Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2015, Az. V ZB 36/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2417

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:121115BVZB36.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V [X.]
vom
12. November 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 72 Abs. 2
Ob die in § 72 Abs. 2 [X.] für die Berufung in [X.] eintritt, richtet sich allein danach, ob es sich um eine Streitigkeit im Sinne von §
43 Nr. 1 bis 4 oder Nr. 6 WEG handelt; dagegen ist es unerheblich, wenn in erster Instanz nicht der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeiten zuständige Amtsrichter entschieden hat.
[X.], Beschluss vom 12. November 2015 -
V [X.] -
LG [X.]

LG [X.] (Oder)

AG [X.]

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-

Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 12. November 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.] Czub und die Richterinnen Dr.
[X.], Weinland und
Haberkamp

beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerden gegen
die Beschlüsse der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 20. Februar 2015 und der 6. Zivilkammer des Landgerichts [X.] (Oder) vom 26. Januar 2015 werden auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt einheitlich
5.000

Gründe:
I.
Die [X.]en sind Mitglieder derselben
Wohnungseigentümergemein-schaft. Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Unterlassungsanspruch geltend, der sich auf die
Art und Weise der Parkplatznutzung
bezieht. Das [X.] hat die Klage mit Urteil vom 15. Juli 2014 abgewiesen. Die darin enthaltene Rechtsmittelbelehrung bezeichnet das [X.] (Oder) als zuständiges Berufungsgericht. Das Urteil ist dem Kläger am 21.
Juli 2014 zugestellt worden.
Mit einem am 8. August 2014 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger bei dem [X.] Berufung eingelegt
und
mitgeteilt, dass er von dessen Zuständigkeit ausgehe; es handele sich um eine allgemeine Zivilsache, weil in erster Instanz nicht die Abteilung für [X.], son-1
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dern das Prozessgericht tätig geworden sei. Zugleich
bat er darum, vorab über die Zuständigkeit zu entscheiden,
den Rechtsstreit ggf. an das für Wohnungsei-gentumssachen zuständige Landgericht [X.] (Oder)
zu verweisen oder einen rechtzeitigen richterlichen Hinweis zu erteilen.
Mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 hat das [X.] auf seine Unzuständigkeit hingewiesen und die Verwerfung der Berufung als unzu-lässig angekündigt. Daraufhin hat der
Kläger
am 29. Oktober 2014 bei dem Landgericht [X.] (Oder) Berufung eingelegt
und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
beantragt. Mit Beschluss vom 26. Januar 2015 hat das Landge-richt [X.] (Oder) die Berufung als unzulässig verworfen. Das [X.] hat die Berufung
seinerseits mit Beschluss vom 20. Februar 2015 mangels Zuständigkeit als unzulässig verworfen. Mit den gegen beide Be-schlüsse
gerichteten Rechtsbeschwerden möchte der Kläger
eine [X.] über seine Berufung erreichen.
II.
Das [X.] stützt die Verwerfung der Berufung darauf, dass es nicht zuständig sei. Das Rechtsmittel beziehe sich auf eine Wohnungs-eigentumssache im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG. Zuständiges Berufungsgericht sei daher
das Landgericht [X.] (Oder). Es sei unerheblich, dass
in erster Instanz nicht der nach dem Geschäftsverteilungsplan für [X.] zuständige Amtsrichter entschieden habe.
Das Landgericht [X.] (Oder)
hält
sich aus denselben Gründen für
zuständig. Die Berufungsfrist sei jedoch nicht gewahrt worden. [X.] in den vorigen Stand sei dem Kläger nicht zu gewähren, weil sein Pro-zessbevollmächtigter die Versäumung der Frist verschuldet habe. Die Zustän-digkeitsregelung des § 72 Abs. 2 [X.] sei eindeutig und die Rechtsbehelfsbe-lehrung richtig gewesen. Durch die Bitte um einen richterlichen Hinweis könne sich der Anwalt nicht seiner eigenen Verantwortung entledigen. Das Landge-3
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richt [X.] sei zu einer Weiterleitung innerhalb der Berufungsfrist nicht ver-pflichtet gewesen. Es habe seine Unzuständigkeit nicht ohne eingehende Rechtsprüfung erkennen können.
III.
Die verbundenen, gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaften Rechtsmittel des [X.]
sind unzulässig, weil es an den
be-sonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des §
574 Abs. 2 ZPO
fehlt.
Weder ist eine
grundsätzliche Bedeutung anzunehmen noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Insbesondere ist der
Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert
worden
(vgl. dazu Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 -
V [X.], [X.], 488 Rn. 7 [X.]).
Zwar durfte das [X.] die Berufung nicht -
wie geschehen -
vor einer rechtskräftigen Entscheidung über das bei dem Landgericht [X.] (Oder) eingelegte Rechtsmittel verwerfen, sondern musste den Ausgang des [X.] abwarten; auch wenn die unterliegende [X.] mehrmals und bei verschiedenen Gerichten Berufung einlegt, handelt es sich um ein einheitliches Rechtsmittel, das nur verworfen werden darf, wenn keine der Einlegungen erfolgreich war (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 11. Juni 2015 -
V [X.], NJW 2015, 3171 Rn.
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ff. [X.]). Dieser Verfahrensfehler hat sich jedoch nicht ausgewirkt, weil die Beru-fung
