Bundessozialgericht, Urteil vom 09.03.2022, Az. B 7/14 KG 1/20 R

7. Senat | REWIS RS 2022, 2728

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Kinderzuschlag - Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 - Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG - türkischer Staatsangehöriger mit Duldung bzw humanitärer Aufenthaltserlaubnis - Gleichbehandlungsgebot nach Art 1 EuFürsAbk - erlaubter Aufenthalt - assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht aus EWGAbk TUR iVm


Leitsatz

Beim Kinderzuschlag handelt es sich nach europäisch-türkischem Assoziationsrecht um eine Familienleistung und nicht um Sozialhilfe.

Tenor

Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2020 in der Fassung des [X.] vom 29. Oktober 2020 werden mit der Maßgabe, dem Kläger Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen, zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Kinderzuschlag für Dezember 2011 und Juni 2013.

2

Der Kläger und seine Ehefrau sind Eltern von sechs Kindern (geboren zwischen 1989 und 2007). Sie reisten 1989 als Staatenlose aus dem [X.] bzw [X.] Staatsangehörige in die [X.] ein. Seit 2000 waren sie im Besitz unbefristeter Aufenthaltserlaubnisse. [X.] erhielt die Ausländerbehörde Kenntnis von [X.] Geburtsregisterurkunden, wonach der Kläger und seine Ehefrau in der [X.] geboren sind und die [X.] Staatsangehörigkeit besitzen. Auf der Grundlage eines im ausländerrechtlichen Verfahren abgeschlossenen Vergleichs nahm die Ausländerbehörde alle erteilten Aufenthaltstitel auf den Tag ihrer Erteilung zurück und wies den Kläger aus dem [X.] aus, setzte die Abschiebung aber zugleich für die Dauer von 18 Monaten aus und stellte nach Ablauf dieser 18 Monate bei Vorliegen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen - insbesondere des Bestreitens des Lebensunterhalts überwiegend aus eigenen Mitteln und der Vorlage eines [X.] Nationalpasses - eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.] in Aussicht (Vergleichsschreiben vom 3.3.2011 und Bescheid des [X.] vom 31.5.2011). Der Kläger war in der Folgezeit - ua im streitigen Monat Dezember 2011 - im Besitz von [X.]. Eine (unselbstständige) Beschäftigung war ihm uneingeschränkt erlaubt. Nach Vorlage eines [X.] Passes im September 2012 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger im Januar 2013 die in Aussicht gestellte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.].

3

Einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] lehnte das Jobcenter [X.] mit der Begründung ab, der Kläger sei als Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen (Bescheid vom 27.7.2011; Widerspruchsbescheid vom 12.8.2011).

4

Am 15.11.2011 beantragte der Kläger die Gewährung von Kinderzuschlag nach dem [X.] für seine sechs Kinder. Die beklagte Familienkasse lehnte dies mit der Begründung ab, durch die Gewährung eines Kinderzuschlags könne Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] nicht vermieden werden, da der Kläger und seine Familie gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen seien (Bescheid vom 19.1.2012; Widerspruchsbescheid vom 12.4.2012).

5

Der Kläger war ua im Dezember 2011 und Juni 2013 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Seine Ehefrau erzielte im Juni 2013 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Der Familie wurde in den streitigen Monaten Wohngeld und Kindergeld gezahlt.

6

Das [X.] hat die im Streit stehenden Bescheide teilweise aufgehoben und die Beklagte nach vergleichsweiser Beschränkung des streitigen Zeitraums verurteilt, Kinderzuschlag für Dezember 2011 iHv 840 Euro und für Juni 2013 iHv 360 Euro zu gewähren (Urteil vom 21.9.2017). Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil des [X.] geändert und die Klage betreffend Dezember 2011 abgewiesen sowie die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 22.10.2020). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei zwar aufgrund des Ausschlusses von Leistungen nach dem [X.] (mittelbar) auch vom Kinderzuschlag ausgeschlossen. Der Anspruch des [X.] für Juni 2013 folge jedoch aus dem in Art 3 Abs 1 des Beschlusses [X.] des Assoziationsrats EWG-[X.] über die Anwendung der Systeme der [X.] Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die [X.] Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige ([X.] [X.]) normierten assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbot. Er falle als erwerbstätiger [X.]r Staatsangehöriger, dem ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs 5 [X.] erteilt wurde, sowohl unter den persönlichen als auch den sachlichen Geltungsbereich des [X.] [X.]. Der Kinderzuschlag nach § 6a [X.] stelle eine "Familienleistung" iS des Art 4 Abs 1 Buchst h [X.] [X.] dar. Für den Monat Dezember 2011 könne sich der Kläger nicht auf das Diskriminierungsverbot berufen. Sein Aufenthalt sei in dieser Zeit nur geduldet gewesen.

7

Mit ihren vom [X.] zugelassenen Revisionen rügen die Beteiligten jeweils eine Verletzung des § 6a Abs 1 [X.] [X.] sowie des Art 3 Abs 1 [X.] [X.].

8

Der Kläger ist der Ansicht, er habe aufgrund Art 3 Abs 1 [X.] [X.] nicht nur für Juni 2013, sondern auch für Dezember 2011 einen Anspruch auf Gewährung eines Kinderzuschlags. Der Anwendungsbereich des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots sei unabhängig von der Erteilung eines Aufenthaltstitels eröffnet. Auch bei einer bloßen Duldung des Aufenthalts sei er einem Inländer gleichzustellen.

