Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 2 U 5/16 R

2. Senat | REWIS RS 2018, 12042

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Berufskrankheit gem Anl 1 Nr 2112 BKV - Gonarthrose - Versicherungsfall - Knieerkrankung - beidseitige Erkrankung - Stichtag - Übergangsrecht


Leitsatz

1. Die Berufskrankheit Gonarthrose liegt vor, sobald ihre Diagnosekriterien an einem Knie vorliegen.

2. Erkrankt der Versicherte später auch an dem anderen Knie, so tritt im Regelfall kein zusätzlicher Versicherungsfall ein.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 4. November 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung einer Gonarthrose des linken Knies als Berufskrankheit nach [X.] 2112 der [X.] zur [X.] (in Zukunft: [X.] 2112) ab dem 30.1.2004 hat.

2

Der im Juli 1947 geborene Kläger war während des Arbeitslebens bis Anfang September 2002 [X.] mit einer kumulativen Einwirkungsdauer von 14 840 Stunden ausgesetzt. Im September 2002 lagen bei ihm [X.] nach der Klassifikation von [X.] eine lateral betonte [X.] des rechten Knies sowie [X.] bis [X.] beiderseits vor. [X.] oder Funktionsstörungen des linken Knies ließen sich erst nach dem [X.] nachweisen. Im Jahre 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung einer [X.] 2112.

3

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen ab, [X.] weil die Gonarthrose bereits vor dem Stichtag ([X.]) vorgelegen habe (Bescheid vom 11.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.8.2011). Das [X.] hat beide Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 30.1.2004 an einer [X.] 2112 am linken Kniegelenk leide (Urteil vom 27.8.2013).

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 4.11.2015). Am rechten Kniegelenk sei eine Gonarthrose bereits vor dem 1.10.2002 sowohl in röntgenologischer als auch in klinischer Hinsicht gesichert. Dieser Erkrankungsbeginn wirke auch auf das linke Knie, obgleich Beschwerden und Funktionsstörungen dort erst nach dem [X.] belegt seien. Nach der Rechtsprechung des B[X.] handele es sich um eine einheitliche [X.], wenn gleichartige Gesundheitsschäden an verschiedenen Organen auf dieselbe gefährdende Tätigkeit zurückzuführen seien. Führe eine einheitliche berufliche Belastung (Exposition), die sich gleichermaßen auf mehrere [X.] auswirke, zu einem Erkrankungsbeginn an einem Zielorgan vor dem Stichtag, sei die Annahme eines "Versicherungsfalls" nach dem Stichtag ausgeschlossen. Für diese Auffassung spreche auch, dass bei Feststellung einer [X.] 2112 aufgrund zunächst einseitig bestehender Symptomatik und späterem Hinzutreten einer klinischen und röntgenologischen Symptomatik am anderen Kniegelenk auch keine weitere [X.] anzuerkennen. Es wäre dann aufgrund einer wesentlichen Änderung nach § 48 [X.]B X lediglich eine weitere Folge des Versicherungsfalls anzuerkennen (und allenfalls eine ggf gewährte Verletztenrente zu erhöhen). Nur in Ausnahmefällen sei es zu rechtfertigen, das Vorliegen einer weiteren, gleichen [X.] festzustellen, etwa wenn nach dem Eintritt der Erkrankung an einem Zielorgan noch zusätzliche berufliche Einwirkungen im Sinne der entsprechenden [X.] erfolgten und dann im weiteren Verlauf an einem anderen Zielorgan eine entsprechende Erkrankung auftrete.

5

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 9 Abs 1 S 1, Abs 5 [X.]B VII iVm § 6 [X.]. Das Wesen paariger Gelenke sei es eben, nicht eins zu sein. Selbst wenn in der Regel davon auszugehen sei, dass bei beidseitigem Knien und vergleichbarer Kniebelastung eine Gonarthrose beidseitig auftrete, sei auch eine ungleiche Betroffenheit möglich und schließe nicht per se die Anerkennung der [X.] 2112 im Einzelfall aus. Daher sei die Manifestation des Beschwerdebildes am rechten Kniegelenk vor dem 1.10.2002 nicht als einheitliche Erkrankung beider Kniegelenke vor dem Stichtag aufzufassen, sodass der unstreitig nicht anerkennungsfähige Schaden rechts nicht zum Ausschluss bzw "Verbrauch" des erst nach dem Stichtag eingetretenen Schadens links führe.

