Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.02.2013, Az. B 1 KR 70/12 B

1. Senat | REWIS RS 2013, 8076

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Besetzungsrüge - Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit - Selbstentscheidung des abgelehnten Richters - Gebot des gesetzlichen Richters - Verfassungsgarantie


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 16. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, von der [X.] eine Kostenübernahme in vollem Umfang für eingegliederten Zahnersatz im Bereich der [X.] 44 sowie der Zähne 35 bis 37 über den jeweils gewährten doppelten Festzuschuss hinaus in Höhe von 235,96 Euro (Gesamtkosten: 792,18 Euro; Zuschuss: 556,22 Euro) und 1472,71 Euro (Gesamtkosten: 1706,21 Euro; Zuschuss: 233,50 Euro) gemäß Heil- und Kostenplänen vom [X.] und 14.12.2006 zu erhalten, bei der [X.] und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das [X.] hat unter Bezug auf die Ausführungen des [X.] zur Begründung ua ausgeführt: Entgegen der Auffassung des [X.] lägen hinsichtlich der [X.] 44 die Voraussetzungen einer Ausnahmeindikation nach Teil D. Abschnitt [X.] 36a der Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (<[X.]> vom 8.12.2004, BAnz [X.] vom 18.3.2005, [X.], Inkrafttreten: 1.1.2005, geändert durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses <[X.]> vom [X.], BAnz [X.] vom 30.3.2006, [X.], Inkrafttreten: 1.4.2006) auf der Grundlage des vorhandenen Gutachtens und der Stellungnahme der behandelnden Zahnärztin im Klageverfahren nicht vor. Die zulässige Versorgung regele hinsichtlich der Zähne 35 bis 37 Teil B. 1.1 der Richtlinie des [X.] zur Bestimmung der Befunde und der Regelversorgungsleistungen, für die Festzuschüsse nach §§ 55, 56 [X.]B V zu gewähren sind ([X.] vom 3.11.2004, BAnz 2004 [X.] vom [X.], [X.], geändert durch Beschluss des [X.] vom [X.], BAnz [X.] vom 3[X.], [X.], Inkrafttreten: 1.4.2006). Danach komme als Regelversorgung lediglich eine Modellgussprothese in Betracht. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der [X.] bestünden nicht (Urteil vom 16.2.2012).

2

Mit der Beschwerde, für die der [X.] ([X.]) unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus M. gewährt hat (Beschluss vom 6.6.2012), wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 [X.]G iVm § 169 [X.] [X.]G zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der [X.] und der grundsätzlichen Bedeutung.

4

1. Der Kläger bezeichnet einen Verfahrensmangel nicht hinreichend. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.]G und § 128 Abs 1 S 1 [X.]G (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer einen Verfahrensmangel geltend macht, muss die Umstände bezeichnen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB B[X.] SozR 1500 § 160a [X.], 24, 36). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

5

In der Beschwerdebegründung wird angeführt, der [X.]-Senat sei fehlerhaft besetzt gewesen. Das [X.] habe die Befangenheitsgesuche des [X.] zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger habe darauf verwiesen, dass das B[X.] zwei [X.]n des entscheidenden Senats des [X.] bereits in einem anderen Verfahren mit Blick auf einen Vorgang in zwei Beschlüssen (B[X.] SozR 4-1500 § 158 [X.] und B[X.] SozR 4-1100 Art 101 [X.]) objektiv willkürliches Verhalten gegenüber dem Kläger bescheinigt habe. Hinsichtlich dieser beiden [X.] bestehe nach dieser Rechtsprechung die Besorgnis fortlaufender verfahrensübergreifender Befangenheit. Der [X.]-Senat habe in Widerspruch hierzu über die Befangenheitsanträge des [X.] gegen seine drei nun entscheidenden Berufsrichter (im [X.] gegen die Ablehnung von [X.] für das Berufungsverfahren) entschieden und sie überdies unter Mitwirkung der abgelehnten [X.] als rechtsmissbräuchlich verworfen. Die Beschwerdebegründung bezeichnet damit indes den absoluten Revisionsgrund eines Verstoßes gegen das Gebot des gesetzlichen [X.]s (Art 101 Abs 1 S 2 GG) durch vorschriftswidrige Besetzung des erkennenden Gerichts (§ 547 [X.] iVm § 202 [X.]G) nicht hinreichend.