9

Der Kläger beantragt,
1) das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2020 in der Fassung des [X.] vom 29. Oktober 2020 zu ändern und die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe, Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen, insgesamt zurückzuweisen sowie
2) die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
1) das Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2020 in der Fassung des [X.] vom 29. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen sowie
2) die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe weder für Dezember 2011 noch für Juni 2013 einen Anspruch auf Kinderzuschlag. Er erfülle die Grundvoraussetzung der Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] nicht, weil er auch nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen gewesen sei. Art 3 [X.] [X.] vermittele keinen Anspruch auf Kinderzuschlag, weil dieser keine "Familienleistung" iS des Art 4 Abs 1 Buchst h [X.] [X.] sei.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der Beteiligten sind jeweils unbegründet (§ 170 [X.] 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass der Kläger nur für Juni 2013, nicht aber für Dezember 2011 einen Anspruch auf Kinderzuschlag hat.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 19.1.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.4.2012, beschränkt auf die Monate Dezember 2011 und Juni 2013, sowie die Gewährung von Kinderzuschlag für diese beiden Monate.

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 [X.] 1 Satz 1, [X.] 4 SGG). Soweit er - zur Vermeidung einer Zurückverweisung vor dem Hintergrund fehlender Feststellungen zur Berechnung der konkreten Leistungshöhe - im Revisionsverfahren den Erlass eines Grundurteils (§ 130 [X.] 1 Satz 1 SGG) beantragt hat, liegt hierin keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (vgl § 168 Satz 1 SGG).

3. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des [X.] auf Zuerkennung eines Kinderzuschlags für Dezember 2011 und Juni 2013 ist § 6a [X.] idF, die die Vorschrift zuletzt mWv 1.1.2011 durch Gesetz vom 7.12.2011 ([X.] 2592) erhalten hat.

4. Kinderzuschlag erhalten nach § 6a [X.] 1 [X.] in der insoweit hier maßgeblichen Fassung Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wenn sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. [X.]chnitt des EStG Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 [X.] haben ([X.]), sie mit Ausnahme des Wohngelds und des Kindergelds über Einkommen iS des § 11 [X.] 1 Satz 1 [X.] iHv 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, iHv 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b [X.] nicht abzusetzen sind ([X.]), sie mit Ausnahme des Wohngelds über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11 bis 12 [X.] verfügen, das höchstens dem nach [X.] 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach [X.] 2 entspricht ([X.] 3), und durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] vermieden wird ([X.] 4).

Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 6a [X.] 1 [X.] bis 3 [X.] lagen in den beiden streitigen Monaten vor (5.). Gegen das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung des § 6a [X.] 1 [X.] 4 [X.] spricht zwar, dass der Kläger grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem [X.] und von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen ist, weshalb durch einen Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] nicht vermieden werden kann (6.). Allerdings kann sich der Kläger im Hinblick auf Juni 2013, nicht aber für Dezember 2011, auf das assoziationsrechtliche Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 [X.] [X.] 3/80 berufen. Aus diesem Grund darf ihm der aus seinem Aufenthaltsstatus folgende (mittelbare) Leistungsausschluss von Kinderzuschlag für Juni 2013 nicht entgegengehalten werden (7.). Soweit der Kläger für Dezember 2011 nicht anspruchsberechtigt ist, ergibt sich kein weitergehender Anspruch auf Gleichbehandlung aus dem [X.] unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 (8.).

5. Die Voraussetzungen des § 6a [X.] 1 [X.] bis 3 [X.] liegen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] vor. Der Kläger bezog für seine Kinder in den streitigen Monaten Kindergeld und sein Einkommen überstieg jeweils die Mindesteinkommensgrenze von 900 Euro, ohne dass es auf der Grundlage der vom [X.] in Bezug genommenen und von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als zutreffend bezeichneten Probeberechnungen die (individuelle) Höchsteinkommensgrenze nach § 6a [X.] 1 [X.] 3 [X.] überschritt (hier idF des [X.], [X.] 453; abgeschafft durch Art 2 [X.] Buchst a Doppelbuchst bb des [X.] vom [X.], [X.] 530).

6. Soweit § 6a [X.] 1 [X.] 4 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung verlangt, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] vermieden wird, ist diese Voraussetzung zunächst nicht erfüllt. Der Kinderzuschlag kann Hilfebedürftigkeit nach dem [X.] dann nicht vermeiden, wenn der Kläger von Leistungen nach dem [X.] ausgenommen ist (§ 7 [X.] 1 Satz 2 [X.]; hierzu, auch zur Verfassungsmäßigkeit des mittelbaren Ausschlusses vom Kinderzuschlag für [X.], [X.] vom 15.12.2010 - [X.] KG 1/09 R - Rd[X.]3 f). Der Kläger ist sowohl für Dezember 2011 als grundsätzlich auch für Juni 2013 von Leistungen nach dem [X.] ausgenommen (§ 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.]), weil er aufgrund der Duldung seines Aufenthalts in der [X.] und der ihm später erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 [X.] 5 [X.] leistungsberechtigt nach § 1 [X.] 1 [X.] 3 und 4 [X.] (idF des [X.], [X.] 2258) war.

Dem Ausschluss von Leistungen nach dem [X.] steht im vorliegenden Einzelfall weder Völkerrecht noch Assoziationsrecht entgegen. Diesen hat die Familienkasse unter allen Gesichtspunkten in eigener Zuständigkeit zu prüfen, obwohl das Jobcenter den Antrag des [X.] auf [X.] bereits abgelehnt hat. Der ablehnenden Entscheidung in jenem Verhältnis kommt keine tatbestandliche Wirkung bei der Prüfung der Frage zu, ob der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Kinderzuschlag hat, weil [X.]-Hilfebedürftigkeit aufgrund eines dort greifenden [X.] nicht vermieden werden kann. Die gesetzliche Regelung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass den Entscheidungen der Jobcenter im Verhältnis zu den Familienkassen und Gerichten im Hinblick auf den (mittelbaren) Ausschluss von Kinderzuschlag - ohne Rücksicht auf ihre materielle Richtigkeit - bindende Wirkung zukommen soll (vgl allgemein zur [X.] [X.] [X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.] R - [X.], 297 = [X.]-4200 § 7 [X.] 41, Rd[X.]2). Entscheidend ist allein die materielle Rechtslage.

