Bundessozialgericht, Urteil vom 27.09.2023, Az. B 2 U 8/21 R

2. Senat | REWIS RS 2023, 9893

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 29. September 2020 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2016 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:

Der Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2015 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das [X.] des [X.] als Berufskrankheit nach [X.] 1301 der Anlage 1 zur [X.] festzustellen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des [X.] in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Berufskrankheit ([X.]) nach [X.] 1301 der Anlage 1 zur [X.] ([X.]V - im Folgenden [X.] 1301).

2

Der 1956 geborene Kläger war von September 1998 bis Juni 2013 ua als Schweißer in der Herstellung von Großkücheneinrichtungen beschäftigt. Zur Rissprüfung von Schweißnähten verwendete er azofarbstoffhaltige Sprays, die den Wirkstoff [X.] enthielten. Er rauchte ab dem 22. Lebensjahr und gab dies 1999/2000 auf.

3

Im September 2014 wurde bei ihm ein Urothelkarzinom (Harnblasenkrebs) diagnostiziert. Die Beklagte lehnte die Feststellung der [X.] 1301 ab (Bescheid vom 27.5.2015; Widerspruchsbescheid vom 8.10.2015). Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, beim Kläger das Vorliegen der [X.] 1301 anzuerkennen (Urteil vom 14.12.2016). Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das L[X.] die Klage abgewiesen. Der Sachverständige sei für den Senat überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass eine ausreichende Exposition gegenüber [X.] dann anzunehmen sei, wenn eine Exposition in Höhe des ehemaligen Wertes der [X.] ([X.]) von 500 µg [X.]/m³ vorliege. Die inhalative und dermale Exposition des [X.] sei danach nicht hinreichend wahrscheinlich Ursache der Erkrankung. Eine schicksalhafte Verursachung sei nicht ausgeschlossen. Der Kläger sei zum Erkrankungszeitpunkt bereits in einem Alter gewesen, das ein erhöhtes Harnblasenkrebsrisiko aufweise. Das Rauchen sei demgegenüber nicht hinreichend wahrscheinlich Ursache der Erkrankung. Der Kläger habe auch nicht unter chronischen Harnwegsinfekten oder Steinleiden gelitten und keine Bestrahlungstherapie im kleinen Becken erhalten. Dennoch sprächen ebenso gute Gründe für eine andere Verursachung wie für die berufliche Einwirkung (Urteil vom 29.9.2020).

4

Mit der Revision macht der Kläger ua eine Verletzung materiellen Rechts geltend. Das L[X.] habe entgegen dem Verordnungswortlaut der [X.] 1301 einen Grenzwert von 500 µg/m³ zur Voraussetzung für die Annahme einer ausreichenden beruflichen Exposition gemacht.

5

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. September 2020 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2016 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

[X.]ie zulässige Revision des [X.] ist begründet (§ 170 Abs 2 [X.]atz 1 [X.]G). [X.]as [X.] hat der Berufung der [X.]lagten gegen das zusprechende Urteil des [X.] zu Unrecht stattgegeben. [X.]er Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung eines [X.] als [X.] 1301. [X.]er [X.] hat lediglich den Tenor des erstinstanzlichen Urteils zur konkreten Erkrankung der [X.] 1301 klarstellend neu gefasst.

9

Im Revisionsverfahren ist über die zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 [X.]atz 1 [X.] 1 und [X.] 3 [X.]G zu entscheiden. [X.]ie Anfechtungsklage zielt auf die gerichtliche Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der [X.]lagten mit Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.10.2015 (§ 95 [X.]G) und die Verpflichtungsklage auf die Verurteilung der [X.]lagten, das [X.] als [X.] 1301 festzustellen (vgl zur Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage B[X.] Urteil vom 15.9.2011 - [X.] U 22/10 R - juris Rd[X.] 10).

[X.]ie Klage ist begründet. [X.]er Kläger ist infolge seiner Tätigkeit als [X.]chweißer an einem [X.] im [X.]inne der [X.] 1301 erkrankt.

Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 9 Abs 1 [X.]B VII iVm der [X.] 1301. [X.]ie [X.] lautet: [X.], [X.] oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische [X.]e. Nach § 9 Abs 1 [X.]atz 1 [X.]B VII sind [X.]en nur diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des [X.] als solche bezeichnet hat (sog Listen-[X.]en) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 [X.]B VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-[X.] (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, [X.]chadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). [X.]abei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im [X.]inne des [X.], also mit an [X.]icherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden [X.] genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit. [X.]er Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den [X.] spricht und ernste Zweifel ausscheiden (stRspr; vgl zuletzt B[X.] Urteil vom 30.3.2023 - [X.] U 2/21 R - B[X.]E (vorgesehen) = [X.] 4-5671 [X.] [X.] 3102 [X.], Rd[X.] 12).

[X.]iese Voraussetzungen für die Anerkennung des [X.] als [X.] 1301 sind bei dem Kläger nach den für den [X.] bindenden (§ 163 [X.]G) tatsächlichen Feststellungen des [X.] erfüllt. Hiernach war er bei seinen Verrichtungen im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als beschäftigter [X.]chweißer aromatischen [X.]en ausgesetzt (hierzu 1.). Er leidet an einer Erkrankung im [X.]inne der [X.] 1301 (hierzu 2.). [X.]iese Einwirkungen haben die Krankheit auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich verursacht (hierzu 3.).

