AG München, Urteil vom 04.08.2022, Az. 211 C 578/22

IT-RECHT DSGVO ART. 82 DSGVO

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Gegenstand

Treuepunktesystem als Zahlungsdienstleister, Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO wegen mangelhafter Zugangssicherung; Stand der Technik.


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 4.626,38 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der [X.] Rückübertragung von [...] Punkten und Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die [X.] und das [X.].

Bei dem Kundenbindungsprogramm [...] Punkte handelt es sich um ein [X.]. Das Bonusprogramm ist kostenlos. Die teilnehmenden [...] Nutzer haben die Möglichkeit, für ihre Einkäufe bei Partnerunternehmen sogenannte Punkte zu sammeln. Die [...] Partnerunternehmen gewähren den Kunden, welche ihre Waren oder Dienstleistungen erwerben und dabei das [...] Programm nutzen, Rabatte in Form von geldwerten [...] Punkten. Die Beklagte ist Betreibergesellschaft des Programms.

Jeder [...] Nutzer erhält eine [...] Karte zum Sammeln von [...] Punkten in den Geschäften teilnehmender Partnerunternehmen. Hierfür wird die [...] Karte beim Bezahlen an der Kasse gescannt und das Partnerunternehmen schreibt dem Kunden die für den jeweiligen Kauf gewährten [...] Punkte automatisch gut. Bei Bestellungen, die online erfolgen, werden die Punkte bei Eingabe der [...] Kundennummer im Rahmen des Bestellprozesses gesammelt. Wie viele Punkte ein [...] Nutzer bei einem konkreten Einkauf als Rabatt erhält, entscheiden die [...] Partnerunternehmen individuell. Jeder von einem Partnerunternehmen gewährte Punkt hat einen Geldwert von [X.]. [...] Punkte können u.a. in Prämien eingetauscht, oder in Gutscheine eingetauscht werden.

Jeder [...] Nutzer kann sein [...] Konto online verwalten und dort seine persönlichen Daten sowie die gesammelten und eingelösten [...] Punkte Punkte einsehen. Bei den einzusehenden persönlichen Daten der Nutzer handelt es sich um: Anrede, Titel, Vor- und Nachname, Postanschrift, E-Mail-Adresse, Telefon- und/oder Mobilfunknummer sowie das Geburtsdatum. Bezüglich der Einkäufe können Nutzer sehen, bei welchem [...] Partnerunternehmen sie wann wie viele Punkte erhalten bzw. eingelöst haben.

Der Kläger ist Kunde der [X.] mit der Kundennummer [...].

In den Teilnahmebedingungen für das [...] Programm ist u.a. folgendes geregelt:

[...]

Der Kläger konnte sich mit der Eingabe der Kartennummer in Verbindung mit der Angabe des Geburtsdatums und der [X.] in sein Kundenkonto einloggen. Alternativ konnte er sich mit der Eingabe der Kartennummer und einer vierstelligen [X.]s verifizieren. Die [X.] besteht hierbei immer aus einer vierstelligen Zahlenkombination.

Die Beklagte setzte ein dokumentiertes Informationssicherheit-Managementsystem um. Der Betrieb des [X.] wurde regelmäßig durch unabhängige Dritte auditiert.

Am 05.09.2021 wurden 12....[...] Punkte des [X.] in einen [...] Warengutschein umgewandelt. Betroffen war das Punktekonto der [X.] mit der Kartennummer [...] welches zwischenzeitlich von der [X.] gesperrt wurde. Es wurde in der [...] App ein [...] Gutschein generiert. Am streitgegenständlichen Tag fanden bei der [X.] keine dokumentierten Cyberattacken oder Datenschutzvorfälle statt.