Der Anwendung des [X.] nach § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] steht das [X.] Fürsorgeabkommen vom 11.12.1953 ("[X.]"; [X.]) nicht entgegen (a). Ein materielles assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der [X.] und der [X.] vom 12.9.1963 (Assoziationsabkommen [X.]-[X.]; [X.] 509), das einen Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] begründet, liegt nicht vor (b).

a) Der Leistungsausschluss nach § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] wird vorliegend nicht durch Art 1 [X.] als unmittelbar geltendes und spezielleres Bundesrecht für Staatsangehörige der Vertragsstaaten bei den vom Abkommen erfassten Fürsorgeleistungen verdrängt (hierzu grundlegend [X.] vom 19.10.2010 - [X.] A[X.]3/10 R - [X.], 66 = [X.]-4200 § 7 [X.]1). Zwar haben die [X.] und die [X.] das [X.] ratifiziert und gehört die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] zu diesen Fürsorgeleistungen (Anhang I zum [X.] iVm Art 2 Buchst b und Art 19 [X.]). Im Hinblick auf den streitigen Monat Juni 2013 steht einer Inländergleichbehandlung jedoch der von der Bundesregierung am 19.12.2011 erklärte Vorbehalt (vgl Art 16 [X.] b Satz 2 [X.]) betreffend der Leistungen nach dem [X.] entgegen ([X.] zum [X.] idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.]I 144, berichtigt durch die Bekanntmachung vom 3.4.2012, [X.]I 470; zur formellen und materiellen Wirksamkeit der Vorbehaltserklärung [X.] vom 3.12.2015 - [X.] [X.]/15 R - [X.], 139 = [X.]-4200 § 7 [X.] 46, Rd[X.]8 ff; [X.] vom 9.8.2018 - [X.] A[X.]2/17 R - [X.]-4200 § 7 [X.] 57 Rd[X.] 34). Soweit streitig darüber hinaus der Monat Dezember 2011 ist, in dessen Verlauf der Vorbehalt der [X.] beim [X.] registriert worden ist, war der Aufenthalt des [X.] nicht "erlaubt" iS des Art 1 [X.]. Eine Duldung (§ 60a [X.]) reicht hierfür nicht aus ([X.] vom 18.12.2013 - [X.]/12 - juris Rd[X.] 67; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 23 Rd[X.]6c, Stand Juli 2021; allgemein zum "erlaubten Aufenthalt" iS von Art 1 [X.] [X.] vom 3.12.2015 - [X.] [X.]/13 R - juris Rd[X.]1 ff; [X.] vom 9.8.2018 - [X.] A[X.]2/17 R - [X.]-4200 § 7 [X.] 57 Rd[X.] 34).

b) Die Voraussetzungen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art 6 [X.] 1 Beschluss des Assoziationsrats [X.]-[X.] über die Entwicklung der Assoziation ([X.] [X.]/80) vom [X.], das trotz der erteilten Duldung bzw der später erteilten humanitären Aufenthaltserlaubnis dem Leistungsausschluss nach § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] entgegenstehen könnte, lagen weder im Dezember 2011 noch im Juni 2013 vor.

Zwar ist für die Zuordnung zu dem Existenzsicherungssystem des [X.] und damit zu dem Leistungsausschluss nach § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] grundsätzlich ohne Bedeutung, ob ein anderer, nicht von § 1 [X.] 1 [X.] erfasster Aufenthaltstitel oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht in Betracht kommen, die einen Zugang zu Leistungen nach dem [X.] eröffnen. Drittstaatsangehörige, die sich aufenthaltsrechtlich auf einen anderen Status berufen, müssen entweder eine Korrektur ihrer aufenthaltsrechtlichen Stellung nach Maßgabe der dafür nach [X.] oder VwGO vorgesehenen Verfahren in die Wege leiten oder bei der zuständigen Ausländerbehörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragen, der nicht den Leistungsausschluss nach § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] begründet (zur [X.] eines erteilten Aufenthaltstitels insoweit [X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.] R - [X.], 297 = [X.]-4200 § 7 [X.] 41, Rd[X.]2; [X.] vom [X.] - [X.] A[X.]8/17 R - [X.]-4200 § 7 [X.] 56 Rd[X.]8).

Dies gilt aber nicht für [X.] Staatsangehörige, die aufgrund des Assoziationsabkommens [X.]-[X.], ausgeformt durch den Beschluss [X.] [X.]/80, aufenthaltsberechtigt sind. Die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis für diesen Personenkreis nunmehr nach § 4 [X.] 2 [X.] (idF des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom [X.], [X.] 1307; zuvor § 4 [X.] 5 [X.]) wirkt nur deklaratorisch ([X.] vom [X.] - [X.]/93 - [X.], [X.]:C:1995:168, Slg 1995, [X.] Rd[X.]9; zu den getrennten Rechtskreisen Assoziationsrecht und mitgliedstaatliches Aufenthaltsrecht [X.] vom 28.4.2015 - 1 C 21.14 - [X.]E 152, 76 Rd[X.]2). Für diesen Fall bedürfen [X.] Staatsangehörige für den Aufenthalt in der [X.] - vergleichbar der Rechtsstellung von Unionsbürgern - keines Aufenthaltstitels und ist auf das Vorliegen eines materiellen assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts abzustellen. Im Anwendungsbereich des § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] ist damit bei [X.]n Staatsangehörigen von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines materiellen assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach dem Assoziationsabkommen [X.]-[X.] vorliegen. Ob ein anderer, nicht von § 1 [X.] 1 [X.] erfasster Aufenthaltstitel bzw ein anderes materielles Aufenthaltsrecht in Betracht kommen, die einen Zugang zu Leistungen nach dem [X.] eröffnen, ist hingegen unbeachtlich.

