Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.01.2017, Az. X R 45/14

10. Senat | REWIS RS 2017, 16737

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Gegenstand

(Betriebsaufspaltung bei Übertragung von Gesellschaftsanteilen unter Vorbehaltsnießbrauch; bestimmter Sachverhalt und Anforderungen an die Kenntnis i.S. des § 174 Abs. 4 AO)


Leitsatz

1. NV: Überträgt in Fällen der Betriebsaufspaltung der Gesellschafter der Betriebs-GmbH seine Anteile unter Vorbehaltsnießbrauch, bleibt die personelle Verflechtung bestehen, wenn er auch weiterhin seinen Geschäfts- und Betätigungswillen im Betriebsunternehmen durchsetzen kann.

2. NV: Unter einem "bestimmten Sachverhalt" i.S. des § 174 Abs. 4 AO versteht man den einzelnen Lebenssachverhalt, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Dies kann auch ein Sachverhaltskomplex sein.

3. NV: Ein Irrtum i.S. des § 174 Abs. 4 AO kann nur vorliegen, wenn die Finanzbehörde Kenntnis über den Sachverhalt hat. Die konkrete Kenntnis des Betriebsprüfers ist nicht nötig.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 28. April 2014  10 K 1811/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war ursprünglich Eigentümer zweier Grundstücke, die er an eine GmbH vermietete, an der er zu 64,99 % beteiligt war. Die Beteiligten behandelten dies übereinstimmend als Betriebsaufspaltung, so dass der Kläger aus der Vermietung gewerbliche Einkünfte erzielte und die GmbH-Anteile zu seinem Betriebsvermögen gehörten.

2

Mit Wirkung zum 31. Dezember 2002 übertrug der Kläger 15 % der GmbH-Anteile an seinen [X.], behielt sich allerdings auf Lebenszeit den Nießbrauch an diesen Anteilen vor. [X.] verpflichtete sich, dem Kläger für die Dauer des Nießbrauchsrechts sowohl sein Recht auf Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen als auch sein [X.]timmrecht zu überlassen. Er bevollmächtigte den Kläger unwiderruflich, alle mit dem Geschäftsanteil verbundenen Ladungen zu Gesellschafterversammlungen entgegenzunehmen und sein [X.]timmrecht in den Gesellschafterversammlungen auszuüben. Dieses [X.]timmrecht unterlag keiner Beschränkung oder Weisung.

3

Der [X.] ist Anfang 2003 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) eingereicht worden.

4

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. [X.]eptember 2004 veräußerte der Kläger die beiden Grundstücke an die GmbH. Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr hieran gingen am 30. [X.]eptember 2004 auf die GmbH über.

5

In seiner Einkommensteuererklärung für das [X.]treitjahr 2004 gab der Kläger einen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der beiden Grundstücke in Höhe von ... € an. Hinsichtlich der GmbH-Anteile ging der Kläger von einer Überführung in sein Privatvermögen zu Buchwerten aus. Das [X.] veranlagte erklärungsgemäß.

6

Nach einer steuerlichen Außenprüfung, die neben dem [X.]treitjahr auch das [X.] des Anteils an der GmbH-Beteiligung betraf, vertrat der Prüfer des [X.] die Ansicht, bereits mit dieser Übertragung auf [X.] sei die Betriebsaufspaltung beendet worden. Er ermittelte einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von ... €, der die stillen Reserven sowohl der Grundstücke als auch der GmbH-Beteiligung des [X.] umfasste.

7

Das [X.] erließ am 7. August 2008 einen entsprechenden Änderungsbescheid für das [X.] gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]).

8

Die Einkommensteuerfestsetzung für das [X.]treitjahr änderte das [X.] nach § 164 Abs. 2 [X.] insoweit, als es den Gewinn aus dem Verkauf der Grundstücke nicht mehr berücksichtigte. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob das [X.] auf. Daneben gab es einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2004 bekannt. Dieser stellte keinen verbleibenden Verlustvortrag mehr fest.

9

Der gegen den [X.] 2002 eingelegte Einspruch hatte Erfolg. Das [X.] änderte durch Bescheid vom 26. Februar 2009 diese Einkommensteuerfestsetzung und berücksichtigte im Veranlagungszeitraum 2002 keinen Betriebsaufgabegewinn.

Anschließend änderte es mit Bescheid vom 12. März 2009 auch die Einkommensteuerfestsetzung für das [X.]treitjahr und setzte für diesen Veranlagungszeitraum den Betriebsaufgabegewinn an. Das [X.] verwies auf § 174 Abs. [X.] als Korrekturnorm. Den verbleibenden Verlustvortrag stellte es auf 0 € fest.

