Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.05.2018, Az. 3 StR 166/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8984

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Doppelverwertungsverbot bei Berücksichtigung der Qualität des Falschgelds und Hang zu Rauschmitteln


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Dezember 2017, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Strafausspruch,

b) soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet er sich mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Nach den Feststellungen stellte der Angeklagte im Zeitraum von Ende 2016 bis zum 7. Juni 2017 mehr als 1.440 Falsifikate von 50-€-Scheinen her, um sie über das "[X.]" an bösgläubige Abnehmer zu verkaufen und hierdurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ihm kam es darauf an, den Abnehmern ein Inverkehrbringen des Falschgeldes als echt zu ermöglichen. Tatsächlich veräußerte er in jedenfalls fünf Fällen für insgesamt rund 500 € mindestens 122 gefälschte Scheine.

3

2. Die aufgrund der allgemeinen Sachbeschwerde gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4

3. Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand.

5

Die [X.] hat im Rahmen der [X.] und der konkreten Strafbemessung jeweils zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, die "Qualität" der von ihm erstellten Falsifikate sei "jedenfalls so gut" gewesen, dass diese "zur Täuschung im alltäglichen Barverkehr geeignet" gewesen seien ([X.]). Das begegnet im Hinblick auf das [X.] (§ 46 Abs. 3 StGB) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Falsches, mithin nachgemachtes oder verfälschtes Geld im Sinne des § 146 Abs. 1 StGB liegt dann vor, wenn es den Anschein gültigen Geldes erweckt, also seiner Beschaffenheit nach geeignet ist, einen arglosen Empfänger im gewöhnlichen Zahlungsverkehr zu täuschen, selbst wenn der Täter dafür im Einzelfall auf günstige äußere Umstände (schlechte Beleuchtung, hektische Situation usw.) angewiesen sein sollte (vgl. [X.], Urteile vom 17. März 1970 - 1 [X.], [X.]St 23, 229, 231; vom 8. Juni 1994 - 3 StR 280/93, juris Rn. 10; vom 7. Februar 1995 - 1 [X.], NJW 1995, 1844 f.; Beschluss vom 28. Januar 2003 - 3 [X.], [X.], 368, 369; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 146 Rn. 17).

6

Die Ausführungen zur Strafzumessung lassen daher besorgen, dass die [X.] insoweit die Tatbestandsverwirklichung zuungunsten des Angeklagten gewichtet hat.

7

4. Auch die Entscheidung, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, erweist sich als rechtsfehlerhaft.

8

a) Die sachverständig beratene [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte spätestens seit Ende 2016 amphetaminabhängig ([X.]) ist, wobei es jedenfalls seit Februar 2017 zu akuten Intoxikationszuständen ([X.] F15.0) kam. Nachdem sich der Angeklagte zweimal von Sozialleistungen 80 bis 100 Gramm Amphetamin beschafft hatte, konsumierte er dieses wiederholt über zwei bis drei Tage hinweg, bis sich leichte Halluzinationen einstellten. Er hielt sich mit dem Rauschgift über mindestens 48 Stunden wach, schlief dann am Schreibtisch ein und setzte den [X.] nach dem Aufwachen fort. Körperpflege, Tagesstruktur, Haushaltsführung sowie [X.] Kontakte hielt er aufrecht. Nach seiner Inhaftierung in dieser Sache zeigten sich Entzugserscheinungen in Form von Kopfschmerzen, einem Pfeifen in den Ohren und Schlafstörungen.

9

Ihre Entscheidung, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht anzuordnen, hat die [X.] damit begründet, dass er nicht den Hang habe, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und zwischen der abgeurteilten Tat und dem [X.] kein symptomatischer Zusammenhang bestehe. Der Angeklagte sei "aufgrund seiner Abhängigkeit nicht sozial gefährdet oder gefährlich" gewesen. "Es lägen keine Anhaltspunkte für eine körperliche oder psychische Verwahrlosung ... vor". Ebenso fehlten "Anzeichen für eine Persönlichkeitsstörung oder gar für eine (schwere) Persönlichkeitsdepravation" ([X.]). Selbst wenn ein Hang bestünde, habe die abgeurteilte Tat hierfür keinen Symptomcharakter. Sie stehe in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Amphetaminabhängigkeit. Es handele sich nicht um einen Fall indirekter Beschaffungskriminalität. Der [X.] habe es dem Angeklagten lediglich ermöglicht, seine Leistungsfähigkeit zur [X.] im [X.] länger aufrechtzuerhalten (vgl. [X.] f.).

b) Diese Darlegungen stoßen auf durchgreifende rechtliche Bedenken.

aa) Soweit die [X.] einen Hang des Angeklagten verneint hat, wird schon nicht hinreichend deutlich, ob sie zutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hat. Darüber hinaus hat sie eine betäubungsmittelbedingte [X.] Gefährlichkeit mit nicht tragfähiger Begründung abgelehnt; die diesbezüglichen Erwägungen lassen sich nicht ohne weiteres mit den Ausführungen zur Strafzumessung vereinbaren.