1. [X.]as [X.] hat für den [X.] bindend festgestellt, dass der Kläger von 1998 bis Ende Juni 2013 während seiner versicherten Beschäftigung als [X.]chweißer (§ 2 Abs 1 [X.] 1 [X.]B VII iVm § 7 Abs 1 [X.]B IV) bei der [X.] (im sog Rot-[X.]-Verfahren) aufgrund der Verwendung azofarbstoffhaltiger Rissprüfmittel [X.] inhalativ und dermal ausgesetzt war. [X.] ist ein genotoxisches, kanzerogenes aromatisches [X.], das von der [X.] 1301 umfasst ist (vgl Merkblatt zur [X.] 1301, [X.] des [X.] vom 12.6.1963, [X.] Fachteil Arbeitsschutz 1963, 129 und die Wissenschaftliche [X.]tellungnahme zur [X.] 1301, [X.] 2011, 18; [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und [X.], 9. Aufl 2017, [X.]; [X.]/[X.], Aromatische [X.]e [[X.] 1301] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] und Arbeit, 2021, 184, 193).

2. [X.]ie vom [X.] für den [X.] bindend festgestellte Erkrankung an einem [X.] ist ebenfalls von der [X.] 1301 umfasst (vgl auch [X.]/[X.], Aromatische [X.]e [[X.] 1301] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] und Arbeit, 2021, 184, 197 f; [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und [X.], 9. Aufl 2017, [X.] 1184).

3. [X.]ie berufsbedingten Einwirkungen waren für die Erkrankung des [X.] kausal. [X.]er [X.] ergibt sich hier aus der tatsächlich festgestellten Einwirkungskausalität (hierzu 1.) und dem vom [X.] festgestellten Ausschluss jeglicher [X.]ernativursache, ohne dass es vorliegend auf die Einhaltung einer bestimmten Mindestexpositionsdosis ankommt.

Für die Anerkennung einer [X.] ist neben der Einwirkungskausalität ein [X.] zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Bei der [X.] 1301 bedeutet dies vorliegend, dass das [X.] durch aromatische [X.]e verursacht worden sein muss. Insoweit gilt im [X.]-Recht - wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung - die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen [X.] beruht. [X.]teht hiernach die versicherte Tätigkeit als eine der Ursachen der Erkrankung fest, muss sich auf der zweiten [X.]tufe der Prüfung die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten [X.]tufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als die Realisierung einer in den [X.]chutzbereich des jeweils erfüllten [X.] fallenden Gefahr darstellen. [X.]ie Wesentlichkeit der Ursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des [X.]chutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung rechtlich zu beurteilen (vgl hierzu mwN B[X.] Urteil vom 16.3.2021 - [X.] U 11/19 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] Rd[X.]6).

Bei [X.]en ohne Einwirkungsdosis kann ein [X.] aber regelmäßig nicht wegen des Unterschreitens einer normativen Mindestexpositionsdosis verneint werden, wenn eine solche nicht tatsächlich nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand bestimmt werden kann (hierzu a). Vielmehr ist mit dem Vorhandensein der in der [X.] genannten [X.] vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen auszugehen, wenn andere in Betracht kommende Ursachen für die Erkrankung des Versicherten positiv ausgeschlossen sind (hierzu b). [X.]er Annahme eines [X.]s im [X.]inne der naturwissenschaftlich-philosophischen [X.] steht dann allerdings entgegen, wenn im Rahmen der Prüfung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen feststeht, dass die Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist (hierzu c). Andernfalls ist die [X.] anzuerkennen, wenn die Einwirkung auch rechtlich wesentlich war (hierzu d).

a) [X.]er [X.] scheitert bei der [X.] 1301 nicht an den arbeitstechnischen Voraussetzungen wegen Unterschreitens einer Mindestexpositionsdosis.

[X.]er [X.] im [X.]inne der naturwissenschaftlich-philosophischen [X.] kann bei [X.]en ohne tatbestandliche [X.] regelmäßig nicht wegen des Unterschreitens einer normativen Mindestexpositionsdosis verneint werden (hierzu [X.]). Anders als bei [X.]en mit tatbestandlichen [X.] ist bei [X.]en ohne solche [X.] ein Rückschluss vom Unterschreiten der Einwirkungsdosis auf das Fehlen des [X.]s nicht möglich, wenn eine solche nicht tatsächlich durch den wissenschaftlichen Erkenntnisstand bestimmt werden kann (hierzu [X.]). [X.]er [X.] scheitert danach bei der [X.] 1301 nicht an einer zu geringen Einwirkung (hierzu cc).

