33. Senat | REWIS RS 2012, 7005
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Markenbeschwerdeverfahren – "soulhelp" – Voraussetzungen der ersichtlichen Bösgläubigkeit sind durch das DPMA festzustellen und nicht durch den Anmelder zu widerlegen – Vermutung des generellen Benutzungswillens des Anmelders – Anmeldung für ein außerordentlich weites Spektrum von Waren und Dienstleistungen - Anmelder hat keinen eigenen, eine Nutzung ermöglichenden Geschäftsbetrieb - keine Widerlegung der Vermutung des generellen Benutzungswillens
soulhelp
1. Im Eintragungsverfahren sind die Voraussetzungen der ersichtlichen Bösgläubigkeit im Sinne des §§ 8 Abs. 2 Nr. 10, 37 Abs. 3 MarkenG durch das DPMA festzustellen, nicht durch den Anmelder zu widerlegen. Der generelle Benutzungswille des Anmelders wird widerleglich vermutet.
2. Dass eine Marke für ein außerordentlich weites Spektrum von Waren und Dienstleistungen angemeldet ist und der Anmelder keinen eigenen, eine Nutzung ermöglichenden Geschäftsbetrieb hat, reicht für sich genommen nicht aus, die Vermutung seines generellen Benutzungswillen zu widerlegen.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 028 397.4
hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.] und [X.] am [X.] am 24. April 2012
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des [X.] vom 7. August 2009 aufgehoben.
I. |
Am 12. Mai 2009 hat die Anmelderin die Bildmarke
unter Beanspruchung der Farben Schwarz, Gelb, Grün, Rot und Blau für folgende Dienstleistungen angemeldet:
Klasse: 35 |
Finanzierungsberatung; Gebäudeverwaltung; Geldwechselgeschäfte; Geschäftsliquidationen (Finanzdienstleistungen); Gewährung von [X.]; Grundstücksverwaltung; Homebanking; Immobilienverwaltung, sowie Vermittlung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien (Facility management); Inkassogeschäfte; Investmentgeschäfte; elektronischer Kapitaltransfer; [X.]; Kreditvermittlung; Leasing; [X.]; Lombardgeschäfte; Mergers- und Akquisitionsgeschäfte, nämlich finanzielle Beratung beim Kauf oder Verkauf von Unternehmen sowie Unternehmensbeteiligungen; numismatische Schätzungen; Sammeln von Spenden für Dritte; Schätzen von Briefmarken, Schmuck, Immobilien, Kunstgegenständen sowie Schätzung von Reparaturkosten (Werteermittlung); Scheckprüfung; Seeversicherungswesen; |
Sparkassengeschäfte; Übernahme von Bürgschaften, Kautionen; Unfallversicherungswesen; Vergabe von Darlehen; Vermietung von Büros (Immobilien); Vermietung von Wohnungen; Vermittlung von Vermögensanlagen in Fonds; Vermittlung von Versicherungen; Vermögensverwaltung insbesondere auch durch Treuhänder; Verpachtung von landwirtschaftlichen Betrieben; Versicherungsberatung; Verwahrung von Wertstücken in [X.]; Wohnungsvermittlung; Zollabfertigung für Dritte |
Die Markenstelle für Klasse 36 des [X.] ([X.]) hat mit Schreiben vom 15. Juli 2009 der Anmelderin gegenüber beanstandet, dass das absolute Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] vorliege. Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis bestehe im Wesentlichen aus der bloßen Übernahme sämtlicher für die Klassen 35, 36 und 41 in der Suchdatenbank des [X.] aufgeführten, überhaupt nur möglichen Waren- und Dienstleistungsbezeichnungen. Ein ernsthafter Benutzungswille könne nach Sachkunde und Lebenserfahrung nicht angenommen werden, da eine solche umfangreiche (selbst auch nur geplante) Nutzung oder Lizensierung als unmöglich erscheine. Es handle sich um eine sogenannte „Hinterhaltsmarke“.
Die Anmelderin hat sich auf die Beanstandung hin zwar zur Unterscheidungskraft und zum fehlenden Freihaltungsbedürfnis geäußert, ist aber nicht auf die beabsichtigte Nutzung der Anmeldung eingegangen.
