Bundessozialgericht, Urteil vom 18.09.2012, Az. B 2 U 11/11 R

2. Senat | REWIS RS 2012, 3136

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Neufestsetzung des JAV gem § 90 Abs 1 SGB 7 - Ausbildung - Schüler - Tarifvertrag - Analogie - stimmiges Konzept - Lücke - Systematik - Verzögerungsschaden)


Leitsatz

Eine fiktive Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes bei Eintritt des Versicherungsfalls vor oder während der Schulausbildung ist lediglich dann möglich, wenn eine anschließende Berufsausbildung wegen dieses Versicherungsfalls nicht fristgerecht und erfolgreich beendet wurde (Abgrenzung zu BSG vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R = SozR 3-2700 § 90 Nr 1).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Verletztenrente auf Grund eines höheren zu berücksichtigenden Jahresarbeitsverdienstes ([X.]).

2

Der 1978 geborene Kläger wurde im Jahre 1986 auf dem Heimweg von der Schule von einem Lkw angefahren und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Der Rechtsvorgänger der Beklagten (der [X.]) erkannte den Unfall in einem Bescheid vom 22.7.1988 als Arbeitsunfall an und stellte in dem Bescheid vom 31.1.1994 sein Recht auf Verletztenrente nach einer MdE von [X.] fest. Dessen Jahreswert ergab sich aus dem Produkt aus dieser MdE und dem [X.]. Als [X.] wurden der Rentenberechnung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des [X.] [X.] und [X.] (Bescheid vom 12.7.1996) der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebenden Bezugsgröße zu Grunde gelegt.

3

Am 1.7.1997 begann der damals 19jährige Kläger bei der [X.] eine Ausbildung zum Fachinformatiker - Fachrichtung Anwendungsentwicklung, die er am [X.] erfolgreich abschloss. Nach dem Ende der Ausbildung schied er aus dem Unternehmen aus und nahm ein Informatikstudium auf.

4

In dem Bescheid vom [X.] stellte der [X.] fest, dem Kläger stehe ab [X.] höhere Verletztenrente zu. Dies ergebe sich aus einem höheren [X.], der gemäß § 90 Abs 1 [X.] ab dem [X.], dem Tag nach Beendigung seiner Ausbildung, auf 21 381,09 [X.] festgesetzt werde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Neuberechnung des [X.] erfolge auf Grundlage des Verdienstes eines Datenverarbeitungskaufmanns - Fachrichtung Fachinformatiker. Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, die zur Ermittlung des [X.] zu Grunde gelegte Berufsbezeichnung entspreche nicht dem von ihm erreichten Abschluss als "Fachinformatiker - Anwendungsentwicklung". Mit Widerspruchsbescheid vom 13.2.2008 wies die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des [X.] den Widerspruch des [X.] zurück.

5

Mit der Klage zum [X.] hat der Kläger weiterhin vorgetragen, er habe keine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann im Einzelhandel, sondern eine Ausbildung zum Fachinformatiker mit der Fachrichtung Anwendungsentwicklung absolviert, weshalb von dem ortsüblichen Entgelt eines Fachinformatikers auf dem Gebiet der Anwendungsentwicklung auszugehen sei. Angesichts der mit der Note "gut" abgeschlossenen Ausbildung sei ein [X.] von mindestens 30 000,00 [X.] angemessen.

6

Mit Urteil vom 31.3.2009 hat das [X.] die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Berechnung der Verletztenrente des [X.] einen anderen [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Grunde zu legen und ihm hierüber einen neuen Bescheid zu erteilen. Nach § 90 Abs 1 [X.] sei ein anderer [X.] zu Grunde zu legen, weil dieser an dem Entgelt in dem durch die Ausbildung angestrebten Beruf auszurichten sei.

7

Das L[X.] hat auf die Berufung der Beklagten am [X.] das Urteil des [X.] "geändert" und die Klage abgewiesen. Der [X.] sei hier ab dem Tag nach dem Ende der Ausbildung des [X.] und damit ab [X.] neu festzusetzen gewesen. Es sei nach § 90 Abs 1 Satz 2 [X.] der Tarifvertrag des Ausbildungsbetriebs zu Grunde zu legen. Habe - wie hier - ein zum Ausbildungsziel führendes Ausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz zwischen dem Versicherten und einem Ausbildungsbetrieb bestanden, sei der für dieses Unternehmen seiner Art nach am Stichtag, dh dem Tag nach dem Ende der Ausbildung, geltende Tarifvertrag maßgeblich. Denn maßgebend sei nicht der berufsspezifische, sondern der branchenspezifische Tarifvertrag, der für das Unternehmen generell in Betracht komme. Hierauf sei auch dann abzustellen, wenn der Versicherte nach dem Ausbildungsende aus dem Unternehmen ausscheide, um ein Studium aufzunehmen. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob der Versicherte im Ausbildungsunternehmen eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit hätte aufnehmen können. Für die ausnahmslose Anknüpfung an den für das Ausbildungsunternehmen seiner Art nach geltenden Tarifvertrag spreche insbesondere der Sinn und Zweck des § 90 [X.].