[X.]) [X.]er Verordnungsgeber hat im Rahmen der Anlage 1 zur [X.]V [X.]en mit verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen normiert (hierzu bereits B[X.] Urteil vom 12.4.2005 - [X.] U 6/04 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] Rd[X.] 14). Insgesamt finden sich nicht oder bezeichnete Krankheiten ebenso wie keine oder konkretisierende Einwirkungen und auch Kombinationen hieraus: Krankheiten ohne Bezeichnung mit konkretisierten Einwirkungen ("durch"; nur beispielhaft alle unter [X.] und 12 gelisteten [X.]en sowie [X.] 1301-1319), bezeichnete Krankheiten ohne konkretisierte Einwirkungen (nur beispielhaft [X.]101, 2104, 2107), bezeichnete Krankheiten mit konkretisierten Einwirkungen (nur beispielhaft 2102, 2105) und bezeichnete Krankheiten mit näher definierten besonderen Einwirkungen (nur beispielhaft 1320, 1321, 2112). Bei [X.]en mit näher definierten besonderen Einwirkungen ("harten Kriterien") besteht einerseits bereits bei Nachweis dieser in der Norm selbst genannten Einwirkungsgröße eine Tatsachenvermutung für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Einwirkung (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 15/05 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 4104 [X.] Rd[X.]4). Andererseits ist aber eine Anerkennung der jeweiligen [X.] ausgeschlossen, wenn die normierte Einwirkungsdosis nicht erreicht wird (B[X.] Urteil vom 29.11.2011 - [X.] U 26/10 R - juris Rd[X.]8). Hingegen sind bei [X.]en ohne konkretisierte Einwirkungen normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung nicht bestimmt (B[X.] Urteil vom 30.3.2017 - [X.] U 6/15 R - B[X.]E 123, 24 = [X.] 4-5671 [X.] [X.]03 [X.] 1 Rd[X.] 12). Bei solchen [X.]en ist aufgrund der [X.] weder eine vergleichbare Tatsachenvermutung noch ein entsprechender Ausschluss des [X.]s möglich.

[X.]) Bei [X.]en ohne vorgegebene [X.] können bei Nachweis der berufsbedingten Einwirkung dieser [X.]toffe die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht allein wegen unzureichender Einwirkungen verneint werden, wenn eine Mindestexpositionsdosis auch nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht bestimmt werden kann.

Bei einer [X.] ohne ausreichend konkretisierte Einwirkungsdosis sind nach der [X.]srechtsprechung die in der [X.]efinition der [X.] beschriebenen Einwirkungen durch Verwaltung und Gerichte unter Zuhilfenahme des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands zu konkretisieren und festzustellen, bei welcher [X.]osis sie nicht mehr geeignet sind, die betreffende Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu verursachen. Bei der so vorzunehmenden Bestimmung der Mindestbelastungsdosis muss deren Wert so niedrig bemessen werden, dass im Falle seiner Unterschreitung auch in besonders gelagerten Fällen ein rechtlich relevanter Kausalzusammenhang ohne weitere medizinische Prüfung ausgeschlossen ist (so bereits B[X.] Urteil vom 27.6.2006 - [X.] U 20/04 R - B[X.]E 96, 291 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 7, Rd[X.] 19). Für [X.]en, bei denen eine [X.] nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht näher bestimmt werden kann, folgt daraus, dass bei Nachweis berufsbedingter Einwirkungen die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht allein deswegen verneint werden können, weil die Einwirkungsdosis in ihrer Qualität und Quantität nicht ausgereicht haben kann, die Erkrankung zu verursachen. [X.]ies gilt grundsätzlich jedenfalls bei sog stochastischen [X.]en, denen keine klaren Erkenntnisse über [X.]en zugrunde liegen und deren medizinisches Krankheitsbild typischerweise weit verbreitet ist ([X.] [X.]) und hinsichtlich der beruflichen Verursachung nicht mittels typischer Marker abgegrenzt werden kann (vgl [X.], NZ[X.] 2008, 354, 360 und [X.]b 2016, 310, 312, 318).

cc) Bei der [X.] 1301 ist mangels tatbestandlich vorgegebener [X.] einerseits und wegen unbestimmbarer Mindestexpositionsdosis andererseits ein Rückschluss von der Einwirkungsdosis auf die Verneinung des [X.]s nicht möglich. Bei der [X.] 1301 handelt es sich um eine stochastische [X.]. [X.], [X.] oder andere Neubildungen, bedingt durch aromatische [X.]e, sind weder klinisch, histologisch noch nach ihrem Verlauf von solchen Erkrankungen anderer Ursachen abzugrenzen (vgl Merkblatt zur [X.] 1301, [X.] des [X.] vom 12.6.1993, [X.] Fachteil Arbeitsschutz 1963, 129; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl [X.]tand November 2017, § [X.] 1301, [X.]; [X.] in Arbeit und Gesundheit, 1937, Heft 29, 321, 327). Konkrete oder zumindest vergleichbare arbeitsplatzbezogene Messwerte sind für den Kläger nicht festgestellt (hierzu [X.]a). [X.]ie [X.] 1301 benennt weder im Tatbestand [X.] noch ist eine [X.] durch den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ableitbar (hierzu [X.]b). Ein Rückgriff auf frühere Grenzwerte oder [X.]tudienergebnisse zur Bestimmung einer Mindestdosis ist nicht zulässig (hierzu [X.]), sodass der Anerkennung der [X.] keine zu geringe Einwirkungsdosis entgegengehalten werden kann (hierzu ddd).

