Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2011, Az. IV ZR 131/09

4. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4548

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Gegenstand

Vertrauensschadensversicherung der Notarkammern: Anspruch der Berufshaftpflichtversicherung eines pflichtwidrig handelnden Notars auf Aufwendungsersatz; Ausschlussfristregelung für die Geltendmachung von Schäden


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 13. Mai 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin fordert von der Beklagten als Berufshaftpflichtversicherer des ehemaligen Notars Dr. S.     den Ausgleich ihrer durch eine Pflichtverletzung des Notars verursachten Schäden.

2

Die Klägerin nahm den Notar, ihren Streithelfer, wegen Pflichtverletzungen bei der Abwicklung eines Kaufvertrages über Eigentumswohnungen auf Schadensersatz in Anspruch. Durch rechtskräftiges Haftpflichturteil wurde der Streithelfer wegen Verletzung seiner Pflichten aus einem von der Klägerin erteilten Treuhandauftrag verurteilt, an diese 1.400.000 € nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung eines Teils ihrer Ansprüche auf Darlehensrückzahlung und Teilübertragung ihrer Sicherheiten.

3

In der Berufshaftpflichtversicherung waren nach § 4 Ziff. 3 der zugrunde liegenden Bedingungen Haftpflichtansprüche wegen Schadensverursachung durch wissentliche Pflichtverletzung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Die Deckungssumme der Versicherung war im [X.] auf 1 Mio. DM pro Versicherungsfall beschränkt; im Übrigen betrug die Höchstleistung pro Versicherungsjahr 2 Mio. DM. Zur Ergänzung der Haftpflichtversicherung hält die für den Streithelfer zuständige Notarkammer F.      gemäß § 67 Abs. 3 Ziff. 3 Satz 1 [X.] bei der Beklagten eine Gruppenanschlussversicherung für die Deckungssumme übersteigende Vermögensschäden sowie bei einem anderen Versicherer eine Vertrauensschadenversicherung für Schäden aufgrund wissentlicher Pflichtverletzungen. Die von der Beklagten vorgelegten [X.] mit Änderungsverträgen enthalten in der Fassung des letzten Änderungsvertrages aus dem [X.] unter § 4 die folgende Regelung:

"Ausschlüsse

Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden,

1.( …),

2.( ...)

3. die mittelbar entstehen, wie entgangener Gewinn, [X.],

4.( …)"

4

Nachdem die Klägerin die - vermeintlichen - Deckungsansprüche des Streithelfers gegen die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung und der Gruppenanschlussversicherung hat pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, nimmt sie nunmehr die Beklagte auf Zahlung in Anspruch.

5

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die "zur Verfügung stehende" Mindestversicherungssumme aus der Vertrauensschadenversicherung auszuzahlen, Zug um Zug gegen Abtretung eines [X.] ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs und Teilübertragung ihrer Sicherheiten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage "klarstellend" insgesamt abgewiesen, weil das Urteil des [X.]s keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihre Hauptforderung, allerdings beschränkt auf eine Zahlung von 255.645,94 €, "nebst Zinsen" weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung nicht einstandspflichtig sei. Die Beklagte sei nach § 4 Ziff. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die [X.] leistungsfrei, weil der Schaden auf einer wissentlichen Pflichtverletzung des Streithelfers beruhe.

8

Auch einen Deckungsanspruch aus der Gruppenanschlussversicherung könne die Klägerin wegen Wissentlichkeit der Pflichtverletzung nicht geltend machen. Da dem Streithelfer als Notar keine Ansprüche aus der Gruppenanschlussversicherung zustünden, sei der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss insoweit ins Leere gegangen.

9

Die Beklagte sei auch nicht als [X.] nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] zur Leistung einer Entschädigung verpflichtet. Die in dieser Regelung statuierte [X.] sei bereits aufgrund des von der Beklagten erhobenen Einwands der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung ausgeschlossen. Entgegen dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] sei nicht "nur" streitig, ob der Ausschlussgrund der wissentlichen Pflichtverletzung eingreife, sondern auch, ob und in welcher Höhe eine Haftung der Beklagten als [X.] gemäß § 156 Abs. 3 [X.] a.F. in Betracht komme. Auch der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung schließe eine Anwendung des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] aus, da der [X.] nur im Umfang eines Regressanspruchs gegen den [X.] zur Vorleistung verpflichtet sei.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Beklagte aus der Berufshaftpflichtversicherung nach § 4 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die [X.] nicht deckungspflichtig ist, weil der Schaden durch eine wissentliche Pflichtverletzung des Streithelfers verursacht worden ist. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Streithelfer habe wissentlich gegen die ihm erteilten [X.] verstoßen, ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision nicht gerügt.