Der Kläger behauptet, die am 05.09.2021 für die Erstellung der Gutscheine eingelösten 12....[...] Punkte seien unbefugt von [X.] eingelöst worden. Der Kläger habe seine Zugangsdaten zu keiner Zeit [X.] zur Verfügung gestellt und er selbst habe am 05.09.2021 keine [...] Punkte online gegen einen [...] Warengutschein eingelöst. Auch sonst habe er die Zahlungsanweisung nicht autorisiert.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er Ansprüche auf Rückübertragung der [...] Punkte habe gemäß § 675u S. 2 BGB und §§ 675m S. 1, 2810 Abs. 1 BGB. Die Beklagte sei insoweit Zahlungsdienstleister im Sinne der Norm. Ferner bestehe ein solcher Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 55 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit 1 S. 2 Nr. 5 [X.]. Der Kläger macht hierzu geltend, dass es sich bei § 55 Abs. 1 [X.] um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB handele. Bei der Ausgabe der [...] Kundenkarte handele es sich um die Ausgabe von [X.] im Sinne von § 1 S. 22 Nr. 5 [X.]. Der Kläger macht geltend, dass es sich bei den [...] Punkten der [X.] um E-Geld handele. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, eine Zwei-Faktor-Authentifizierung zu verlangen. Der Kunde erhalte die [...] Punkte nicht unentgeltlich. Der jeweilige Kunde erhalte beim Bezahlvorgang von dem Händler einen Skonto in Höhe der erzielten Bonuspunkte. Anstatt den Skontobetrag vom Kaufpreis abzuziehen, weise der Kunde den Händler an, ihm den überschießenden Betrag als [X.] auszuzahlen. Die Punkte würden von der [X.] emittiert und für die Kunden verwaltet.

Eine Verletzung des Datenschutzes durch die Beklagte sei auch darin zu sehen, dass die Beklagte die Mindestanforderungen an eine starke [X.] vernachlässige. Die Beklagte habe sich bei der Auswahl und dem Einsatz der personalisierte Sicherheitsmerkmale für die Implementierung eines nur einfachen Berechtigungssystems entschieden, welches hinter den Sicherheitsstandards von auf dem aktuellen Stand der Technik befindlichen Systemen [X.]. Der Kläger habe dadurch die Kontrolle über seine personenbezogenen Daten verloren. Der Kläger macht geltend, dass die von der [X.] gestellten Mindestanforderungen an das vom Kunden zu wählende Passwort ungeeignet seien. Als Stand der Technik sei eine Mindestlänge von 10 Zeichen anzusetzen. Eine Einschränkung der verwendbaren Zeichen auf Zahlen gehöre nicht zum Stand der Technik. Die bisherigen Sicherheitsvorkehrungen der [X.] seien nicht geeignet gewesen, ein dem Stand der Technik entsprechendes Schutzniveau zu gewährleisten. Daher bestehe ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 [X.].

Der Kläger beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, der [X.] 12....Punkte, mit einem Gegenwert in Höhe von € [xxx] auf ihres bei der [X.] geführte Konto mit der Kartennummer zu übertragen.
  2. Die Beklagte zu wird verurteilt, an die [X.] einen Betrag in Höhe von mindestens € 4.500,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, der [X.] ihre Kosten für die außergerichtliche Vertretung in Höhe von € 818,72 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, dass es sich bei der technischen Verarbeitung von Daten an gängigen und anerkannten Sicherheitsrichtlinien orientiere, die das [X.] in der Informationstechnik vorgäbe. Der [xxx] Gutschein sei nicht eingelöst worden. Die Beklagte trägt ferner vor, dass die abgebuchten Punkte dem Kläger am [X.] gutgeschrieben worden seien.

Bei dem [xxx] Kundenbindungsprogramm handele es sich nicht um E-Geld. Eine starke [X.] in Form einer Zweifaktorauthentifizierung müsse daher nicht implementiert werden.

Die Beklagte gewähre für das [X.] ein angemessenes technisches und organisatorisches Schutzniveau im Sinne von Art. 32 Abs. 1 [X.].

Die Beklagte macht geltend, dass weder das [X.] noch § 675 ff. BGB im vorliegenden Fall anwendbar seien.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Klage ist unbegründet.

2

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das [X.] gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 [X.] sachlich und gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.

3

II. Die Klage ist unbegründet.

4

1. Der Kläger hat gegen die [X.] keinen Anspruch auf Gutschrift von 12....[xxx] Punkten auf sein bei der [X.] geführtes [...] Konto.