Die Markenstelle für Klasse 36 hat daraufhin mit Beschluss vom 7. August 2009 die Anmeldung zurückgewiesen. Eine erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage habe ergeben, dass an der zuvor geäußerten Auffassung festzuhalten sei.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie beantragt u. a.,
den Beschluss aufzuheben und die Marke zum Aktenzeichen 30 2009 028 397.4/36 einzutragen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die Eintragung einer Marke keinen generellen, von Amts wegen prüfbaren Benutzungswillen voraussetze; vielmehr sehe das Markenrecht eine „Benutzungsschonfrist“ vor. Zum Zeitpunkt der Anmeldung müsse noch keine zwingende Benutzung vorgesehen sein, sondern diese dürfe sich erst entwickeln. Aus dem Fehlen der [X.] ergebe sich noch kein Rechtsmissbrauch. Für die klassenweise Anmeldung von Waren und Dienstleistungen gebe es sachliche Gründe, diese sei auch weithin üblich. Dabei spiele es keine Rolle, ob eine Anmeldung ausschließlich mit Oberbegriffen oder unter Einbeziehung der Unterbegriffe erfolge. Die Anmelderin selbst habe sehr wohl eine „allgemeine (neutrale)“ und „konkretisierende“ [X.]. Das ergebe sich aus ihrer Domain „Soulhelp.de“.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das absolute Schutzhindernis der [X.]en Anmeldung (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.]) liegt nicht vor.
1.
Eine Marke ist u. a. dann [X.] angemeldet, wenn der Anmelder keinen eigenen Benutzungswillen hat, sondern lediglich allein den Marktzutritt eines [X.] verhindern will („Spekulationsmarke“ oder „Hinterhaltsmarke“; [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage 2012, § 8 Rn. 688).
Grundsätzlich wird im Eintragungsverfahren der generelle Benutzungswille des Anmelders widerleglich vermutet ([X.], 242 Nr. 38 - Clase E; [X.], 780 Nr. 19 - [X.]). Es ist nicht Sache des Anmelders, seinen Benutzungswillen zu belegen; vielmehr hat das [X.] die erforderlichen Feststellungen zu treffen (BPatG 28 W (pat) 588/10). Maßgeblich ist, ob sich eine Behinderungsabsicht nach der Lebenserfahrung aufdrängt ([X.]/[X.] a. a. O. § 8 Rn. 687). Die darüber hinaus erforderliche Behinderungsabsicht ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das anhand aller erheblichen objektiven Umstände festgestellt werden muss ([X.] GRUR 2009, 763 - [X.]; [X.], 242 - Classe E).
Die Zurückweisung einer Anmeldung kann nur dann auf § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] gestützt werden, wenn das Fehlen des [X.] und die weiteren Voraussetzungen der Bösgläubigkeit ersichtlich sind (§ 37 Abs. 3 [X.]), also ohne umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen aus den zur Verfügung stehenden Informationsquellen festgestellt werden können ([X.]/[X.] a. a. O. § 8 Rn. 680).
Wenn die Marke für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen angemeldet worden ist, so kann darin zwar ein Indiz für eine Behinderungsabsicht zu sehen sein ([X.]/[X.] a. a. O. § 8 Rn. 688); es handelt sich aber um ein schwaches Indiz, das für sich genommen die Behinderungsabsicht nicht belegt (BPatG 28 W (pat) 588/10). Weiter kommt es darauf an, ob die markenmäßige Benutzung ernsthaft und nachvollziehbar geplant ist, oder ob Marken lediglich „gehortet“ werden ([X.] GRUR-RR 2011, 211; [X.]/[X.] a. a. O. § 8 Rn. 688). Für eine Behinderungsabsicht spricht es, wenn die angemeldete Marke ganz oder überwiegend beschreibenden Charakter hat oder sich einer Beschreibung annähert, oder wenn sie einem nicht formal geschützten Zeichen ähnelt, das bereits verwendet wird oder dessen Verwendung durch Dritte naheliegt (vgl. [X.] 2008, 621 - [X.]; [X.], 780 - [X.]; [X.]/[X.] a. a. O. § 8 Rn. 690). Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Anmelder einen eigenen Geschäftsbetrieb hat; denn eine [X.] ist auch dann gegeben, wenn die Marke [X.] zur Benutzung überlassen werden soll ([X.], 242 - Classe E).
2.
Gemessen an diesem Maßstab kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, dass die Marke ersichtlich [X.] angemeldet worden ist.
