Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2010, Az. 5 StR 123/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 7636

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

5 [X.] [X.] vom 14. April 2010 in dem Sicherungsverfahren gegen - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 14. April 2010 beschlossen: Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 17. September 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenom-men bleiben die Feststellungen zum äußeren Ge-schehensablauf der rechtswidrigen Tat, die aufrecht erhalten bleiben. Insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landge-richts zurückverwiesen. [X.]e
Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und ein Klappmesser eingezogen. Die Revision des Beschuldigten hat den aus der [X.] ersichtlichen weitgehenden Teilerfolg. 1 1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen: 2 a) Bei dem jetzt 32 Jahre alten, nicht vorbestraften, in der [X.] gebo-renen und aufgewachsenen, mittlerweile in [X.] lebenden [X.] zeigten sich im [X.] 1997 psychische Auffälligkeiten. Im Oktober desselben Jahres erfolgte seine Zwangseinweisung in eine psychiatrische 3 - 3 - Klinik in [X.]. Dort wurde die Diagnose einer schizophrenen Psychose ge-stellt; er wurde mit einem Neuroleptikum behandelt und im Februar 1998 aus der stationären Behandlung entlassen. Zu einem zweiten stationären Aufent-halt kam es im Juli/August 1998, bei dem die Exacerbation einer [X.] Schizophrenie diagnostiziert und der Beschuldigte hoch-potent neuroleptisch behandelt wurde. Er steht unter Betreuung und hatte zeitweise einen [X.]; zum Zeitpunkt der [X.] lebte er [X.] in einer gemieteten Wohnung. Am Tattag beobachtete eine Zeugin einen gesondert verfolgten [X.] bei der Entwendung einer Kamera aus einem Kraftfahrzeug und sah, wie der Dritte in Begleitung des Beschuldigten dessen Wohnhaus betrat. Die Zeugin machte eine uniformierte Polizeibeamtin, die Zeugin [X.]in M. , auf das Geschehen aufmerksam, die an der Wohnung des Beschuldigten klingelte. Dieser öffnete die Tür; nachdem die Polizeibeamtin ihn aufgefordert hatte, aus der Wohnung herauszutreten, schlug er indes die Wohnungstür wieder zu. Die Polizeibeamtin forderte daraufhin Unterstützung an. Es erschienen weitere sieben Polizeibeamte, unter ihnen der in Zivil gekleidete spätere Ge-schädigte. Sie klingelten und klopften an der Wohnungstür des Beschuldig-ten und riefen mit lauter Stimme: —Aufmachen, [X.] Als die Tür weiterhin geschlossen blieb, forderten die Beamten einen Schlüsseldienst an. Der Be-schuldigte machte jedoch die Öffnung der Tür durch den Schlüsseldienst unmöglich, indem er die Tür durch Zuschließen des Schlosses mit einem Schlüssel von innen verriegelte. Daraufhin öffneten die Beamten die Tür mit Hilfe einer Ramme. Beim Betreten der Wohnung gaben sich die Polizeibeam-ten wiederum laut und deutlich rufend als solche zu erkennen. Der [X.] betrat als Erster die Wohnung und ging auf den Beschuldigten zu. [X.] stach daraufhin in Tötungsabsicht mit einem Klappmesser mehrmals ge-zielt in den Oberkörperbereich des Geschädigten, der durch drei Stiche in den Bauch und den Thorax verletzt wurde und bei dem ein lebensbedrohli-cher Pneumothorax entstand. Der Geschädigte konnte nur durch sofortige notärztliche Versorgung mit anschließender Notoperation gerettet werden. 4 - 4 - b) Nach der Überzeugung der sachverständig beratenen [X.] handelte der Beschuldigte ohne Schuld; er sei —im psychotischen Zustandfi gewaltsam vorgegangen ([X.]). Die Gesamtwürdigung des Beschuldig-ten und seiner Tat ergebe, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei (§ 63 StGB). Insoweit schließt sich die [X.] der Sach-verständigen an, die es für sehr wahrscheinlich erachtet hat, dass es bei ei-nem erneuten psychotischen Schub zu ähnlichen Gewalthandlungen [X.] könne. Denn die wahnhaften Verfolgungserlebnisse des Beschuldigten würden bei diesem zu Panik führen. Angesichts der dann von ihm empfun-denen akuten Bedrohungssituationen sei es ausgesprochen wahrscheinlich, dass es wieder zu Gewalthandlungen gegenüber [X.] komme. 5 6 2. Soweit sich die Revision gegen die [X.] wendet, greift [X.] entsprechend der Begründung des Teilaufhebungsantrags des Gene-ralbundesanwalts [X.] bereits die Sachrüge durch. 7 Der [X.] hat hierzu ausgeführt: —Die Anordnung nach § 63 StGB setzt unter anderem die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwie-gende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingrei-fende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das [X.] hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass der Beschuldigte bei Begehung der [X.] schuldunfähig war. Darüber hinaus begegnet auch die Gefährlichkeitsprognose des Land-gerichts rechtlichen Bedenken. 