6

Die Rüge fehlerhafter Besetzung des Berufungsgerichts bei Erlass des angefochtenen Urteils, weil ein Ablehnungsgesuch gegen mitwirkende [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit zuvor zu Unrecht abgewiesen worden sei, kann im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nur darauf gestützt werden, die Zurückweisung des [X.] beruhe auf willkürlichen Erwägungen oder habe Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt (vgl B[X.] SozR 4-1100 Art 101 [X.] LS 1). Denn das Revisionsgericht ist im Hinblick auf § 557 Abs 2 ZPO (iVm § 202 [X.]G) grundsätzlich an Entscheidungen gebunden, die dem Endurteil des [X.] vorausgegangen sind, sofern sie unanfechtbar sind. Dies gilt auch für Entscheidungen der Vorinstanz, die ein Ablehnungsgesuch unter fehlerhafter Anwendung einfachen Rechts zurückgewiesen haben (§§ 60, 177 [X.]G; vgl hierzu entsprechend [X.] 31, 145, 164; B[X.] SozR 4-1100 Art 101 [X.] RdNr 5 mwN). Nur in den aufgezeigten engen Ausnahmen ist das Revisionsgericht wegen eines fortwirkenden Verstoßes gegen das Gebot des gesetzlichen [X.]s iS des Art 101 Abs 1 S 2 GG an die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen, die dem Endurteil des [X.] vorausgegangen sind, nicht gebunden.

7

Der Kläger legt nicht hinreichend dar, dass die Zurückweisung des [X.] auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht hat, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder dass die Zurückweisung des [X.] jedenfalls darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt hat. Er setzt sich nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] auseinander ([X.] Beschluss vom 12.9.2007 - 2 BvR 2335/06, 2 [X.] - Juris, Rd[X.]3 f = [X.]K 12, 139). Hiernach gebietet Verfassungsrecht nicht, aus der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen das Willkürverbot in einem anderen Verfahren in der Vergangenheit zugleich stets die Feststellung für ein neues Verfahren in der Gegenwart abzuleiten, dass ein Betroffener bei vernünftiger Würdigung Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der früher zu Recht abgelehnten [X.] nun in dem neuen Verfahren zu zweifeln. Nach diesem Prinzip ist aber das [X.] unter Würdigung der dienstlichen Äußerungen der abgelehnten [X.] verfahren (vgl zu Letzterem [X.] 31, 145, 165).

8

Gleiches gilt im Ergebnis mit Blick auf die Rüge unzulässiger Selbstentscheidung der abgelehnten [X.]. Art 101 Abs 1 S 2 GG lässt bei einem gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuch eine Selbstentscheidung der abgelehnten [X.] zu, wenn sich hierbei jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens erübrigt (B[X.] SozR 4-1500 § 60 [X.] Rd[X.]). Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung in Bezug auf das konkret anhängige Verfahren indes nicht auseinander. Sie bezeichnet keinen Verfahrensmangel im dargelegten Sinne, sondern beruft sich - auch insoweit unzureichend - lediglich auf eine vermeintliche Fortwirkung des punktuellen, objektiv willkürlichen Verhaltens in einem früheren Verfahren.

9

2. Der Kläger legt auch die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht hinreichend dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.]G) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]1 [X.]8; B[X.] SozR 3-4100 § 111 [X.] f; B[X.] SozR 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f mwN). Der Kläger richtet sein Vorbringen hieran nicht aus.

Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob an der Entscheidung über die Anhörungsrüge auch [X.] der Ausgangsentscheidung mitwirken dürfen und hierzu auf kontroverse, nicht jedoch namentlich bezeichnete Rechtsprechung verweist, zeigt er mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Möglichkeit der richterlichen Selbstkorrektur im [X.] (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 11 [X.] 22/09 C - Juris RdNr 5; BVerwG NVwZ-RR 2009, 662) bereits einen Klärungsbedarf nicht hinreichend auf.

Der Kläger formuliert schließlich hinsichtlich der Bedeutung der [X.] für die [X.] nach dem 1.1.2006 schon keine klare Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinausreicht. Er zeigt auch mit Blick auf die gesetzlichen Grundlagen im [X.]B V einen Klärungsbedarf nicht hinreichend auf (vgl zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung B[X.] Beschluss vom 21.9.2004 - B 1 KR 6/04 BH -; B[X.] Beschluss vom [X.] KR 2/05 BH -).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 1 KR 70/12 B

19.02.2013

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Marburg, 17. Dezember 2008, Az: S 6 KR 127/05, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.02.2013, Az. B 1 KR 70/12 B (REWIS RS 2013, 8076)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8076

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