Ein solches assoziationsrechtliches materielles Aufenthaltsrecht eines [X.]n Staatsangehörigen kann sich aus dem System der schrittweisen Eingliederung der [X.]n Staatsangehörigen in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats gemäß Art 6 [X.] 1 [X.] [X.]/80 ergeben. Danach hat ein [X.]r Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat entsprechend der hierfür geltenden aufenthaltsrechtlichen Regelungen länger als ein Jahr ununterbrochen für den gleichen Arbeitgeber eine tatsächliche und echte wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, entsprechend des in Art 6 [X.] 1 Spiegelstrich 1 bis 3 [X.] [X.]/80 abgestuften Systems einen Anspruch auf Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt, womit aus Gründen der praktischen Wirksamkeit ein entsprechendes Aufenthaltsrecht korrespondiert (stRspr; vgl nur [X.] vom 10.1.2006 - [X.]/03 - Sedef, [X.]:[X.], Slg 2006, [X.] Rd[X.] 33 mwN). Die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung eines [X.]n Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat iS von Art 6 [X.] 1 [X.] [X.]/80 setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats und damit ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht voraus ([X.] vom 8.11.2012 - [X.]/11 - [X.], [X.]:C:2012:695, NVwZ 2012, 1617 Rd[X.] 39 mwN; Beispiele für eine nur vorläufige Rechtsposition bei [X.] vom 14.5.2013 - 1 C 16.12 - [X.]E 146, 271, juris Rd[X.]8; Kurzidem in BeckOK [X.], [X.]-[X.] Art 6 Rd[X.]9 ff, Stand 1.7.2021).

Vorliegend fehlen Feststellungen zu den Beschäftigungszeiten des [X.]. Der Rechtsstreit ist gleichwohl nicht zur Prüfung eines dem Leistungsausschluss des § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] entgegenstehenden Aufenthaltsrechts nach Art 6 [X.] [X.]/80 für die beiden streitgegenständlichen Monate zurückzuverweisen. Das [X.] hat - unter Angabe der entsprechenden Seitenzahlen in der Ausländerakte - Bezug genommen auf den Bescheid der Ausländerbehörde vom 31.5.2011, dem ein zuvor geschlossener außergerichtlicher Vergleich vorausging. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen ergibt sich zudem, dass der Bescheid vom 31.5.2011, mit dem die dem [X.] erteilte [X.] einschließlich aller Verlängerungen und die im Jahr 2000 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis jeweils auf den [X.] zurückgenommen worden sind, bestandskräftig geworden ist. Damit steht verbindlich fest, dass der Kläger bis zu diesem [X.]punkt über kein nationales Aufenthaltsrecht verfügte und die zuvor ausgeübten Beschäftigungen daher zu keinem [X.]punkt ordnungsgemäß iS des Art 6 [X.] 1 [X.] [X.]/80 waren (vgl [X.] vom 29.5.2018 - 1 C 17.17 - [X.] 402.242 § 4 [X.] [X.] 4, juris Rd[X.]1). Auf die Frage, ob der Kläger die ihm erteilten [X.] tatsächlich durch arglistige Täuschung über seine Identität und seine Staatsangehörigkeit erwirkt hat (vgl hierzu [X.] vom 29.9.2011 - [X.]/10 - [X.], [X.]:C:2011:623, Slg 2011, [X.] Rd[X.] 45 mwN; [X.] vom 12.4.2005 - 1 C 9.04 - [X.]E 123, 190; [X.] vom 14.5.2013 - 1 C 16.12 - [X.]E 146, 271, juris Rd[X.]9; vgl auch [X.] vom 8.11.2012 - [X.]/11 - [X.], [X.]:C:2012:695, NVwZ 2012, 1617), wovon der Bescheid vom 31.5.2011 ausgeht, was vom Kläger aber bestritten wird, kommt es danach nicht mehr an. Der Kläger verfügte zudem auch nach Erlass des Bescheids vom 31.5.2011 während der [X.] seines geduldeten Aufenthalts über keine gesicherte, sondern nur über eine vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt (vgl nur [X.] in [X.]/[X.], 13. Aufl 2020, Art 6 [X.] 1/80 Rd[X.] 66), weswegen ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht sowohl im Dezember 2011 als auch im Juni 2013 nicht bestand.

7. Der Kläger kann sich allerdings im Hinblick auf seinen Anspruch auf Gewährung eines Kinderzuschlags für Juni 2013 auf das assoziationsrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art 3 [X.] 1 [X.] [X.] 3/80 vom [X.] ([X.], 60) berufen. Dies gilt nicht für den ebenfalls streitigen Monat Dezember 2011.

Nach Art 3 [X.] 1 [X.] [X.] 3/80 haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die der Beschluss gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit der Beschluss nichts anderes bestimmt. Dieses Gleichbehandlungsgebot beinhaltet zugleich ein Art 9 Assoziationsabkommen [X.]-[X.] konkretisierendes Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Ihm kommt - als unionsrechtlicher Regelung mit Anwendungsvorrang - unmittelbare Wirkung in den Vertragsstaaten zu, ohne dass es ergänzender Durchführungsmaßnahmen des Assoziationsrats [X.]-[X.] bedarf (stRspr; grundlegend [X.] vom [X.] - [X.]/96 - [X.], [X.]:C:1999:228, Slg 1999, [X.] Rd[X.] 74 = [X.] 3-6935 Allg [X.] 4 S 45; [X.] vom [X.] - B 10 EG 2/01 R - [X.], 129 = [X.] 3-6940 Art 3 [X.], juris Rd[X.]5 ff). Der Kläger fiel nur im Juni 2013, nicht aber im Dezember 2011 unter den persönlichen Geltungsbereich des [X.] [X.] 3/80 (hierzu a). Der sachliche Geltungsbereich des [X.] [X.] 3/80 ist eröffnet, da es sich beim Kinderzuschlag um eine "Familienleistung" iS des [X.] [X.] 3/80 handelt (hierzu b). Aufgrund des Gleichbehandlungsgebots ist der Kläger für Juni 2013 so zu behandeln, als sei er nicht gemäß § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen (hierzu c).