Das Einspruchsverfahren gegen den [X.] 2004 vom 12. März 2009 sowie gegen den geänderten [X.] blieb erfolglos. Der Kläger erhob anschließend Klage, die sich gegen die Änderung beider Bescheide richtete. Das Finanzgericht ([X.]) wies diese Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2014, 1797 veröffentlichten Gründen ab. Dabei begründete es, obwohl im Rubrum beide [X.]treitgegenstände genannt waren, lediglich die Klageabweisung in Bezug auf die Einkommensteuerfestsetzung.

Mit der im Rubrum sowohl die Einkommensteuerfestsetzung als auch die Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2004 benennenden Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend, wobei sich sein Vortrag auf die Einkommensteuerfestsetzung des [X.]treitjahres beschränkt.

Das [X.] habe fehlerhaft angenommen, die Betriebsaufspaltung sei bereits durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile unter Vorbehaltsnießbrauch beendet worden. Dies habe es später erkannt und sei folglich zu seiner ursprünglich richtigen Rechtsansicht zurückgekehrt. Fehlerhaft habe das [X.] jedoch den bereits bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid für das [X.]treitjahr geändert. Dieser Bescheid berücksichtige zwar die Beendigung der Betriebsaufspaltung aufgrund des Verkaufs der zwei Grundstücke an die GmbH nicht. Jedoch sei dem [X.] insoweit kein Irrtum unterlaufen, weil es diesen [X.]achverhalt aufgrund der Beendigung der Betriebsaufspaltung bereits im [X.] nicht in seine Prüfung einbezogen habe. Es habe also hinsichtlich der Beurteilung der Rechtslage im [X.]treitjahr nicht irren können und dies auch tatsächlich nicht getan. Nichts Anderes gelte für den Betriebsprüfer, der angegeben habe, die Tatsache des [X.] nicht gekannt zu haben. Habe er diese Tatsache nicht gekannt, so habe er auch insoweit nicht irren können.

Unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen einer "irrigen Beurteilung" sei das im Rahmen des § 174 Abs. 4 [X.]atz 1 [X.] notwendige Tatbestandsmerkmal des "bestimmten [X.]achverhalts" nicht erfüllt. Vorliegend seien nämlich zwei [X.]achverhalte zu beurteilen. [X.]chließlich enthielte der Tatbestand des Fortfalls der sachlichen Verflechtung nicht auch den Fortfall der personellen Verflechtung als Tatbestandsmerkmal. Nach dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 14. Januar 2010 IV R 55/07 ([X.]/NV 2010, 1075) komme es auf den jeweils einzelnen Lebenssachverhalt an. Auch sei das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung kein bestimmter [X.]achverhalt.

[X.]ofern dies vom [X.]enat anders gesehen werde, sei der Kläger hilfsweise korrekt zu bescheiden. Da er nicht habe erkennen müssen, dass Jahre später eine höhere Einkommensteuerschuld zu begleichen gewesen sei, er aber seiner ursprünglichen Zahlungsverpflichtung nachgekommen sei, verbiete es sich, die Einkommensteuernachforderung, die sich aus der Änderung nach § 174 Abs. [X.] ergebe, zu verzinsen. Die Beschwer des [X.] im Revisionsverfahren ergebe sich schon daraus, dass die [X.] im angefochtenen Bescheid mitenthalten sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2012 und den geänderten Einkommensteuerbescheid 2004 vom 12. März 2009 aufzuheben,
hilfsweise,
den [X.] zur Einkommensteuer 2004 vom 12. März 2009 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Erst im Rahmen des [X.] gegen den [X.] 2002 vom 7. August 2008 habe das [X.] die Rechtserheblichkeit der Beendigung der sachlichen Verflechtung zum 30. [X.]eptember 2004 erkannt. Die vorliegende Einheitlichkeit des [X.] und das Interesse an einer übereinstimmenden steuerlichen Beurteilung gingen dem Vertrauen des [X.] auf die Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung des [X.]treitjahres vor. [X.]omit habe das [X.] nach § 174 Abs. 4 [X.]atz 1 [X.] die Einkommensteuer für das [X.]treitjahr korrigieren dürfen.

Auch sei unter dem Begriff des "bestimmten [X.]achverhalts" ein [X.]achverhaltskomplex zu verstehen, der alle [X.]achverhaltselemente umfasse, zwischen denen ein innerer Zusammenhang bestehe (so auch [X.]-Urteil vom 12. Februar 2015 V R 38/13, [X.]E 248, 504, B[X.]tBl II 2017, 31). Vorliegend bestehe der [X.]achverhaltskomplex der Betriebsaufspaltung aus den beiden Elementen der personellen und der sachlichen Verflechtung.