6

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 4. November 2015 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. August 2013 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist nicht begründet. Zu Recht hat das [X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und entschieden, dass keine [X.] 2112 des linken Kniegelenks ab dem 30.1.2004 festzustellen ist. Der Versicherungsfall der [X.] ist beim Kläger am rechten Knie bereits vor dem 1.10.2002 eingetreten, sodass eine Anerkennung der [X.] am linken Knie nach der Übergangsvorschrift des § 6 [X.]V nicht mehr möglich ist.

9

Maßgeblich ist hier die [X.] des § 6 Abs 3 S 1 [X.]V idF der [X.] zur Änderung der [X.] (4. [X.]VÄndVO) vom [X.] ([X.]), die während des Revisionsverfahrens am 1.8.2017 (Art 2 aaO) in [X.] trat und § 6 Abs 2 S 1 [X.]V idF der 3. [X.]VÄndVO vom 22.12.2014 ([X.]) ersetzte, der noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz gegolten hatte. Treten - wie hier - Rechtsänderungen nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ein, so sind sie in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen, wenn das neue Gesetz nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfassen will (stRspr, vgl Senatsurteil vom 27.10.1976 - 2 [X.] - B[X.]E 43, 1,5 = [X.] 1500 § 131 [X.] sowie B[X.] vom 18.2.2016 - B 3 P 2/14 R - [X.] 4-3300 § 42 [X.] mwN). Das ist vorliegend der Fall. Denn mit Art 1 [X.] Buchst b der 4. [X.]VÄndVO verschob die Verordnungsgeberin den bisherigen § 6 Abs 2 S 1 [X.]V ohne geltungserhaltende Übergangsregelung wortidentisch in den § 6 Abs 3 S 1 [X.]V, der seitdem alle streitigen Rechtsverhältnisse, soweit sie [X.]en nach [X.] betreffen, regelt.

§ 6 Abs 3 S 1 [X.]V idF der 4. [X.]VÄndVO lautet: "[X.] Versicherte am 1. Juli 2009 an einer Krankheit nach Nummer 2112, 4114 oder 4115 der [X.]age 1, ist diese auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 30. September 2002 eingetreten ist." Bei dem Kläger lag der Versicherungsfall der [X.] 2112 bereits im September 2002 - und damit vor dem Stichtag des § 6 Abs 3 S 1 [X.]V - vor, weil zu diesem Zeitpunkt eine [X.] am rechten Knie bereits voll ausgeprägt war (vgl hierzu unter 1.). Damit kommt im vorliegenden Fall eine Anerkennung eines (weiteren) Versicherungsfalls der [X.] zum 30.1.2004 bezogen nur auf das linke Knie nicht mehr in Betracht (hierzu unter 2.).

1. Bei dem Kläger lag bereits im September 2002 der Versicherungsfall der [X.] am rechten Knie vor.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer [X.] ist § 9 Abs 1 [X.]B VII iVm [X.] 2112. Nach § 9 Abs 1 S 1 [X.]B VII sind [X.]en nur diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet hat (sog Listen-[X.]) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-[X.] (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des [X.] - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden [X.] genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (B[X.] vom 17.12.2015 - [X.] U 11/14 R - B[X.]E 120, 230 = [X.] 4-2700 § 9 [X.], Rd[X.]0 und vom 23.4.2015 - [X.] U 6/13 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.]0 und - [X.] U 10/14 R - B[X.]E 118, 255 = [X.] 4-5671 [X.] [X.] 2108 [X.] 6 Rd[X.]1 sowie - B 2 U 20/14 R - B[X.]E 118, 267 = [X.] 4-5671 [X.] [X.] 2108 [X.] 8, Rd[X.]0 jeweils mwN). Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den [X.] spricht (B[X.] vom 15.5.2012 - [X.] U 31/11 R - NZS 2012, 909, Juris Rd[X.] 34 mwN) und ernste Zweifel ausscheiden (B[X.] vom 18.1.2011 - [X.] U 5/10 R - [X.] 4-2700 § 200 [X.] 3 Rd[X.] 20). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-[X.], wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).