a) Der Kläger kann sich nur für Juni 2013, nicht aber für Dezember 2011 auf das Gleichbehandlungsgebot nach Art 3 [X.] [X.] 3/80 berufen. Das Gleichbehandlungsgebot gilt für alle Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die der [X.] [X.] 3/80 gilt. Nach Art 2 [X.] [X.] 3/80 gilt der Beschluss für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten und die [X.] Staatsangehörige sind, sowie [X.] für Familienangehörige dieses Arbeitnehmers, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen. Arbeitnehmer ist, wer auch nur gegen ein einziges Risiko in einem allgemeinen oder besonderen System der [X.] Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist (Art 1 Buchst b [X.] [X.] 3/80), ohne dass es darauf ankommt, ob er in einem Arbeitsverhältnis steht ([X.] vom [X.] - [X.]/96 - [X.], [X.]:C:1999:228, Slg 1999, [X.] Rd[X.] 86 = [X.] 3-6935 Allg [X.] 4 S 47). Erfasst sind - anders als im Koordinationsrecht - auch Arbeitnehmer, die nicht innerhalb der [X.]n Gemeinschaft gewandert sind ([X.] vom 6.12.2001 - 3 C 25.01 - juris Rd[X.]4 ff; [X.], [X.], 21, 27).

Der Kläger besitzt nach dem Ergebnis des aufenthaltsrechtlichen Verfahrens die [X.] Staatsangehörigkeit. Nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) war der Kläger sowohl im Dezember 2011 als auch im Juni 2013 versicherungspflichtig beschäftigt und es galten für ihn die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der [X.].

Ein inländischer Wohnort im Sinne des [X.] lag nur im Juni 2013 und nicht im Dezember 2011 vor. Der Wohnort (in Abgrenzung zum bloßen Aufenthaltsort) ist als der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts definiert (Art 1 Buchst a [X.] [X.] 3/80 iVm Art 1 Buchst h [X.] <[X.]> [X.]408/71). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts kann nicht unter Rückgriff auf das nationale Recht - hier § 30 SGB I - bestimmt werden ([X.] vom 5.10.2006 - B 10 EG 6/04 R - [X.], 144 = [X.]-1300 § 48 [X.] 8, Rd[X.] 36 f).

Nach dem Europäisch-[X.]n Assoziationsrecht setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts - in Ermangelung genereller Freizügigkeit für [X.] Staatsangehörige (stRspr; vgl nur [X.] vom 11.5.2000 - [X.]/98 - [X.], [X.]:C:2000:224, Slg 2000, [X.] Rd[X.] 59) - zudem eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung voraus ([X.] vom 5.10.2006 - B 10 EG 6/04 R - [X.], 144 = [X.]-1300 § 48 [X.] 8, Rd[X.] 41). Dies entspricht der Rechtsprechung des [X.], wonach das Diskriminierungsverbot gemäß Art 3 [X.] [X.] 3/80 nur Anwendung findet bei einem rechtmäßigen Aufenthalt, wobei eine von vornherein befristete und an einen bestimmten Zweck geknüpfte Aufenthaltserlaubnis ausreichend ist (vgl [X.] vom [X.] - [X.]/96 - [X.], [X.]:C:1999:228, Slg 1999, [X.] Rd[X.] 98, 105 = [X.] 3-6935 Allg [X.] 4 S 50 f; dies aufgreifend Vorschlag der [X.]) 152 final S 14 ff und Beschluss des [X.], ABl [X.] L 340, 21 f; hierzu [X.] vom 18.12.2014 - C-81/13 - [X.]:C:2014:2449; vgl zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als Voraussetzung für die Anwendung des Diskriminierungsverbots nach Art 4 [X.] [X.] 883/2004 [X.] vom 11.11.2014 - [X.]/13 - [X.], [X.]:[X.] = [X.]-6065 Art 4 [X.] 3 Rd[X.] 83; [X.] vom 19.9.2013 - [X.]/12 - [X.], [X.]:C:2013:565 = [X.]-6065 Art 4 [X.] 4 Rd[X.] 44; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Sozialrecht, Art 4 [X.] 883/2004 Rd[X.]0a, Stand Juni 2021). Anders als der Kläger meint, gilt insoweit kein anderer Maßstab als im Rahmen des Art 6 [X.] [X.]/80 (so bereits [X.] vom 5.10.2006 - B 10 EG 6/04 R - [X.], 144 = [X.]-1300 § 48 [X.] 8, Rd[X.] 41 f; zu Art 6 [X.] [X.]/80 oben Ziffer 6. b).