[X.]a) Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen hat das [X.] für den [X.] bindend festgestellt, dass für den Kläger keine Messwerte für seine Tätigkeitsstelle vorliegen und dass seitens des [X.] der [X.]lagten keine kumulative Exposition berechnet wurde. Auch existieren keine allgemeingültigen Messwerte, die Rückschlüsse auf die Intensität der Exposition von [X.] geben. [X.]amit hat das [X.] keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die Rückschlüsse auf eine konkrete [X.] und zur Bestimmung der arbeitstechnischen Voraussetzungen zulassen.

[X.]b) Bei der [X.] 1301 handelt es sich um eine [X.], die im Tatbestand keine [X.] benennt und bei der [X.]en auch nicht durch den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand belegt sind (so auch die Feststellungen des [X.] und des [X.]achverständigen [X.]; auch [X.]itchen/Nolde/Rehme/[X.]/[X.]/Teich, [X.]G[X.] Forum 1-2/2021, 25, 27; [X.]/[X.], [X.] 2010, 222 und 231 f). Konkrete und verbindliche Aussagen über aufgenommene Mengen an aromatischen [X.]en nach dermaler oder inhalativer Exposition gegenüber Azofarbstoffen oder Bildung im Körper durch reduktive [X.]paltung sind nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht möglich ([X.]G[X.], [X.]-Report 1/2019 - Aromatische [X.]e - Eine Arbeitshilfe in [X.]en-Feststellungsverfahren, [X.]tand November 2019, [X.]). Auch das Merkblatt zur [X.] 1301 aus dem Jahr 1963 ([X.] 1963, [X.]) und idF der wissenschaftlichen [X.]tellungnahme zur [X.] 1301 des Ärztlichen [X.]achverständigenbeirats [X.]en ([X.]) aus dem [X.] (Wissenschaftliche [X.]tellungnahme zu der [X.] 1301 der [X.] zur [X.]V "[X.], [X.] oder andere Neubildungen der Harnblase durch aromatische [X.]e", [X.] 2011, 18) enthält keine Angaben zu einer erforderlichen Expositionshöhe (zur Bedeutung von Merkblättern bei der Auslegung von [X.]en vgl B[X.] Urteil vom 16.3.2021 - [X.] U 11/19 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] Rd[X.] 31 mwN).

Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die eine [X.] zulassen, sind nicht ersichtlich (vgl auch [X.]G[X.], [X.]-Report 1/2019 - Aromatische [X.]e - Eine Arbeitshilfe in [X.]en-Feststellungsverfahren, [X.]tand November 2019, [X.] ff). Insbesondere ergibt sich nichts anderes aus der "[X.] 1301-Matrix" (vgl [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Hallier/Pallapies/Prager/[X.]chilling/ [X.]/Uter/[X.]/[X.], [X.] 2022, 177 ff = [X.] 2022, 79 ff). [X.]iese ist als Algorithmus und Entscheidungshilfe für eine Zusammenhangsbegutachtung konzipiert. Als Matrix zur Beurteilung und Bewertung des [X.]s ([X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Hallier/Pallapies/Prager/[X.]chilling/[X.]/Uter/[X.]/[X.], [X.] 2022, 177) befasst sie sich zwar mit der arbeitsmedizinischen Beurteilung, legt aber keine arbeitstechnisch relevanten Expositionen fest (vgl [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2022, 592). [X.]eren Feststellung ist vielmehr Voraussetzung der dann folgenden Ursachenbeurteilung anhand der Matrix (vgl [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Hallier/Pallapies/Prager/[X.]chilling/[X.]/Uter/[X.]/[X.], [X.] 2022, 177, 178).

[X.]) Ein Mindestexpositionswert oder auch nur eine Grenzwertorientierung ergibt sich auch nicht aus dem vom [X.] gezogenen Vergleich der anteiligen Verwendung der Rissprüfungsspraydosen unter Berücksichtigung eines unter 2-prozentigen Anteils des Azofarbstoffs auf Basis des kanzerogenen aromatischen [X.]s [X.] einerseits und dem früheren [X.] für [X.] iHv von 500 µg/m³ bzw den in der vom [X.]achverständigen [X.] zitierten [X.]tudie von [X.] et al 1996 beschriebenen [X.]-Werten iHv 412+366 µg/m³ bzw 516+513 µg/m³ andererseits.