8 - 5 - 9 a) Wenn sich der Tatrichter wie hier darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzu-schließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2008 5 [X.]; Senat, Urteil vom 19. Februar 2008 5 StR 599/07; [X.], 307 f.; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m. w. N.). Daran mangelt es hier. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung verweist die [X.] auf die ‡insoweit getroffenen Feststellungen™, ohne diese indes darzulegen. Auf der Grundlage der Ausführungen der Sachver-ständigen getroffene Feststellungen lassen sich den Urteilsgründen mit [X.] von Darlegungen zum Lebenslauf des Beschuldigten nicht entneh-men. So stellt das [X.] zum Krankheitsbild des Beschuldigten ledig-lich fest, dass im Jahr 1997 eine schizophrene Psychose und im [X.] eine Exacerbation einer [X.] [X.] wurde. Hingegen lassen sich dem Urteil selbst bei wohlwollender [X.] die Erkenntnisse der Sachverständigen zum Krankheitsbild des [X.] zum Zeitpunkt der Begutachtung und bei Begehung der [X.] nicht entnehmen. Die [X.] beschränkt sich stattdessen auf die pauschale Feststellung, die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei bei Begehung der Tat aufgrund einer krankhaften seelischen Störung aufgeho-ben (§ 20 StGB; [X.]). Dies genügt den Darlegungsanforderungen [X.] wenig wie die Feststellung, der Beschuldigte sei im [X.] ([X.]) vorgegangen. Dem Revisionsgericht wird daher bereits aufgrund der fehlenden Ausführungen zum Sachverständigengutachten eine rechtliche Überprüfung der [X.] nicht möglich sein. b) Angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, bestehen überdies rechtliche Bedenken, ob das [X.] seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten hinreichend begründet hat. Auch hier ist es der [X.] gefolgt und hat lediglich ausgeführt, dass der Beschuldigte im [X.] - 6 - tischen Zustand vorgegangen und es daher sehr wahrscheinlich sei, dass es bei einem erneuten psychotischen Schub zu ähnlichen Gewalthandlungen kommen könne. Zwar teilt die [X.] mit, sie habe bedacht, dass es zu dieser Tat nur durch eine Verkettung von Umständen gekommen sei, die der Beschuldigte nicht zu vertreten habe. Gleichwohl lassen die Urteilsgründe vertiefende Erwägungen zu der Frage, weshalb von dem Beschuldigten in-folge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei, vermissen. So ist schon nicht dargetan, inwieweit mit weiteren psychotischen Schüben gerechnet werden müsse, etwa weil der Beschuldigte seine Medikamente eigenmächtig absetzt oder dies zu erwarten wäre. Soweit die [X.] für ihre Beurteilung auf aggressive Schübe des Beschuldigten gegenüber nahestehenden, aber auch außenstehenden Personen abstellt, ist nicht erkennbar, inwieweit diese im Urteil nicht näher beschriebenen Vorkommnisse die Gefährlichkeitsprognose des [X.]s zu untermauern vermögen.fi 11 Dem schließt sich der Senat mit folgenden ergänzenden Hinweisen an: Dem Urteil lässt sich über die Entwicklung der psychischen Erkrankung des Beschuldigten, das Auftreten etwaiger krankheitsbedingter Verhal-tensauffälligkeiten sowie die gegebenenfalls erforderliche Behandlung des Beschuldigten und seine Behandlungsbereitschaft seit dem [X.] nichts entnehmen. Die [X.] wurde in einer zumindest vom Beschuldigten sub-jektiv als bedrohlich empfundenen Situation begangen, die auch bei [X.] hervorzurufen. Dies wird bei der Beuteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten besonders in Betracht zu ziehen sein. 3. Da die genannten Rechtsfehler sich nicht auf die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf der rechtswidrigen Tat auswirken, können diese bestehen bleiben. Sie können durch ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden. [X.] werden indes sämtliche Feststellungen, die sich auf die innere Tatseite beziehen. Sie stehen in [X.] - gem Zusammenhang mit den allein die Schuldfähigkeit betreffenden Fest-stellungen. Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob die auf Einholung eines ärztlichen Gutachtens zur behaupteten Hörverminderung des [X.] bezogene [X.] im Blick auf den Widerspruch zwischen der antragsablehnenden Begründung und den Feststellungen im Urteil durchgegriffen hätte. [X.] Raum [X.]

Meta

5 StR 123/10

14.04.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2010, Az. 5 StR 123/10 (REWIS RS 2010, 7636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7636

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 123/10 (Bundesgerichtshof)

Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Anforderungen an die Begründung der Schuldunfähigkeit bei Begehung …


5 StR 134/11 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Allgemeingefährlichkeit des psychisch kranken Täters bei Anlasstat in einer Ausnahmesituation


5 StR 134/11 (Bundesgerichtshof)


4 StR 185/16 (Bundesgerichtshof)

Sicherungsverfahren: Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose vor der Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in …


3 StR 412/07 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 123/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.