Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2015, Az. 4 StR 86/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 4234

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
86/15

vom
8. Oktober 2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8.
Okto-ber
2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Bender

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof

als Vertreter des
[X.]s,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 18.
November 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen zu der der [X.] zugrundeliegenden rechtswidrigen Tat bleiben jedoch [X.].
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Beschuldigten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung der [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit [X.]. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Nach den Feststellungen leidet die zur Tatzeit 53
Jahre alte Beschul-digte seit vielen Jahren -Nach ihrem Erleben wurde sie 1985 in [X.] vergewaltigt. Ob diese Vergewaltigung tatsächlich stattgefunden hat, konnte aus psychiatrischer Sicht hr Krankheitsbild; sie hört seine Stimme, sieht ihn und findet Zeichen von ihm auf der [X.]. [X.] hielt sie sich erstmals freiwillig in der psychiatrischen Abteilung der E.

1
2
-
4
-
Kliniken in [X.]

auf. 1995 wurde sie dort erneut behandelt, nachdem
sie ihre Medikamente abgesetzt und eine Tasse nach ihrer Mutter geworfen hatte. 2005 begab sie sich in das El.

-Krankenhaus in [X.]

, als
sie nach dem Absetzen ihrer Medikamente spürte, dass sie kurz davor stand, das Mobiliar zu zertrümmern. 2011 war sie wiederum in den E.

Kli-
niken in stationärer Behandlung.
Die Beschuldigte bewohnte zur Tatzeit bereits seit 20
Jahren eine eigene Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Gr.

straße

in [X.]

.
Ihren Nachbarn ist sie in dieser [X.] nicht durch Besonderheiten aufgefallen. Zwei bis drei Monate vor der Tat hatte die Beschuldigte ihre Medikamente ab-gesetzt, weil diese zu einem Tremor im Arm geführt hatten.
Am Abend des 10.
Juni 2014 sah die Beschuldigte fern. Die Geräusche aus dem Fernseher nahm sie als Stimmen wahr, die ihr Befehle gaben. Sie wurde aggressiv und bekam Angst. An ein Ausschalten des Fernsehers dachte sie nicht; vielmehr nahm sie einen Hammer und schlug ein Loch in den [X.] verschüttete einen Liter Terpentinersatz in ihrer Wohnung und zündete [X.] an. Dann verließ sie die Wohnung mit ein paar Sachen und ihrem Meer-schweinchen, die sie zuvor
in eine Tasche gepackt hatte. Dass andere Men-schen durch den Brand zu Schaden kommen könnten, war ihr egal. Hausbe-wohner alarmierten die Polizei und die Feuerwehr, die den Brand löschte. Im Schlafzimmer der Beschuldigten war die Matratze verbrannt, das Bett beschä-digt. In allen Räumen hatte sich [X.] niedergeschlagen; wegen der [X.] war die Wohnung für mehrere Tage nicht bewohn-bar.
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4
-
5
-
Das [X.] hat die Tat als vollendete schwere Brandstiftung gemäß §
306a Abs.
1 Nr.
1 2.
Alternative StGB gewertet. Durch die starke Verrußung sei die Wohnung für eine beträchtliche [X.] unbewohnbar gewesen, so dass ein teilweises Zerstören eines für das Wohnen von Menschen bestimmten Gebäu-deteils vorliege. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63 StGB lägen nicht vor. Zwar sei davon auszugehen, dass die Einsichts-
und die Steuerungsfähigkeit der [X.] bei der Begehung der [X.] aufgrund einer akuten Phase der bei ihr seit vielen Jahren bestehenden und zuletzt medikamentös unbehandel--könne ihr die für eine Unterbringung erforderliche Gefahrenprognose nicht ge-stellt werden.
2.
Das Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf allerdings nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für neuerliche schwere Störungen des Rechtsfriedens besteht. Dass der Täter trotz bestehenden Defekts lange [X.] keine Straftaten begangen hat, ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straf-taten. Andererseits kann aber auch schon eine erste Straftat belegen, dass der Täter für die Allgemeinheit
gefährlich ist. Ob dies der Fall ist, muss aufgrund einer umfassenden Würdigung der Person des [X.], seines [X.] und der [X.] unter Ausschöpfung der erreichbaren Beweismittel geprüft werden ([X.], Urteil vom 17.
November 1999

2
StR
453/99, [X.]R StGB §
63 Gefährlichkeit
27). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
5
6
7
-
6
-
a)
Das Urteil ist in einem wichtigen Punkt lückenhaft. Das [X.] ist den beiden Sachverständigen bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit der [X.] in vollem Umfang gefolgt. Bei der Prüfung der Gefährlichkeit der Beschuldigten sind die Sachverständigen, die eine Aussetzung der Unterbrin-gung zur Bewährung befürwortet haben, davon ausgegangen, dass die Be-schuldigte aufgrund des [X.] sich zukünftig aggressiv verhalten [X.] die früher aufgetretenen

das Werfen einer Tasse nach einem Menschen oder die Zerstörung von (eigenem) Mobiliar

verstehen oder ob sie darüber hinausgehende Handlungsweisen

wie im vorliegenden Fall eine schwere Brandstiftung

erwarten und ob das [X.] ihnen auch insoweit folgt, ist in diesem Zusammenhang nicht erläutert worden. Der Tatrichter, der in einer schwierigen Frage den Rat eines Sachverständigen in Anspruch genommen hat und der diese Frage im Widerspruch zu dem Gutachten lösen will, muss aber die Darlegungen des Sachverständigen im Einzelnen wiedergeben, insbeson-dere dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 20.
März 2008

4
StR
5/08 Rn.
6 und vom 16.
Dezember 1992

2
StR
440/92, [X.]R StPO §
261 Sachverständiger
5 jeweils mwN).
b)
Zum anderen lässt das [X.] bei seiner Würdigung, die An-nahme der Sachverständigen könne die Gefährlichkeitsprognose nicht tragen, außer [X.], dass der Sachverständige Prof.
Dr.
L.

dem es sich ange-
schlossen hat

der Ansicht war, die Beschuldigte werde bei [X.] der Medikamente wieder wahnhaft agieren. Unter diesen Umständen begegnet die Annahme des [X.], es gebe keine Anhaltspunkte für eine erneute pro-duktiv-psychotische Episode und damit einhergehende schwerwiegende Straf-taten,
durchgreifenden Bedenken. Dies gilt auch für die Einschätzung der Straf-8
9
-
7
-

s-ichtlich mit der [X.] vor.
3.
Über die Unterbringung und deren Vollstreckung muss deshalb erneut entschieden werden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu der der [X.] zugrundeliegenden schweren Brandstiftung können jedoch aufrechterhalten bleiben.
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Bender
10

Meta

4 StR 86/15

08.10.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2015, Az. 4 StR 86/15 (REWIS RS 2015, 4234)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4234

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