Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, Az. 10 AZR 200/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 7178

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Urlaubskassenverfahren - portugiesisches Bauunternehmen - Beitragspflicht - Eingriffsnorm iSd. Art 34 EGBGB aF)


Leitsatz

1. § 2 EFZG (juris EntgFG) ist keine Eingriffsnorm iSd. Art. 34 EGBGB aF.

2. § 3 EFZG ist dann als Eingriffsnorm iSd. Art. 34 EGBGB aF anwendbar, wenn die betreffenden Arbeitsverhältnisse dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. November 2010 - 10 [X.]/10 - wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erteilung von Auskünften und auf Zahlung in Anspruch. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die Beklagte nach §§ 2, 3 EFZG verpflichtet ist, an ihre aus [X.] nach [X.] vorübergehend entsandten Arbeitnehmer Entgelt für Zeiten zu entrichten, an denen die Arbeit wegen eines gesetzlichen Feiertags oder wegen unverschuldeter Erkrankung ausfällt.

2

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck müssen die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zahlen. Den Beitragseinzug regelte im [X.] der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe ([X.]) vom 20. Dezember 1999 in der jeweils geltenden Fassung.

3

Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung [X.] Rechts. Sie führt [X.] überwiegend Rohbauarbeiten aus und nimmt mit den nach [X.] entsandten Arbeitnehmern seit 1996 am Sozialkassenverfahren teil. Hinsichtlich der hier betroffenen in den Jahren 2007 und 2008 entsandten baugewerblichen Arbeitnehmer gab die Beklagte für Oktober 2007 bis Dezember 2007 sowie für April, Mai und Oktober 2008 Monatsmeldungen gegenüber dem Kläger ab. In diesen Monatsmeldungen waren die an die einzelnen Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhne aufgeführt. Zugleich gab die Beklagte „Tage ohne Lohn“ an, mit denen sie die [X.] Feiertage und die Arbeitsunfähigkeitstage der Arbeitnehmer bezeichnete. Für diese „Tage ohne Lohn“ zahlte die Beklagte keine Vergütung. Im Fall der Arbeitsunfähigkeit trat die staatliche [X.] Pflichtversicherung ein. Diese erbringt ab dem dritten Krankheitstag bzw. im Fall eines Krankenhausaufenthalts ab dem ersten Krankheitstag Leistungen an die Arbeitnehmer. Die Leistungen werden über ein Umlageverfahren finanziert, an dem sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligen.

4

Für Oktober 2007 bis Dezember 2007 sowie für April, Mai und Oktober 2008 errechnete der Kläger für die „Tage ohne Lohn“ einen Mindestbeitrag in unstreitiger Höhe von 2.519,15 [X.].

5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Meldungen der Beklagten entsprächen nicht den tarifvertraglichen Anforderungen. Sie seien fehlerhaft, da die Beklagte allen Arbeitnehmern, die während der Entsendung arbeitsunfähig erkrankten oder deren Arbeit wegen eines Feiertags ausfalle, Lohn nach §§ 2, 3 EFZG schulde. Diese Vorschriften seien Eingriffsnormen im Sinne des im Streitzeitraum geltenden Art. 34 EGBGB.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular Auskunft zu erteilen über

                 

a)    

die Höhe der monatlichen beitragspflichtigen Bruttolöhne in [X.] mit der Maßgabe, dass der aus [X.] entsandte Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung nach §§ 2, 3 EFZG hat, wenn die Arbeit infolge eines [X.] gesetzlichen Feiertags ausfällt oder er infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist,

                 

b)    

die Beschäftigungstage, soweit kein voller Beschäftigungsmonat,

                 

c)    

gewährte Urlaubstage und gewährte Urlaubsvergütung, soweit darauf bereits ein tariflicher Anspruch bestand,

                 

jedes einzelnen von ihr in den Monaten Oktober 2007 bis Dezember 2007 und April, Mai und Oktober 2008 in die Bundesrepublik [X.] entsandten gewerblichen Arbeitnehmers,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.519,15 [X.] nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per annum seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, sie habe den Auskunftsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum durch die Angabe „Tage ohne Lohn“ erfüllt. Die §§ 2, 3 EFZG seien nicht anwendbar.

8

Das Arbeitsgericht hat dem in erster Instanz allein gestellten Auskunftsantrag entsprochen, das [X.] hat diesen ebenso abgewiesen wie den im Berufungsverfahren erstmals gestellten [X.]. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt der Kläger Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und Verurteilung der Beklagten nach dem [X.].

