Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2015, Az. B 2 U 9/14 R

2. Senat | REWIS RS 2015, 7663

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - höhere Verletztenrente gem § 59 Abs 1 SGB 7 - Jahresarbeitsverdienst - Berechnung - Leistung - Leistungsrecht - Einnahme - Entgeltbestandteil - Spesen - Steuerfreiheit - LKW-Fahrer - Verbrauch - Schätzung -Zweckbestimmung - Synallagma - Beitragsrecht)


Leitsatz

Für die Berechnung des Jahresarbeitsverdiensts als Grundlage der Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung gelten grundsätzlich die Normen der Arbeitsentgeltverordnung (bzw Sozialversicherungsentgeltverordnung).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. April 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der [X.]n die Gewährung höherer Verletztenrente.

2

Der im Jahre 1960 geborene Kläger erlitt am 7.5.2005 als [X.] einen Verkehrsunfall, der zu erheblichen Verletzungen führte. Die [X.] gewährte mit Bescheid vom 8.5.2007 dem Kläger Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH. Sie legte dabei einen Jahresarbeitsverdienst ([X.]) in Höhe von 29 836,56 Euro zugrunde und errechnete eine Verletztenrente in Höhe von 1657,59 Euro monatlich. Aufgrund eines weiteren Arbeitsunfalls, den der Kläger bereits 1999 erlitten hatte, nahm sie eine anteilsmäßige Kürzung der Rente vor. Jenem Arbeitsunfall lag ein [X.] in Höhe von 30 669,92 Euro zugrunde, sodass der [X.] von zwei Dritteln des höchsten [X.] aus diesem [X.] des früheren Versicherungsfalls ermittelt wurde.

3

Die [X.] legte der Berechnung des [X.] für den Arbeitsunfall vom 7.5.2005 die Lohnabrechnungen des Arbeitgebers für den Zeitraum vom 1.5.2004 bis [X.] zugrunde. Der dabei ermittelte Betrag von 29 836,56 Euro umfasste ein Bruttoentgelt von 27 579,98 Euro, Urlaubsgeld in Höhe von 430,08 Euro, steuerfreie Zuschläge für Nachtarbeit in Höhe von 1281,62 Euro und für Sonntagsarbeit in Höhe von 544,68 Euro. Der Kläger erhielt zudem in diesem Zeitraum "steuerfreie Spesen" in Höhe von insgesamt 3705,00 Euro und "pauschal versteuerte Spesen" in Höhe von 1173,50 Euro. In früheren Bescheinigungen des Arbeitgebers waren die steuerfreien Spesen dabei als "steuerfreie Auslöse" bzw als "steuerfreier Verpflegungszuschuss" bezeichnet worden. Diese beiden Positionen wurden von der [X.]n bei der Berechnung des [X.] nicht berücksichtigt. Mit Widerspruchsbescheid vom [X.] wies die [X.] den Widerspruch des [X.] zurück. Bei Spesen oder Auslösungen handele es sich um erstattete Auslagen, die nicht zu einem Vermögensvorteil des Beschäftigten führten und daher kein Arbeitsentgelt darstellten.

4

Mit seiner Klage zum [X.] hat der Kläger geltend gemacht, die Spesen und Auslösungen hätten zu einem Vermögensvorteil geführt und stellten nicht lediglich erstattete Auslagen dar. Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2011 hat das [X.] die [X.] unter Abänderung ihrer Bescheide verpflichtet, die Höhe der Verletztenrente neu festzustellen, wobei bei der Berechnung des [X.] der pauschal zu versteuernde Spesenanteil in Höhe von 1173,50 Euro zu berücksichtigen sei. Der Teil der Zahlung, der der Höhe des [X.] entspreche, sei dagegen als pauschaler Auslagenersatz zu werten und dem [X.] nicht hinzuzurechnen.

5

Hiergegen hat die [X.] Berufung und der Kläger Anschlussberufung eingelegt.