Der Kläger verfügte erst wieder im Juni 2013 nach Erteilung der humanitären Aufenthaltserlaubnis über einen solchen rechtmäßigen Aufenthalt. Im Dezember 2011 fehlte es hieran. Eine Duldung genügt für die Anwendung des Art 3 [X.] [X.] 3/80 nicht ([X.] vom [X.] - 4 K 102/09 (4) - EFG 2010, 1894, juris Rd[X.] 74; [X.], Diskriminierungsverbote aus dem Assoziationsrecht [X.]/[X.], 2014, [X.]), weil durch sie kein rechtmäßiger Aufenthalt begründet, sondern lediglich die [X.]chiebung zeitweise ausgesetzt wird (vgl nur [X.] vom [X.] 7.96 - [X.] 402.240 § 18 AuslG 1990 [X.], juris Rd[X.]7 mwN).

b) Entgegen der Ansicht der [X.]n ist der sachliche Geltungsbereich des [X.] [X.] 3/80 eröffnet. Beim Kinderzuschlag nach § 6a [X.] handelt es sich um eine "Familienleistung" iS des Art 4 [X.] 1 Buchst h [X.] [X.] 3/80. Der [X.] [X.] 3/80 ist der [X.] ([X.]) [X.]408/71 nachgebildet (hierzu, auch zur Vor- und Entstehungsgeschichte des [X.] [X.] 3/80, [X.] vom [X.] - B 10 EG 2/01 R - [X.], 129 = [X.] 3-6940 Art 3 [X.], juris Rd[X.]6 ff; vgl auch [X.], [X.], 21; [X.], [X.] 2001, 160). Art 1 Buchst a [X.] [X.] 3/80 bestimmt ausdrücklich, dass der Ausdruck "Familienleistungen" die Bedeutung hat, wie sie in Art 1 [X.] ([X.]) [X.]408/71 definiert ist ([X.] vom [X.] - B 10 EG 2/01 R - [X.], 129 = [X.] 3-6940 Art 3 [X.], juris Rd[X.]1). Eine Akt[X.]lisierung des [X.] [X.] 3/80 im Hinblick [X.] auf das Außerkrafttreten der [X.] ([X.]) [X.]408/71 ist bislang nicht erfolgt; ein entsprechender Beschluss des Assoziationsrats ist bislang nicht zustande gekommen (vgl [X.] vom 26.5.2011 - [X.]/07 - [X.], [X.]:C:2011:346 Rd[X.] 91; zum Verbot der Besserstellung gegenüber Unionsbürgern Rd[X.] 88; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Sozialrecht, Art 70 [X.] 883/2004 Rd[X.]6h, Stand September 2021). Art 1 Buchst u Ziff i [X.] ([X.]) [X.]408/71 (ebenso jetzt Art 3 [X.] 1 Buchst j [X.] [X.] 883/2004) definiert Familienleistungen als solche Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von [X.] im Rahmen der in Art 4 [X.] 1 Buchst h [X.] ([X.]) [X.]408/71 genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind (mit Ausnahme besonders aufgeführter Geburtsbeihilfen). Nach Art 4 [X.] 1 Buchst h gilt die [X.] ([X.]) [X.]408/71 für alle Rechtsvorschriften über Zweige der [X.] Sicherheit, die Familienleistungen betreffen. Unerheblich ist, ob sie auf Beiträgen beruhen oder beitragsfrei sind (Art 4 [X.] 2 [X.] <[X.]> [X.]408/71). Der Begriff der "Familienleistung" als Bestandteil eines Systems der [X.] Sicherheit ist danach im vorliegenden Zusammenhang abzugrenzen von Leistungen der Sozialhilfe, die dem sachlichen Geltungsbereich der [X.] ([X.]) [X.]408/71 nicht unterfallen (Art 4 [X.] 4 [X.] <[X.]> [X.]408/71).

Soweit Art 1 Buchst u Ziff i [X.] ([X.]) [X.]408/71 Familienleistungen definiert als Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von [X.] entspricht es ständiger Rechtsprechung des [X.], den Ausdruck "Ausgleich von [X.]" dahin auszulegen, dass er [X.] einen staatlichen Beitrag zum Familienbudget erfasst, der die Kosten für den Unterhalt von Kindern verringern soll (stRspr; statt aller [X.] vom 15.3.2001 - [X.]/99 - [X.], [X.]:C:2001:166, Slg 2001, [X.] Rd[X.] 41; [X.] vom [X.] - [X.]/18 - [X.]:C:2020:269 = Inf[X.] 2020, 245 Rd[X.] 38; [X.] vom [X.] - [X.]/20, [X.]:C:2021:659 Rd[X.] 57 mwN). Ob es sich dabei um eine Leistung der [X.] Sicherheit und nicht um eine Sozialhilfeleistung handelt, richtet sich im Wesentlichen nach den grundlegenden Merkmalen der Leistung, insbesondere ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht aber nach ihrer Rechtsnatur nach nationalem Recht (stRspr; [X.] vom 16.7.1992 - [X.]/91 - [X.], [X.]:C:1992:331, Slg 1992, [X.] Rd[X.]4 = [X.] 3-6050 Art 4 [X.] 5 S 12; [X.] vom 15.3.2001 - [X.]/99 - [X.], [X.]:C:2001:166, Slg 2001, [X.] Rd[X.]7, 37). Soweit der [X.] daneben, ebenfalls in ständiger Rechtsprechung, Leistungen zur [X.] Sicherheit in Abgrenzung zu Sozialhilfeleistungen als solche Leistungen definiert, "die unabhängig von einer im Ermessen liegenden individuellen Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit ohne weiteres solchen Familien gewährt werden, die bestimmte objektive Kriterien insbesondere hinsichtlich ihrer Größe, ihres Einkommens und ihrer Kapitalrücklagen erfüllen" (vgl nur [X.] vom [X.] - [X.]/18 - [X.]:C:2020:269 = Inf[X.] 2020, 245 Rd[X.] 37 mwN; so [X.] auch [X.] vom 16.7.1992 - [X.]/91 - [X.], [X.]:C:1992:331, Slg 1992, [X.] Rd[X.]5 = [X.] 3-6050 Art 4 [X.] 5 S 13; [X.] vom 15.3.2001 - [X.]/99 - [X.], [X.]:C:2001:166, Slg 2001, [X.] Rd[X.]8), ist "persönliche Bedürftigkeit" nicht im Sinne der [X.] existenzsicherungsrechtlichen Begrifflichkeit zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des [X.] entscheidend ist vielmehr eine Leistungsgewährung ohne (individuelle) Prüfung der persönlichen Bedürfnisse ("besoins personnels"; "personal needs") oder des "persönlichen Bedarfs" (so [X.] die Übersetzung in [X.] vom 18.10.2007 - [X.]/05 - [X.]:[X.], [X.], [X.] Rd[X.] 56). Sozialhilfeleistungen zeichnen sich danach durch die Abhängigkeit der Leistung von einer Einzelfallbeurteilung der persönlichen Verhältnisse ab, während die Einkommens- und Vermögensabhängigkeit für die Einstufung als Leistung der [X.] Sicherheit oder Sozialhilfeleistung unerheblich ist ([X.] vom 16.7.1992 - [X.]/91 - [X.], [X.]:C:1992:331, Slg 1992, [X.] Rd[X.]7 = [X.] 3-6050 Art 4 [X.] 5 S 13; [X.] vom 21.6.2017 - [X.]/16 - [X.], [X.]:[X.] Rd[X.]2).

