Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2011, Az. B 2 U 26/10 R

2. Senat | REWIS RS 2011, 1027

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Listen-Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1103, 2402, 4109 - Einwirkung: keine numerische Einwirkungsgröße des Lungenschadstoffes im BK-Tatbestand - haftungsbegründende Kausalität - Theorie der wesentlichen Bedingung - wesentliche Teilursache - mehrere Arbeitsstoffe - isolierte Betrachtung - synkanzerogene Kombinationswirkung - Verdoppelungsrisiko - Erfahrungssatz der so genannten Wichmann'schen Formel - Darlegung der wissenschaftlichen Begründung - Thorium - Chrom VI - und nickelhaltige Schweißrauche - Bronchialkarzinom - Schweißer


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 31. August 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Hinterbliebene ihres im Dezember 1999 an den Folgen eines [X.] verstorbenen Ehemanns (des Versicherten).

2

Der im Jahre 1939 geborene Versicherte war von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der [X.] beschäftigt, die Schlosser- und Schmiedearbeiten für das Baunebengewerbe und kleine Stahlkonstruktionen fertigte. In etwa 30 % seiner Arbeitszeit verrichtete der Versicherte Schweißarbeiten. Bis Ende der 70er Jahre wurden meist unlegierte Baustähle überwiegend im Lichtbogenhandverfahren ([X.]) mit Elektrode geschweißt, seit Anfang der 80er Jahre überwiegend im Schutzgasschweißverfahren (Metallaktivgasverfahren - MAG), wobei thoriumhaltige Schweißelektroden beim WIG (Wolfram-Inertgas-Verfahren) verwandt wurden. Ab Anfang der 80er Jahre wurde gelegentlich Edelstahl verschweißt. Dabei kamen basische Elektroden zum Einsatz. Beim Anschleifen der Elektroden fand eine [X.] statt. In geringerem Umfang wurde öliges Material verschweißt. Der Versicherte führte auch Schweißarbeiten an verzinkten Teilen aus, wobei er Zinkrauchen ausgesetzt war. Für die Dauer von vier Wochen hatte der Versicherte Umgang mit Asbestzementplatten. [X.] bestand auch bei der Montage zugeschnittener Eternitplatten und bei einer dreimonatigen Tätigkeit im [X.] Während seines gesamten Berufslebens rauchte der Versicherte zumindest 15 Zigaretten täglich. Die Gesamtnikotinbelastung belief sich von 1960 bis 1999 auf 29,25 Packungsjahre.

3

Der Versicherte verstarb am 18.12.1999 an den Folgen eines im April 1999 erstmals diagnostizierten [X.]. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 5.12.2000 sinngemäß die Anerkennung und Entschädigung des [X.] als Berufskrankheit ([X.]) ihres verstorbenen Ehemanns, sowie Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Todes. Die Beklagte führte Ermittlungen durch, ua durch Befragung des Arbeitgebers, die Beiziehung von Krankenakten, Ermittlungen des [X.] und die Einholung ärztlicher Gutachten (Prof. Dr. R.). Im Bescheid vom 20.11.2001 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung des metastasierenden [X.] des Versicherten als [X.] und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5.6.2002). Es liege weder eine [X.] nach [X.], noch nach 4104 oder 4109, noch eine Wie-[X.] gemäß § 9 Abs 2 [X.] vor.

4

Hiergegen hat die Klägerin am 3.7.2002 Klage zum [X.] erhoben, das ein internistisch-pneumologisches Gutachten des Prof. [X.] eingeholt und die Klage durch Urteil vom 31.5.2005 abgewiesen hat. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das [X.] hat gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Arbeitsmediziners und Internisten Prof. W. und ergänzende Stellungnahmen des Prof. [X.] und wiederum von Prof. W. eingeholt.