Der Versicherungsfall einer Listen-[X.] setzt somit voraus, dass die Bundesregierung als Verordnungsgeberin die Krankheit als [X.] in der [X.] der [X.]V bezeichnet hat und sämtliche Merkmale dieses Tatbestandes erfüllt sind (vgl B[X.] vom 17.5.2011 - [X.] U 19/10 R - [X.] 4-5671 § 6 [X.] 5 Rd[X.]1 und vom 12.1.2010 - [X.] U 5/08 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.]7 Rd[X.]2). Die Bundesregierung hat die [X.] 2112 mit Art 1 [X.] 3 Buchst c der [X.] zur Änderung der [X.] (2. [X.]VÄndVO) vom 11.6.2009 ([X.] 1273) mit Wirkung zum [X.] (Art 2 aaO) in die [X.] der [X.]V eingefügt. Die [X.] 2112 hat folgenden Wortlaut: "[X.] durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13 000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht".

Eine [X.] iS der [X.] 2112 iVm § 6 Abs 3 S 1 [X.]V lag nach dem Gesamtzusammenhang der den Senat gemäß § 163 [X.]G bindenden, weil nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen des [X.] bereits im September 2002 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag [X.] vor.

Dem steht nicht entgegen, dass § 6 Abs 3 S 1 [X.]V von einem "Versicherungsfall nach dem [X.]" spricht. Denn die Verordnungsgeberin verwendet den Begriff des Versicherungsfalls nicht iSd gesetzlichen Bedeutung des § 7 Abs 1 [X.]B VII, sondern untechnisch und gleichbedeutend mit "Erkrankung" (B[X.] vom 17.5.2011- [X.] U 19/10 R - [X.] 4-5671 § 6 [X.] 5 Rd[X.]5). Der Versicherungsfall einer [X.] kann erst dann eintreten, wenn die [X.] durch Aufnahme in die [X.] zur [X.]V überhaupt rechtlich existent geworden ist. Die [X.] 2112 ist aber erst mit Wirkung zum [X.] (Art 2 der 2. [X.]VÄndVO) in die [X.] zur [X.]V aufgenommen worden und damit in [X.] getreten, sodass ein davor eingetretener Versicherungsfall ausscheidet. Folglich kann bei wirkungserhaltender Auslegung (vgl dazu zB [X.], Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl 1991, [X.]; [X.], Juristische Methodenlehre, 5. Aufl 2016, [X.]; [X.], Juristische Methodenlehre, 2017, § 5 Rd[X.] 53; [X.], Juristische Methodenlehre, 2016, Rd[X.] 327) des § 6 Abs 3 S 1 [X.]V mit dem dort verwendeten Begriff des Versicherungsfalls nur der "[X.]" gemeint sein (B[X.] vom 17.5.2011 - [X.] U 19/10 R - [X.] 4-5671 § 6 [X.] 5 Rd[X.]5).

Der [X.] der "[X.]" tritt ein, sobald ein Kniegelenk die diagnostischen Krite-rien dieser Krankheit erfüllt, weil es sich bei den Verschleißerscheinungen an den Kniegelenken um einen einheitlichen [X.] handelt. Der Versicherungsfall der [X.] setzt mithin nicht voraus, dass an beiden Knien eine Erkrankung vorliegt. Dafür spricht bereits, dass der Tatbestand der [X.] 2112 knieübergreifend von einer "[X.]" spricht, ohne dabei zwischen den beiden Kniegelenken zu differenzieren, und gleichzeitig für die Verschleißerkrankung beider Kniegelenke dieselbe Krankheitsbezeichnung verwendet. Zudem entspricht es der Systematik der [X.], mehrere Gesundheitsstörungen - selbst wenn es sich um medizinisch voneinander unabhängige Gesundheitsschäden handelt - als eine einheitliche [X.] und damit auch als einheitlichen [X.] zu behandeln, wenn sie auf derselben Ursache bzw wesentlichen Bedingung beruhen, dh auf ein und dieselbe gefährdende Tätigkeit zurückzuführen sind (B[X.] vom 18.12.1990 - 8 [X.] - [X.] 3-2200 § 592 [X.] und vom 24.8.1978 - 5 [X.] - [X.] 5677 [X.] [X.]2 [X.]).