[X.]as Abstellen auf den [X.] als Mindestdosis ist grundsätzlich unzulässig. [X.]er [X.] hat bereits entschieden, dass auch bei der Einhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten von einer Gefährdung auszugehen sein kann, die einer arbeitsmedizinischen Beurteilung bedarf (vgl B[X.] Urteil vom 16.3.2021 - [X.] U 11/19 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] Rd[X.] 32; zu den Technischen Regeln für Gefahrstoffe - [X.] vgl B[X.] Urteil vom 30.3.2017 - [X.] U 6/15 R - B[X.]E 123, 24 = [X.] 4-5671 [X.] [X.]03 [X.] 1, Rd[X.]1; anders aber als Ausschlusskriterium für die Bestimmung von "extrem" im [X.]inne der [X.] 4115 B[X.] Urteil vom 16.3.2021 - [X.] U 7/19 R - B[X.]E 131, 297 = [X.] 4-5671 [X.] [X.] 4115 [X.] 1, Rd[X.] 34). Rückschlüsse vom [X.] auf eine geeignete Einwirkung sind demnach ebenso wenig möglich wie solche von den [X.]tudienergebnissen von [X.] et al 1996 ([X.]O). [X.]er [X.] hat mit seiner wissenschaftlichen [X.]tellungnahme zur [X.] 1301 aus dem [X.] ([X.] 2011, 18) ua unter Bezugnahme auf die genannte [X.]tudie zwar ausdrücklich klargestellt, dass [X.] - anders als im Merkblatt ursprünglich vermerkt - genotoxisch ist, dabei aber weder diese noch andere Werte als Grenzwerte bestimmt (anders [X.] bzgl [X.] 1320 - [X.] des [X.][X.] vom 1.7.2016, [X.] 2016, 650 ff oder [X.] 1321 - [X.] des [X.][X.] vom 1.7.2016, [X.] 2016, 659 ff).

ddd) In Ermangelung eines Mindestschwellenwertes kann bei der [X.] 1301 keine sichere [X.]osis benannt werden, deren Unterschreiten von vornherein eine Verursachung des im Verordnungstext geforderten Krankheitsbildes durch die versicherte Einwirkung ausschließt (zur [X.] 1317 vgl B[X.] Urteil vom 16.3.2021 - [X.] U 11/19 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] Rd[X.] mwN). [X.]as folgt daraus, dass aromatische [X.]e nicht direkt kanzerogen wirken, sondern erst die aus ihnen im körpereigenen [X.]toffwechsel entstehenden Metaboliten einen Tumor verursachen können ([X.]/[X.], Aromatische [X.]e [[X.] 1301] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] und Arbeit, 2021, 184, 192; vgl auch [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und [X.], 9. Aufl 2017, [X.] und 1184). Aus diesem Grund ergibt sich ein unterschiedliches Erkrankungsrisiko bei gleicher Exposition ([X.]/[X.], Aromatische [X.]e [[X.] 1301] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] und Arbeit, 2021, 184, 192). Zudem war die [X.]treubreite von Messergebnissen bei nachgestellten Arbeitsplätzen so groß, dass diese Werte allenfalls zur groben Orientierung und nicht als Grundlage für einen Grenzwert geeignet sind. Auch deswegen ist die [X.] 1301 keine [X.]osis-[X.] geworden ([X.]/[X.], Aromatische [X.]e [[X.] 1301] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] und Arbeit, 2021, 184, 193). [X.]er Verordnungsgeber hat danach eine Grenzwertbestimmung bewusst nicht getroffen. Vielmehr hat er mit dem [X.] der [X.] 1301 deutlich gemacht, dass er aromatische [X.]e angesichts ihres [X.] ohne jegliche Abgrenzung auch niedrigschwellig als gefährlich einstuft und dieser [X.] entsprechend seinem [X.]chutzzweck weit zu fassen ist (vgl insoweit auch [X.]/[X.], Aromatische [X.]e [[X.] 1301] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] und Arbeit, 2021, 184, 199, wonach die Evidenz hinsichtlich der krebsauslösenden Wirkung von aromatischen [X.]en im Allgemeinen als hoch anzusehen ist). Grund für die Einführung dieses [X.]-Tatbestandes war insoweit allein die Erkenntnis, dass für Erkrankungen der Harnwege aromatische [X.]e in Betracht kommen können (vgl die Begründung zur Einführung dieser [X.] als eigene [X.] 14 durch die [X.]ritte Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf [X.]en vom 16.12.1936 abgedruckt in Arbeit und Gesundheit, 1937, Heft 29, [X.] 13).

Auch wenn mit dem vom [X.] in Bezug genommenen [X.]achverständigengutachten von [X.] davon ausgegangen wird, dass die Allgemeinbevölkerung gegenüber aromatischen [X.]en ubiquitär exponiert ist, hindert das ubiquitäre Vorkommen nicht zusätzliche berufsbedingte Einwirkungen in einem für die Entstehung von [X.] geeigneten Ausmaß. Mangels näherer [X.]osis-Bestimmungen durch die [X.] selbst oder entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen ist vorliegend schon ausreichend, dass sich mit einer [X.] überhaupt eine Erhöhung des [X.] ergibt (vgl zur [X.] 3101 B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 30/07 R - B[X.]E 103, 45 = [X.] 4-5671 [X.] [X.] 3101 [X.] 4, Rd[X.] 33).

b) Mit den tatsächlich festgestellten versicherungsbedingten Einwirkungen durch [X.] ist vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen auszugehen, wenn konkurrierende Krankheitsursachen ausgeschlossen werden können (hierzu [X.]) und ausgeschlossen worden sind (hierzu [X.]).

[X.]) Ist eine Mindestexpositionsdosis weder normativ vorgegeben noch anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes bestimmbar, und sind andere nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Betracht kommende Ursachen für die Erkrankung des Versicherten positiv ausgeschlossen, ist mit dem Vorhandensein der in der [X.] genannten [X.], hier also von aromatischen [X.]en, vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen auszugehen (so schon zur [X.] 1317 andeutend B[X.] Urteil vom 16.3.2021 - [X.] U 11/19 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] Rd[X.] mwN).

