Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.06.2019, Az. VIII ZB 4/18

8. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 6444

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Gegenstand

Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 12. Januar 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichterin) zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

[X.]:  700 €

Gründe

I.

1

Die Beklagten waren Mieter eines Wohnhauses des [X.]. Der Kläger hat die Beklagten auf Räumung, Zahlung rückständiger Nebenkosten sowie Schadensersatz in Anspruch genommen. In der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2017 haben die Parteien einen Prozessvergleich geschlossen, in dem sich die Beklagten verpflichtet haben, bis zum 31. Dezember 2017 aus dem Haus auszuziehen. Mit am 19. Dezember 2017 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Beklagten beantragt, die [X.] bis zum 31. Januar 2018 zu verlängern, da ab dem 1. Februar 2018 anderweitig Wohnraum zur Verfügung stünde. Der Kläger hat der Verlängerung der [X.] widersprochen.

2

Mit Beschluss vom 29. Dezember 2017 hat das Amtsgericht den Beklagten [X.] bis zum 31. Januar 2018 gewährt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des [X.] hat das Beschwerdegericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

3

Zur Begründung hat es ausgeführt, der für die Berechnung der Antragsfrist gemäß § 794a Abs. 1 Satz 2 ZPO maßgebliche Tag, an dem nach dem Vergleich zu räumen sei, sei vorliegend der 2. Januar 2018 gewesen. Da der Räumungstermin vom 31. Dezember 2017 auf einen Sonntag gefallen sei, sei die Räumung gemäß § 222 Abs. 1, 2 ZPO, § 193 BGB erst am 2. Januar 2018 geschuldet gewesen. Damit sei der Antrag auf Verlängerung der [X.] am 19. Dezember 2017 noch rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Frist bei Gericht eingegangen.

4

Das [X.] hat mit Beschluss der Einzelrichterin vom 12. Januar 2018 die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des [X.] unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

6

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (Einzelrichterin).

7

1. Das Rechtsmittel ist statthaft. Die Entscheidung des [X.]s, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist für den Senat bindend (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Darauf, ob das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zutreffend beurteilt hat, kommt es hierbei nicht an. Auch der Umstand, dass die Zulassungsentscheidung durch die Einzelrichterin unter Missachtung des Verfahrens nach § 568 Satz 2 ZPO (Übertragung auf die mit drei Mitgliedern besetzte Kammer) erfolgt ist, ändert an der Wirksamkeit der Zulassung nichts (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. November 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 125 Rn. 8; und - [X.], [X.], 332 Rn. 3; vom 24. November 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 441 Rn. 5 ff.).

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss unterliegt der Aufhebung, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] obliegt die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde - wie sich aus § 568 Satz 2 ZPO ergibt - nicht dem Einzelrichter, sondern dem Kollegium. [X.] er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters ([X.], Beschlüsse vom 13. März 2003 - [X.] 134/02, [X.]Z 154, 200, 202 f.; vom 22. November 2011 - [X.], aaO Rn. 9; und - [X.], aaO Rn. 4; vom 24. November 2011 - [X.], aaO Rn. 9 f.; vom 7. Januar 2016 - [X.]/14, [X.], 645 Rn. 10).

9

3. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Beschwerdegericht - Einzelrichterin - zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Kosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch.

Dr. Milger     

        

Dr. Hessel     

        

Dr. Schneider

        

Kosziol     

        

Dr. Schmidt     

        

Meta

VIII ZB 4/18

11.06.2019

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Osnabrück, 12. Januar 2018, Az: 1 T 16/18

Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 568 S 2 Nr 2 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO, § 574 Abs 3 S 2 ZPO, § 577 Abs 4 S 1 ZPO, § 75 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.06.2019, Az. VIII ZB 4/18 (REWIS RS 2019, 6444)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6444

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