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 90 Abs 1 [X.]. Der Gesetzeswortlaut stelle ausdrücklich darauf ab, dass der Tarifvertrag für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters zu Grunde zu legen sei. Es sei kein gesetzlicher Anhalt dafür ersichtlich, dass an die wirtschaftliche Ausrichtung des Ausbildungsbetriebs angeknüpft werden könne. Er habe stets unwidersprochen vorgetragen, dass er im technischen und gerade nicht im kaufmännischen Bereich ausgebildet worden sei.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. März 2009 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat im Ergebnis zutreffend das Urteil des [X.] aufgehoben und (sinngemäß) die gemäß § 54 Abs 4 [X.]G zulässige [X.]ombination aus zulässiger Anfechtungs- und zulässiger (unechter) Leistungsklage abgewiesen. Der [X.]läger hat ab dem [X.] keinen Anspruch auf Feststellung eines noch höheren Werts seines Rechts auf Verletztenrente, als ihm die Beklagte in dem Bescheid vom [X.] (Widerspruchsbescheid vom 13.2.2008) nach Aufhebung des bis dahin festgestellten niedrigeren Werts insoweit unangefochten neu zuerkannt hatte. Dem [X.]läger stand kein Anspruch auf höhere Rente unter "Festsetzung" eines höheren [X.] nach § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII zu, weil er die Ausbildung planmäßig und ohne Verzögerung beendet hatte (hierzu unter 1.). Eine analoge Anwendung des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII auf Fallgestaltungen wie die vorliegende scheidet aus, weil § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII insofern keine Lücke aufweist (vgl unter 2.).

Ein höherer Rentenanspruch hätte für den [X.]läger gemäß § 56 Abs 3 [X.]B VII ab dem [X.] nur bestehen können, wenn ein noch höherer [X.], der zweite Wertfaktor der Rentenhöhe neben seiner unveränderten MdE von [X.], rechtlich maßgeblich geworden (= "neu festzusetzen" gewesen) wäre. Obwohl der Versicherungsfall schon 1986, also vor dem Inkrafttreten des [X.]B VII am [X.], eintrat, war dies hier gemäß § 214 Abs 2 Satz 1 [X.]B VII nach § 90 Abs 1 [X.]B VII zu beurteilen. Danach wird, wenn der Versicherungsfall ua während der Schulausbildung, wie hier, eingetreten ist, falls dies für den Versicherten günstiger ist, der nach § 90 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII aus Tarifvertrag, hilfsweise aus dem am [X.] geltenden Arbeitsentgelt zu ermittelnde neue [X.] von dem [X.]punkt an rechtlich maßgeblich, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre.

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII waren nicht erfüllt. Zwar hatte der [X.]läger seine Berufsausbildung am 1.7.1997 begonnen. Er hatte sie aber am [X.] erfolgreich und ohne Verzögerung abgeschlossen.

§ 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII bestimmt, dass dann, wenn der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung eintritt, der [X.], wenn es für den Versicherten günstiger ist, von dem [X.]punkt an neu festgesetzt wird, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII gewährt einen neuen höheren [X.] als den im [X.]punkt des Versicherungsfalls maßgeblich gewordenen Ausgangs-[X.] mithin nur, wenn die Ausbildung nicht oder verzögert abgeschlossen wurde. Es heißt in der Norm ausdrücklich nicht, dass der [X.] von dem [X.]punkt an neu festzusetzen ist, in dem die Ausbildung "beendet wurde oder" ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Die Vorschrift setzt damit als [X.]punkt für die Neufestsetzung des [X.] einen fiktiven [X.]punkt fest, nämlich den, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre.

Der Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII liegt wegen des hypothetisch formulierten Wortlautes ("voraussichtlich beendet worden wäre") und nicht zuletzt auch auf Grund der Überschrift der Norm ("Neufestsetzung nach voraussichtlicher Schul- oder Berufsausbildung oder Altersstufen") der typisierende Gedanke zu Grunde, dass der zuvor erlittene Versicherungsfall der Grund dafür ist, dass die Ausbildung später als vorgesehen oder überhaupt nicht abgeschlossen wurde. Für eine solche Sichtweise spricht im Übrigen auch § 90 Abs 4 [X.]B VII, der § 90 Abs 1 [X.]B VII ergänzt. Danach wird für den Fall, dass sich bei Eintritt des Versicherungsfalls vor Beginn der Berufsausbildung auch unter Berücksichtigung der weiteren Schul- oder Berufsausbildung nicht feststellen lässt, welches Ausbildungsziel die Versicherten voraussichtlich erreicht hätten, ein bestimmter näher bezeichneter Wert des [X.] festgelegt. Eine solche Unmöglichkeit der Feststellung ist indes aber nur für Fälle denkbar, in denen die Berufsausbildung nicht plangemäß abgeschlossen wurde, in denen also eine fiktive Betrachtungsweise erforderlich ist.