Die Marke ist zwar für ein außerordentlich weites Spektrum an Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 41 angemeldet worden. Dies ist jedoch vom Gesetz ausdrücklich zugelassen, wobei dem Anmelder nach § 32 Abs. 2 Nr. 3 [X.] und § 20 [X.] i. V. m. § 65 Abs. 1 Nr. 2 [X.] die Wahl bleibt, durch die Beanspruchung der Oberbegriffe der [X.] Klassifikation möglichst alle Dienstleistungen einer Klasse zu erfassen, oder lieber alle unter diese Oberbegriffe fallenden Kategorien von Dienstleistungen im Einzelnen detailliert aufzuzählen. Beide Vorgehensweisen tragen dem registerrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz Rechnung und gewährleisten die [X.]. Im Übrigen ist ein Anmelder nicht auf drei Klassen beschränkt, er kann vielmehr bei Bezahlung der entsprechenden Klassifikationsgebühren nach dem PatKostG (Anlage zum Gebührenverzeichnis Nr. 331 300) auch weitere Klassen beanspruchen, ja sogar alle 45 Klassen der [X.] Klassifikation, was in der Praxis gar nicht so selten geschieht. Allein aus der Beanspruchung einer Vielzahl von einzelnen Waren und Dienstleistungen oder von Klassen mit ihren Oberbegriffen lässt sich ein [X.]es Verhalten nicht ableiten.
Die Anmelderin kann nämlich die Absicht haben, die Anmeldung oder die Marke ganz oder teilweise an einen oder mehrere Dritte zu übertragen oder Lizenzen an ihr zu erteilen. In diesem Fall kann die Marke in Zukunft sehr wohl im gesamten Bereich der in der Anmeldung benannten Dienstleistungen verwendet werden. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber bewusst geschaffen, als er sich von der im alten [X.] noch vorgeschriebenen Bindung zwischen Markenanmeldung und Geschäftsbetrieb im [X.] gelöst hat.
Die [X.]recherche des [X.]s hat ergeben, dass die Anmelderin nach ihren eigenen veröffentlichten Angaben eine private Kinderhilfe betreibt. Das geschieht in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins ([X.]). Die Anmelderin ist Sängerin und Songschreiberin. Der Verein verkauft Kunstobjekte; ein Teil des Verkaufserlöses wird für Kinder in Not und für Menschen mit Behinderung gespendet. Auch Musik der Anmelderin kann über die Homepage des Vereins heruntergeladen werden. Auch ein ideeller, karitativer Verein, der keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, kann eine Marke in der Öffentlichkeit ernsthaft benutzen ([X.] GRUR 2009, 156 - Radetzky).
Auf Antrag der Anmelderin ist im Jahr 2007 die Marke [X.] eingetragen worden. Ein Antrag auf Eintragung der Wortmarke „Soul-help“ ist wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anmelderin noch weitere Marken angemeldet hat und somit Marken „hortet“.
Unter diesen Umständen erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass die hier verfahrensgegenständliche Marke ganz oder teilweise an Dritte übertragen oder lizenziert werden, und dass durch die Einnahmen die Arbeit des Vereins gefördert werden kann. Das kann nicht als lebensfern und ausgeschlossen betrachtet werden.
Auch andere Indizien für eine Behinderungsabsicht liegen nicht vor. Die Anmeldung hat als Bildmarke ein vergleichsweise hohes Gestaltungsniveau. Dass sie bereits verwendeten Zeichen ähnelt, oder dass die Verwendung ähnlicher Zeichen durch Dritte naheliegt, ist vom [X.] nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Im Übrigen dient die Bösgläubigkeitsprüfung nicht der von Amts wegen erfolgenden Vorwegnahme eines späteren, nur auf Antrag eines Beteiligten einzuleitenden Widerspruchsverfahrens.
Ob die angemeldete Marke in dem seit der Anmeldung vergangenen Zeitraum von über drei Jahren verwendet worden ist, ist unerheblich. Gerade dann, wenn eine Verwertung mit Hilfe von [X.] beabsichtigt sein sollte, liegt die Annahme nahe, dass das erst dann geschehen soll, wenn die Marke eingetragen und somit registerrechtlich geschützt ist.
3.
Die Beschwerde hat aus diesen Gründen Erfolg, soweit sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Die Eintragung der Marke kann der [X.] nicht anordnen; die Sache ist vielmehr zur weiteren Prüfung an das [X.] zurückzugeben (vgl. [X.]/[X.] a. a. O. § 70 Rn. 16).
Die Überprüfung der Dienstleistungsbegriffe und der Klassifizierung bleibt dem [X.] vorbehalten.
Meta
24.04.2012
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 33 W (pat) 122/09 (REWIS RS 2012, 7005)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 7005
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