligungen Ausschüttungen von 44,8 %, das sind 34.358,81 €.

2

Der Kläger hat die Treuhandkommanditistin und den [X.]n zu 2, Mehrheitsgesellschafter der Komplementärin und seinerzeit zugleich Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der [X.] und [X.] (im Folgenden: [X.]), Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus den Beteiligungen auf Rückzahlung des eingezahlten Betrags von - unter Berücksichtigung der genannten Ausschüttungen - noch 46.169,66 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er die Feststellung begehrt, dass die [X.]n ihm den Steuerschaden zu ersetzen hätten, der ihm durch eine etwaige nachträgliche Aberkennung von [X.] entstehe, und dass sie ihn von Ansprüchen freistellen müssten, die die Beteiligungsgesellschaft, deren Gläubiger oder Dritte gegen ihn wegen seiner Stellung als Kommanditisten richten könnten.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat dem [X.] gegen die [X.] zu 1 entsprochen und ihr gegenüber die begehrte Feststellung zur Aberkennung von [X.] getroffen. Im Übrigen hat es die Berufung des [X.] zurückgewiesen, einen weiteren im Berufungsverfahren gestellten Klageantrag abgewiesen und die Revision zugelassen. In Bezug auf die [X.] zu 1, die das zugelassene Rechtsmittel eingelegt hat, ist das Verfahren nach § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen, nachdem durch Beschlüsse des Insolvenzgerichts vom 30. Juli 2010 und 5. August 2010 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der [X.]n zu 1 ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist. Mit seiner zunächst nur gegenüber dem [X.]n zu 2 (im Folgenden: [X.]r) begründeten Revision begehrt der Kläger dessen Verurteilung auf deliktsrechtlicher Grundlage.

II.

4

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision des [X.] liegen im Streitfall nicht mehr vor. Denn der [X.] hat in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 ([X.], [X.], 1537 Rn. 35 ff) im Einzelnen dazu Stellung genommen, welche Anforderungen an den Vorsatz für die Annahme eines [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB und für eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB zu stellen sind. Die von der Revision gewünschte Überprüfung führt zu keinem anderen Ergebnis.

5

2. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.

6

a) Das Berufungsgericht verneint eine Haftung des [X.]n, weil es an hinreichendem Vortrag und Beweis für den erforderlichen Vorsatz fehle. Der Einwand des [X.]n, er sei davon ausgegangen, dass der Gesamtbetrag der im Investitionsplan ausgewiesenen [X.] nicht überschritten werde und dass lediglich im Prospekt vorgesehene und auch erbrachte Leistungen vergütet würden, sei beachtlich und nicht widerlegt. Da es eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verpflichtung, über die Abweichung einzelner Budgetposten vom Investitionsplan aufzuklären, zur [X.] [X.] im Jahr 2001 noch nicht gegeben habe, der [X.] außerdem fachkundigen Rechtsrat eingeholt habe und bis zur Entscheidung des [X.] vom 29. Mai 2008 ([X.], NJW-RR 2008, 1129) in einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen die in Rede stehende Aufklärungspflicht verneint worden sei, fehle es jedenfalls an der subjektiven Tatseite eines Anlagebetrugs beziehungsweise einer vorsätzlichen Beihilfe dazu und einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.

7

b) Die Revision beanstandet dies unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten.

8

aa) Zum einen vertritt sie die Auffassung, dem [X.]n sei die die unrichtige Prospektierung der Vertriebsprovisionen bewusst gewesen. Auch wenn er die Komplementärin für befugt gehalten haben möge, die fragliche Mehrvergütung aus dem [X.] zu bezahlen, könne er nicht geglaubt haben, die Anleger durch eine unrichtige Darstellung der Vertriebsprovisionen in die Irre führen zu dürfen.

9

Die Erheblichkeit des für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstands ist ein normatives Tatbestandsmerkmal des § 264a StGB; der Täter muss die rechtliche Wertung der Erheblichkeit nachvollziehen. Ob diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung, die das [X.] bis zur Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen hat (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2005 - 5 [X.], NJW 2005, 2242, 2245; Beschluss vom 2. Februar 2010 - [X.], juris und BeckRS 2010, 07412 Rn. 2). Wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.]s, die seit dem [X.] die an [X.] zu stellenden Anforderungen im Zusammenhang mit der Darstellung von [X.] präzisiert und fortentwickelt hat, zu dem Ergebnis gelangt, angesichts der Einholung von Rechtsrat und einer Vielzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen, die eine entsprechende Aufklärungspflicht verneint hätten, fehle die subjektive Tatseite für eine strafbare Handlung, ist dies eine rechtlich nicht zu beanstandende tatrichterliche Würdigung. Auch der [X.] Zivilsenat hat dies in einem vergleichbaren Fall ebenso gesehen (Beschluss vom 2. Februar 2010 - [X.] aaO).