Für eine strikte Begrenzung der Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII auf die Fälle der verzögerten oder nicht beendeten Ausbildung spricht auch die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Norm. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch ([X.] <[X.]>) vom [X.] ([X.]) heißt es, die Vorschrift enthalte eine Neuregelung über eine pauschalierte, an der Bezugsgröße orientierte Neufestsetzung des [X.] für bestimmte Unfälle im [X.]indesalter. In der Verwaltungspraxis und in der Rechtsprechung hätten sich bei der Anwendung des § 573 [X.] dann Feststellungsschwierigkeiten ergeben, wenn sich der Versicherungsfall im frühen Lebensalter ereignet habe und sich weder aus der [X.] vor dem Versicherungsfall noch aus dem weiteren Werdegang des [X.]indes nach dem Versicherungsfall ausreichende Anhaltspunkte über das hypothetische Ausbildungsziel (ohne den Unfall) herleiten ließen (BT-Drucks 13/2204, [X.]).

Auch die Vorgängervorschriften des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII enthielten - in unterschiedlicher Ausprägung - jeweils hypothetische (typisierende) Elemente. Der Grundsatz, dass bei der Rentenberechnung von den Einkommensverhältnissen des Verletzten während des letzten Jahres vor dem Arbeitsunfall auszugehen ist, gilt seit dem [X.] ([X.]). Als Ergänzung war geregelt, dass zugunsten des Verletzten für das letzte Jahr vor dem Arbeitsunfall ein (fiktiver) Arbeitsverdienst anzunehmen ist, wenn der Verletzte vor dem Unfall noch kein volles Jahr in dem Betrieb beschäftigt war oder keinen Lohn oder weniger als das 300fache des ortsüblichen [X.] bezogen hatte (vgl etwa § 5 Abs 3 bis 5 des [X.] vom 6.7.1884, § 10 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes vom [X.] - [X.], 585 - und §§ 563 ff [X.] vom 19.7.1911 - [X.]). Ein hypothetisch-typisierendes Element enthielt dann die mit Art 11 des [X.] über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20.12.1928 ([X.]) für Versicherte, die im Feuerwehrdienst oder in Betrieben zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen beschäftigt sind, neu eingefügte Sondervorschrift des § 569b [X.], dessen Abs 3 folgenden Wortlaut hatte: "War der Verletzte zur [X.] des Unfalls noch in seiner Berufs- oder Schulausbildung begriffen, so ist für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes ein Erwerbseinkommen zu Grunde zu legen, wie es der Verletzte nach Vollendung seiner Ausbildung gehabt haben würde".

Auch in dem mit Art 1 [X.] 1 des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom [X.] ([X.]) neu eingefügten § 565 [X.] wird auf einen fiktiven Gesichtspunkt abgestellt. Dessen Abs 1 lautete wie folgt: "Befand sich der Verletzte zur [X.] des Unfalls noch in einer Berufs- oder Schulausbildung, so wird von dem [X.]punkt ab, in welchem die begonnene Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen worden wäre, der Jahresarbeitsverdienst nach dem Entgelt berechnet, der dann für Personen gleicher Ausbildung durch Tarif oder sonst allgemein für einzelne Berufsjahre festgesetzt ist; hierbei sind Verdiensterhöhungen, die von der Erreichung eines bestimmten Lebens- oder [X.] ab allgemein festgesetzt sind, die der Verletzte aber voraussichtlich erst nach Vollendung seines dreißigsten Lebensjahres erreicht hätte, nicht zu berücksichtigen."

Der durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz <[X.]>) vom 30.4.1963 ([X.]) geschaffene § 573 [X.] ist die unmittelbare Vorgängerregelung des § 90 [X.]B VII und war in seinem Abs 1 wie folgt formuliert: "Befand sich der Verletzte zur [X.] des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung, so wird, wenn es für den Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst für die [X.] nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet". Wenngleich das hypothetische Element in dieser Vorschrift mit dem Wort "voraussichtlich" nicht mehr so deutlich in Erscheinung tritt wie in § 565 [X.], waren inhaltliche Änderungen nicht beabsichtigt. Denn in der Begründung zum Entwurf des [X.] heißt es zur Regelung des § 573 [X.] (§ 574 [X.] in der Entwurfsfassung, [X.], [X.], 57): "Auch für Jugendliche und in der Ausbildung befindliche Verletzte sieht bereits § 565 [X.] einen Ausgleich für Mindereinnahmen vor. Diese Regelung wird in § 574 beibehalten."

Aus diesen Vorgängervorschriften des § 90 [X.]B VII (vgl zur Entwicklung seit 1884 bis zur Schaffung des § 573 [X.] auch: [X.], [X.]b 1970, 408) und dem der heutigen Fassung des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII jeweils ähnlichen bzw sogar gleich lautenden Wortlaut, sowie aus dem Umstand, dass sich Anhaltspunkte für eine andere Sichtweise aus allen angeführten Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen lassen, folgt, dass von § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII jedenfalls nicht diejenigen Fallgestaltungen erfasst werden sollen, in denen die Ausbildung infolge des Arbeitsunfalls weder abgebrochen worden ist noch sie sich verzögert hat (vgl auch B[X.], Urteil vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R - [X.] Rd[X.] 20, [X.]-2700 § 90 [X.] 1; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]B VII, 1. Aufl 2010, § 90 Rd[X.] 27).

In § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII wurde mithin nur die Voraussetzung in das Gesetz aufgenommen, dass die Ausbildung sich verzögert hatte oder ggf aus sonstigen Gründen nicht beendet wurde. Denn nur in solchen Fällen wurde durch den ursprünglichen Versicherungsfall in abstrakter, typisierender Wertung, also nicht als tatbestandliche Voraussetzung im Einzelfall, ein weiterer Schaden verursacht. Nur dieser (typisierend angenommene) zusätzliche Folgeschaden des Versicherungsfalls rechtfertigt ausnahmsweise eine Ersetzung des Ausgangs-[X.] durch einen neuen (günstigeren) [X.]. Für diesen ist das hypothetische Arbeitsentgelt bestimmend, das in einem Tarifvertrag oder hilfsweise am Beschäftigungsort üblicherweise in dem [X.]punkt der voraussichtlichen (aber eben nicht eingetretenen) Beendigung der Ausbildung für Personen gleicher Ausbildung und Alters vorgesehen ist (und ohne den Ausfall oder die Verzögerung des [X.] bei Beendigung der Ausbildung typischerweise voraussichtlich erzielt worden wäre). Die Verletzten, die ihre Ausbildung rechtzeitig beenden, haben typischerweise zu diesem [X.]punkt keinen weiteren Nachteil, weil sie entsprechend höher entlohnt werden.

Sachgrund für diese gesetzliche, also materiell-rechtlich direkt eintretende Änderung der abstrakten Schadensbewertung des Ausgangs-[X.] ist, dass es unbillig wäre, solche jungen Verletzten trotz des weiteren Folgeschadens an diesem [X.] festzuhalten. Damit durchbricht diese Ausnahmeregelung, wie alle in § 90 [X.]B VII geregelten Ausnahmen, materiell-rechtlich den gesetzlichen Grundsatz, dass der im [X.]punkt des Versicherungsfalls maßgebliche Ausgangs-[X.] für die gesamte [X.], für die das Recht besteht, maßgeblich bleibt. Dieser Sachgrund der Norm spricht im Übrigen dagegen, dass die Norm aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) zugunsten von Verletzten mit zeitgerechtem Ausbildungsabschluss korrigiert werden müsste (vgl hierzu im Einzelnen unten 2. c).

2. Das Begehren des [X.] hätte daher nur Erfolg haben können, wenn § 90 Abs 1 [X.]B VII analog anzuwenden gewesen wäre und dies einen noch höheren neuen [X.] ergeben hätte, als von der [X.] in den angefochtenen Bescheiden vom [X.]/13.2.2008 zu Grunde gelegt wurde. § 90 Abs 1 [X.]B VII ist aber auf Verletzte, die ihre Ausbildung zeitgerecht abgeschlossen haben, nicht entsprechend anzuwenden.

a) Die Voraussetzungen für eine Analogie, nach der sich die Anwendung der Vorschrift des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII auch auf die Fallgestaltungen erstrecken würde, in denen die Ausbildung plangemäß abgeschlossen worden ist, sind jedoch nicht gegeben. Diese Voraussetzungen lägen nur dann vor, wenn 1. eine (anfängliche oder nachträgliche) Gesetzeslücke besteht, 2. der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten ähnlich ist und 3. beide Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind (vgl B[X.], Urteil vom [X.] - B 4 RA 55/98 R, [X.]-2600 § 34 [X.] 1 unter Verweis auf B[X.] [X.] 4100 § 107 [X.] 4 S 4 f; [X.]/[X.], Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, [X.] ff).

b) Es fehlt hier bereits an der ersten Voraussetzung einer zulässigen Analogie, dem Vorliegen einer Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte, denn die Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII enthält keine planwidrige Unvollständigkeit. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Gesetz den [X.]reis derjenigen, die bei typisierender Bewertung ihrer Schutzbedürftigkeit ausnahmsweise nicht weiter der Regelberechnung des [X.] unterliegen, nur unvollständig erfasst hätte (vgl zu diesem Gesichtspunkt bei der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung von beurlaubten Berufssoldaten B[X.], Urteil vom 29.7.2003 - B 12 [X.]R 15/02 R, [X.] Rd[X.] 21, [X.] 4-4100 § 169 [X.] 1). Vielmehr erfasst das Gesetz im Rahmen der [X.], für die der Gesetzgeber typisierend davon ausgeht, dass es unbillig ist, für die Gewährung der Verletztenrente das tatsächliche Arbeitseinkommen der jeweils erfassten Personenkreise bei der Ermittlung des [X.] zu Grunde zu legen. Insofern liegt dem § 90 [X.]B VII (iVm den §§ 82 ff [X.]B VII) ein stimmiges [X.]onzept zu Grunde.

aa) § 90 Abs 1 [X.]B VII entspricht - wie bereits oben zu 1. dargestellt - im Wesentlichen dem am [X.] außer [X.] getretenen § 573 Abs 1 [X.] (vgl Begründung zu Art 1 § 90 des Entwurfs eines [X.], BT-Drucks 13/2204 [X.]), der seinerseits mit Wirkung vom [X.] durch Art 1 des [X.] vom 30.4.1963 ([X.]) in die damals neugefasste [X.] übernommen wurde und dem der in wesentlichen Teilen inhaltsgleiche § 565 [X.] vorausging, der durch das Sechste Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom [X.] ([X.]) in die [X.] eingefügt worden war.