2. Aus der Gruppenanschlussversicherung kann die Klägerin keinen Anspruch geltend machen, da diese Versicherung von den Notarkammern als Versicherung für fremde Rechnung i.S. der §§ 74 ff. [X.] a.F. abgeschlossen wird ([X.] in [X.]/[X.], [X.] [2006] [X.] Rn. 201). Der als [X.] versicherte Notar kann daher über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nicht verfügen oder sie gerichtlich verfolgen (§ 75 Abs. 2 [X.] a.F.), so dass auch der Klägerin, die aufgrund der Pfändung und Überweisung die Rechtsstellung des Notars erlangt hat, die Aktivlegitimation fehlt.

3. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine [X.] der Beklagten nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] bereits dem Grunde nach nicht bestehe.

a) Der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung ist für den Anspruch aus § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] unerheblich. Die [X.] ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Beklagte neben dem Einwand der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung auf die Erschöpfung der Versicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung berufen hat. Zwar setzt die [X.] nach dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] voraus, dass "nur streitig" ist, ob Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung ausgeschlossen sind. Hiermit soll jedoch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung lediglich klargestellt werden, dass eine [X.] ausscheidet, wenn der [X.] aufgrund anderer Einwendungen, die seine Einstandspflicht aus der Berufshaftpflichtversicherung dem Grunde nach betreffen, leistungsfrei ist.

Anlass für die Einführung einer [X.] in § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] war die Überlegung, dass in der Praxis der Mandantenschutz lückenhaft ist, wenn Streit darüber besteht, ob der Notar seine Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat und sowohl der Berufshaftpflicht- als auch der [X.] eine Regulierung unter Hinweis auf die Leistungspflicht des jeweils anderen ablehnen. Im Interesse einer zügigen Schadensregulierung begründet die Regelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] daher eine [X.] des [X.]s im Verhältnis zum [X.] (BT-Drucks. 13/11034, [X.] f.). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die [X.] des [X.]s auch aufgrund solcher Einwendungen in der Berufshaftpflichtversicherung ausgeschlossen wäre, die lediglich die Höhe der Leistungspflicht des [X.]s betreffen.

Der [X.] betrifft allein die Höhe der Leistungspflicht. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass eine Erschöpfung der maßgeblichen Gesamtversicherungssumme in der Berufshaftpflichtversicherung zu befürchten sei, weil in Bezug auf den Streithelfer für das betroffene Versicherungsjahr eine Vielzahl gemeldeter Haftpflichtschäden vorliege. Eine Erschöpfung hätte aber nur zur Folge, dass die Leistung aus der Berufshaftpflichtversicherung der Höhe nach anteilig zu kürzen wäre (§ 156 Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F.). Dass durch die Beklagte bereits Zahlungen an die übrigen Gläubiger erfolgt sind und die Leistungspflicht daher nach § 156 Abs. 3 Satz 2 [X.] a.F. entfallen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Dass sich die Beklagte außerdem auf eine Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung berufen hat, steht einer [X.] nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] dem Grunde nach nicht entgegen.

Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die [X.] des [X.]s nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] durch seinen Regressanspruch gegen den [X.] begrenzt ist. Dieser Regressanspruch folgt aus § 19a Abs. 2 Satz 4 [X.]. Anspruchsgegner sind nach dem Wortlaut die "Personen, für deren Verpflichtungen" der [X.] gemäß Satz 2 einzustehen hat, also in erster Linie der [X.]. Nach dem [X.] soll der Aufwendungsersatzanspruch den durch den Anspruchsübergang nach Satz 3 gewährleisteten Schutz des vorleistenden [X.]s ergänzen und ihn von Kosten freistellen, die ihm aufgrund seiner [X.] entstanden sind. Da dem Geschädigten im Regelfall keine direkten Ansprüche aus dem Vertrauensschadenversicherungsvertrag zustehen (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - [X.], [X.], 299 unter [X.]), kann der [X.] einen Ausgleichsanspruch gegen den [X.] nicht auf die Legalzession nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] stützen. Anspruchsgrundlage für den Ausgleichsanspruch ist daher § 19a Abs. 2 Satz 4 [X.].