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

I. Die Klageanträge betreffen, wie der Kläger in der Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat, nur solche entsandten gewerblichen Arbeitnehmer, auf die im streitigen Zeitraum [X.] Vertragsrecht und [X.] Sozialversicherungsrecht anwendbar war und die im Besitz einer Bescheinigung gemäß Art. 11 der noch bis zum 30. April 2010 geltenden [X.] ([X.]) Nr. 574/72 (Verordnung ([X.]) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der [X.] Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern, [X.]. [X.] vom 27. März 1972 S. 1; in der konsolidierten Fassung der Verordnung ([X.]) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, [X.]. [X.] L 28 vom 30. Januar 1997 S. 1; geändert durch Verordnung ([X.]) Nr. 647/2005 des [X.] und des Rates vom 13. April 2005, [X.]. [X.] L 117 vom 4. Mai 2005 S. 1) waren. Soweit der Kläger Beiträge für Feiertage verlangt, bezieht sich sein Begehren, wie er ebenfalls in der Senatsverhandlung erklärt hat, ausschließlich auf etwaige Ansprüche der betreffenden Arbeitnehmer nach § 2 [X.], nicht auf die nach [X.] Recht bestehenden Forderungen auf Zahlung von [X.] (vgl. Art. 259 Abs. 1 Código do Trabalho, [X.] vom 27. August 2003, jetzt Art. 269 Abs. 1 Código do Trabalho, [X.] vom 12. Februar 2009).

II. Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten die begehrten Auskünfte und Beiträge nicht verlangen. Die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (§§ 6, 18, 21, 22 [X.]. § 1 Abs. 3 [X.] in der bis zum 23. April 2009 geltenden Fassung) liegen nicht vor. Die Beklagte schuldet den betreffenden Arbeitnehmern für die maßgeblichen „Tage ohne Lohn“ kein Entgelt. Die §§ 2, 3 [X.] finden auf die Arbeitsverhältnisse der Beklagten mit den hier betroffenen Arbeitnehmern im [X.] keine Anwendung.

1. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit [X.] Arbeitsrechts auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse vorliegen. Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit der §§ 2, 3 [X.] aufgrund einer Rechtswahl oder nach dem im Streitzeitraum geltenden Art. 30 [X.]BGB (vgl. jetzt Art. 8 Rom-I-[X.] - Verordnung ([X.]) Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Die Anwendbarkeit der §§ 2, 3 [X.] folgt auch nicht aus Art. 34 [X.]BGB (vgl. jetzt Art. 9 Rom-I-Verordnung). § 2 [X.] ist keine „Eingriffsnorm“ nach Art. 34 [X.]BGB. Entsprechendes gilt für § 3 [X.], soweit die Arbeitsverhältnisse von Wanderarbeitnehmern betroffen sind, auf die [X.] Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar ist.

a) Nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-[X.], der zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, [X.] oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen (vgl. [X.] 1. Juli 2010 - 2 [X.]/09 - Rn. 31, [X.] Art. 25 Nr. 5 = EzA GVG § 20 Nr. 5; 12. Dezember 2001 - 5 [X.], [X.]E 100, 130). Inländische Gesetze sind daher nur dann Eingriffsnormen im Sinne des Art. 34 [X.]BGB, wenn sie entweder ausdrücklich oder nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach den [X.] Kollisionsnormen anwendbare Recht gelten sollen. Nicht ausreichend ist, dass die betreffende Norm als Arbeitnehmerschutznorm einseitig zwingend (vgl. [X.] 12. Dezember 2001 - 5 [X.], aaO; [X.] Anm. [X.] [X.]BGB nF Art. 30 Nr. 10; [X.]/[X.] [X.] ([X.]) 593/2008 Art. 9 Rn. 3) und günstiger als die nach dem an sich anwendbaren ausländischen Recht einschlägige Vorschrift ist. Art. 34 [X.]BGB will zwingende Bestimmungen des [X.] Rechts ohne Rücksicht auf ihren Schutznormcharakter und „ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anwendbare Recht” durchsetzen ([X.]/[X.] 12. Aufl. zu Art. 9 Rom-I-[X.] Rn. 21; [X.] NZA 2000, 57; [X.] 2007, 352). Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von [X.] der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden ([X.] 13. November 2007 - 9 [X.] - Rn. 78, [X.]E 125, 24, 42; 12. Dezember 2001 - 5 [X.], aaO; 3. Mai 1995 - 5 [X.] - zu III 1 a der Gründe, [X.]E 80, 84, 92 f.; 29. Oktober 1992 - 2 [X.] - zu IV 1 der Gründe, [X.]E 71, 297, 316 f.; 24. August 1989 - 2 [X.] - zu [X.] 6 der Gründe, [X.]E 63, 17, 30 ff.). Bei der Bestimmung einer innerstaatlichen Norm als international zwingende Eingriffsnorm ist Zurückhaltung geboten, wie sich auch aus Erwägungsgrund 37 zur Rom-I-[X.] ergibt, nach der der Begriff „Eingriffsnormen“ eng ausgelegt werden soll (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] ua. Internationales Vertragsrecht 2. Aufl. Art. 9 [X.] ([X.]) 593/2008 Rn. 6).