Nach der bereits dargestellten Zweckbestimmung des § 90 Abs 1 [X.]B VII sollen - ebenso wie bei den genannten Vorgängervorschriften - Personen, die schon vor oder während der [X.] der Ausbildung für einen Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung - bei höherem [X.] - erlitten (vgl B[X.], Urteil vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R, [X.] Rd[X.] 17, [X.]-2700 § 90 [X.] 1 unter Bezugnahme auf B[X.], Urteil vom 4.12.1991 - 2 RU 69/90, [X.] 1992, 598 mwN; [X.]/[X.], Gesetzliche Unfallversicherung, § 90 Rd[X.] 2, Stand: 01/2007; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]B VII, 1. Aufl 2010, § 90 Rd[X.] 4). Die zum Unfall führende Tätigkeit muss bei in Ausbildung stehenden Versicherten kein Teil der Ausbildung sein. Insoweit muss also kein innerer Zusammenhang zwischen der Schul- oder Berufsausbildung und der zum Unfall führenden Verrichtung gegeben sein; vielmehr genügt der zeitliche Zusammenhang mit der Ausbildung (B[X.]E 38, 216, 218, 219 = [X.] 2200 § 573 [X.] 2; B[X.]E 47, 137, 140 = [X.] 2200 § 573 [X.] 9; B[X.], Urteil vom 24.6.1981 - 2 RU 11/80 - [X.]; [X.] in: [X.]asseler [X.]ommentar, § 90 [X.]B VII Rd[X.] 4, Stand: Dezember 2010; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]B VII, [X.] § 90 Rd[X.] 4, Stand: März 2012).

Die in § 90 [X.]B VII normierten Neufestsetzungsansprüche regeln dabei im Einzelnen, weshalb eine notwendigerweise vorangehende Erstfeststellung der Höhe der Rente wegen eines nachträglich gemäß § 90 [X.]B VII erheblich gewordenen hypothetischen Umstandes, der zu einem günstigeren [X.] zu einem späteren [X.]punkt führte, nach Maßgabe des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 1 [X.]B X aufgehoben und ein höherer Rentenwert neu festgesetzt werden muss, worauf der Versicherte ggf einen Anspruch hat.

bb) Grundsätzlich wird durch die gesetzliche Unfallversicherung mittels der (hier umstrittenen) Verletztenrente (anteilig nach dem MdE-Grad) das durch den Versicherungsfall abstrakt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im weiteren Leben (möglicherweise) nicht mehr erzielbare Gesamteinkommen ersetzt. Deshalb wird zu dessen Schätzung im Rahmen der §§ 82 ff [X.]B VII grundsätzlich auf das Gesamteinkommen des letzten [X.]alenderjahres vor dem Versicherungsfall abgestellt, weil dies auch in der gesetzlichen Unfallversicherung zumeist eine hinreichende Beurteilungsgrundlage für das wirtschaftliche Ergebnis bildet, das der Verletzte ohne den Versicherungsfall voraussichtlich (weiterhin) erlangt hätte.

Dies geschieht aber schon bei der Erstfeststellung nicht schematisch, sondern mit Blick auf die Frage, ob und inwieweit die Entwicklung in diesem Jahr den wirtschaftlichen Standard wiedergibt, wie er ohne den Versicherungsfall fortbestanden hätte.

Im Rahmen der Regelberechnung regelt das Gesetz ab § 82 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII bis § 86 sowie in § 88 [X.]B VII im Einzelnen Fallgruppen, in denen ua die Regelberechnung aus § 82 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII keine gerechte oder billige Grundlage für die Schätzung des [X.] bildet. Soweit die Grundregelung und diese speziellen gesetzlichen Regelungen gleichwohl zu einem im Einzelfall erheblich unbilligen Ergebnis führen, sieht § 87 [X.]B VII subsidiär für die meisten von ihnen eine Einzelfall-Schätzung des [X.] nach billigem Ermessen vor.

Schon bei der [X.] der Rentenhöhe werden zur Schätzung des [X.] ua nach § 82 Abs 2 Satz 2 und Satz 3 sowie § 82 Abs 4 [X.]B VII Hypothesen über den ohne den Versicherungsfall fortgesetzten oder erstmals eingetretenen Einkommensverlauf relevant. Schon hier hat das Gesetz die besondere Problematik der Regelberechnung für Berufsanfänger speziell aufgegriffen. Insbesondere § 82 Abs 2 Satz 3 [X.]B VII zeigt, dass die Erstschätzung des [X.] vom Gesetz dann für möglicherweise "unangemessen" gehalten wird, wenn der Versicherungsfall binnen einen Jahres nach Abschluss der Berufsausbildung eintritt. Dann kann es unbillig sein, den Versicherten an einer ungünstigen Regelberechnung nach dem letzten [X.]alenderjahr vor dem Versicherungsfall festzuhalten, weil das keine angemessene Basis für die Schätzung ist, was er ohne den Versicherungsfall erlangt hätte.

cc) Gerade bei [X.]indern und Jugendlichen kann die Regelberechnung der Erstfeststellung allerdings grob unangemessen werden, wenn unberücksichtigt bleibt, dass ihr danach vermutlich fortgesetztes Gesamteinkommen ([X.] der Erstfeststellung) unter Umständen nicht das wiedergibt, was sie im späteren Leben ohne den Versicherungsfall voraussichtlich als Einkommen zur Lebensführung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abstrakt hätten erlangen können. Dann würde schon abstrakt nicht hinreichend beachtet, welche Einbußen der Versicherungsfall zur Folge hatte.