5

Die [X.] trägt vor, dass sie die streitgegenständlichen [...] Punkte aus Kulanz vor Klageeinreichung zurückgebucht habe (Schriftsatz vom 23.06.2022, [X.] = [X.]. 121 [X.]) und dass der Kläger Zugriff auf sein Konto mit den Punkten habe (Schriftsatz vom 23.06.2022, [X.] f. = [X.]. 121/122 [X.]; Schriftsatz vom 18.07.2022, [X.] = 132 [X.]). Beides wird vom Kläger bestritten (zuletzt Schriftsatz vom 12.07.2022 = [X.]. 129 dA). Ob Erfüllung eingetreten ist oder nicht, kann dahinstehen. Auf eine Beweiserhebung kommt es insoweit nicht an, da ein Anspruch auf die Gutschrift nicht besteht.

6

a) Ein entsprechender Anspruch ergibt sich nicht aus § 675u [X.] BGB.

7

Nach § 675u Satz 1 BGB hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Gemäß [X.] ist der Zahlungsdienstleister verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag seinem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

8

Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch des [X.] gegen die [X.] wäre, dass der [X.] Zahlungsdienstleister des [X.] ist. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Der Kläger behauptet zwar pauschal, dass zwischen der [X.] und dem Kläger ein Zahlungsdienstrahmenvertrag über E-Geld nach den §§ 675c Abs. 2, 675f Abs. 2 BGB durch die Teilnahme des [X.] am [...] Programm abgeschlossen worden sei. Dies ist jedoch ausweislich der Teilnahmebedingungen für das Programm nicht der Fall, wonach der Kunde lediglich Guthaben bei den teilnehmenden Unternehmen erwirbt, die dem Kunden als [...] Kunde von [...] Partnerunternehmen in Form von Punkten gutgeschrieben werden (Nr. X der Teilnahmebedingungen). Es liegt damit lediglich eine Verwaltung der [...] Punkte vor. Für den Begriff des Zahlungsdienstleisters wird an die zugrundeliegende Normen des [X.] zurückgegriffen ([X.] in [X.], 8. Aufl. 2020, § 675c BGB,Rn. 37 ff.). Dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt (s. sogleich unter c)).

9

b) Ein entsprechender Anspruch des [X.] ergibt sich auch nicht aus § 675m Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB.

10

§ 675m legt die Pflichten eines Zahlungsdienstleisters fest. Der [X.] ist jedoch kein Zahlungsdienstleister des [X.].

11

c) Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 55 Abs. 1 Nr. 2 In Verbindung mit § 1 [X.] Nr. 5 [X.].

12

Es kann insoweit dahinstehen, ob es sich bei der Vorschrift des § 55 Abs. 1 [X.] um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt, da die [X.] nach dem Tatsachenvortrag der Parteien kein Zahlungsdienstleister im Sinne des § 55 [X.] ist.

13

§ 55 Abs. 1 [X.] verpflichtet den Zahlungsdienstleister, eine starke [X.] zu verlangen. Zahlungsdienstleister sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] E-Geldinstitute im Sinne des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, die im Inland zum Geschäftsbetrieb nach diesem Gesetz zugelassen sind, sofern sie Zahlungsdienste erbringen. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] sind [X.] Unternehmen, die das E-Geldgeschäft betreiben, ohne [X.] im Sinne der Nummern 2 - 4 zu sein. Gemäß § 1 Abs. 2 [X.] [X.] ist das E-Geldgeschäft die Ausgabe von E-Geld. „Ausgabe“ von E-Geld ist die Eingehung der Verpflichtung der E-Geld ausgebenden Stelle zur Leistung gegenüber dem Berechtigten bzw. demjenigen, der E-Geld als Zahlungsmittel akzeptiert (Schwennike/[X.] mit [X.], 4. Aufl., § 1 [X.], Rn. 99).

14

Entgegen der Behauptung des [X.] gibt die [X.] kein E-Geld heraus. Die [X.] ist ausweislich der Teilnahmebedingungen zum [...] [X.] keine entsprechende Verpflichtung eingegangen. Sie ist lediglich die Betreiberin des Programms. Ausweislich der Teilnahmebedingungen für das Programm verwaltet die [X.] [X.] und andere Guthaben, die dem Kunden als Kunde von den Partnerunternehmen in Form von Punkten gutgeschrieben werden. Die [X.] E-Geld wird von § 1 Abs. 2 [X.] [X.] nicht erfasst ([X.]/[X.], [X.] mit [X.], 4. Aufl., § 1 Rn. 98). Damit ist die [X.] nicht Zahlungsdienstleister im Sinne des § 55 Abs. 1 [X.].