6

Das L[X.] hat den Arbeitgeber des [X.] als Zeugen gehört und durch Urteil vom [X.] die Berufung der [X.]n zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des [X.] hat es den Gerichtsbescheid und die Bescheide der [X.]n abgeändert und diese verurteilt, dem Kläger Verletztenrente auch unter Berücksichtigung der steuerfreien Spesen im Rahmen des [X.] zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, soweit die [X.] im Rahmen der [X.]-Berechnung weder die pauschal versteuerten Spesen in Höhe von 1173,50 Euro noch die steuerfreien Spesen in Höhe von 3705,00 Euro berücksichtigt habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass es sich bei diesen Zahlungen um Zuwendungen des Arbeitgebers für die berufliche Tätigkeit des [X.] handele, die als Arbeitsentgelt im Rahmen der [X.]-Berechnung zu berücksichtigen seien. Inwieweit die Entgeltbestandteile nach § 17 [X.]B IV iVm § 2 Abs 1 [X.] oder nach § 14 Abs 1 Satz 3 [X.]B IV beitragsrechtlich zu berücksichtigen seien, könne dahinstehen. Die steuerrechtlichen Vermutungen dieser Normen seien für die Berechnung des [X.] nicht maßgebend. Werde durch den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber nachgewiesen, dass kein tatsächlicher Mehraufwand vorliege, so sei auch bei steuerfreien Spesen insoweit von einem anrechenbaren Arbeitsentgelt auszugehen. Grundsätzlich sei die Höhe des Betrags, der den tatsächlichen Mehraufwand übersteige, nach § 287 ZPO analog zu schätzen. Bei den dem Kläger gezahlten "Spesen/Auslösungen" habe es sich um Pauschalen gehandelt, die keine echten Aufwandsentschädigungen darstellten. Dies gelte sowohl für die steuerfreien als auch die pauschal versteuerten "Spesen", denn sämtliche Spesen seien unabhängig von tatsächlichen Aufwendungen gezahlt worden. Nach den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben des [X.] und seines Arbeitgebers habe der Kläger die zusätzlich gezahlten Beträge vollumfänglich zusätzlich zu seinem Arbeitsentgelt erhalten, sodass die gezahlten Pauschalen durch mögliche Einsparungen beim Kläger zu einem Vermögensvorteil geführt hätten. "Kilometergeld", "Übernachtungskosten", "Kosten für die Benutzung von Sanitäreinrichtungen" und zusätzliche "Kosten für die Verpflegung" seien tatsächlich nicht angefallen.

7

Hiergegen wendet sich die [X.] mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung der § 82 [X.]B VII, §§ 14 Abs 1, 17 Abs 1 [X.]B IV iVm der [X.]. § 14 Abs 1 Satz 3 [X.]B IV in der entscheidungserheblichen Fassung bestimme, dass steuerfreie Aufwandsentschädigungen nicht als Arbeitsentgelt gelten. Der Arbeitgeber lege bei der Auszahlung von Spesen deren steuerrechtliche Einordnung fest. Nach § 14 Abs 1 Satz 3 [X.]B IV sei diese steuerrechtliche Zweckbestimmung bei der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Entgeltbestandteilen maßgebend. Eine von den Beteiligten nachträglich vorgenommene Zweckbestimmung könne nicht anerkannt werden. Hinsichtlich der pauschal versteuerten Spesen sei über § 17 [X.]B IV die zum Unfallzeitpunkt maßgebende [X.] zugrunde zu legen. Der [X.] und § 17 [X.]B IV sei nicht zu entnehmen, dass sie für das Leistungsrecht in der gesetzlichen Unfallversicherung keine Anwendung finden könnten.