Keinen Erfolg könne der Hilfsantrag haben. Zum einen fehle es an der Durchführung eines Vorverfahrens in Bezug auf die [X.]. Folglich sei diese nicht Gegenstand des angefochtenen [X.]-Urteils. § 233a [X.] schaffe darüber hinaus unabhängig vom Grund der Änderung die Grundlage für eine Verzinsung und sei nicht unbillig.

Entscheidungsgründe

II. Soweit sich die Revision auch gegen die gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 und --hilfsweise-- gegen die [X.] richtet, ist sie unzulässig und gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zu verwerfen.

Gemäß § 115 Abs. 1 [X.]O richtet sich die Revision gegen das Urteil eines [X.]. Sie kann gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Entsprechend dem Klageantrag hat das [X.] im angegriffenen Urteil allein über die Klage gegen die Einkommensteuer des [X.] entschieden. Über die Klage gegen die Verlustfeststellung ist auch bei Berücksichtigung der Entscheidungsgründe erkennbar keine Entscheidung ergangen. Folglich fehlt es bereits an einer entsprechenden Verletzung der Rechte des [X.].

Da das [X.]-Urteil mangels Klageantrags keine Aussage zur Zinsfestsetzung macht, ist die Revision in Bezug auf den Hilfsantrag aus den gleichen Gründen als unzulässig zu verwerfen. Es fehlt insoweit auch an dem nach § 44 Abs. 1 [X.]O durchzuführenden Vorverfahren.

III.

Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen. Zu Recht hat das [X.] erkannt, dass ein Betriebsaufgabegewinn erst im Streitjahr entstanden ist (unter 1.). Auch war das [X.] gemäß § 174 Abs. [X.] berechtigt, den Einkommensteuerbescheid vom 7. August 2008 für das Streitjahr zu ändern (unter 2.).

1. Das [X.] geht (nunmehr) zutreffend davon aus, dass die Betriebsaufspaltung durch die Übertragung von 15 % der GmbH-Anteile im [X.] noch nicht beendet worden ist. Dies ist (jedenfalls) Folge der umfassenden Einräumung der Stimmrechtsausübung zugunsten des [X.].

a) Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft wie vorliegend unter [X.] übertragen und verpflichtet sich der Erwerber der Anteile, sein Recht auf Teilnahme an Gesellschafterversammlungen sowie sein Stimmrecht dem Veräußerer für die Dauer des Nießbrauchrechts zu überlassen, und bevollmächtigt er diesen unwiderruflich, nicht nur die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Ladungen zu Gesellschafterversammlungen entgegenzunehmen, sondern auch die Stimmrechte ohne Beschränkungen in Gesellschafterversammlungen auszuüben, bleibt die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und [X.] bestehen.

aa) Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] voraus, dass das vermietende Besitzunternehmen mit dem mietenden [X.] sachlich und personell verflochten ist (vgl. z.B. Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, [X.]E 187, 570, [X.] 2002, 771, m.w.N.; vom 12. Oktober 1988 [X.], [X.]E 154, 566, [X.] 1989, 152). Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 187, 570, [X.] 2002, 771; Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 8. November 1971 GrS 2/71, [X.]E 103, 440, [X.] 1972, 63).

[X.]) Besteht die personelle Verflechtung nicht mehr, endet die Betriebsaufspaltung. Auch bei der Übertragung von GmbH-Gesellschaftsanteilen unter [X.] bleibt diese personelle Verflechtung erhalten, wenn der bisherige Gesellschafter weiterhin seinen Geschäfts- und Betätigungswillen im [X.] durchsetzen kann. Im vorliegenden Fall ist dies der Fall, da dem Kläger auch nach der Übertragung der Anteile sämtliche Stimm- und Verwaltungsrechte zustanden und das Stimmrecht keinerlei Beschränkungen oder Weisungen unterlag. Folglich behielt der Kläger dort in Verbindung mit seiner Beteiligung die Stimmrechtsmehrheit.

b) Aufgrund dieser Stimmrechtsmehrheit des [X.] blieb die personelle Verflechtung bestehen. Die Betriebsaufspaltung wurde, wie von den Beteiligten im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid für 2002 vom 7. August 2008 angenommen, somit nicht im [X.] (zwangs-)aufgegeben. Sie endete erst mit der Grundstücksveräußerung im Streitjahr.