Der Gesetzgeber hat diese Problematik in § 90 Abs 1 bis § 90 Abs 6 [X.]B VII typisierend geregelt. Alle Absätze der Vorschrift regeln Ansprüche auf Neufestsetzung der Höhe von Versicherungsleistungen (also Aufhebung des [X.] der bisherigen Wertfestsetzung des Rechts auf Leistung und Feststellung eines höheren Werts), die von einem zuvor bereits festgestellten, dh als maßgeblich zu Grunde gelegten [X.] abhängen. Gemeinsame Voraussetzung ist, dass zeitlich danach ein Ereignis (in hypothetischer und typisierender Beurteilung wegen des Versicherungsfalls) nicht oder verspätet eingetreten ist, das ein höheres Gesamteinkommen/Arbeitsentgelt erbracht hätte als es bei der [X.] des [X.] zu Grunde gelegt worden ist.

Den einzelnen Absätzen des § 90 [X.]B VII liegt damit das folgende stimmige [X.]onzept zu Grunde:

-       

§ 90 Abs 1 [X.]B VII regelt zunächst Folgendes: Tritt der Versicherungsfall vor oder während der Schul- oder Berufsausbildung ein und ist der Höchstwert des Rechts auf Leistung bereits wirksam festgestellt, ist dieser aufzuheben und ein höherer Wert neu festzustellen, falls der [X.] für den Versicherten günstiger ist, der sich nach Maßgabe von § 90 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII für den Tag ergibt, an dem der Versicherte seine Ausbildung voraussichtlich beendet hätte. Hat er sie an diesem Tag beendet, gibt es keinen Raum für eine hypothetische Prüfung. Auch ist ihm, der seine Ausbildung pünktlich abgeschlossen hat, in der für das Gesetz erlaubten typisierenden Betrachtung kein weiterer Nachteil aus dem Versicherungsfall entstanden, weil er typischerweise nicht durch den Versicherungsfall gehindert ist, ein dem Tarifentgelt des § 90 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII entsprechendes Gesamteinkommen zu erzielen.

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Ist hingegen der Versicherungsfall vor der Berufsausbildung eingetreten und die Erstfeststellung des Höchstwerts der Versicherungsleistung wirksam festgestellt worden und vollendet der Versicherte das 21. Lebensjahr (oder später das 25. Lebensjahr) und lässt sich nicht feststellen, welches Ausbildungsziel der Versicherte ohne den Versicherungsfall voraussichtlich erreicht hätte, ist der [X.] ab diesem Tag mit [X.] der Bezugsgröße (später 100 vH) anzusetzen (§ 90 Abs 1 iVm § 90 Abs 4 [X.]B VII).

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§ 90 Abs 2 [X.]B VII erfasst dann die Fälle, in denen nach der Erstfeststellung bei unter dreißigjährigen Versicherten diese vor Vollendung des 30. Lebensjahres an tarifvertraglichen oder ortsüblichen Erhöhungen des Arbeitsentgelts nicht teilgenommen haben, die zur [X.] des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit für den späteren Fall vorgesehen waren, dass sie ein bestimmtes Berufsjahr erreicht oder ein bestimmtes Lebensjahr vollendet hatten. Ihnen ist in der gesetzlichen typisierenden Betrachtung regelmäßig wegen des Versicherungsfalls die Entgelterhöhung entgangen. Wenn diese einen günstigeren [X.] brächte, besteht ein Neufeststellungsanspruch.

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Hat in den Fällen von § 90 Abs 1 oder Abs 2 [X.]B VII der Versicherungsfall eine Erwerbstätigkeit unmöglich gemacht, entsteht gemäß § 90 Abs 3 [X.]B VII, falls es günstiger ist, ein Neufeststellungsanspruch jeweils und sogar über das 30. Lebensjahr hinaus, falls zur [X.] des Versicherungsfalls tarifvertraglich oder ortsüblich spätere Entgelterhöhungen nach Lebensalter, Berufsjahren oder Ablauf von Bewährungszeiten vorgesehen sind und diese Voraussetzungen erfüllt werden.

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Unter Berücksichtigung des § 90 Abs 5 und des § 90 Abs 6 [X.]B VII sowie insbesondere auch der subsidiären Billigkeitsregelung in § 91 [X.]B VII mit der nochmals subsidiären Neufeststellung nach billigem Ermessen ergibt sich damit ein stimmiges [X.]onzept, das typisierend Fallgestaltungen regelt, in denen das Gesetz typische Fälle erfasst, in denen davon ausgegangen werden kann, dass das eigentlich nach der Regelberechnung der §§ 82 ff [X.]B VII zu Grunde zu legende Arbeitseinkommen als unbillig erscheint. Dementsprechend ist es auch nicht gesetzesplanwidrig, dass eine Neufeststellung dann nicht beansprucht werden kann, wenn aus dem Versicherungsfall (typisch gesehen) kein durch den Versicherungsfall bedingter weiterer Einkommensnachteil eingetreten ist, der von der Regelberechnung nicht erfasst wäre.