b) Nach diesen Maßgaben sind § 2 und § 3 [X.] nicht als Eingriffsnormen auf den Streitfall anwendbar.

aa) Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 [X.] regelt die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen. Sie sichert dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, die Fortzahlung der Vergütung. Nach § 9 Abs. 1 [X.] dürfen Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen nicht beschäftigt werden. Aus § 275 Abs. 1 BGB folgt, dass der Arbeitnehmer an gesetzlichen Feiertagen wegen Unmöglichkeit von seiner vertraglichen Leistungspflicht befreit ist. Der Arbeitgeber müsste bei Anwendung der allgemeinen schuldrechtlichen Regeln nach § 326 Abs. 1 BGB keine Arbeitsvergütung zahlen. Dem hilft § 2 Abs. 1 [X.] durch die Pflicht zur Entgeltfortzahlung ab. Die Vorschrift ist unmittelbar darauf gerichtet, dem Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch zu verschaffen, den er nach seinem Vertrag nicht hätte. Sie regelt das Austauschverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

bb) Das im Zusammenhang mit gesetzlichen Feiertagen offenkundige öffentliche Interesse, das auch verfassungsrechtlichen Schutz genießt ([X.] 1. Dezember 2009 - 1 BvR 2857/07, 1 [X.] - [X.]E 125, 39), wird nicht durch § 2 Abs. 1 [X.], sondern durch das Feiertagsrecht geschützt. Dieses Interesse gebietet, die Erwerbsarbeit an Feiertagen grundsätzlich ruhen zu lassen. [X.] ist damit der allgemein wahrnehmbare Charakter des Feiertags als eines Tags der im Grundsatz verbindlichen (vgl. § 10 [X.]) Arbeitsruhe. Dieser Schutzzweck wird durch § 2 Abs. 1 [X.] nur mittelbar unterstützt. [X.] würde auch dann herrschen, wenn Arbeitnehmer - wie es für Selbstständige ohnehin weitgehend der Fall ist - an Feiertagen kein Geld verdienen könnten. § 2 Abs. 1 [X.] erleichtert den Arbeitnehmern die Einhaltung der Arbeitsruhe und weist das Vergütungsrisiko einer Vertragspartei, nämlich dem Arbeitgeber zu, ist aber nicht selbst Voraussetzung der im öffentlichen Interesse liegenden Arbeitsruhe an Feiertagen.

cc) Die Vorschrift des § 3 [X.] ist dann als Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 [X.]BGB anwendbar, wenn auf die betreffenden Arbeitsverhältnisse [X.] Sozialversicherungsrecht Anwendung findet und damit ein hinreichender Inlandsbezug besteht. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

dd) Auch § 3 [X.] sichert dem Arbeitnehmer, der nach allgemeinen Regeln bei Arbeitsunfähigkeit zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet ist (§ 275 Abs. 1 BGB), jedoch nach § 326 Abs. 1 BGB keinen Anspruch auf die Gegenleistung hätte, einen Vergütungsanspruch. Insofern dient die Vorschrift dem Ausgleich der Interessen der Parteien eines privatrechtlichen Vertrags.

ee) Nach der Entscheidung des [X.] vom 12. Dezember 2001 (- 5 [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 100, 130) kann es sich bei § 3 [X.] dennoch um eine Eingriffsnorm im Sinne des Art. 34 [X.]BGB handeln. Das öffentliche Interesse an der in § 3 [X.] normierten Entgeltfortzahlungspflicht hat der Fünfte Senat damit begründet, dass die Pflicht des Arbeitgebers ganz wesentlich der Entlastung der gesetzlichen Krankenkassen und damit mittelbar aller Beitragszahler dient. Deren Entlastung liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse und rechtfertigt es, § 3 [X.] als Eingriffsnorm einzuordnen, wenn für die betreffenden Arbeitnehmer [X.] Sozialversicherungsrecht gilt.

ff) In Fällen, in denen die Arbeitnehmer nicht dem [X.] Sozialversicherungsrecht unterliegen, kann diese Erwägung nicht durchgreifen. Die Geltung des § 3 [X.] würde hier den Arbeitnehmern einen Anspruch verschaffen, dadurch den Arbeitgeber belasten und zu einer Entlastung allenfalls bei der ausländischen Sozialversicherung führen. § 3 [X.] hat damit in diesen Fällen keinen Bezug zum gesamtgesellschaftlichen öffentlichen Interesse in Deutschland.