Ausgehend hiervon ist der Kinderzuschlag nach § 6a [X.] als "Familienleistung" iS des Art 4 [X.] 1 Buchst h [X.] [X.] 3/80 zu q[X.]lifizieren.

In der Vergangenheit hat die Bundesregierung den Kinderzuschlag nach § 6a [X.] als "Familienleistung" im Sinne des [X.]n [X.] eingestuft (vgl BT-Drucks 19/1918 [X.]). Dies entspricht - worauf die [X.] im Revisionsverfahren hingewiesen hat - auch noch der aktuellen Weisungslage der Familienkasse (Durchführungsanweisung Kinderzuschlag [X.], Stand Jan[X.]r 2020), deren Überprüfung Anlass für die Durchführung des vorliegenden Revisionsverfahrens ist.

Beim Kinderzuschlag handelt es sich um eine Leistung der [X.] Sicherheit und nicht um eine Sozialhilfeleistung. Die Leistung dient dem Ausgleich von [X.], indem sie durch einen staatlichen Beitrag den Unterhalt von Kindern verringert. Durch die Einführung des Kinderzuschlags wollte der Gesetzgeber des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt verhindern, dass Familien allein wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf [X.] angewiesen sind. Zudem wollte er einen Arbeitsanreiz durch eine gezielte Förderung einkommensschwacher Familien setzen (BT-Drucks 15/1516 [X.], 83). Hierfür schuf er eine dem [X.] vorgelagerte einkommensabhängige Leistung, die zusammen mit dem Kindergeld und dem auf Kinder entfallenden Wohngeldanteil den durchschnittlichen Bedarf von Kindern an [X.] bzw Sozialgeld abdeckt (BT-Drucks 15/1516 [X.]). Die Höhe des Kinderzuschlags ist zunächst unabhängig von der individuellen Bedarfssit[X.]tion gesetzlich einheitlich festgelegt; im Streitzeitraum betrug er für jedes zu berücksichtigende Kind jeweils bis zu 140 Euro monatlich (§ 6a [X.] 2 Satz 1 [X.] idF der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 142). Dieser Höchstbetrag ist unabhängig vom Alter des Kindes oder dem Vorliegen individueller Sonder- oder Mehrbedarfe und differenziert auch nicht anhand der sehr unterschiedlichen Wohnkosten im [X.]. Vor diesem Hintergrund handelt es sich beim Kinderzuschlag nach der Rechtsprechung des [X.] um eine familienpolitische Leistung und gerade keine des [X.] ([X.] vom 18.6.2008 - [X.]/11b [X.] - [X.]-5870 § 6a [X.] Rd[X.]1; [X.] vom 14.3.2012 - [X.] KG 1/11 R - [X.]-5870 § 6a [X.] 3 Rd[X.]3).

Zwar ist der Kinderzuschlag eng mit den existenzsichernden Leistungen nach dem [X.] verknüpft, bei denen es sich nach der derzeitigen koordinationsrechtlichen Systematik um besondere beitragsunabhängige Geldleistungen (näher [X.] vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/13 R - ZFSH/SGB 2014, 158, juris Rd[X.] 33) und freizügigkeitsrechtlich um Sozialhilfe handelt ([X.] vom 15.9.2015 - [X.]/14 - [X.], [X.]:C:2015:597, [X.]-4200 § 7 [X.] 49 Rd[X.] 44). Dieses "Aufeinander-bezogen-Sein" der [X.] führt dazu, dass sie im Verhältnis vorrangiger Alternativität, nicht der Gleichordnung zueinander stehen ([X.] vom 25.10.2017 - [X.] A[X.]5/16 R - [X.]E 124, 243 = [X.]-4200 § 11 [X.] 82, Rd[X.]5; zuletzt [X.] vom 30.10.2019 - [X.] KG 1/19 R - [X.]-5870 § 6a [X.] 8 Rd[X.]6 mwN). Das Alternativverhältnis zeigt sich insbesondere an der Voraussetzung der Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] (§ 6a [X.] 1 [X.] 4 [X.]), um die auch vorliegend gestritten wird. Daneben nimmt der Kinderzuschlag insoweit auf das [X.] Bezug, als die - inzwischen abgeschaffte - (individuelle) Höchsteinkommensgrenze nach § 6a [X.] 1 [X.] 3 [X.] (hier idF des [X.], [X.] 453) anknüpfte an den [X.]-Bedarf. Darüber hinaus bedienen sich die Regelungen über die Minderung des Kinderzuschlags durch Einkommen und Vermögen des Kindes der §§ 11 bis 12 [X.], weichen hiervon allerdings auch ab (§ 6a [X.] 3 [X.] idF des [X.], [X.] 453), und setzt die Minderung des Gesamtkinderzuschlags durch elterliches Einkommen und Vermögen voraus, dass der weitgehend nach [X.]-Maßstäben errechnete elterliche Bedarf gedeckt ist (§ 6a [X.] 4 [X.] idF des [X.], [X.] 453). Diese Regelungen dienen der Umsetzung der gesetzgeberischen Zielsetzung, einen Bezug von [X.] allein wegen der Unterhaltsbelastung für die Kinder zu vermeiden und setzen daneben - durch die Anrechnungsprivilegierung von Erwerbseinkünften (§ 6a [X.] 4 Satz 6 [X.]) - einen Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Diese gesetzliche Ausgestaltung ändert aber nichts daran, dass die Leistung in erster Linie dem Ausgleich von [X.] dient und nicht der Deckung eines individuell ermittelten sozialhilferechtlichen [X.]. Dass einer solchen Leistung im Hinblick auf das Kind zugleich eine existenzsichernde Wirkung zukommt (hierzu [X.] vom 25.10.2017 - [X.] A[X.]5/16 R - [X.]E 124, 243 = [X.]-4200 § 11 [X.] 82, Rd[X.]5), liegt in der Natur der Sache und gilt auch für einen "staatlichen Beitrag zum Familienbudget" wie das Kindergeld, bei dem die Einordnung als "Familienleistung" im Sinne des [X.] unstreitig ist (vgl nur [X.] vom 22.10.2015 - [X.]8/14 - [X.], [X.]:[X.], 1147 Rd[X.]6; vgl auch [X.] vom 22.2.1990 - [X.]/88 - [X.], [X.]:[X.], [X.], [X.] Rd[X.] 7).

c) Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 [X.] [X.] 3/80 folgt vorliegend, dass die [X.] dem Anspruch des [X.] die ihn benachteiligende Regelung des § 6a [X.] 1 [X.] 4 [X.] iVm § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] 3 [X.] nicht entgegenhalten darf. Der mittelbare Ausschluss vom Anspruch auf Kinderzuschlag aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist vorliegend unanwendbar. Im Rahmen des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs des Art 3 [X.] [X.] 3/80 ist es einem Mitgliedstaat verboten, den Anspruch eines [X.]n Staatsangehörigen von weitergehenden Anforderungen an seine aufenthaltsrechtliche Stellung abhängig zu machen als sie im Assoziationsrecht selbst angelegt sind (vgl [X.] vom [X.] - [X.]/96 - [X.], [X.]:C:1999:228, Slg 1999, [X.] Rd[X.]05 = [X.] 3-6935 Allg [X.] 4 S 50 f).

8. Soweit der Kläger für Dezember 2011 nicht anspruchsberechtigt ist, ergibt sich kein weitergehender Anspruch auf Gleichbehandlung aus dem sowohl von der [X.] als auch von der [X.] ratifizierten [X.] unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 ("[X.]", [X.] 507).

Dieses Abkommen findet zwar auf "Familienbeihilfen" Anwendung (Art 1 [X.] Buchst d) und begründet einen Gleichbehandlungsanspruch, der [X.] von einem sechsmonatigen Wohnsitz abhängt (Art 2 [X.] Buchst d, [X.]). Das [X.] vermittelt für [X.] Staatsangehörige ggf ab einem Aufenthalt im [X.] von sechs Monaten einen Anspruch auf Kindergeld unter denselben Voraussetzungen wie für einen [X.] Staatsbürger ([X.] vom 17.6.2010 - III R 42/09 - [X.]E 230, 337). Der Kinderzuschlag nach § 6a [X.] ist jedoch vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens nicht erfasst, weil der Rechtsausdruck der Familienbeihilfen keine Generalklausel für die Einbeziehung sämtlicher späterer nationaler Sozialleistungen mit Familienbezug zu verstehen ist (ausführlich [X.] vom [X.] - B 10 EG 3/04 R - [X.]E 93, 194 = [X.]-7833 § 1 [X.] 6, juris Rd[X.] 47), es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Kinderzuschlag von dem Abkommen umfasst sein soll (vgl zur Anwendung auf das Kindergeld Anhang I idF der Bekanntmachung vom 25.1.1985, [X.]I 311) und auch keine [X.] zwischen Kindergeld und Kinderzuschlag besteht (zu diesem Gesichtspunkt [X.] vom [X.] - B 10 EG 3/04 R - [X.]E 93, 194 = [X.]-7833 § 1 [X.] 6, 45, juris Rd[X.] 48).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da beide Rechtsmittel erfolglos waren, sind Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

                [X.][X.]

Meta

B 7/14 KG 1/20 R

09.03.2022

Bundessozialgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend SG Stuttgart, 21. September 2017, Az: S 25 BK 2832/12, Urteil

§ 6a Abs 1 Nr 4 BKGG 1996 vom 24.03.2011, § 7 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 2, § 1 Abs 1 Nr 3 Buchst c AsylbLG, § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG, Art 1 EuFürsAbk, Art 16 EuFürsAbk, Art 9 EWGAbk TUR, Art 6 Abs 1 EWGAssRBes 1/80, Art 3 Abs 1 EWGAssRBes 3/80, Art 1 Buchst a EWGAssRBes 3/80, Art 1 Buchst b EWGAssRBes 3/80, Art 2 EWGAssRBes 3/80, Art 4 Abs 1 Buchst h EWGAssRBes 3/80, Art 1 Buchst h EWGV 1408/71, Art 1 Buchst u EWGV 1408/71, Art 1 Abs 1 KV/UVEuVorlAbk

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 09.03.2022, Az. B 7/14 KG 1/20 R (REWIS RS 2022, 2728)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2728

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