-       

Im Übrigen wird selbst bei denjenigen, die lediglich von der Regelberechnung erfasst werden und keinen Anspruch auf Neufeststellung nach § 90 [X.]B VII haben, im Falle eines besonders niedrigen Erwerbseinkommens im letzten Jahr vor dem Versicherungsfall in jedem Fall entweder der Mindest-[X.] des § 85 [X.]B VII oder - bei [X.]indern, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben - ein besonders gesetzlich festgelegter [X.] zu Grunde gelegt (§ 86 [X.]B VII).

Wenn danach ein stimmiges [X.]onzept für die Fallgestaltungen vorliegt, in denen es dem Gesetz unbillig erscheint, die jeweils erfassten Personenkreise an ihrem (zu niedrigen) [X.] nach Maßgabe der Regelberechnung nach den §§ 82 ff [X.]B VII festzuhalten, liegt für die Fallgestaltungen, in denen die Ausbildung - wie hier - plangemäß abgeschlossen worden ist, keine ausfüll-bare Gesetzeslücke vor. Dementsprechend kann § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII auch nicht zu Gunsten des [X.] analog angewandt werden. Das B[X.] ist nicht dazu befugt, eine - wie oben ausgeführt - rechtlich vollständige, sozial- oder rechtspolitisch jedoch von einzelnen Personen oder Gruppen als defizitär empfundene Regelung fortbildend zu ergänzen und sich damit unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) in die Rolle einer normsetzenden Instanz zu begeben (so auch B[X.], Urteil vom 29.7.2003 - B 12 [X.]R 15/02 R, [X.] Rd[X.] 22, [X.] 4-4100 § 169 [X.] 1 unter Hinweis auf [X.] 34, 269, 290; 65, 182, 194; 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280; ferner [X.] 96, 375, 394 f; 113, 88, 103).

c) Die entgegenstehenden, damals nicht tragenden und nicht näher begründeten Ausführungen in der zu § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII ergangenen Entscheidung des [X.] U 31/99 R - ([X.]-2700 § 90 [X.] 1; vgl zuvor zu § 573 [X.]: B[X.], Urteil vom 15.6.1983 - 9b/8 [X.] - [X.] 2200 § 573 [X.] 11) können demgemäß nicht aufrechterhalten bleiben, zumal die Voraussetzungen der Analogie dort nicht geprüft worden sind. Gleiches gilt für die eine solche Analogie befürwortenden Stimmen in der Literatur, die sich - soweit ersichtlich - nicht mit den rechtssystematischen Voraussetzungen der Analogiefähigkeit des § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII auseinandersetzen und lediglich die Entscheidung des B[X.] vom 7.11.2000 (aaO) zustimmend zitieren (vgl etwa [X.] in [X.]asseler [X.]ommentar, § 90 [X.]B VII, Rd[X.] 5, Stand: Dezember 2010; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]B VII, [X.] § 90 Rd[X.] 9a, Stand: März 2012; [X.] in: [X.]/[X.]/[X.]rasney/[X.]ruschinsky, [X.]B VII, § 90 Rd[X.] 18a, Stand: März 2007; [X.] in: juris-P[X.] [X.]B VII, 1. Aufl 2009, § 90 Rd[X.] 42; [X.] in: [X.], UV <[X.]B VII>, § 90 Rd[X.] 18, Stand: Oktober 2006; [X.] in: Lehr- und Praxiskommentar, [X.]B VII, 3. Aufl 2011, § 90 Rd[X.] 5; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]B VII, § 90 Rd[X.] 27; [X.]/[X.], Gesetzliche Unfallversicherung, § 90 [X.]B VII, Rd[X.] 8.5, Stand 01/2007; [X.], [X.]B VII, 4. Aufl 2009, § 90 Rd[X.] 7; [X.]ater in: [X.]ater/[X.], [X.]B VII, 1997, § 90 Rd[X.] 27).