15

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die [X.] die [...] zur Abwicklung (z.B. Sammeln und Einlösen von Punkten) herausgegebenen hat.

16

Darüber hinaus handelt es sich bei den [...] Punkten nicht um E-Geld. E-Geld ist nach § 1 Abs. 2 S. 3 [X.] jeder elektronisch, darunter auch magnetisch, gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB durchzuführen und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird. Voraussetzung ist damit, dass die Zahlungseinheiten gegen Zahlung eines Geldbetrages bereitgestellt werden. Die Zahlung eines Geldbetrags erfordert damit eine Gegenleistung des Berechtigten in Form von Bar- oder Buchgeld vor Ausgabe der Zahlungseinheiten. Bei elektronisch gespeicherten Bonuspunkten eines Rabattsystems, die ohne Gegenleistung gewährt werden, liegt kein E-Geld vor. Dies ist vorliegend der Fall. Ein [...] Kunde zahlt für zu erwerbende Waren oder Dienstleistungen den gleichen Endpreis, wie Kunden, die das Programm der [X.] nicht nutzen. Damit erhält der Kunde die Bonuspunkte ohne Gegenleistung.

17

Soweit der Kläger behauptet, dass davon ausgegangen werden könne, dass die Partner der [X.] für die Gewährung der Punkte ein Entgelt zu zahlen haben, wird der Kläger auf die Teilnahmebedingungen für das Programm verwiesen, die [X.] [X.] und andere Guthaben verwaltet, die dem Kunden als Kunde von den Partnerunternehmen in Form von Punkten gutgeschrieben werden. Danach erwerben die Partnerunternehmen der [X.] keine Punkte gegen Entgelt von der [X.], sondern gewähren ihrerseits den Kunden die Rabattpunkte, die von der [X.] lediglich verwaltet werden. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Partnerunternehmen und die [X.] durch das Programm als Gegenleistung Daten über das Kaufverhalten der Kunden erlangen, stellt dies keine unmittelbare Gegenleistung zu den einzelnen Punkten dar, die der Unentgeltlichkeit Entgegenstehen.

18

d) Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB In Verbindung mit 55 Abs. 1 S. 1, 2 [X.].

19

Das soeben Gesagte gilt insoweit entsprechend. Die [X.] ist kein Zahlungsdienstleister.

20

2. Der Kläger hat gegen die [X.] keinen Anspruch auf Zahlung von [X.] Schadensersatz in Höhe von 4.500,00 € aus Art. 82 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 [X.].

21

a) Gemäß Art. 82 Abs. 1 [X.] hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter.

22

Zwischen den Parteien ist strittig, ob die [X.] gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen hat. Der Kläger trägt nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die [X.] Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen (mwN [X.] in: [X.], Datenschutzrecht, [X.]., Art. 82 [X.], Rn. 51; [X.], [X.]. v. 9.12.2021 – 31 O 16606/20; zu weitgehend [X.], [X.]. v. 25.02.2021 - 17 Sa 37/20, Rz. 99, die dort angeführte Rechenschaftspflicht bezieht sich auf eine Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde). Aus Art. 82 Abs. 3 [X.] ergibt sich lediglich hinsichtlich des Verschuldens eine Beweislastumkehr. Damit trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines Verstoßes der [X.] gegen die Datenschutzgrundverordnung und eines daraus kausal entstandenen Schadens.

23

b) Der Kläger behauptet, dass die [X.] die gemäß § 32 Abs. 1 [X.] erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich des Zugangs des [X.] zu dem Kundenkonto nicht getroffen habe.