8

Die [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] vom 29. April 2014 aufzuheben und die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 30. November 2011 zurückzuweisen, sowie den Gerichtsbescheid vom 30. November 2011 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten war im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Anhand der tatsächlichen Feststellungen des [X.] lässt sich nicht beurteilen, ob die vom [X.] jeweils als "steuerfreie Spesen" bzw "pauschal versteuerte Spesen" bzw "steuerfreie Auslöse" bzw "steuerfreie [X.]" bezeichneten Beträge bei der [X.] zugrunde zu legen waren und damit zu einem Recht des [X.] auf höhere Verletztenrente führen. Das [X.] konnte - von seiner Rechtsansicht her zutreffend - eine exakte tatsächliche und folglich auch steuerrechtliche Einordnung der dem [X.]läger gezahlten Einnahmen unterlassen, weil es davon ausging, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam nachweisen können, dass diese Einnahmen tatsächlich nicht zur Abdeckung eines Mehraufwands benötigt wurden. Die vom [X.] hierzu eingeschlagene Vorgehensweise - Schätzung des Verbrauchs des [X.] nach § 287 ZPO - findet allerdings im [X.] (vgl hierzu unter 2.). Mithin kam es darauf an, die dem [X.]läger gewährten Entgeltbestandteile tatsächlich (und dem folgend rechtlich) zu qualifizieren, was dem Senat aufgrund der fehlenden Feststellungen des [X.] nicht möglich ist. Das [X.] wird allerdings, wenn es diese Feststellungen nachgeholt hat, auch die unter 3. aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkte hinsichtlich der Ermittlung des [X.] zu berücksichtigen haben (§ 170 Abs 5 SGG).

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die in dem Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] festgestellte Höhe des Anspruchs des [X.] auf Verletztenrente unter Zugrundelegung der Höchstbetragsregelung des § 59 [X.]. Bei der Festsetzung des [X.] handelt es sich nicht um einen abtrennbaren Streitgegenstand. Vielmehr ist im Streit ein einheitlicher Anspruch (auf Rente), dessen Höhe sich durch die Faktoren MdE und [X.] bestimmt. Eine Festsetzung des [X.] ist mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt nach § 31 SGB X, sondern lediglich eine verwaltungsinterne [X.]lärung eines [X.] im Rahmen der Vorbereitung der Feststellung des Werts des Rechts auf Verletztenrente ([X.] vom [X.] - B 2 U 14/11 R - juris Rd[X.] 18, [X.] Aktuell 2013, 202). Ein Anspruch auf höhere Verletztenrente im Rahmen des § 59 Abs 1 [X.] kann nur bestehen, wenn der neu festzusetzende [X.] aufgrund des [X.] höher ist als der aus einem früheren Unfall im Jahre 1999 resultierende [X.] in Höhe von 30 669,92 Euro. Da dies hier aufgrund der Höhe der im Streit befindlichen Einnahmen im Jahre 2005 der Fall sein kann, war die [X.]lage hier als [X.]lage auf höhere Verletztenrente zulässig.

2. Die Frage, welche Zahlungen des Arbeitgebers in den [X.] eingerechnet werden, beantwortet sich bei Anwendung des § 14 [X.] und der [X.] (hierzu im Einzelnen noch unten) nach der steuerrechtlichen Qualifikation dieser Entgeltbestandteile aufgrund einer Betrachtungsweise ex ante, dh im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung bzw Gewährung. Eine nachträgliche Änderung oder tatsächliche Umwidmung dieser rechtlichen Qualifizierung - etwa durch einen Nachweis des [X.] etc -, wie ihn das [X.] hier für möglich hält, ist in den einschlägigen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen, was aufgrund des das gesamte Sozialrecht prägenden Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes (§ 31 SGB I) zwingend geboten gewesen wäre.

Der [X.]läger hat gemäß § 56 Abs 3 iVm § 82 [X.] (hier iVm § 59 [X.]) einen Anspruch auf höhere Verletztenrente, wenn der Berechnungsfaktor [X.] nach dem Unfallereignis aus dem Jahre 2005 mehr als der bisherige [X.] in Höhe von 30 669,92 Euro aus dem Unfall im Jahre 1999 beträgt. § 82 Abs 1 Satz 1 [X.] bestimmt hierzu: "Der Jahresarbeitsverdienst ist der Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte (§ 14 des [X.]) und Arbeitseinkommen (§ 15 des [X.]) des Versicherten in den zwölf [X.]alendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist". § 82 Abs 1 Satz 1 [X.] enthält durch den [X.]lammerzusatz "(§ 14 des [X.])" eine dynamische Verweisung auf die jeweils aktuell geltende Fassung des § 14 [X.]. Abzustellen ist hier auf § 14 [X.] in der zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles maßgebenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.]), nach dessen Absatz 1 Satz 1 Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus der Beschäftigung sind, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 14 Abs 1 Satz 3 [X.] in der hier maßgebenden Fassung lautete: "Steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 [X.]. 26 des Einkommensteuergesetzes genannten steuerfreien Einnahmen gelten nicht als Arbeitsentgelt".