Der [X.] der [X.] 2112 - die "[X.]" - lag betreffend das rechte Knie im September 2002 vor, was letztlich auch vom Kläger selbst nicht in Frage gestellt wird. Hierfür müssen die Kriterien vorliegen, die nach den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Diagnose sichern. Das Recht knüpft damit an den medizinischen Diagnosebegriff und die dazu entwickelten Kriterien an (s B[X.] vom 27.6.2017 - [X.] U 17/15 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 3102 [X.] sowie vom 23.4.2015 - [X.] U 6/13 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.] 22, vom 27.6.2006 - [X.] U 20/04 R - B[X.]E 96, 291 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 7, Rd[X.] 20 und vom 18.8.2004 - [X.] KN 1/03 U R - B[X.]E 93, 149 = [X.] 4-5670 [X.] [X.] 2402 [X.], Rd[X.]5 zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen). Dabei sind zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands und als Interpretationshilfe die Merkblätter heranzuziehen (B[X.] vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - B[X.]E 118, 267 = [X.] 4-5671 [X.] [X.] 2108 [X.] 8 Rd[X.]5, vom 12.4.2005 - [X.] U 6/04 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] 5 Rd[X.] 8 vom [X.] - [X.] U 16/00 R - [X.] 3-2200 § 551 [X.]6 S 85; B[X.] vom 18.8.2004 - [X.] KN 1/03 U R - B[X.]E 93, 149 = [X.] 4-5670 [X.] [X.] 2402 [X.], Rd[X.]7 mwN), auch wenn sie weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der [X.] noch antizipierte Sachverständigengutachten oder eine Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft sind (B[X.] vom 27.6.2017 - [X.] U 17/15 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 3102 [X.] sowie vom 11.8.1998 - [X.] U 261/97 B - [X.] 1999, 1373).

Nach dem Merkblatt zur [X.] 2112 (Bekanntmachung des [X.] vom 30.12.2009, [X.] 2010, 98) hat die Diagnose einer [X.] folgende Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:

-       

chronische [X.],

-       

Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk und

-       

die röntgenologische Diagnose einer [X.] entsprechend Grad 2 - 4 der Klassifikation von [X.] ua.

Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] wurden diese Diagnosekriterien am Stichtag ([X.]) erfüllt, auch wenn das [X.] seine "Subsumtion" nicht in allen Nuancen im Urteil wiedergegeben hat.

2. Dass beim Kläger später - zum 30.1.2004 - auch am linken Knie ein voll ausgeprägtes Krankheitsbild der [X.] auftrat, vermag nichts daran zu ändern, dass der Versicherungsfall der [X.] iS des § 6 Abs 3 S 1 [X.]V bezogen auf das rechte Knie bereits vor dem Stichtag vorlag, weshalb eine Anerkennung einer [X.] 2112 nur des linken Knies zu diesem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich ist. Zum Zustand des linken Knies am Stichtag hat das [X.] bindend festgestellt, dass "zeitnah zum röntgenologischen Nachweis einer entsprechenden Arthrose im September 2002 keine funktionellen Beeinträchtigungen in Form von chronischen [X.] oder Funktionsstörungen aktenkundig" sind und der Vollbeweis einer [X.] links am [X.] somit nicht erbracht ist.