24

Der Kläger macht geltend, dass eine Zwei-Faktor-Authentifizierung Stand der Technik gewesen sei. Er bezieht sich in der Klageschrift zunächst darauf, dass es sich bei dem Kundenkonto um E-Geld handeln würde. Das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten (Anlage [X.] zum Schriftsatz vom 08.06.2022) stellt hinsichtlich der Zwei-Faktor-Authentifizierung ebenfalls auf das Vorliegen eines [X.] ab. Die [X.] ist jedoch kein Zahlungsdienstleister. Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Zwei-Faktor-Authentifizierung auch bei bloßen Kundenbindungsprogrammen Stand der Technik ist und die vorliegende Authentifizierung beim Programm der [X.] diesen nicht erfüllt. Danach sind zwar die einzelnen zum Kunden-Login erforderlichen Informationen teilweise nicht geheim, sondern gegenüber einzelnen Vertragspartnern anzugeben oder im näheren Umfeld des Kunden bekannt. Für die Kombination der verschiedenen Merkmale beim Login wurde dies aber nicht vorgetragen. Auch hat die [X.] ein dokumentiertes Informationssicherheits- Managementsystem im Unternehmen umgesetzt und unterliegt einer regelmäßigen Auditierung durch unabhängige Dritte. Dies erfolgt am [X.] 27001 und den Sicherheitslinien des [X.] in der Informationstechnik. Zudem hat die [X.] ein sogenanntes Security Information and Event Management zur Überwachung implementiert. Ein Verstoß hiergegen wurde seitens des [X.] nicht vorgetragen. Darüber hinaus ist der Stand der Technik nur ein Gesichtspunkt in der von § 32 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] vorgeschrieben Abwägung. Danach sind unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Umstände für die Gesamtabwägung aller genannten Faktoren, die danach gegen ein angemessenes Schutzniveau sprechen, werden von dem Kläger nicht vorgetragen. Ein Verstoß gegen Art. 32 [X.] liegt danach nicht vor. Aus Art. 32 [X.] folgt kein Anspruch auf eine Zwei-Faktor-Authentifizierung im vorliegenden Fall.

25

c) Der Kläger macht insbesondere geltend, dass die von der [X.] vorgegebenen Regelungen zum Passwort unzureichend seien und nicht dem Stand der Technik entsprechen würden. Die [X.] sehen vor, dass Kunden sich mit der Eingabe der Kartennummer in Verbindung mit der Angabe des Geburtsdatums und der [X.] in das Kundenkonto einloggen können oder mit der Eingabe der Kartennummer und einer vierstelligen PIN, die aus einer vierstelligen Zahlenkombination besteht. Der Kläger führt aus, dass als Stand der Technik eine Mindestlänge von 10 Zeichen anzusehen sei und eine Einschränkung der verwendbaren Zeichen nicht zum Stand der Technik gehöre. Insoweit übersieht die Argumentation, dass darüber hinaus auch die Kartennummer als zusätzliche Anforderung erforderlich ist.

26

Ein etwaiger Verstoß der [X.] gegen Art. 32 [X.] – wie hier nicht – wäre jedenfalls auch nicht kausal für den behaupteten [X.]. Nach Vortrag der [X.] in der Klageerwiderung (S. 9 f.) ist es technisch zwingend notwendig für die Einlösung der [...] Punkte in einen Warengutschein für [...] die [...] App zu nutzen und diese mit dem [...] Konto zu verbinden. Eine Möglichkeit [...] Gutscheine im Prämienshop der [X.] mit Punkten zu erwerben besteht nicht (Anlage [X.] zum Schriftsatz vom 23.06.2022). Auf diese [...] App hat die [X.] keinen Einfluss. Inwieweit durch die Verknüpfung des Programms der [X.] mit der App ein Verstoß gegen Art. 32 [X.] vorliegen soll, hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Es liegt damit kein Verstoß der [X.] gegen Art. 32 [X.] vor.

27

3. Da die geltend gemachten Hauptforderungen nicht bestehen, hat der Kläger gegen die [X.] auch keinen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.

28

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709 Nr. 11, 711 ZPO.

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Meta

211 C 578/22

04.08.2022

AG München

Urteil

Sachgebiet: C

Art. 82 DSGVO

Zitier­vorschlag: AG München, Urteil vom 04.08.2022, Az. 211 C 578/22 (REWIS RS 2022, 5020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5020

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31 O 16606/20

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