[X.]er [X.] hat allerdings entschieden, dass beim Fehlen konkurrierender Ursachen nicht automatisch ein [X.] zwischen Einwirkung und Erkrankung anzunehmen ist (Urteil vom 7.9.2004 - [X.] U 34/03 R - juris Rd[X.]2). Insbesondere genügt nach der [X.]srechtsprechung bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen haben können, die fehlende Feststellbarkeit von konkurrierenden Ursachen nicht für die Annahme der haftungsbegründenden Kausalität (vgl B[X.] Urteile vom [X.] - [X.] U 1/05 R - B[X.]E 96, 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.]0, 39 und vom [X.] - [X.] U 9/08 R - B[X.]E 103, 59 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 14, Rd[X.]6). Indes hat der [X.] auch darauf hingewiesen, dass ein klar erkennbarer Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung zur Bejahung der Kausalität genügt, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative (innere oder äußere) Krankheitsursache bestehen. Wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer allein wesentlichen außerberuflichen wie [X.] einer inneren Verursachung zu verneinen ist, kommt danach durchaus der [X.]chluss in Betracht, dass eine vorhandene geeignete berufliche Einwirkung auch ein geeignetes Krankheitsbild verursacht hat (vgl B[X.] Urteil vom 17.12.2015 - [X.] U 11/14 R - B[X.]E 120, 230 = [X.] 4-2700 § 9 [X.]6, Rd[X.] 31 und 34; vgl auch [X.], [X.]b 2016, 379, 384). Unter Berücksichtigung der Besonderheiten von [X.]en wie der [X.] 1301, denen der Verordnungsgeber auch ohne konkrete [X.] ein hohes Gefährdungspotential beimisst, führt der [X.] diese Rechtsprechung dahingehend fort, dass eine wesentliche Verursachung durch die berufliche Exposition anzunehmen ist, wenn andere Ursachen für die Erkrankung des Versicherten positiv ausgeschlossen sind. Anderenfalls würde die vom Verordnungsgeber mit der Aufnahme einer Einwirkung in die [X.]V getroffene Wertentscheidung unterlaufen, dass die Beteiligten von deren generellen Eignung zur Verursachung bestimmter Erkrankungen und von deren Entschädigungswürdigkeit auszugehen haben (vgl [X.] in [X.]chulin, Handbuch des [X.]ozialversicherungsrechts, Band 2, [X.], 1996, § 36 Rd[X.] 6). [X.]erkrankungen liegen regelmäßig multifaktorielle Geschehensabläufe zugrunde, deren Ursachen teils im beruflichen, teils im außerberuflichen Bereich liegen, ohne dass insofern eine wissenschaftlich begründete exakte Bezifferung der jeweiligen Verursachungsbeiträge möglich ist (vgl B[X.] Urteil vom 30.3.2017 - [X.] U 6/15 R - B[X.]E 123, 24 = [X.] 4-5671 [X.] [X.]03 [X.] 1, Rd[X.]6).

Eine solche Auslegung von [X.]en ohne vorgegebene Mindestexpositionsdosis entspricht auch § 2 Abs 2 [X.]B I, wonach bei der Auslegung sozialrechtlicher Vorschriften sicherzustellen ist, dass die [X.] Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Andernfalls bliebe angesichts vielfältiger, in ihren Wirkungen und Wechselwirkungen nur teilweise bekannter und erforschter gesundheitsschädlicher Umwelteinflüsse, denen jeder in seinem persönlichen Umfeld in mehr oder weniger großem Umfang ausgesetzt ist, der vom Verordnungsgeber bewusst weitgefasste [X.]chutz der [X.] (hierzu bereits oben unter 3.a.cc.ddd) weitgehend bedeutungslos (vgl zur [X.] 1103 B[X.] Urteil vom 30.3.2017 - [X.] U 6/15 R - B[X.]E 123, 24 = [X.] 4-5671 [X.] [X.]03 [X.] 1, Rd[X.]6; so auch zur Tatsachenvermutung für die wesentliche Verursachung der in [X.] 4104 genannten [X.]erkrankung durch eine versicherte Asbestfasereinwirkung von mehr als 25 Jahren B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 15/05 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 4104 [X.] Rd[X.]7).

Eine [X.]iskrepanz zu [X.]en mit "harten Kriterien" (hierzu 3.a.[X.]) ergibt sich mit der Annahme der arbeitstechnischen Voraussetzungen der hier betroffenen [X.] bei Ausschluss von Konkurrenzursachen nicht. [X.]enn bei solchen [X.]en mit "harten Kriterien" existiert beim Nachweis der in der Norm selbst genannten Einwirkungsgröße bereits eine Tatsachenvermutung für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der [X.]erkrankung und der Einwirkung, ohne dass ein Abstellen auf andere konkurrierende Krankheiten für die Begründung der [X.] erforderlich ist (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 15/05 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 4104 [X.] Rd[X.]4 ff, 27). Auch widerspricht die Annahme der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht dem Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung, die als [X.]onderentschädigungssystem im Rahmen der [X.]ozialversicherung die Haftung des Unternehmers in den Fällen ablösen soll, in denen er wegen der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs für einen Gesundheitsschaden einstandspflichtig ist (BT-[X.]rucks 13/2333 [X.] 19 f; vgl hierzu [X.] auch [X.], [X.]b 2016, 379, 384). [X.]ie Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs bleibt Maßstab der Beurteilung. [X.]enn erst wenn alle nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand in Betracht kommenden Ursachen positiv ausgeschlossen sind, kann im Rahmen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen eine berufsbedingte Verursachung angenommen werden.