5

Das [X.] hat sodann durch Urteil vom [X.] die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Versicherte sei 1999 an einem Bronchialkarzinom des linken [X.] verstorben. Seiner Überzeugung nach sei der Versicherte von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der [X.] infolge seiner versicherten Tätigkeit der lungenschädigenden Einwirkung [X.]- und nickeloxidhaltiger Schweißrauche, zinkchromathaltiger [X.], von Asbestfaserstaub, ionisierenden [X.] sowie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mit der [X.](a)pyren ([X.]) ausgesetzt gewesen, so dass insoweit die Einwirkungskausalität zu bejahen sei. Ohne die Einwirkung dieser Berufsschadstoffe wäre es nicht zum Auftreten der Bronchialkrebserkrankung des Schweregrads und im Alter von 60 Jahren gekommen. Als weitere Ursache trete aus dem privaten Bereich der Nikotinkonsum des Versicherten hinzu. Alle diese Lungenschadstoffe beruflicher wie privater Herkunft stünden nach Überzeugung des [X.]s als naturwissenschaftliche Ursachen im Sinne der conditio sine qua non Formel fest.

6

[X.] Nr 4104 scheide aus, weil der Nachweis einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von 25 [X.] nicht erfüllt, [X.] Nr 4113, weil die dort geforderte Einwirkung von mindestens 100 [X.]-Jahren nicht feststellbar sei. Ein Versicherungsfall der [X.] Nr 4114 (Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen Kohlenwasserstoffen …) liege schon deshalb nicht vor, weil nach § 6 Abs 1 [X.]V hiervon nur Versicherungsfälle ab 1.10.2002 erfasst würden.

7

Keine der übrigen Berufsnoxen habe nach der Theorie der wesentlichen Bedingung allein das Lungenkrebsleiden des Versicherten bewirkt, so dass für die weiteren [X.]-Ziffern 2402, 4109 und 1103 nicht von einer monokausalen, durch den jeweiligen Schadstoff hervorgerufenen [X.] auszugehen sei. Die [X.] beim WIG-Schweißen habe zu keiner im Rahmen der [X.]-Ziffer 2402 wesentlichen, lungenschädigenden ionisierenden Strahlenbelastung geführt. Die haftungsbegründende Kausalität sei im Allgemeinen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit monokausal zu begründen, wenn Intensität und Dauer der Einwirkung des jeweiligen Listenstoffes zu einer Risikoverdoppelung geführt hätten. Die Verdoppelungsdosis liege für Lungentumore bei Erwachsenen bei 2 Millionen Mikro-Sievert. Dieser Wert werde nicht erreicht. Dasselbe gelte für die [X.] Nr 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lunge durch Nickel). Der [X.] gehe von 288 bzw 540 µg Nickel/m³ x Jahre aus. Damit werde der Wert von 5000 µg Nickel/m³ x Jahre (Verdoppelungsdosis) nicht erreicht. Dasselbe gelte für die Belastung des Versicherten mit Chrom und seinen Verbindungen im Rahmen der [X.] [X.]. Auch hier werde die Verdoppelungsdosis von 2000 µg/m³ x Jahre nicht erreicht.

8

Der Versicherungsfall einer [X.] [X.] sei auch nicht im Wege einer synkanzerogenen Kombinationswirkung von zumindest fünf lungenschädlichen Berufsschadstoffen zugunsten des Versicherten festzustellen. Denn auch unter Berücksichtigung der allein quantifizierbaren Lungenschadstoffe [X.], Nickel und Asbest sei eine Risikoverdoppelung bzw ein relatives Risiko ([X.]) von zwei entsprechend einer Verursachungswahrscheinlichkeit ([X.]) von 0,5 nicht zu begründen, so dass berufliche Kausalfaktoren als wesentliche (Mit-)Ursache der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen seien. Grundsätzlich sei von einer synkanzerogenen Wirkung der Stoffe auszugehen, wobei die Bewertung nach der führenden Schweißrauchkomponente, der [X.]-Belastung erfolge. Beim Versicherten sei jedoch keine [X.] [X.] durch [X.]-haltige Schweißrauchbestandteile bei synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe festzustellen. Die Gerichte müssten hier die streitigen Kausalzusammenhänge auf der Grundlage freier Beweiswürdigung mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Auszugehen sei von der sog [X.], nach der das [X.] und die resultierende [X.] ermittelt werden könnten. Beim Zusammenwirken mehrerer Noxen errechne sich bei Erreichen eines [X.] von mehr als zwei eine [X.] von mehr als 50 % entsprechend einer Risikoverdoppelung. Die den Versicherten treffenden Schadstoffe wirkten hier auf dasselbe Organ (Lunge) im Rahmen einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung nach einem additiven Modell ein, so dass die für jeden Stoff ermittelten Bruchteile der Verdoppelungsdosis zu addieren seien. Die Sachverständigen kämen jedoch zu [X.]-Werten von unter zwei und damit von [X.]-Werten von unter 0,50, so dass die für eine wesentliche berufliche Mitverursachung zu fordernde Risikoverdopplung hinsichtlich der quantifizierbaren Stoffe Chrom, Nickel und Asbest deutlich verfehlt werde. Eine Anknüpfung an niedrigere Werte, wie etwa das sog [X.] Drittel werde in der herrschenden Literatur und Rechtsprechung zu Recht abgelehnt.

