Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.04.2011, Az. 28 W (pat) 588/10

28. Senat | REWIS RS 2011, 7993

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "LEV (Wort-Bild-Marke)" – kein Beleg für Behinderungsabsicht – keine Bösgläubigkeit der Anmelderin


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2010 036 822.5

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 1. April 2011 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] und Schell

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 14 vom 26. Oktober 2010 wird aufgehoben.

Gründe

<[X.]rong>I.

1

Das [X.] hat mit Beschluss der Marken[X.]elle für Klasse 14 vom 26. Oktober 2010 durch einen Bedien[X.]eten des gehobenen Dien[X.]es die Anmeldung der für zahlreiche Waren und Dien[X.]lei[X.]ungen der Klassen 14, 35 und 37 beanspruchten Kennzeichnung

Abbildung

2

<[X.]rong>mit Ausnahme von „Edelmetalle und deren Legierungen, sowie daraus herge[X.]ellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten“ nach § 37 Abs. 1 und 3, § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] wegen Bösgläubigkeit zurückgewiesen. Zur Begründung i[X.] ausgeführt, dass aufgrund der Anmeldung der Kennzeichnung für eine Vielzahl von Waren und Dien[X.]lei[X.]ungen von einem mangelnden [X.]n der Anmelderin auszugehen sei, weil die Anmelderin nach ihrem Unternehmensgegen[X.]and nur auf den Gebieten tätig sei, für welche die Anmeldung nicht zurückzuweisen sei; sie [X.]elle aber weder Uhren her noch handele sie mit Juwelen noch sei sie eine Werbeagentur oder führe Büroarbeiten für andere aus, noch sei sie ein Bau- oder gar Hafen- oder Schiffsbauer oder führe Reparatur- oder Wartungsarbeiten aus. Soweit sie die diesbezüglichen Waren und Dien[X.]lei[X.]ungen für die [X.] schützen wolle, handele sie daher bösgläubig, so dass die Anmeldung insoweit nach § 37 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] zurückzuweisen sei.

3

Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, dass die Annahme eines fehlenden generellen [X.]ns seitens der Marken[X.]elle rechtfehlerhaft sei. Die angemeldeten [X.] entsprächen dem derzeitigen Tätigkeitsfeld der Anmelderin in ihrer Gesamtheit, wobei auch geplante Erweiterungen berücksichtigt seien. Die Annahme der Marken[X.]elle, sie könne aus ihrer Lebens- und Prüfungserfahrung beurteilen, wie sich das Unternehmen der Anmelderin nach der normalen Wahrscheinlichkeit entwickeln werde, sei absurd. Die Anmelderin sei auch nicht verpflichtet, im Rahmen der Anmeldung ihre Unternehmenspolitik darzulegen. Es sei auch falsch, dass die Anmelderin mit der Anmeldung beabsichtige, [X.] für sich zu beanspruchen oder Dritte abzumahnen. In der Gesamtschau entbehre daher die Annahme einer offensichtlich rechtsmißbräuchlichen Anmeldung jeglicher Grundlage.

4

Die Anmelderin beantragt,

5

den Beschluss der Marken[X.]elle für Klasse 14 vom 26. Oktober 2010 aufzuheben.

<[X.]rong>II.

6

Die nach § 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde hat Erfolg. Entgegen der Ansicht der Marken[X.]elle kann die Anmeldung nicht nach § 37, § 8 Abs. 2 Nr. 10  [X.] zurückgewiesen werden, da konkrete Fe[X.][X.]ellungen, welche die Annahme einer ersichtlichen (§ 37 Abs. 3 [X.]) [X.]en Anmeldung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] rechtfertigen könnten, von der Marken[X.]elle nicht getroffen worden sind.

7

Nach der Rechtsprechung des [X.] i[X.] von der Bösgläubigkeit eines Anmelders auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt i[X.]. Damit knüpft die Be[X.]immung an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG oder § 826 BGB unter Geltung des [X.] an. Zur Beurteilung der Bösgläubigkeit eines Anmelders nach § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 10 [X.] sind daher die insoweit entwickelten Grundsätze weiter heranzuziehen (vgl. [X.], 510, 511 – [X.] – m. w. N.). Danach i[X.] von einer Sittenwidrigkeit der Anmeldung dann auszugehen, wenn der Anmelder die Marke entweder als „Spekulationsmarke“ mit dem Ziel der Behinderung Dritter oder die Marke in Kenntnis eines schutzwürdigen [X.] des Vorbenutzers mit dem Ziel anmeldet, diesen Besitz[X.]and zu [X.]ören, oder wenn er die mit der Eintragung der Marke kraft Gesetzes verbundene Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzen will (vgl. [X.], 210 – [X.]; GRUR 1998, 1034, 1037 – [X.]; [X.], 1032, 1034 – [X.] 2000; [X.] (pat) 47/01 - [X.] FER [X.], veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM).

8

Soweit die Marken[X.]elle vorliegend das Vorliegen der er[X.]en Fallkon[X.]ellation, bei der eine Bösgläubigkeit zu bejahen i[X.], also eine Behinderungsabsicht angenommen hat, hat sie sowohl die hierzu be[X.]ehenden Voraussetzungen verkannt als auch konkrete, eine Bösgläubigkeit rechtfertigende Tatsachen nicht fe[X.]ge[X.]ellt.