insgesamt unzulässig war.
1. Rechtsfehlerfrei
verneint das rechtzeitig
angerufene [X.] seine Zuständigkeit.
a) Zuständig für die Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 72 Abs.
2 [X.] i.V.m. § 3 der [X.] Gerichtszuständigkeitsverord-nung (GVBl. [X.]) das erst nach Ablauf der Berufungsfrist angerufene 6
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Landgericht [X.] (Oder), weil der
Streit der [X.]en eine Wohnungseigen-tumssache im Sinne von §
43 Nr. 1 WEG
ist.
aa) Zu den [X.] gehören gemäß § 43 Nr. 1 WEG Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Hier streiten die [X.]-en ausschließlich um die Nutzung des Gemeinschaftseigentums; der Kläger macht geltend, dass die Beklagten teilweise im Bereich des
Gemeinschaftsei-gentums parkten. Ohne Erfolg verweist die Rechtsbeschwerde darauf, dass die [X.]en auch über den Umfang des Sondereigentums und damit über die sa-chenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft
stritten. Hierfür wären zwar die allgemeinen Zivilgerichte zuständig (vgl. Senat, Beschluss
vom 11. Juni 2015
-
V [X.], NJW 2015, 3171 Rn. 8 [X.]). Ein solcher Verfahrensgegenstand ergibt sich aus dem Urteil des Amtsgerichts aber schon deshalb nicht, weil darin mit Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO) festgestellt wird, dass die Beklagten
un-streitig das Gemeinschaftseigentum
zum Parken in Anspruch nehmen
und in-soweit Unterlassung verlangt wird. Nichts anderes folgt daraus,
dass die [X.], die ihr Teileigentum von dem Kläger erworben haben, aus dem
Kauf-vertrag
Ansprüche auf Einräumung von Sondereigentum
an der Parkfläche in größerem Umfang
ableiten. Solche
schuldrechtlichen
Ansprüche sind nämlich
weder Streitgegenstand noch betreffen sie die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft.
bb)
Ob die in § 72 Abs. 2 [X.] für die Berufung in [X.] vorgesehene Zuständigkeitskonzentration eintritt, richtet sich allein danach, ob es sich um eine Streitigkeit im Sinne von §
43 Nr. 1 bis 4 oder Nr. 6 WEG handelt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009
-
V [X.], NJW 2010, 1818 Rn.
7); dagegen ist es unerheblich, wenn -
wie hier -
in erster Instanz nicht der nach dem Geschäftsverteilungsplan für diese Streitigkeiten zuständige Amtsrichter entschieden hat. [X.] bezieht 9
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sich die Zuständigkeitsregelung nicht auf das erstinstanzlich entscheidende
Ge-richt, anders als
die in §
119 Abs. 1 Nr. 1a [X.] enthaltene Zuständigkeitsrege-lung für die
gegen die Entscheidungen der Familiengerichte gerichteten Rechtsmittel
(vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 7. Dezember 1994
-
XII [X.], NJW-RR 1995, 380, 381). Ohnehin sieht das Gerichtsverfas-sungsgesetz
die Bildung von gesonderten Abteilungen wie für Familien-
und Betreuungssachen (§§
23b, 23c
[X.]) für [X.] nicht vor
(vgl. zum Ganzen auch [X.], [X.], 834, 835).
2.
Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass
das [X.] dem Antrag des [X.] auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht [X.] (Oder) in analoger Anwendung von §
281 ZPO nicht entsprochen
hat.
a) Die Voraussetzungen für eine solche Verweisung sind nur dann gege-ben, wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne der genannten Regelungen vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann. Nur in diesen Fällen hat es der Senat für geboten
erachtet, dass das zuerst angerufene Gericht das Verfahren in
entsprechender Anwendung von §
281 ZPO an das eigentlich zuständige Berufungsgericht verweist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009 -
V [X.], NJW 2010, 1818 Rn. 11).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wie ausgeführt, ist es für die Zuständigkeit des Berufungsgerichts gemäß
§ 72 Abs. 2 [X.] unerheblich, ob in erster Instanz der
nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Amtsrich-ter entschieden hat.
Der Kläger
kann seine
gegenteilige
Rechtsauffassung we-der auf
Rechtsprechung noch auf
Literatur stützen.
3. Schließlich hält
auch die Entscheidung des Landgerichts [X.]
(Oder) rechtlicher Nachprüfung stand, mit der die Wiedereinsetzung in den [X.] Stand versagt
worden ist.
Da die Rechtslage eindeutig und die erteilte Rechtsmittelbelehrung richtig war,
beruht die Versäumung der Berufungsfrist 11
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auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des [X.] (§
85 Abs. 2 ZPO).
Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme, die Ursächlichkeit der schuldhaften Fristversäumnis sei nicht im Hinblick auf das Verhalten des [X.] des zunächst angerufenen [X.] ent-fallen.
a) Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des [X.], dass keine generelle Fürsorgepflicht des unzuständigen Rechtsmittelge-richts besteht, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Frist-versäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur an dem [X.] an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleich-terung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Inte-resse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss. Einer [X.] und ihrem Prozessbevollmächtigten muss die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener [X.] nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unzuständigkeit des angerufe-nen Gerichts ohne weiteres