2. Da das [X.] erst im Rahmen dieses [X.] erkannte, dass der Änderungsbescheid für 2002 vom 7. August 2008 objektiv rechtswidrig war, konnte es die Einkommensteuerfestsetzung des [X.] ändern. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. [X.] sind gegeben.

a) Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 [X.] aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 [X.] unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. Nach § 174 Abs. 4 Satz [X.] gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde.

b) Alle Voraussetzungen dieser Änderungsvorschrift haben vorgelegen. Der ursprünglich beurteilte Sachverhalt und der nachträglich mit steuerlichen Folgen versehene Sachverhalt decken sich in dem erforderlichen Maße (dazu aa). Das [X.] hat aufgrund irriger Beurteilung dieses Sachverhalts den [X.] 2002 vom 7. August 2008 erlassen und aufgrund des Rechtsbehelfs des [X.] zu dessen Gunsten geändert (dazu [X.]). Es hat sodann aus dem Sachverhalt durch Änderung des [X.] die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen (dazu [X.]). Die Festsetzungsfrist ist gewahrt (dazu dd).

aa) Die Sachverhalte, die den Steuerfestsetzungen 2002 und des [X.] zugrunde liegen, stimmen in dem von § 174 Abs. 4 Satz 1 [X.] geforderten Umfang überein. Der hier zu beurteilende bestimmte [X.], an den § 174 Abs. 4 Satz 1 [X.] anknüpft, ist die "Veräußerung des GmbH-Anteils unter [X.] mit Vertrag vom 18. Dezember 2002". Er ist durch das Sachverhaltselement "Veräußerung der beiden Grundstücke mit Vertrag vom 20. September 2004" in zulässiger Weise ergänzt worden.

Der bestimmte Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. [X.] erfordert zwar Übereinstimmung, jedoch keine vollständige Identität zwischen dem zunächst irrig beurteilten und dem später zu beurteilenden Sachverhalt (vgl. Senatsurteil vom 19. August 2015 [X.], [X.]E 251, 389, [X.] 2017, 15, Rz 19).

(1) Unter dem Merkmal "bestimmter Sachverhalt" versteht man den einzelnen Lebenssachverhalt, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Dies meint nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Tatbestandsmerkmal, sondern den einheitlichen, für die Besteuerung maßgeblichen [X.]. Mehrere Sachverhaltselemente bilden dann einen einheitlichen Lebensvorgang und [X.], wenn die betreffenden Sachverhaltselemente einen inneren Zusammenhang aufweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in [X.]E 251, 389, [X.] 2017, 15, Rz 20, m.w.N.).

(2) Dieser bestimmte Sachverhalt verklammert nach dem Wortlaut auch des § 174 Abs. 4 Satz 1 [X.] verschiedene einander widerstreitende Steuerfestsetzungen und erlaubt so die Auflösung des Widerstreits, der allen Tatbeständen des § 17[X.] zugrunde liegt. Je nach den Erfordernissen des jeweiligen steuerlichen Tatbestands kann eine teilweise Deckungsgleichheit genügen (Senatsurteil in [X.]E 251, 389, [X.] 2017, 15, Rz 21, m.w.N.).

(3) Allerdings dürfen in dem geänderten Bescheid (hier: Veranlagungszeitraum 2002) keine Sachverhaltselemente enthalten sein, die bei der Beurteilung in dem zu ändernden Bescheid (hier: Streitjahr) keine Rolle mehr spielen. Doch können in dem zu ändernden Bescheid weitere Sachverhaltselemente hinzutreten. Somit ist die Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 1 [X.] möglich, wenn der eine Lebenssachverhalt ein Teilstück jenes Tatbestands darstellt, durch den der andere --nunmehr mit den richtigen steuerlichen Folgen zu versehende [X.] erfasst wird (Senatsurteil in [X.]E 251, 389, [X.] 2017, 15, Rz 23 f.).

So hat etwa der [X.] in seinem Beschluss vom 19. November 2003 I R 41/02 ([X.]/NV 2004, 604) es ausreichen lassen, dass der Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile nach § 20 Abs. 1 und Abs. 6 des Umwandlungssteuergesetzes 1977 in einem späteren, richtigen Veranlagungszeitraum angesetzt wurde, obwohl das [X.] zunächst irrig von einer Versteuerung bereits bei der Einbringung ausgegangen war. "Bestimmter Sachverhalt" war dort der Einbringungsvorgang, das hinzutretende Sachverhaltselement des zu ändernden Bescheids die spätere Veräußerung.

(4) Im Streitfall ist die von § 174 Abs. 4 Satz 1 [X.] geforderte Übereinstimmung der Sachverhalte gewahrt.