9

Zwar i[X.] nach der Rechtsprechung des [X.] die Anmeldung einer Marke grundsätzlich [X.], wenn sie in der Absicht vorgenommen wird, die Marke nicht selb[X.] zu benutzen, sondern (nur) andere an ihrer Benutzung zu hindern (vgl. [X.], 780, 782 - Ivadal). Nach diesen höch[X.]richterlichen Vorgaben begründet das Fehlen eines generellen [X.]ns allerdings noch nicht zwangsläufig die Annahme der Bösgläubigkeit, vielmehr muss darüber hinaus auch fe[X.][X.]ehen, dass der Anmelder mit der Anmeldung allein die Behinderung Dritter beabsichtigt (so zutr. auch [X.]/Hacker, [X.], 9. Aufl. 2009, § 8 Rn. 543; i. E. ähnlich [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 8 Rn. 303, demzufolge der fehlende [X.] allenfalls noch ein jederzeit widerlegbares und für sich allein genommen noch nicht ausreichendes Indiz bei der erforderlichen Würdigung der eine Bösgläubigkeit er[X.] begründenden Gesamtum[X.]ände dar[X.]ellt).

Sowohl die Frage, ob der [X.] generell fehlt, als auch die Frage, ob darüber hinaus der Anmelder auch in der Absicht, Dritte zu behindern, handelt, also das die Bösgläubigkeit er[X.] begründende subjektive Tatbe[X.]andsmerkmal vorliegt, müssen dabei vom Patentamt im jeweiligen Einzelfall von Amts wegen konkret fe[X.]ge[X.]ellt werden. Dabei i[X.] es aufgrund der Regelungs[X.]ruktur des § 37 [X.] nicht Sache des Anmelders, das

Ob der [X.] fehlt und ob eine Behinderungsabsicht vorliegt, kann nur aufgrund einer Würdigung des Gesamtverhaltens des Anmelders beurteilt werden. Die Fe[X.][X.]ellung des subjektiven Tatbe[X.]andsmerkmals kann dabei zwar aus verschiedenen Indizien gefolgert werden, die nur in ihrer Gesamtheit, nicht aber bereits jeweils für sich genommen die Annahme der Behinderungsabsicht zu rechtfertigen vermögen.

Soweit die Marken[X.]elle meint, bereits aus dem Um[X.]and, dass die [X.] für eine Vielzahl von Waren und Dien[X.]lei[X.]ungen angemeldet werde, ergebe sich eine Bösgläubigkeit, kann dem daher nicht gefolgt werden, da es sich hierbei nur um ein - und zudem auch nur schwaches - Indiz handelt, das für sich genommen eine Behinderungsabsicht noch nicht belegen kann.

Soweit sie darüber hinaus darauf abge[X.]ellt hat, die Anmelderin sei auf den Gebieten, zu welchen die zurückgewiesenen Waren und Dien[X.]lei[X.]ungen gehören, derzeit nicht tätig und werde dies auch in absehbarer Zeit nicht werden, vermag dies ebenfalls weder für sich noch in Verbindung mit dem oben genannten weiteren Indiz eine Behinderungsabsicht zu belegen. Dabei kann dahin[X.]ehen, ob die Marken[X.]elle hierbei die Geschäft[X.]ätigkeit der Anmelderin - wie von dieser be[X.]ritten - richtig gewürdigt hat. Auch wenn die Wertung der Marken[X.]elle - woran allerdings mangels konkreter Tatsachenfe[X.][X.]ellungen erhebliche Zweifel be[X.]ehen - zutreffen sollte, könnte dieses Indiz die Schlussfolgerung der Marken[X.]elle, dass die Anmelderin [X.] handele, nicht rechtfertigen. Die Marken[X.]elle hat hierbei nämlich bereits im Ansatz verkannt, dass, es für das Vorliegen eines [X.]ns des Anmelders schon genügt, wenn er die Absicht hat, die Marke im geschäftlichen Verkehr zwar nicht selb[X.] zur Kennzeichnung von Waren oder Dien[X.]lei[X.]ungen zu benutzen, sie aber der Benutzung durch einen Dritten im Wege der Lizenzerteilung oder nach einer Übertragung zuzuführen (

Somit hat die Marken[X.]elle bela[X.]bare Tatsachen, die - und sei es indiziell - eine Behinderungsabsicht und damit eine Bösgläubigkeit der Anmelderin belegen könnten, nicht fe[X.]ge[X.]ellt. Damit kann ihre Annahme, dass die Anmelderin die angemeldete Kennzeichnung für die zurückgewiesenen Waren und Dien[X.]lei[X.]ungen ersichtlich [X.] angemeldet habe, keinen Be[X.]and haben, so dass der sich hierauf gründende, die Anmeldung teilweise zurückweisende Beschluss der Marken[X.]elle auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben war.

Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 [X.] be[X.]and keine Veranlassung, denn besondere Um[X.]ände, aufgrund derer es unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 8. Aufl. 2006, § 71 Rn. 31 ff.; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 71 Rn. 35 ff.) sind weder dargetan noch anderweitig ersichtlich. Allein der Um[X.]and, dass die Marken[X.]elle die rechtlichen Voraussetzungen für die von ihr vorgenommene Zurückweisung teilweise verkannt hat und zudem hierfür nicht ausreichende tatsächliche Grundlagen fe[X.]ge[X.]ellt hat, vermag nach [X.]. Rspr. nicht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu rechtfertigen (vgl. [X.] 2, 78; 22, 29, 32).

Meta

28 W (pat) 588/10

01.04.2011

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.04.2011, Az. 28 W (pat) 588/10 (REWIS RS 2011, 7993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7993

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