[X.]) [X.]en Gesamtfeststellungen des [X.] lässt sich für den [X.] bindend entnehmen, dass andere, nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand typische Krankheitsverursachungen (vgl hierzu auch [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und [X.], 9. Aufl 2017, [X.] 1185; [X.]/[X.], Aromatische [X.]e [[X.] 1301] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] und Arbeit, 2021, 184 , 185; [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Hallier/Pallapies/Prager/[X.]chilling/[X.]/Uter/[X.]/[X.], [X.] 2022, 177, 182 ff) nicht in Betracht kommen und vom [X.] unter Bezugnahme auf die Ausführungen des [X.]achverständigen als Ursache ausgeschlossen wurden. [X.]as betrifft namentlich die Einnahme bestimmter Medikamente, die zu einem erhöhten Harnblasenkarzinomerkrankungsrisiko führen, chronische Harnwegsinfekte oder [X.]teinleiden und eine Bestrahlungstherapie im kleinen Becken. Gleiches gilt für das Rauchen (hier 15 Packungsjahre). [X.]as [X.] hat insoweit in nicht zu beanstandender Weise das eingeholte [X.]achverständigengutachten ausgewertet und für den [X.] bindend festgestellt, dass der Kläger das Rauchen bereits im Jahr 2000 aufgegeben hat und es so nicht mehr hinreichend wahrscheinliche Ursache der Harnblasenerkrankung ist (zur Abnahme des [X.] mit Zunahme der Tabakrauchabstinenz [X.]/[X.], [X.] 2010, 222 und 232 f und [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Hallier/Pallapies/Prager/[X.]chilling/[X.]/Uter/[X.]/[X.], [X.] 2022, 177, 182).

[X.]oweit das [X.] zu der Überzeugung gelangt, es sprächen ebenso gute Gründe für eine andere wie für die berufliche Verursachung, kann dies eine überragende Bedeutung der unversicherten außerbetrieblichen Ursache nicht begründen. Vielmehr fußt die Annahme des [X.] auf einer fehlerhaften rechtlichen [X.]chlussfolgerung von der Möglichkeit auf die Wahrscheinlichkeit. [X.]enn das [X.] konnte weder das konkrete [X.]chicksal benennen noch dieses - im [X.]inne der Theorie der wesentlichen Bedingung - feststellen. Art, Intensität und [X.]auer der schicksalhaften Erkrankung konnten nicht als Tatsachen festgestellt werden. Etwaig "gute Gründe" für die Annahme einer unversicherten [X.]ernativursache können insoweit bei der Kausalitätsbeurteilung als bloße Behauptung die überwiegend wahrscheinliche Ursächlichkeit der tatsächlich erfolgten beruflichen Einwirkung nicht zulässig ausschließen.

Aus dem vom [X.] erwähnten altersbedingten [X.] lassen sich [X.]chlüsse zum Nachteil des [X.] nicht ziehen. [X.]as mittlere Erkrankungsalter für das Harnblasenkarzinom in [X.]eutschland liegt bei knapp 75 Jahren. Zwar steigt die [X.]inzidenz in der Allgemeinbevölkerung ab etwa dem 50. Lebensjahr an, doch müssen Harnblasenerkrankungen aufgrund des mittleren Erkrankungsalters von 75 Jahren als vorgezogene und damit berufsbedingte Erkrankung betrachtet werden, wenn sie im [X.]er von 50 bis 75 Jahren auftreten (vgl [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Hallier/Pallapies/Prager/[X.]chilling/[X.]/Uter/[X.]/[X.], [X.] 2022, 177, 181 f). [X.]er Kläger ist altersuntypisch mit 58 Jahren an dem Harnblasenkarzinom erkrankt.

c) [X.]ie arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der [X.] 1301 sind ebenfalls gegeben.

Lässt bei einer [X.] ohne normativ vorgegebene oder nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand bestimmbare Mindestdosis die [X.] keine negativen Rückschlüsse auf den [X.] im [X.]inne der naturwissenschaftlich-philosophischen [X.] zu, so steht der Annahme eines solchen [X.]s gleichwohl die positive Feststellung entgegen, dass die Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist.

Zu [X.]en, für die keine konkrete Erkrankung bezeichnet oder beschrieben ist (offene [X.]), hat der [X.] bereits entschieden, dass für den Ausschluss eines bestimmten Krankheitsbildes aus dem [X.]chutzbereich dieser [X.] feststehen muss, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom [X.]chutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann (B[X.] Urteil vom 17.12.2015 - [X.] U 11/14 R - B[X.]E 120, 230 = [X.] 4-2700 § 9 [X.]6, Rd[X.] 14). Entsprechendes muss für [X.]en gelten, für die keine Einwirkungsdosis vorgegeben ist, sondern die als stochastische [X.]en multikausale Erkrankungen wie [X.] erfassen (hierzu 3.a.[X.]). Um hier einen [X.] auszuschließen, muss positiv festgestellt werden, dass die Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist.