bb) Zum anderen rügt die Revision die unzureichenden Ausführungen des Berufungsgerichts zum Vorsatz, soweit es um die unterlassene Aufklärung über die personelle und kapitalmäßige Verflechtung der [X.] mit der Komplementärin in der Person des [X.]n geht. Zwar liege das Berufungsgericht im Ergebnis auf der Linie des [X.] vom 15. Juli 2010 ([X.] aaO). Die Revision beanstandet aber insoweit die Zugrundelegung eines unrichtigen Verschuldensmaßstabs. Da es um die Verletzung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes gehe, sei die sogenannte Schuldtheorie anzuwenden, nach der nur ein unvermeidbarer Verbotsirrtum den Täter entlaste. In dieser Beziehung habe das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Da der [X.] in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 befunden habe, ein [X.]r habe nicht ohne Fahrlässigkeit davon ausgehen dürfen, dass die der [X.] gewährten [X.] für die Anleger ohne Interesse seien ([X.], aaO Rn. 41), könne ein Irrtum des [X.]n nicht unvermeidbar sein. Dass er insoweit unter Offenlegung der Fakten Rechtsrat eingeholt hätte, habe er nicht einmal behauptet.

Diese Überlegungen stellen die angefochtene Entscheidung nicht in Frage.

(1) Im Ausgangspunkt zutreffend bezieht sich die Revision auf die Rechtsprechung des [X.], wonach im Zivilrecht zum Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehört, so dass bei einem Verbotsirrtum die Haftung entfällt, während bei Anwendung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes ein Verbotsirrtum nur dann entlastet, wenn er unvermeidbar ist (§ 17 StGB; vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 1984 - [X.], NJW 1985, 134, 135 m.w.N.).

(2) Im vorliegenden Fall ging es um die bis zum [X.]surteil vom 29. Mai 2008 ([X.] aaO) noch nicht behandelte und vom Kläger auch erst danach aufgeworfene Frage, ob die mit der Komplementärin bestehende Verflechtung der [X.] und die mit ihr verknüpften [X.] auch dann prospektpflichtig sind, wenn der Prospekt über die der Komplementärin gewährten [X.] hinreichend und zutreffend aufklärt (vgl. hierzu [X.]surteil vom 15. Juli 2010 - [X.], [X.], 1641 Rn. 11-14) und die der [X.] gewährten [X.] betragsmäßig in diesen enthalten sind. Der [X.] hat diese von ihm bejahte Frage in seinen Urteilen vom 29. Mai 2008 (aaO Rn. 25) und 12. Februar 2009 ([X.]/08, NJW-RR 2009, 613 Rn. 25) zunächst nur knapp behandelt und gegen erhobene Einwände in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 ([X.], aaO Rn. 23-25) eingehend hierzu Stellung genommen.

Der [X.] hat offen gelassen, ob insoweit das Verschweigen einer nachteiligen Tatsache im Sinne des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegt und der objektive Tatbestand dieser Norm erfüllt ist (Urteil vom 15. Juli 2010 - [X.], aaO Rn. 36). Er hat sich auch nicht näher dazu geäußert, ob dem [X.]n, der die Angabe für nicht prospektpflichtig gehalten hatte, ein Tatbestandsirrtum oder ein Verbotsirrtum unterlaufen ist. Auch wenn man - was nicht zweifelsfrei ist - von einem Verbotsirrtum ausgeht, hält der [X.] einen entsprechenden Irrtum des [X.]n für unvermeidbar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der [X.] fachkundigen Rechtsrat eingeholt. Auch wenn sich die dieser Feststellung zugrunde liegende Behauptung des [X.]n weitgehend darauf bezog, dass der Prospekt mit Beratung von renommierten fachkundigen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern herausgegeben worden sei, und die Beratung nicht gezielt die hier in Rede stehende Frage zum Gegenstand hatte, entschuldigt dies den [X.]n hinreichend. Zwar hatte er nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen des [X.] als möglicher Hintermann eine Verantwortung für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Prospekts. Als juristischer Laie hatte er aber vor dem Hintergrund der Einschaltung von Beratern und des seinerzeitigen Stands der Rechtsprechung keinen hinreichenden Anlass anzunehmen, er müsste, um sich nicht strafbar zu machen, über [X.] der [X.] informieren, die vollständig in den prospektierten [X.]n der Komplementärin enthalten waren und daher - bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise - von den Anlegern zur Kenntnis genommen werden konnten. Dass er in dieser Hinsicht eine darüber hinausgehende Kenntnis gehabt hätte, zeigt die Revision nicht auf.

Schlick                                    Dörr                                    Wöstmann

                     Seiters                                [X.]

Meta

III ZR 12/10

24.11.2010

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 18. Dezember 2009, Az: 20 U 2897/08, Urteil

§ 823 Abs 2 BGB, § 17 StGB, § 264a StGB, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2010, Az. III ZR 12/10 (REWIS RS 2010, 1059)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1059

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