9

Der Versicherte sei darüber hinaus nicht quantifizierbaren Noxen ausgesetzt gewesen, die es allerdings nicht erlaubten, die fehlende Lücke zur Risikoverdopplung zu schließen. Um zur Risikoverdopplung zu gelangen, hätten die nicht quantifizierbaren Belastungen beim Schweißen von Baustahl, durch Zinkchromat, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe ([X.]) und Thorium sowie für die [X.] zusätzlich ein [X.] von 1,57 ergeben müssen, was nicht begründbar sei.

Beweiserleichterungen bzw eine Umkehr der Beweislast zugunsten der Klägerin kämen nicht in Betracht. Zwar seien dem Arbeitgeber schwere Versäumnisse anzulasten und die Arbeitsbedingungen nur noch schwer zu rekonstruieren. Eine Abkehr von dem in der [X.] generell zu fordernden Beweisgrad oder gar eine Umkehr der Beweislast lasse sich hieraus aber nicht ableiten. Dem Berufungsbegehren hätte nur dann entsprochen werden können, wenn der [X.] infolge einer Beweiserleichterung die anspruchsbegründende (Mit-)Ursächlichkeit lungenbelastender Berufsschadstoffe für das Auftreten des todesursächlichen [X.] als erwiesen hätte ansehen können, wovon er sich aus mehreren Gründen nicht habe überzeugen können. Zu den fünf bis sechs synkanzerogenen Lungenschadstoffen seien keine belastbaren Dosis-Wirkungs-Beziehungen veröffentlicht. Falls ein Gericht hier dennoch das Erreichen der Verdoppelungsdosis unterstellen würde, so käme dies einer Umkehr der Beweislast gleich. Aber auch diese würde nicht zum Erfolg führen, weil der private Zigarettenkonsum des Versicherten zu berücksichtigen sei. Es wäre dann immer noch die Frage zu entscheiden, welche Bedeutung der beruflichen Verdoppelung des Risikos im Verhältnis zum durch den privaten Zigarettenkonsum vielfach erhöhten [X.] zukomme. Der [X.] halte für die [X.] vom 21. Lebensjahr (1960) bis zum Todesjahr (1999) des Versicherten den [X.] von mindestens 15 Zigaretten täglich für erwiesen. Aufgrund dieser 29,25 Packungsjahre ergebe sich ein 11-fach erhöhtes Lungenkrebsrisiko.