bzw. leicht und einwandfrei

zu erkennen war und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gegebenen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht. In diesen Fällen stellt es für die Funktionsfähigkeit des angerufenen Gerichts [X.] nennenswerte Belastung dar, einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 24. Juni 2010 -
V [X.], [X.], 592 Rn. 7
f.; Beschluss vom 14. Juli 2011 -
V [X.], NJW 2011, 3306 Rn. 11, jeweils [X.]).
b) Ein solcher Fall liegt nicht vor. Da die
Art der Streitigkeit maßgeblich ist, war die Unzuständigkeit
des [X.] bei Eingang der Beru-15
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fungsschrift -
anders als bei der Einreichung einer Berufung bei einem örtlich offensichtlich unzuständigen Gericht (dazu
[X.], Beschluss vom 20. April 2011 -
VII ZB 78/09, NJW 2011, 2053 Rn. 11 ff.)
-
nicht leicht und einwandfrei er-kennbar. Nach Eingang der Akten wäre dies
nur
bei einer genaueren Prüfung durch den Berichterstatter erkennbar gewesen; dieser hatte jedoch keine Ver-anlassung, sich vor Eingang der Rechtsmittelbegründung in die Sache einzule-sen. Andernfalls würde eine richterliche Einarbeitung in einem Verfahrensstadi-um verlangt, in dem noch nicht sicher ist, ob das Rechtsmittel durchgeführt werden wird und worin die [X.] bestehen sollen (näher
Senat, Beschluss vom
14. Juli 2011 -
V [X.], NJW 2011, 3306 Rn. 12).
c) Aus denselben Gründen war der Vorsitzende
-
anders als die Rechts-beschwerde meint -
nicht gehalten,
darauf hinzuweisen, dass die [X.] nicht innerhalb der laufenden Berufungsfrist erfolgen werde. Inso-weit verlangt der Kläger
schon
keinen
Hinweis im Sinne von §
139 ZPO, son-dern eine tatsächliche und zudem fristgebundene Information.
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann

Czub

[X.]

Weinland

Haberkamp

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 15.07.2014 -
22 [X.]/13 -

LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 26.01.2015 -
16 S 227/14
LG [X.], Entscheidung vom 20.02.2015 -
1 [X.] -

18

Meta

V ZB 36/15

12.11.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2015, Az. V ZB 36/15 (REWIS RS 2015, 2417)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2417

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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