c) Auch § 7 [X.] aF (jetzt § 2 [X.]) benennt die §§ 2, 3 [X.] nicht als Eingriffsnormen. Die Vorschrift legt in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der [X.]/[X.] des [X.] und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) fest, welche Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung finden. Sie ordnet die international zwingende Geltung der betreffenden [X.] Normen an. Unter den in § 2 [X.] ausdrücklich erwähnten Regelungen befinden sich auch diejenigen Vorschriften, die nach allgemeiner Auffassung als Eingriffsnormen im Sinne des Art. 34 [X.]BGB anzusehen sind, etwa die Vorschriften über Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Hygiene, Schutzmaßnahmen für Schwangere und Wöchnerinnen (vgl. § 2 Nr. 5, 6 [X.]). Hätte der Gesetzgeber auch die hier betroffenen Normen über die Entgeltfortzahlung in jedem Fall als Eingriffsnormen angesehen, so hätte es nahe gelegen, sie in den Katalog des § 2 [X.] aufzunehmen (vgl. [X.]/[X.] 2. Aufl. § 2 [X.] Rn. 1).

3. Europarechtliche Vorschriften führen zu keinem anderen Ergebnis.

a) Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 iVm. Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der [X.] ([X.]) Nr. 883/2004 (Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der [X.] Sicherheit, konkretisiert durch die Verordnung ([X.]) Nr. 987/2009 des [X.] und des Rates vom 16. September 2009), unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, grundsätzlich allen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, die Leistungen bei Krankheit als Zweig der [X.] Sicherheit einschließlich der Verpflichtungen von Arbeitgebern betreffen. Danach würde § 3 [X.] auch für die Arbeitnehmer der Beklagten gelten. Indes besteht nach Art. 12 Abs. 1 der [X.] ([X.]) Nr. 883/2004 eine Ausnahme: Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit 24 Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst. Die Parteien haben diesen Ausnahmetatbestand dem Rechtsstreit in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmend zugrunde gelegt (siehe oben zu I); denn die entsandten Arbeitnehmer unterliegen unstreitig dem [X.] Sozialversicherungsrecht, sodass eine Anwendung des [X.] auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 3 Buchst. a der [X.] ([X.]) Nr. 883/2004 nicht in Betracht kommt.

b) Aus der Entscheidung des [X.] vom 15. Juli 2008 (- VI ZR 105/07 - Rn. 16, [X.], 237) folgt nichts anderes. Sie besagt, dass die Anwendung der Regelungen der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971, die in ihren Artikeln 4, 13 und 14 den genannten Vorschriften der [X.] ([X.]) Nr. 883/2004 weitgehend entsprechende Regelungen enthielt, regelmäßig nicht zum Verlust von Leistungsansprüchen führen darf, die nach dem nationalen Recht eines der Mitgliedstaaten ohne Rückgriff auf die [X.]svorschriften bereits erworben worden sind. Nach [X.] Recht war ein Anspruch, dessen Verlust zu vermeiden gewesen wäre, nicht entstanden. Die nach [X.] Recht entstandenen Ansprüche auf Feiertagsvergütung und Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit bleiben unberührt.

c) Die Voraussetzungen einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V liegen nicht vor. Der Streitfall betrifft schon nicht die Auslegung von Art. 12 der [X.] ([X.]) Nr. 883/2004. Vielmehr ist die genannte Ausnahmevoraussetzung dem Rechtsstreit von den Parteien in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmend zugrunde gelegt worden.

III. [X.] fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Thiel    

        

    Trümner    

                 

Meta

10 AZR 200/11

18.04.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wiesbaden, 29. Oktober 2009, Az: 4 Ca 3844/08, Urteil

Art 3 EGV 883/2004, Art 11 EGV 883/2004, Art 9 EGV 593/2008, § 7 AEntG vom 19.12.1998, § 2 EntgFG, § 3 EntgFG, Art 34 BGBEG vom 21.09.1994

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, Az. 10 AZR 200/11 (REWIS RS 2012, 7178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7178

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 AZR 191/14 (Bundesarbeitsgericht)

Mindestlohn - Entgeltfortzahlung


10 AZR 335/14 (Bundesarbeitsgericht)

Mindestlohn - Entgeltfortzahlung


9 AZR 228/21 (Bundesarbeitsgericht)

Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung - Auslandsbezug


10 AZR 495/14 (Bundesarbeitsgericht)

Mindestlohn - Entgeltfortzahlung


2 AZR 692/19 (Bundesarbeitsgericht)

Kündigung eines Flugbegleiters - Anwendbarkeit deutschen Rechts - § 18 BEEG als Eingriffsnorm - Revisibilität …


Referenzen
Wird zitiert von

1 BvR 555/15

5 AZR 505/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.