Hieraus folgt, dass die jeweilige objektive steuerrechtliche Einordnung des konkret streitigen [X.] maßgebend ist. Das [X.] ist in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zunächst davon ausgegangen, dass jedenfalls § 14 Abs 1 Satz 3 [X.] auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung findet. Es hat sodann jedoch dahinstehen lassen, wie die hier in Frage stehenden Entgeltbestandteile objektiv (steuer-)rechtlich zu qualifizieren wären, weil diese mangels entstandener Aufwendungen - aufgrund des [X.] - Einkommen des [X.] darstellten. Zu Recht hat die Beklagte in ihrer Revision darauf hingewiesen, dass sich für eine solche "Umwidmung" der konkreten Zahlbeträge durch vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer konsentierten "Nichtgebrauch" keine Rechtsgrundlage finden lässt.

Soweit der [X.]läger auf Entscheidungen des [X.] hinweist, in denen die jeweilige tatsächliche Zweckbestimmung von Entgelten eine Rolle spielte, verkennt er, dass nach der dort maßgeblichen Norm des § 11 Abs 3 [X.] aF (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.] erhalten hat) nicht als Einkommen zu berücksichtigen waren "Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären". Die dort an den Begriff der "zweckbestimmten Einnahmen" zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus der Systematik des § 11 SGB II und dem Sinn und Zweck gerade jener Regelung im Rahmen einer steuerfinanzierten Sozialleistung. Die Außerachtlassung von Einnahmen erfolgt(e) dort unabhängig davon, ob diese steuerfrei sind, nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch den Zweck der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen (vgl hierzu nur [X.] vom 11.12.2012 - [X.] AS 27/12 R - [X.] 4-4225 § 6 [X.], [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.] 19 ff).

Die vom [X.] vorgenommene eigenständige Schätzung der Einnahmen des [X.] auf der Grundlage des § 287 ZPO findet hingegen im System der Anspruchs- bzw Rechtsgrundlagen der § 82 [X.] iVm § 14 [X.] keine Rechtfertigung. Insofern hätte es seitens des [X.] zunächst einer tatsächlichen und erst auf dieser aufbauend einer steuerrechtlichen Qualifizierung der streitigen Einnahmen bedurft, um ihre juristische Zuordnung zum Begriff des Arbeitsentgelts in § 14 Abs 1 Satz 3 [X.] bzw zu den Vorschriften der maßgeblichen [X.] zu begründen (zu deren Anwendbarkeit noch unter 3.). Dem steht auch nicht entgegen, dass das Steuerrecht seinerseits die Schätzung der Höhe von Einnahmen (bzw Werbungskosten etc) zulässt, weil dort dieser Vorgang ausdrücklich von Rechts wegen zugelassen ist (vgl zu den Werbungskosten eines Fernfahrers [X.] Finanzgericht, Urteil vom [X.], 24; diese Unterschiede zwischen den jeweiligen Rechtsgebieten vernachlässigt [X.], [X.] 2015, 113).

3. Das [X.] wird folglich zunächst festzustellen haben, wofür die von dem Arbeitgeber des [X.] in dem maßgeblichen Zeitraum bis [X.] (§ 82 Abs 1 [X.]) geleisteten Zahlungen tatsächlich gewährt wurden. Aus den verschiedenen Stellungnahmen des Arbeitgebers im Verlaufe des Rechtsstreits könnten hier unterschiedliche Verwendungszecke bzw Zahlungsgründe abgeleitet werden von "[X.]n" bis hin zu Trennungsgeld oder pauschaler Abgeltung von "doppelter Haushaltsführung" etc. Auch aus der vom [X.] in dem angefochtenen Urteil (Blatt 13) vorgenommenen Aufzählung, welche Mehraufwendungen der [X.]läger nicht hatte, nämlich: "weder [X.]ilometergeld, Übernachtungskosten, [X.]osten für die Benutzung von Sanitäreinrichtungen und zusätzliche [X.]osten für die Verpflegung" kann nicht eindeutig rückgeschlossen werden, wofür die hier streitigen Beträge tatsächlich positiv vom Arbeitgeber gewährt wurden. Erst wenn zu dem [X.] der Beträge Feststellungen vorliegen, kann eine juristisch nachvollziehbare steuerrechtliche Qualifikation dieser Entgeltbestandteile erfolgen.