Die Bronchialkrebserkrankung habe schließlich auch nicht als Wie-[X.] nach § 9 Abs 2 [X.] anerkannt werden können.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer - vom [X.] zugelassenen - Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 9 Abs 1 [X.]. Das [X.] habe bei den [X.]en [X.], 2402 und 4109 eine monokausale Verursachung des [X.] abgelehnt. Es sei jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch bei fehlender Monokausalität eine oder mehrere dieser Listen-[X.]en vorliegen könnte (Hinweis auf BSG vom [X.] - [X.] 4-2700 § 9 [X.]), wenn der Schadstoff eine wesentliche Teilursache gewesen sei. Es stelle sich die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Kombinationswirkung von [X.] zu stellen seien. Es seien hier keinesfalls nur quantifizierbare Lungenschadstoffe (wie [X.], Nickel und Asbest) zu berücksichtigen. Zudem könne aus § 9 Abs 1 [X.] das vom [X.] geforderte Kriterium eines Verdoppelungsrisikos nicht abgeleitet werden. Für das Erfordernis eines solchen Verdoppelungsrisikos gebe der Gesetzeswortlaut keinerlei Anhalt. Im Übrigen hätten die Gutachter auch die nicht quantifizierbaren Risiken abgeschätzt. Das [X.] habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen, indem es nur quantifizierbare Einwirkungen berücksichtigt habe. Es hätte zudem aufgeklärt werden müssen, ob der Synergismus auch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen immer noch als additives Modell zu beschreiben sei. Mit [X.] sei davon auszugehen, dass eine berufliche Teilursache bei einer [X.] von 0,33 bestehe. Das [X.] habe nicht alle zu berücksichtigenden Tatsachen für die Beweisermittlung berücksichtigt. Der vorliegende Fall werde durch eine Kumulation von Besonderheiten (Verschulden des Arbeitgebers; Versäumnisse der beklagten [X.]) geprägt. Es hätten hier Anknüpfungstatsachen für einen Beweisnotstand ermittelt werden müssen, was ein Vergleich zur zivilrechtlichen Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht zeige.

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des [X.] vom 31.08.2010 und des [X.] vom 31.05.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid vom 20.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2002 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus Anlass des Todes des Versicherten [X.] zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf das angefochtene Urteil. Das [X.] habe allerdings, nachdem es die monokausale Verursachung aller [X.]en abgelehnt habe, die [X.] [X.] zusätzlich unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob Chrom im Zusammenwirken mit anderen Schadstoffen eine wesentliche Teilursache der Lungenerkrankung des Versicherten darstellen könne. Das [X.] habe dabei fälschlicherweise die sog [X.] benutzt. Das [X.] dürfe nur auf eine konkrete Stoffkombination angewandt werden, wenn sowohl für die gesundheitsschädigende kanzerogene Wirkung der einzelnen Stoffe als auch für das synergetische Zusammenwirken ausreichende und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen. Das BSG habe aber am [X.] ([X.] U 5/08 R - aaO) bereits klargestellt, dass es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die synkanzerogene Wirkung von [X.], [X.], Asbest und ionisierenden Strahlen gebe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des [X.] und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Der [X.] kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht abschließend darüber befinden, ob bei dem Verstorbenen die [X.] 1103, 4109 oder 2402 der Anlage 1 zur [X.] vorlagen und die Klägerin deshalb einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat (im Einzelnen unter 4.). Das [X.] ist bei der Prüfung, ob einer der in diesen [X.]en genannten Arbeitsstoffe wesentliche ([X.] der Lungenkrebserkrankung des Versicherten war, von einem Erfahrungssatz (der sog [X.]) ausgegangen, der für die Frage der (teil-)wesentlichen Verursachung der Erkrankung durch eine der [X.]n (isoliert) schon wissenschaftlich/ denklogisch von seinem Ansatz her nicht einschlägig ist. Das [X.] hat allerdings zu Recht das Vorliegen einer [X.] nach [X.], 4113 und 4114 der Anlage 1 zur [X.] abschließend verneint (vgl unter 2.). Ebenso hat es das Vorliegen einer sog Wie-[X.] gemäß § 9 Abs 2 [X.] mit zutreffenden Erwägungen verneint (hierzu unter 3.).

1. Wie der [X.] bereits entschieden hat (vgl Urteil vom [X.] aaO, Rd[X.] 26 ff) umfasst der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint. Nach § 63 Abs 1 [X.] ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts (§§ 64 bis 71 [X.]), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte [X.] oder Wie-[X.] habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-[X.], Wie-[X.]) vorgelegen, der dessen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht.

Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Hinblick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

2. Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen des Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer [X.] [X.], 4113 oder 4114, weil die in den Tatbeständen dieser Normen der Anlage 1 zur [X.] explizit benannten Voraussetzungen der jeweiligen [X.] nicht vorgelegen haben. Aus § 9 Abs 1 [X.] lassen sich für eine Listen-[X.] im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl zuletzt BSG vom 15.9.2011 - [X.] U 22/10 R und [X.] U 25/10 R; BSG vom [X.] aaO, Rd[X.] 14; BSG vom [X.] - [X.] U 9/08 R - [X.], 59 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 14).

Die [X.] [X.] lautet: "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs - in Verbindung mit [X.]lungenerkrankung (Asbestose) oder - in Verbindung mit durch [X.] verursachter Erkrankung der [X.] oder - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren". Die [X.] [X.] scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des [X.] weder das Bild einer Asbestose noch einer durch [X.] verursachten Erkrankung der [X.] noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (vgl auch BSG vom 4.12.2001 - [X.] U 37/00 R - [X.] 3-5671 Anl 1 [X.] [X.] 1).

Die [X.] [X.] 4113: "Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m³) x Jahre]" scheidet ebenfalls aus, weil der in der Norm selbst genannte [X.] von 100 BaP-Jahren nicht erreicht ist.

Schließlich scheidet auch [X.] [X.] 4114 "Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen" schon deshalb aus, weil der Versicherungsfall nicht gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 [X.] nach dem [X.] eingetreten ist.

3. Der Versicherte ist am 18.12.1999 auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-[X.] gemäß § 9 Abs 2 [X.] verstorben.

Nach § 9 Abs 2 [X.] haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der [X.] bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine [X.] (Wie-[X.]) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 [X.] erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 [X.] soll nur die Regelungslücken in der [X.] schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der [X.] ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der [X.]-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom [X.] - [X.], 295 = [X.] 2200 § 551 [X.] 27). Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-[X.] nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden [X.] in die Liste der [X.]en (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 [X.]) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

Der Versicherungsfall einer Wie-[X.] ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden [X.] in die Liste der [X.]en nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-[X.] lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 [X.] gegeben sind (vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - [X.] KN 1/08 U R - [X.], 121 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 12, Rd[X.] 23). Im vorliegenden Fall kam es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 18.12.1999 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von [X.] und nickeloxidhaltigen Schweißrauchen, zinkchromathaltigen Tröpfchenaerosolen, Asbest und ionisierenden [X.] gemeinsam verursacht worden ist, die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die [X.] erfüllte. Dies hat der erkennende [X.] bereits in seinem Urteil vom [X.] (aaO, Rd[X.] 32 mwN aus der wissenschaftlichen Literatur) für den dort maßgebenden Zeitpunkt des [X.] verneint. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die hier angefochtene Entscheidung des [X.] für den Todeszeitpunkt 18.12.1999 unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist.

4. Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 [X.] iVm [X.] 1103, 2402 oder 4109 der Anlage 1 zur [X.] eingetreten ist, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden.

Diesen [X.]-Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie selbst keine numerische Einwirkungsgröße der jeweiligen [X.] vorsehen. Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten [X.] bereits nicht die in einem [X.]-Tatbestand selbst genannten [X.], wie hier bei den [X.] 4104 und 4113 (soeben unter 2.), so können sie zwar eine Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung der jeweiligen [X.] scheidet aber von vornherein aus, weil schon die Mindestanforderungen des jeweiligen [X.]-Tatbestands nach dessen expliziter Ausformulierung nicht gegeben sind (vgl BSG vom [X.] aaO , Rd[X.] 37).