Bereits aus Wortlaut und Zweck des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] ergibt sich, dass der [X.] nur in der Höhe vorleistungspflichtig ist, in der eine Einstandspflicht und damit eine Regresspflicht des [X.]s besteht. Indem die Regelung eine [X.] "bis zur Höhe" der für den [X.] geltenden Mindestversicherungssumme anordnet, ist klargestellt, dass es sich lediglich um eine Obergrenze handelt. Aus der Formulierung und der Begründung des Gesetzgebers für die Neuregelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] folgt weiter, dass eine [X.] im Verhältnis zum [X.] angeordnet wird. Der Forderungsübergang nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] und der Aufwendungsersatzanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 4 [X.] sollen ihm für seine Vorleistung einen vollen Ausgleich gewähren. Mit dem Charakter als [X.] wäre eine Erweiterung der Einstandspflicht des [X.]s über die des [X.]s hinaus und damit unabhängig von einer Regressmöglichkeit nicht zu vereinbaren. Zwar gehen nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] auch die Ansprüche des Geschädigten gegen den Notar auf den [X.] über. Es würde jedoch dem durch die Regressansprüche verfolgten Ziel eines vollen Ausgleichs der Vorleistung widersprechen, wenn der [X.] das Insolvenzrisiko des Notars tragen müsste. Dieses Risiko ist bei Notaren, die sich zu wissentlichen Pflichtverletzungen verleiten lassen, generell erhöht.

Hieraus folgt jedoch nur, dass sich eine Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung nach § 156 Abs. 3 Satz 1 [X.] a.F. auf die Höhe der [X.] auswirken würde.

4. Da das Berufungsgericht zur Frage der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur Prüfung der Höhe der [X.] der Beklagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Berufungsgericht hat zu prüfen, in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Zinsanspruch zusteht. Auch insoweit ist der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung erheblich.

a) Der Antrag der Klägerin, das Berufungsurteil aufzuheben, "soweit die Klage auf Zahlung von € 255.645,94 nebst Zinsen (…) abgewiesen worden ist", ist unter Berücksichtigung des Antrags in der Berufungsinstanz dahingehend auszulegen, dass gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem vorgenannten [X.] seit dem 1. August 2000 geltend gemacht werden. Dabei handelt es sich um die im [X.] gegen den Notar rechtskräftig titulierten Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB.

b) Diesem Zinsanspruch steht die Deckungsbeschränkung in § 4 Ziff. 3 [X.] nicht entgegen. Eine Auslegung der Ausschlussklausel ergibt, dass gesetzliche Verzugszinsen hiervon nicht erfasst sind.

aa) Eine gesetzliche, von der Rechtsprechung entwickelte oder in der Literatur anerkannte Definition des Begriffs "mittelbarer Schaden" gibt es nicht, so dass dessen Inhalt im Wege der Auslegung aus dem jeweiligen Vertrag, insbesondere der [X.] selbst zu ermitteln ist ([X.], Urteil vom 8. Juni 1994 – [X.], NJW 1994, 2228 unter [X.] b).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.]Z 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Bei [X.] geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel es erfordert. Daher sind [X.] nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eng auszulegen und nicht weiter, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - [X.], [X.], 236 unter [X.]; vom 17. März 1999 - [X.], [X.], 748 unter 2 a).

bb) Nicht unter den Begriff des "[X.]" und des "mittelbaren" Schadens im Sinne dieser Klausel fallen nach diesen Grundsätzen die von der Klägerin geltend gemachten Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB.

Ausgehend von dem Wortlaut der Ausschlussklausel wird der verständige Versicherungsnehmer unter den Begriff "[X.]" in erster Linie den Vermögensnachteil fassen, der als Folge des durch das pflichtwidrige Verhalten eintretenden primären Vermögensnachteils in Form eines Verlustes von Zinsen entsteht, d.h. den entgangenen und damit "verlorenen" [X.]. Dagegen ist der Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 und 2 BGB unabhängig von dem Nachweis eines tatsächlichen Verlustes. Der Verzugszins ist dem Grunde und der Höhe nach als objektiver Mindestschaden gesetzlich festgelegt, so dass dem Schuldner der Beweis, dass tatsächlich kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist, abgeschnitten wird ([X.]/[X.], [X.]. § 288 Rn. 4). Die [X.] ist allein an das Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen gekoppelt, so dass die [X.] nahe liegender ist als die eines Anspruchs auf Ersatz weitergehenden Zinsschadens oder entgangenen Gewinns. Da mit einer vorsätzlichen Pflichtverletzung oftmals die Zahlungsunfähigkeit des Notars verbunden ist, kann der [X.] regelmäßig von einer Verpflichtung des Notars zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB ausgehen.