Soweit die dem [X.]läger gewährten "Spesen" danach als "steuerfrei" im Sinne des EStG zu qualifizieren wären, kann im Übrigen auch dahinstehen, ob § 14 Abs 1 Satz 3 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung überhaupt Anwendung findet. Diese Frage hängt zwar auch davon ab, wie die Entgeltbestandteile steuerrechtlich korrekt einzuordnen sind. Wären die von dem privaten Arbeitgeber gezahlten Pauschalen etwa unter die in § 3 [X.] EStG (in der 2005 geltenden Fassung) genannte Ausnahme zu subsumieren, nach der steuerfrei die Vergütungen sind, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten, Umzugskosten oder Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung erhalten, so wäre weiterhin zu entscheiden, ob solche steuerfreien Beträge überhaupt direkt unter § 14 Abs 1 Satz 3 [X.] fallen können. § 14 Abs 1 Satz 3 [X.] verweist wohl zunächst nur auf § 3 [X.] EStG, der sich wiederum ausschließlich auf Bezüge aus öffentlichen [X.]assen bezieht. So wird von einem Teil der Literatur vertreten, dass nur die in § 3 [X.] EStG genannten steuerfreien Aufwandsentschädigungen etc aus öffentlichen [X.]assen von § 14 Abs 1 Satz 3 [X.] umfasst sind (vgl hierzu [X.]nospe in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 14, Rd[X.] 50; [X.] in JurisP[X.]-[X.], § 14 Rd[X.]77; offen gelassen von [X.] vom [X.] - B 12 [X.]R 3/04 R - [X.] 4-2400 § 14 [X.], Rd[X.]). Letztlich kann diese Frage aber ggf dahinstehen, weil entsprechende steuerfreie Pauschalen jedenfalls unter § 1 der hier anwendbare [X.] (idF der [X.] zur Änderung der Arbeitsentgeltverordnung vom [X.] - [X.]) fallen können mit der Folge, dass sie nicht Arbeitsentgelt iS des § 82 Abs 1 Satz 1 [X.] wären.