[X.] [X.] 1103 lautet: "Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen". [X.] [X.] 2402: "Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen" und [X.] [X.] 4109: "Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel". Nach den Feststellungen des [X.] ist der Versicherte während seines Arbeitslebens berufsbedingt schädigenden Einwirkungen durch [X.] und nickeloxidhaltige Schweißrauche sowie ionisierenden [X.] ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das [X.] für jeden der in den drei genannten Listen-[X.]en bezeichneten Arbeitsstoffe isoliert betrachtet die haftungsbegründende Kausalität verneint, weil die Einwirkungen nicht die Schwelle des sog [X.] überschritten. Hierzu hat die Revision zunächst zu Recht gerügt, dass das [X.] mit dem [X.] ein nicht unmittelbar aus dem Gesetz abgeleitetes Kriterium zugrunde gelegt hat, ohne im Einzelnen die wissenschaftliche Basis dieses Kriteriums in den Prozess einzuführen (vgl hierzu auch Urteil des [X.]s vom 5.7.2011 - [X.] U 17/10 R - Rd[X.] 31). Das [X.] wird daher nach einer Zurückverweisung zunächst klarzustellen haben, auf welchem medizinischen Erfahrungssatz die Annahme der jeweiligen Verdoppelungsgrenzwerte für die hier betroffenen [X.]en beruht (kritisch zur Zugrundelegung des [X.] als notwendiges Kriterium für die Einführung einer [X.], BSG vom 23.3.1999 - [X.] U 12/98 R - [X.], 30, 37 = [X.] 3-2200 § 551 [X.] 12 S 42). Nur dann kann auch revisionsrechtlich die Aussage des [X.] nachvollzogen werden, dass keiner der Stoffe allein die (ggf in der jeweiligen Listen-[X.] bezeichnete) Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe.

Der [X.] hat allerdings in seinem Urteil vom [X.] ([X.] U 5/08 R - aaO, Rd[X.] 34) zu erkennen gegeben, dass für die [X.] [X.] 1103 eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein könnte, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des [X.] bei weitem nicht erreicht wurde. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen ([X.] [X.] 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen die [X.] in Prozent ermittelt, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des [X.] bei [X.] lag. Bei der [X.] [X.] 4109 könnte eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein (vgl [X.] vom [X.] aaO, Rd[X.] 34, wo allerdings die entsprechenden Feststellungen des [X.] von der Revision nicht gerügt worden waren).

Der [X.] hat zudem mehrfach klargestellt, dass eine der Listen-[X.]en ([X.] 1103, 2402 und 4109) nicht nur dann vorliegen kann, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon bei isolierter Betrachtungsweise nur je eines Stoffes die im Einzelnen zu definierenden Voraussetzungen erfüllen (grundlegend BSG vom [X.] aaO, Rd[X.] 35). Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung - und ggf nicht zu beanstandender Zugrundelegung des sog [X.] oder eines anderen aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze begründbaren Kriteriums - die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise nicht erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als [X.] anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-[X.]: BSG vom [X.] - [X.] U 33/07 R - [X.], 54 = [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 3101 [X.] 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 5.7.2011 - [X.] U 17/10 R - Rd[X.] 28 ff; [X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.] 13 ff).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen [X.], nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ([X.]). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zur konkreten Krankheitsentstehung zum Eintritt des Erfolgs wesentlich mitgewirkt haben. Bei der rein rechtlichen [X.] der "Wesentlichkeit" einer Bedingung für die Entstehung (oder wesentliche Verschlimmerung) der Krankheit sind also nicht alle Bedingungen zu berücksichtigen, sondern nur jene, die nach den im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt anerkannten wissenschaftlichen [X.] notwendige oder hinreichende Bedingungen für den Eintritt einer Krankheit dieser Art sind. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs wertend entschieden werden ([X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.] 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - [X.] U 18/07 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 31 Rd[X.] 12).

Auch für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden [X.] 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist daher zuerst festzustellen, ob die durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursachte konkret festgestellte Einwirkung des Stoffes auf den Versicherten nach den derzeit in der Wissenschaft anerkannten [X.] ihrer Art nach eine notwendige (oder hinreichende) Bedingung (unter Umständen neben anderen notwendigen oder hinreichenden Bedingungen) für die Entstehung einer Krankheit der beim Versicherten festgestellten Art ist. Nur dann ist im konkreten Einzelfall die Krankheit des Versicherten tatsächlich Folge (ggf auch) der durch die versicherte Tätigkeit verursachten Einwirkung. Mithin ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen [X.]-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele.