Auch der erkennbare Zweck des Vertrauensschadensversicherungsvertrages und des [X.] spricht für eine enge Auslegung des Begriffs "[X.]". Die Vertrauensschadensversicherung dient in erster Linie dem Schutz der Geschädigten, außerdem der Wahrung des Ansehens des [X.] (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - [X.], [X.], 299 unter [X.] a); vom 27. Mai 1998 - [X.], [X.], 1016 unter 1; vom 30. September 1998 - [X.], [X.], 1504 unter [X.]). Beide Zwecke sprechen dafür, dass der Geschädigte zumindest den mit dem primären Vermögensschaden nahezu zwangsläufig verbundenen gesetzlichen Verzugsschaden geltend machen kann. Soweit man den Grund für den Ausschluss mittelbarer Schäden in der Begrenzung und Kalkulierbarkeit des [X.] sieht, wird dieses Ziel bereits durch die in § 3 I Abs. 1 [X.] festgelegte Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall erreicht, was der durchschnittliche Versicherungsnehmer den [X.] ohne weiteres entnehmen kann. Eine weite Auslegung des Begriffs "mittelbarer Schaden" ist also auch nicht aufgrund berechtigter Interessen der [X.] oder der Prämien zahlenden Notarkammern und ihrer Mitglieder geboten.

c) Eine Geltendmachung des [X.] ist nicht durch die Mindestversicherungssumme des § 67 Abs. 3 Satz 2 [X.] ausgeschlossen, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung 500.000 DM = 255.645,94 € betrug.

aa) Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.], der eine [X.] "bis zur Höhe" der für den [X.] "geltenden Mindestversicherungssumme" anordnet, dass die gesetzliche Mindestversicherungssumme die [X.] begrenzt. Die Klägerin fordert bereits einen [X.] in dieser Höhe, so dass daneben ein Zinsanspruch als Vorleistung nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] grundsätzlich nicht geltend gemacht werden kann.

Ein Zinsanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] könnte der Klägerin aber unter der Voraussetzung zustehen, dass die Entschädigung in der Hauptsache aufgrund des [X.]s in der Vertrauensschadenversicherung zu kürzen ist, so dass die Hauptforderung allein die gesetzliche Mindestversicherungssumme nicht erreicht. Dass die [X.] durch den Regressanspruch gegen den [X.] und damit auch durch die (Gesamt-)Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung begrenzt ist, würde in diesem Fall eine Geltendmachung des [X.] nicht ausschließen. Der [X.] ist in entsprechender Anwendung des § 150 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F. zur Zahlung von Zinsen auch dann verpflichtet, wenn diese zusammen mit der übrigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigen, sofern die Zinsen auf einer von ihm veranlassten Verzögerung der Befriedigung des [X.] beruhen. Diese für Haftpflichtversicherungen geltende Vorschrift ist aufgrund der Funktion der Vertrauensschadenversicherung auch auf Ansprüche gegen den [X.] entsprechend anzuwenden. Mit der Ergänzung der Berufshaftpflichtversicherung durch eine Gruppenanschluss- und eine Vertrauensschadenversicherung wollte der Gesetzgeber den Vermögensschutz sicherstellen, den die Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger schafft (Senatsurteil vom 30. September 1998 aaO). Eine wirksame Ergänzung der Haftpflichtversicherung des Notars, die einen der Staatshaftung vergleichbaren Schutz gewährleistet, setzt voraus, dass die Vertrauensschadensversicherungen in ihrer Handhabung den Regeln der Haftpflichtversicherung folgen (Senatsurteile vom 27. Mai 1998 aaO; vom 30. September 1998 aaO); die Vertrauensschadenversicherung hat die Funktion einer Haftpflichtversicherung, die das Risiko vorsätzlicher Pflichtverletzungen des Notars in den Versicherungsschutz einschließt (Senatsurteile vom 27. Mai 1998 aaO und 30. September 1998 aaO).

Es bedarf daher weiterer Feststellungen, ob der [X.] zu einer Kürzung der von der Klägerin geforderten Entschädigungsleistung führt und ob der [X.] in diesem Umfang eine verspätete Befriedigung des Geschädigten und damit Verzugszinsen aus dem gekürzten [X.] veranlasst hat.

bb) Ein Zinsanspruch könnte der Klägerin auch nach §§ 286, 288 BGB wegen Verzugs der Beklagten mit der Erfüllung ihrer [X.] zustehen. Insoweit sind weitere Feststellungen zum Umfang der [X.] und zu den Verzugsvoraussetzungen erforderlich.

Dr. [X.]                                        Dr. Karczewski

                                 [X.] Brockmöller

Meta

IV ZR 131/09

20.07.2011

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 13. Mai 2009, Az: 7 U 165/08, Urteil

§ 19a Abs 2 S 2 BNotO, § 19a Abs 2 S 4 BNotO, § 67 Abs 3 Nr 3 BNotO, § 9 AGBG, § 307 BGB vom 02.01.2002, § 4 Nr 2 ABV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2011, Az. IV ZR 131/09 (REWIS RS 2011, 4548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4548

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