Der Senat geht entgegen einer in der veröffentlichten Literatur zum Recht der [X.] verbreiteten Meinung ([X.]/[X.], Gesetzliche Unfallversicherung, § 82 [X.], Rd[X.] 4.5; [X.] in: [X.]/[X.], [X.], [X.] § 82 Rd[X.] 4; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]ommentar zum [X.], 1. Aufl, § 82 Rd[X.] 11; [X.] in: LP[X.]-[X.], 4. Aufl, § 82 Rd[X.]; [X.]öllner in: Lauterbach-UV-[X.], § 82 Rd[X.], 8; [X.] HVBG V[X.]9/91 vom [X.]; Schudmann in JurisP[X.], 2. Aufl 2014, § 82, 48 ff) davon aus, dass die Verordnungsermächtigung in § 17 [X.] den Verordnungsgeber auch dazu ermächtigt, die Entgeltbestandteile bzw Einnahmen zu regeln, die über die Ermittlung des [X.] in § 82 [X.] für das Leistungsrecht der [X.] maßgebend werden. Die auch vom [X.] und dieser Literatur zitierte Rechtsprechung des Senats, die einer solchen Geltung der [X.] entgegenstehen soll ([X.] vom 27.11.1985 - 2 RU 23/85 - [X.] 2200 § 571 [X.]4; [X.] vom [X.] - [X.] 1984, [X.]; [X.] vom 24.2.1982 - 2 RU 59/81 - [X.]E 53, 133 = [X.] 2200 § 560 [X.]; [X.] vom [X.] - 5 R[X.]nU 1/78 - [X.]E 50, 9 = [X.] 2200 § 571 [X.]), ist ausschließlich zum Recht der [X.] ergangen und betraf ausnahmslos Sachverhalte, die nach dem Rechtszustand vor Inkrafttreten der [X.] im Jahre 1977 zu beurteilen waren. § 17 Abs 1 [X.] ermächtigt aber den Verordnungsgeber ausdrücklich auch, "zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung" die entsprechende Verordnung zu erlassen. Die in der früheren Rechtsprechung des Senats vor Inkrafttreten der [X.] in den Vordergrund gestellten allgemeinen Strukturprinzipien der [X.] treffen nach wie vor zu, können jedoch den über § 17 [X.] normativ vermittelten Geltungsanspruch der [X.] nicht in Frage stellen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die zutreffende Tatsache, dass Beiträge und Leistungen in der [X.] nicht im [X.] stehen, als "Rechtsprinzip" dazu führen könnte, normativ explizierte Geltungsansprüche des Gesetz- und Verordnungsgebers auszuhebeln. Jedenfalls kann der oben genannten Rechtsprechung des [X.] zum früheren Recht der [X.] nicht entnommen werden, dass den vor Inkrafttreten der [X.] aufgestellten Grundsätzen Vorrang vor einschlägigem Verordnungsrecht zukommen soll. Zweifel an einer Geltung des § 17 [X.] bzw der aufgrund dieser Ermächtigungsnorm jeweils erlassenen Verordnung(en) für die rechtliche Einordnung von bestimmten Einnahmen als Arbeitsentgelt auch für das Leistungsrecht der [X.] lassen sich diesen Urteilen gerade nicht entnehmen. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang auch die Regelung des § 3 [X.] zu berücksichtigen, die als Sondervorschrift seit ihrer Einführung im Jahre 1977 gerade den Zweck hatte, die leistungsrechtliche Sonderstellung der Versicherten der [X.] gerade auch innerhalb und durch die [X.] zu schützen (vgl zur Begründung der Verordnung: [X.], [X.] zu § 3, in der der Verordnungsgeber ohne jeden Zweifel davon ausgeht, dass er befugt sei, auch das Leistungsrecht der [X.] zu regeln). Die Regelung des § 3 [X.] wurde vom erkennenden Senat sodann auch ausdrücklich gebilligt und gerade kompetenzrechtlich nicht beanstandet ([X.] vom 24.2.1982 - 2 RU 59/81 - [X.]E 53, 133 = [X.] 2200 § 560 [X.], Rd[X.] 18 f).

Deshalb ist im vorliegenden Fall über § 17 [X.] sowohl die Norm des § 1 [X.], nach der dort im Einzelnen qualifizierte lohnsteuerfreie Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, als auch die Norm des § 2 Abs 1 [X.] [X.] (idF vom [X.]), der pauschal versteuerte Einnahmen betrifft, für die leistungsrechtliche Bestimmung des [X.] anwendbar. Nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] waren Einnahmen nach § 40 Abs 2 EStG, in dem Einnahmen aufgezählt werden, die mit einem Pauschsteuersatz von [X.] zu versteuern waren, dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen.

Das [X.] wird auch abschließend über die [X.]osten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Meta

B 2 U 9/14 R

23.07.2015

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Landshut, 30. November 2011, Az: S 9 U 270/07, Gerichtsbescheid

§ 14 Abs 1 S 1 SGB 4 vom 23.12.2002, § 14 Abs 1 S 3 SGB 4 vom 23.12.2002, § 17 Abs 1 SGB 4, § 56 Abs 3 SGB 7, § 59 Abs 1 SGB 7, § 82 Abs 2 S 1 SGB 7, § 1 ArEV, § 2 Abs 1 Nr 2 ArEV vom 18.02.2005, § 3 ArEV, § 287 ZPO, § 31 SGB 1, § 31 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2015, Az. B 2 U 9/14 R (REWIS RS 2015, 7663)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7663

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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