Für die positive Feststellung, dass eine Krankheit nicht auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist, genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. [X.]ie erfordert eine Prüfung des [X.]s im [X.]inne der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen und hat zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen: Zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit (hierzu 2.), zum anderen ein [X.]chadensbild, welches - losgelöst von einer Expositionsdosis - mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest in Einklang steht (vgl B[X.] Urteile vom 23.4.2015 - [X.] U 6/13 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.]108 [X.] 7 Rd[X.] 18 und vom 17.12.2015 - [X.] U 11/14 R - B[X.]E 120, 230 = [X.] 4-2700 § 9 [X.]6, Rd[X.]7). Für die Feststellung fehlender Ursächlichkeit ist daher entscheidend, dass wegen der Art oder der Lokalisation des Karzinoms, wegen des zeitlichen Ablaufs der Erkrankung (Expositionszeit, Latenzzeit und Interimszeit) oder aufgrund sonstiger Umstände im konkreten Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang trotz der beruflichen Einwirkung nicht wahrscheinlich ist (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] U 15/05 R - [X.] 4-5671 [X.] [X.] 4104 [X.] Rd[X.]7). Ist ein solches "versicherungsfremdes" [X.]chadensbild nicht feststellbar, ist davon auszugehen, dass die Krankheit auf die beruflich bedingte Einwirkung zurückzuführen ist. [X.]o verhält es sich hier.

[X.]as [X.] hat die medizinischen Aspekte, die für die berufliche Genese eines Harnblasenkarzinoms sprechen (vgl hierzu auch [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und [X.], 9. Aufl 2017, [X.] 1185; vgl [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Hallier/Pallapies/Prager/[X.]chilling/[X.]/Uter/[X.]/[X.], [X.] 2022, 177, 178 ff), aufgelistet (namentlich: Manifestation des Harnblasenkarzinoms mehr als zehn Jahre nach Erstkontakt und weniger als 25 Jahre nach letztem beruflichen Kontakt, ein vorverlegter Erkrankungszeitpunkt im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sowie rezidivierendes oder [X.] Auftreten des Harnblasenkarzinoms) und dann den Anspruch an einer "lediglich sehr geringen Einwirkung" also der [X.] scheitern lassen. [X.]ie berufliche Einwirkung "erscheine nicht vergleichbar mit den vollschichtigen Expositionen gegenüber [X.] in Höhe von etwa 500 µg/m³". [X.]amit hat das [X.] seine ablehnende Entscheidung auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen gestützt. [X.]ass das Harnblasenkarzinom hingegen aufgrund seines [X.]chadensbildes, also wegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen, nicht durch die berufliche Einwirkung verursacht worden ist, hat das [X.] nicht festgestellt.

d) [X.]chließlich ist die beruflich bedingte Einwirkung von [X.] für die Harnblasenerkrankung des [X.] auch rechtlich wesentlich (zur rechtlichen Wesentlichkeit B[X.] Urteil vom 30.3.2017 - [X.] U 6/15 R - B[X.]E 123, 24 = [X.] 4-5671 [X.] [X.]03 [X.] 1, Rd[X.]2 ff mwN). Zwar besteht kein Automatismus dergestalt, dass die Bejahung des naturwissenschaftlichen Kausalitätszusammenhangs zwischen Einwirkung und Erkrankung auch die rechtliche Wesentlichkeit der Ursache zur Folge hätte. Mangels anderweitiger (außerberuflicher) Einwirkungen hat der [X.] aber keinerlei Anhalt, die rechtliche Wesentlichkeit in Zweifel zu ziehen.

4. Ergibt sich der Anspruch des [X.] bereits aus den aufgezeigten Besonderheiten der [X.] 1301 bei der Bestimmung des Kausalzusammenhangs, kann dahinstehen, ob der Anspruch auch aus der Vermutungsregelung nach § 9 Abs 3 [X.]B VII folgt.

5. Hat die Klage danach aus materiellen Gründen Erfolg, ist nicht mehr entscheidend, dass der gegenständliche Ablehnungsbescheid vom [X.] durch den Rentenausschuss erlassen wurde (vgl zum Kompetenzrahmen des [X.] [X.] B[X.] Urteil vom 30.1.2020 - [X.] U 2/18 R - B[X.]E 130, 1 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 70, Rd[X.] 13; Ricke, NZ[X.] 2022, 132; [X.]pellbrink/[X.], [X.]b 2021, 461, 465 ff) und der Kläger zudem Verfahrensfehler gerügt hat.

6. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G.

 [X.]

        

Karl   

zugleich für den wegen an der Unterschrift gehinderten Richter [X.]r. Röhl

                 

Meta

B 2 U 8/21 R

27.09.2023

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Reutlingen, 14. Dezember 2016, Az: S 4 U 2792/15, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.09.2023, Az. B 2 U 8/21 R (REWIS RS 2023, 9893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9893

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