Ist ein Listenstoff in diesem Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche ([X.] für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen [X.] gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur [X.] bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines [X.]-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom [X.] aaO, Rd[X.] 38, 21; [X.] in [X.] 2005).

Falls die Krankheit des Versicherten nach wissenschaftlichen [X.] allein deshalb entstanden ist (Tatsachenfrage), weil mehrere in verschiedenen Tatbeständen der [X.] genannte Stoffe nebeneinander als notwendige (oder hinreichende) Bedingungen infolge der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit eingewirkt haben, kommt es für jeden einschlägigen [X.]-Tatbestand darauf an, ob die in ihm genannte und konkret festgestellte (Tatsachenfrage) Stoffeinwirkung im Einzelfall im oben genannten Sinn rechtlich "wesentlich" war.

Das [X.] hat diesen Zusammenhang erkannt und unter Berufung auf das Urteil des erkennenden [X.]s vom [X.] (aaO) geprüft, ob bei dem Versicherten die [X.] [X.] 1103 (Chrom) vorliegt. Im Ansatz richtig ist es davon ausgegangen, dass aufgrund des Zusammenwirkens von Stoffen keine außergesetzliche, neue Gesamt-[X.] gebildet werden kann. Vielmehr ist jeweils stoffbezogen zu prüfen, ob nicht die Einwirkungen nach jeder der in Betracht kommenden [X.]en eine rechtlich wesentliche Teilursache für die Lungenerkrankung bilden.

Das [X.] hat auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung eine naturwissenschaftlich-philosophisch vorliegende Verursachungsbeziehung (ua) zwischen dem Lungenkrebs des Versicherten und den [X.]n Chrom, Nickel und Thorium bejaht, ohne geklärt zu haben, welche Stoffeinwirkungen nach den wissenschaftlich anerkannten [X.] notwendige oder hinreichende Bedingungen der Krankheit des Versicherten waren. Es wendet sich sodann ausschließlich der Prüfung der [X.] [X.] 1103 zu, weil Chrom die "führende Schweißrauchkomponente" gewesen sei. Sodann wird geprüft, ob eine [X.] [X.] 1103 bei "synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe" festzustellen sei (Urteil S 27). In der Folge wird unter Anwendung der sog [X.] versucht, den relativen Beitrag der einzelnen [X.]n additiv zu ermitteln, um bei Vorliegen einer [X.] von 0,50 (aller [X.]n zusammengenommen) dann ein Vorliegen der [X.] [X.] 1103 (Chrom) in Erwägung zu ziehen.

Das [X.] hat dabei verkannt, dass das von ihm mehrfach zustimmend zitierte Urteil des [X.] Schleswig-Holstein (13.9.2007 - L 1 U 44/03 - Breithaupt 2008, 308) Gegenstand des Revisionsverfahrens [X.] U 5/08 R (Urteil vom [X.] - aaO) gewesen und von seinem rechtlichen Ansatz her vom [X.] erachtet worden ist. Das [X.] Schleswig-Holstein hatte die sog [X.] dazu benutzt, eine (neue) Gesamt-[X.] bestehend aus den [X.] 1103, 4109 und 2402 der [X.] zu bilden, die es deshalb für begründbar gehalten hat, weil alle [X.]n additiv zusammengenommen die [X.] von [X.] überschritten hätten ([X.] Schleswig-Holstein, aaO, Rd[X.] 50 ff).