Die Methode der Analogie ist eine verfassungsrechtlich anerkannte Form der richterlichen Rechtsfortbildung (vgl zB [X.] 82, 6, 11 ff mwN). Sie ist allerdings von der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen. Die vom Verfassungsrecht gezogene Grenze verläuft im allgemeinen dort, wo die Gerichte ohne das Vorhandensein einer sich aus Systematik und Sinn des Gesetzes ergebenden Lücke allein unter Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, die eine konkrete rechtliche Ableitung nicht zulassen, oder aus rechtspolitischen Erwägungen Neuregelungen oder Rechtsinstitute schaffen ([X.] 34, 269, 290; 65, 182, 194). Dem Gericht ist es grundsätzlich verwehrt, sich unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) aus der Rolle des [X.] in die einer normsetzenden Instanz zu begeben ([X.] 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280). Demgemäß darf richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie stets nur dann eingesetzt werden, wenn das Gericht auf Grund einer Betrachtung und Wertung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt (vgl [X.] FamRZ 1995, 1052, 1054). Eine derartige Lücke ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl [X.] NJW 1992, 1219; [X.] 65, 182, 194). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese - auch im Interesse der Rechtssicherheit für den einzelnen Bürger - nicht auf Grund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so ggf im Parlament gar nicht erreichbar war (vgl [X.] FamRZ 1995, 1052, 1054; [X.] 82, 6, 12). So spricht die Entscheidung des B[X.] im zum alten Recht ergangenen Urteil vom 15.6.1983 (aaO, [X.]) ohne nähere Gesetzesprüfung von einem "wenig einleuchtenden Ergebnis", das zu korrigieren sei. Eine solche Betrachtungsweise entspricht aber gerade nicht den strengen Voraussetzungen für die "Lücken"schließung durch Analogie. Eine Lücke im Gesetz liegt vielmehr nur dort vor, wo es eine Regelung weder ausdrücklich noch schlüssig getroffen hat und es deshalb nach dem [X.]onzept des Gesetzes, dem "[X.]", unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist. [X.]eine Gesetzeslücke liegt also vor, wenn die Nichtregelung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände entspricht, seine richterliche Ergänzung also dem "Willen des Gesetzes" widerspricht. Es muss sich um eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende, also eine "planwidrige Unvollständigkeit" handeln (stRspr des B[X.], vgl zB Urteil vom [X.] - B 10 LW 1/09 R - [X.] 4-5868 § 13 [X.] 5; Urteil des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 21/07 R, [X.] Rd[X.] 17, [X.] Aktuell 2008, 1162; Urteil vom 16.12.1997 - 4 RA 67/97 - [X.]-2600 § 58 [X.] 13 S 74 f; B[X.] [X.] 4100 § 107 [X.] 4 S 4; B[X.]E 63, 120, 131 = [X.] 4100 § 138 [X.] 17 S 92; B[X.]E 25, 150, 151; B[X.]E 43, 128, 129 = [X.] 4100 § 100 [X.] 1 S 1; vgl auch [X.], [X.] im Gesetz, 2. Aufl 1983, [X.], 197 f), die hier - wie soeben im Einzelnen unter 2 b) dargestellt - gerade nicht vorliegt.

Insbesondere verstößt § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Es liegt weder eine willkürliche Regelung noch eine ungerechtfertigte Nichtbeachtung, geschweige denn eine unverhältnismäßige, von sachlichen Unterschieden zwischen beiden Personengruppen vor.

§ 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII soll - wie oben unter 1. ausgeführt - bei Schülern und Auszubildenden einen typisierenden zusätzlichen Folgeschaden des Versicherungsfalls ausgleichen, nämlich die Tatsache, dass eine Ausbildung nach dem Versicherungsfall lediglich mit Verzögerungen oder überhaupt nicht beendet wurde. Dieser typisierte Schadensfall liegt bei dem [X.]läger und der von ihm repräsentierten Fallgruppe aber gerade nicht vor, weil die Ausbildung fristgerecht beendet wurde. Solche Versicherte haben daher, in der typisierenden Betrachtung des Gesetzes, keine weiteren (hypothetischen) Nachteile wegen des Versicherungsfalls erlitten. Zwischen den beiden Gruppen - privilegierte Verletzte mit verzögertem oder ausgefallenem Ausbildungsabschluss und typisiert unterstelltem [X.] einerseits und nicht durch § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII privilegierte Verletzte mit fristgerechtem Ausbildungsabschluss - bestehen daher gerade sachliche Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht (vgl [X.] 55, 72, 88; 84, 133, 157; 84, 197, 199; 85, 238, 244; 87, 1, 36; 95, 39, 45), dass sie vielmehr eine Ungleichbehandlung beider Gruppen im Lichte des Art 3 Abs 1 GG geradezu geboten erscheinen lassen. Denn andernfalls würde bei einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss ein (hypothetischer) "[X.]" ersetzt, der tatsächlich überhaupt nicht vorliegt. Dadurch käme es wohl zu einer verfassungswidrigen Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.

Soweit sich der Senat in der Entscheidung vom 7.11.2000 (aaO) ergänzend auf frühere Entscheidungen des B[X.] zur anders formulierten Vorgängerregelung des § 573 [X.] berufen hat (Urteil vom 15.6.1983 - 9b/8 [X.], [X.] 2200 § 573 [X.] 11; sowie Urteil vom 5.8.1993 - 2 RU 24/92 - [X.]-2200 § 573 [X.] 2), kann im Übrigen dahinstehen, inwieweit § 573 [X.] einer entsprechenden Analogie tatsächlich zugänglich gewesen ist. Denn erst durch das [X.] vom [X.] ([X.]) ist das soeben umrissene stimmige [X.]onzept auch deutlich formuliert worden.

Da der [X.]läger durch die angefochtene Höchstwertfestsetzung bereits mehr erhielt, als ihm nach dem Gesetz zusteht, konnte sein Begehren auf noch höhere Rente keinen Erfolg haben.

Die [X.]ostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 2 U 11/11 R

18.09.2012

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Düsseldorf, 31. März 2009, Az: S 6 U 25/08, Urteil

§ 82 SGB 7, §§ 82ff SGB 7, § 90 Abs 1 S 1 SGB 7, § 90 Abs 1 S 2 SGB 7, § 90 Abs 2 SGB 7, § 90 Abs 3 SGB 7, § 90 Abs 4 SGB 7, § 90 Abs 5 SGB 7, § 90 Abs 6 SGB 7, § 91 SGB 7, § 573 RVO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.09.2012, Az. B 2 U 11/11 R (REWIS RS 2012, 3136)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3136

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