Für die Annahme eines Hangs im Sinne des § 64 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von [X.] ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. [X.], Urteile vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, [X.], 210; vom 15. Mai 2014 - 3 [X.], juris Rn. 10; Beschlüsse vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15, juris Rn. 7; vom 12. Januar 2017 - 1 StR 587/16, juris Rn. 9). Wenngleich erhebliche Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs haben und in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hangs aus (vgl. [X.], Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, [X.], 198, 199; vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15, juris Rn. 6; vom 10. November 2015 - 1 [X.], [X.], 113, 114). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30. März 2010 - 3 [X.], [X.], 216; vom 12. April 2012 - 5 [X.], [X.], 271). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Januar 2009 - 5 [X.], [X.], 137; vom 20. Februar 2018 - 3 StR 645/17, juris Rn. 8).

Nach diesen rechtlichen Maßstäben liegt ein Hang des Angeklagten zum übermäßigen [X.] von [X.] aufgrund seiner - ausdrücklich festgestellten - mit körperlichen Beschwerden während des Entzugs infolge der Inhaftierung einhergehenden Betäubungsmittelabhängigkeit nahe. Auf eine Verwahrlosung oder Persönlichkeitsdepravation kommt es hierfür nicht an. Soweit die [X.] die [X.] Gefährlichkeit des Angeklagten verneint hat, hat sie nicht in den Blick genommen, dass sie im Rahmen der Strafzumessung als zu seinen Gunsten für die Strafe bestimmenden Grund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 [X.]) angenommen hat, der Angeklagte sei im Tatzeitraum durch den regelmäßigen [X.] "zumindest enthemmt" gewesen ([X.]). Jedenfalls dieses betäubungsmittelbedingte Absinken der Hemmschwelle für die Deliktsbegehung deutet ohne weiteres auf eine solche Gefährlichkeit hin, zumal außerdem in Betracht kommt, dass die durch das Amphetamin bewirkte Steigerung der Leistungsfähigkeit Einfluss auf das Ausmaß der Tat hatte.

bb) Bei der Beurteilung des symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und der abgeurteilten Tat hat die [X.] zwar die zutreffenden Prüfungsmaßstäbe angelegt, diese jedoch - namentlich mit Blick auf die Erwägungen zur Strafzumessung - nicht rechtsfehlerfrei angewendet.

Im Hinblick darauf, dass die [X.] bereits dann Symptomwert für den Hang hat, wenn dieser neben anderen Ursachen zu ihr beigetragen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 1996 - 2 [X.], [X.]R StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1; vom 13. September 2011 - 3 [X.], juris Rn. 8; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 64 Rn. 40), liegt es nahe, dass das betäubungsmittelbedingte Absinken der Hemmschwelle für die Deliktsbegehung den symptomatischen Zusammenhang zu begründen vermag. Ohne nähere Erläuterung scheinen die Ausführungen zur Strafzumessung und zur Maßregel nach § 64 StGB widersprüchlich.

Hinzu kommt, dass es für den Symptomwert der Tat bereits ausreichend sein kann, wenn der Hang lediglich (negativen) Einfluss auf deren Qualität und Intensität hatte (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Dezember 1996 - 2 [X.], aaO; Urteile vom 8. Dezember 2016 - 1 StR 351/16, juris Rn. 28; vom 22. Juni 2017 - 1 [X.], juris Rn. 20; MüKoStGB/[X.], aaO). Da in Betracht kommt, dass die durch das Amphetamin bewirkte Steigerung der Leistungsfähigkeit Einfluss auf das Ausmaß der abgeurteilten Tat hatte, hätte dies ebenfalls der Erörterung bedurft.

c) Auch über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a [X.]) - neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, [X.]St 37, 5; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 3 [X.], juris Rn. 6). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, [X.]St 38, 362; KK-Gericke, [X.], 7. Aufl., § 358 Rn. 23 mwN).

5. Der Senat hat auch die Feststellungen zum Strafausspruch und zur unterbliebenen Maßregelanordnung aufgehoben, um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht neue widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Becker     

        

Spaniol     

        

Berg   

        

Hoch     

        

Leplow     

        

Meta

3 StR 166/18

17.05.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 6. Dezember 2017, Az: 51 KLs 25/17

§ 46 Abs 3 StGB, § 64 S 1 StGB, § 146 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.05.2018, Az. 3 StR 166/18 (REWIS RS 2018, 8984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8984

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 166/18 (Bundesgerichtshof)


4 StR 330/19 (Bundesgerichtshof)

Anforderungen an die Feststellung eines Hangs zum Rauschmittelkonsum im Zusammenhang mit der Unterbringung in einer …


3 StR 415/19 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Begriff des Hangs und der Anforderungen ein die Gefahrenprognose; soziale Gefährdung …


2 StR 378/22 (Bundesgerichtshof)

Begründungsanforderungen bei Ablehnung der Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten wegen dessen Amphetaminkonsums; Voraussetzungen der Unterbringung …


3 StR 645/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wegen einer Betäubungsmittelstraftat: Anforderungen an die tatrichterliche Feststellung eines …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.