Das [X.] übernimmt nun für den vorliegenden Fall diesen Berechnungsansatz, um eine "führende" Einzel-[X.] (hier [X.] 1103) für den Fall bejahen zu können, dass zu diesem "führenden" Schadstoff additiv weitere Stoffe hinzukämen, mit denen die [X.] insgesamt (durch alle einwirkenden Stoffe in additiver Gesamtschau) überschritten werde. Mit einem solchen Vorgehen wird aber in keiner Weise plausibel (aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze), wieso zunächst gerade Chrom eine notwendige oder hier sogar hinreichende wesentliche ([X.] für den Lungenkrebs des Versicherten gesetzt haben soll und folglich ausschließlich die [X.] [X.] 1103 in Betracht käme. Das [X.] hat - ohne nachvollziehbare Begründung - Chrom als "Leitstoff" (wieso nicht Thorium oder Nickel?) gesetzt und ist sodann davon ausgegangen, die [X.] [X.] 1103 bejahen zu können, wenn Chrom in Kombination mit allen anderen Stoffen insgesamt nach der [X.] zu einer [X.] von über [X.] führt. Nach dem Inhalt dieser Formel wäre aber allenfalls belegbar, dass die Summe der in die Formel eingestellten [X.]n zu einer Erkrankung geführt haben könnte. Insbesondere hat das [X.] nicht mitgeteilt, welcher in der Wissenschaft anerkannte Erfahrungssatz durch die [X.] ausgedrückt wird. Ohne diese Feststellung der in seiner Folgerung zugrunde gelegten generellen Tatsache kann das Revisionsgericht nicht erkennen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der "wesentlichen Teilverursachung" zutreffend ausgelegt hat. Die Frage, welche(r) der drei in [X.] [X.] 1103, 2402 und 4109 genannte(n) Schadstoff(e) (teil-)wesentlich die Erkrankung verursacht haben könnte(n), lässt sich aber mit der [X.] gerade nicht beantworten.

Falls die weiteren Ermittlungen des [X.] ergeben, dass alle in Betracht kommenden [X.]n naturwissenschaftlich-philosophisch kausal für die Erkrankung waren, so wird es folglich weiter zu prüfen haben, ob die Einwirkungen nach den genannten [X.] 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen im Sinne der [X.] als Gesamt-[X.] betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach [X.] [X.] 1103 oder [X.] [X.] 2402 oder [X.] [X.] 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-[X.]en nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG vom [X.] aaO, Rd[X.] 39). Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist.

Das [X.] wird sodann bei Berücksichtigung dieser rechtlichen Maßstäbe auch den Verursachungsbeitrag des Rauchens des Versicherten zu bestimmen haben. Mit dem vom [X.] bindend festgestellten Rauchen des Versicherten über einen Zeitraum von 29,25 [X.] ist zunächst mehr als ein Anhaltspunkt für eine andere Verursachung für die Lungenkrebserkrankung des Versicherten gegeben (BSG vom [X.] - [X.] U 15/05 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] [X.] 2 Rd[X.] 26). Allerdings ist noch zu beurteilen, ob das Rauchen des Versicherten in wertender Betrachtung die rechtlich "allein wesentliche" Ursache der Erkrankung war. Dies wird insbesondere anzunehmen sein, wenn der Verursachungsbeitrag der Einwirkung Rauchen gegenüber den Verursachungsbeiträgen der anderen [X.]n deutlich überwiegt. [X.] aber nach den festzustellenden wissenschaftlichen Erkenntnissen die beruflichen Einwirkungen für sich allein ein so hohes Gefährdungspotential, dass sich darauf eine hinreichende [X.] stützen lässt, so kann es auf das Vorhandensein weiterer belastender Einwirkungen nicht ankommen (BSG aaO, Rd[X.] 27).

Das [X.] wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Meta

B 2 U 26/10 R

29.11.2011

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Marburg, 31. Mai 2005, Az: S 3 U 431/02, Urteil

§ 9 Abs 1 SGB 7, Anl 1 Nr 1103 BKV, Anl 1 Nr 2402 BKV, Anl 1 Nr 4109 BKV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2011, Az. B 2 U 26/10 R (REWIS RS 2011, 1027)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1027

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 2 U 5/08 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Hinterbliebenenrente - Versicherungsfall - Berufskrankheit - Wie-Berufskrankheit - maßgeblicher Zeitpunkt: neue Erkenntnisse …


B 2 U 6/15 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1103 - haftungsbegründende Kausalität - zweistufige …


S 19 U 6/16 (Sozialgericht Osnabrück)


B 2 U 8/21 R (Bundessozialgericht)


B 2 U 5/16 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Berufskrankheit gem Anl 1 Nr 2112 BKV - Gonarthrose - Versicherungsfall - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.