Dies ändert freilich nichts daran, dass bezogen auf das rechte Knie der [X.] der [X.] vor dem Stichtag bindend festgestellt ist (s soeben unter 1.) und damit die "Erkrankung [X.]" iS der [X.] 2112 insgesamt bereits vor dem Stichtag vorlag. Wie ausgeführt, setzt die [X.] 2112 nicht zwingend voraus, dass beide Knie gleichzeitig erkranken. Die Frage, ob bei einer sukzessiven Erkrankung beider Knie versicherungsrechtlich ein einheitlicher [X.] vorliegt, kann nur mit Blick auf die gefährdende Tätigkeit (die schädigenden Einwirkungen) beantwortet werden (B[X.] vom 18.12.1990 - 8 [X.] - [X.] 3-2200 § 592 [X.] und vom 24.8.1978 - 5 [X.] - [X.] 5677 [X.] [X.]2 [X.]). Es kommt mithin darauf an, ob die [X.] des einen Knies auf denselben oder aber auf anderen, davon unabhängigen Belastungen als die [X.] des anderen Knies beruht. Auch wenn faktisch und in aller Regel nur die gesamte Kniebelastung während des Arbeitslebens zu "einer kumulativen Einwirkungsdauer … von mindestens 13 000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht" führen wird, ist - jedenfalls theoretisch - nicht völlig auszuschließen, dass sich in besonders gelagerten Einzelfällen feststellen lässt, dass die Schäden an den einzelnen Knien auf voneinander unabhängige Einwirkungen zurückzuführen sind, sodass sie ausnahmsweise als selbständige Erkrankungsfälle anzusehen wären. So erwähnt auch das Merkblatt zur [X.] 2112 in der Bekanntmachung des [X.] vom 30.12.2009, [X.] 2010, 98, zB überwiegend einseitige Kniebelastungen (ebenso zutreffend [X.] München vom [X.] U 572/12). Im vorliegenden Fall trifft das jedoch nicht zu. Die vom Kläger ausgeübten gefährdenden Tätigkeiten bilden eine Einheit und können nur insgesamt sowohl für die [X.] rechts als auch links ursächlich sein, weil die kumulative Einwirkungsdauer von mindestens 13 000 Stunden nach den unangefochtenen und damit bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) lediglich um 1840 Stunden überschritten ist und der Kläger nach dem Jahre 2002 seine Tätigkeit offenbar vollständig aufgegeben hat. Eine erneute nur das linke Knie schädigende Exposition nach der [X.] am rechten Knie scheidet daher aus. Eine damit nur in Frage kommende Belastungsdosis von 1840 Stunden genügt indes nicht, um überhaupt denkbar einen eigenständigen [X.] nach dem 1.10.2002 isoliert herbeizuführen. Wären die [X.]n an beiden Knien hier sukzessive, aber beide nach dem Stichtag eingetreten, so wäre für das linke Knie nur eine Erhöhung der MdE gemäß § 48 Abs 1 [X.]B X als Folge der bereits anerkannten [X.] rechts in Betracht gekommen und gerade keine Anerkennung einer zweiten, neuen [X.] 2112, weil es insofern an der hinreichenden Kniebelastung (Exposition) gefehlt hätte.

Der Senat hat im Übrigen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Übergangsvorschrift des § 6 Abs 3 S 1 [X.]V. Bei der Einführung neuer [X.]en darf der Verordnungsgeber die Anerkennung von Erkrankungen, die vor einem Stichtag liegen, grundsätzlich ausschließen (B[X.] vom [X.] - [X.] U 43/98 - [X.] 3-2200 § 551 [X.]4). Das [X.] hat (Beschluss vom [X.] - 1 BvR 791/95 - [X.] 3-2200 § 551 [X.]5) die Vereinbarkeit solcher Stichtagsregelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG grundsätzlich bestätigt (vgl [X.] vom [X.] - 1 BvR 791/95 - [X.] 3-2200 § 551 [X.]5; vgl auch [X.] vom 23.6.2005 - 1 BvR 235/00 - [X.] 4-1100 Art 3 [X.] 32 sowie Senatsurteil vom 27.6.2006 - [X.] U 5/05 R - B[X.]E 96, 297 = [X.] 4-5671 § 6 [X.] 2). Anhaltspunkte dafür, dass der hier gewählte Stichtag nicht sachgemäß sein könnte, sind nicht ersichtlich; der Kläger hat hierzu auch nichts vorgetragen. Vielmehr erscheint dieser Stichtag schon wegen der schwierigen Feststellung medizinischer Sachverhalte "im Nachhinein" sachgerecht. Dies zeigt auch die vorliegende Fallgestaltung, denn das rechte Knie des [X.] wurde bereits 2003 vollständig prothetisch versorgt und weitere medizinische Unterlagen waren nicht mehr vorhanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 2 U 5/16 R

20.03.2018

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Leipzig, 27. August 2013, Az: S 23 U 134/11, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 SGB 7, § 9 Abs 5 SGB 7, § 6 Abs 3 S 1 BKV vom 10.07.2017, § 6 Abs 2 S 1 BKV vom 22.12.2014, Anl 1 Nr 2112 BKV, Art 1 Nr 1 Buchst b BKVÄndV 4, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 2 U 5/16 R (REWIS RS 2018, 12042)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12042

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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