Der [X.], der dem Einkommensteuerbescheid 2002 zugrunde lag, ist der Vorgang "Veräußerung des GmbH-Anteils unter [X.] mit Vertrag vom 18. Dezember 2002". Diesen hat das [X.] sowohl dem Einkommensteuerbescheid für 2002 als auch in unveränderter Form dem streitigen [X.] für das Streitjahr zugrunde gelegt. [X.] ist im Streitjahr das Sachverhaltselement "Veräußerung der beiden Grundstücke mit Vertrag vom 20. September 2004". Erst hierdurch kam es zur Beendigung der Betriebsaufspaltung.

[X.]) Inhaltlicher Ausgangspunkt für die Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist der [X.] 2002 vom 7. August 2008. Dieser ist aufgrund des Einspruchs des [X.] geändert worden. Im nachfolgenden Änderungsbescheid vom 26. Februar 2009 ist für das [X.] ein Betriebsaufgabegewinn nicht mehr berücksichtigt worden, so dass der Inhalt des [X.]s 2002 vom 7. August 2008 für die Prüfung der irrigen Beurteilung des Sachverhalts maßgebend ist.

Diese Entscheidung beruht darauf, dass das [X.] annahm, es habe eine Betriebsaufspaltung vorgelegen, die durch die Übertragung der GmbH-Gesellschaftsanteile beendet worden sei. Dabei hatte das [X.] auch die nötige Kenntnis über den zu beurteilenden Sachverhalt. Denn dem [X.] war sowohl die Anteilsübertragung als auch (nach Einreichung Anfang 2003) der Vertrag und damit der [X.] bekannt. Diese Kenntnis des [X.] ist ausreichend. Nicht entscheidend ist diejenige des Prüfers des [X.] persönlich.

[X.]) Durch die Abhilfe im Einspruchsverfahren hat das [X.] mit Änderungsbescheid vom 26. Februar 2009 den Einkommensteuerbescheid 2002 aufgrund des Rechtsbehelfs des [X.] --zu [X.] zu dessen Gunsten geändert. Ein Betriebsaufgabegewinn wurde nicht mehr angesetzt. Gleichzeitig holte das [X.] die Berücksichtigung dieses Sachverhalts bei der Steuerfestsetzung für das Streitjahr nach und erfasste den Betriebsaufgabegewinn im Bescheid vom 12. März 2009 für das Streitjahr.

(1) Das Fortbestehen der Betriebsaufspaltung unter [X.] hatte zur Folge, dass erst durch die Veräußerung der beiden Grundstücke an die GmbH im Streitjahr die sachliche Verflechtung entfiel. Dieser Verkauf ist das hinzutretende Sachverhaltselement und führt zur Beendigung der Betriebsaufspaltung.

(2) Die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 174 Abs. [X.] ist, wie vom [X.] zu Recht angenommen, bereits möglich, wenn aufgrund eines Antrags des Steuerpflichtigen im Rahmen eines [X.] die Steuerfestsetzung eines anderen Veranlagungszeitraums geändert worden ist. Es sind die richtigen steuerlichen Folgerungen aus dem Sachverhalt(skomplex) zu ziehen (so jüngst auch [X.]-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 12/14, [X.]E 253, 290, [X.] 2016, 818, Rz 20). Dies hat das [X.] entgegen der Rechtsansicht des [X.] beachtet. Im Fall des Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt --hier dem Zeitpunkt der Beendigung der [X.] ist der Steuerpflichtige an seiner Auffassung festzuhalten, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Hat er also erfolgreich --wie hier-- für seine Rechtsansicht gestritten, muss er auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen. Es handelt sich um eine besondere gesetzliche Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. auch Senatsentscheidung in [X.]E 251, 389, [X.] 2017, 15, Rz 42, m.w.N.). § 174 Abs. [X.] gibt dem [X.] das Recht, die materiell richtigen Schlüsse aus dem nämlichen Sachverhalt im (richtigen) Veranlagungszeitraum zu ziehen und die Bestandskraft der Veranlagung zu durchbrechen.

dd) Der streitgegenständliche Bescheid wurde innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen. Der fehlerhafte [X.] 2002 vom 7. August 2008 ist am 26. Februar 2009 geändert worden. Das [X.] hat die steuerlichen Folgerungen in Gestalt des im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheids vom 12. März 2009 innerhalb der Jahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 [X.] gezogen. Am 7. August 2008 war die Festsetzungsfrist für das Streitjahr 2004 noch nicht abgelaufen, so dass es auf die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht ankommt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 45/14

25.01.2017

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 28. April 2014, Az: 10 K 1811/12, Urteil

§ 174 Abs 4 AO, § 15 Abs 2 EStG 2002, § 118 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.01.2017, Az. X R 45/14 (REWIS RS 2017, 16737)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16737

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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