Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2011, Az. IV ZR 75/09

4. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4585

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Gegenstand

Berufshaftpflichtversicherung des Notars: Begrenzung der Vorleistungspflicht; Wirksamkeit des Deckungsausschlusses für mittelbare Schäden in Vertrauensschadenversicherungsverträgen


Leitsatz

1. Die Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO ist der Höhe nach durch den Umfang des Regressanspruchs gegen den Vertrauensschadenversicherer begrenzt .

2. Der Deckungsausschluss für mittelbare Schäden in § 4 Ziff. 3 der von den Notarkammern gemäß § 67 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 BNotO abgeschlossenen Vertrauensschadenversicherungsverträge ist nach § 9 AGBG (= § 307 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002) unwirksam .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des [X.] vom 27. Februar 2009 im Umfang der Zulassung der Revision aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten als ehemaligem Berufshaftpflichtversicherer des Notars Dr. S.    die Erstattung ihrer Schäden aus drei Haftpflichtfällen.

2

Der Notar wurde in zwei Haftpflichtprozessen rechtskräftig zur Leistung von Schadensersatz an die Klägerin wegen der Verletzung von Treuhandpflichten im Rahmen der Abwicklung von drei Grundstücksgeschäften verurteilt. [X.] wurden auch [X.] wegen Verzugs nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und Ansprüche auf Erstattung von Zinsen, die vor [X.] ohne die Pflichtverletzung auf dem [X.] in Form von Guthabenzinsen zugunsten der Klägerin angefallen wären. Nach Abtretung der Deckungsansprüche aus dem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag, in dem der Versicherungsschutz für Schäden infolge wissentlicher Pflichtverletzungen ausgeschlossen ist, nimmt die Klägerin die Beklagte in Anspruch. Die Klägerin meint, dass sie von der Beklagten jedenfalls eine Vorleistung nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] verlangen könne.

3

Zur Deckung von Schäden wegen wissentlicher Pflichtverletzungen von Notaren hat die für den Notar Dr. S.    zuständige Notarkammer F.            eine Vertrauensschadenversicherung abgeschlossen. Der von der Beklagten in Auszügen vorgelegte Versicherungsschein vom 15. Juni 2005 (im Folgenden: [X.]) des [X.] enthält unter § 4 die folgende Klausel:

"Ausschlüsse

Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden,

1. ( …),

3. die mittelbar entstehen, wie entgangener Gewinn, [X.], Rechtsverfolgungskosten des Anspruchstellers usw.

4.( …)."

4

Die Beklagte hat den Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme erhoben.

5

Das [X.], das von wissentlichen Pflichtverletzungen des Notars ausgegangen ist, hat die Ansprüche der Klägerin auf der Grundlage von § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] als im Wesentlichen begründet angesehen. Allerdings könne die Klägerin nicht die in den Haftpflichturteilen titulierten [X.], sondern lediglich Prozesszinsen geltend machen, da im Rahmen der Vorleistungspflicht der Beklagten der [X.] für mittelbare Schäden in § 4 Ziff. 3 [X.] zu berücksichtigen sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Vorleistung nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] auch hinsichtlich der titulierten [X.] verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Nach dessen Auffassung ist die [X.] der Beklagten aus § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht auf den Betrag beschränkt, den sie im [X.] von dem [X.] ersetzt verlangen kann. Für eine derartige Einschränkung enthalte der Wortlaut des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] keine Anhaltspunkte. Auf die Frage, ob die Deckungsbeschränkung in § 4 Ziff. 3 [X.] wirksam sei und einer Geltendmachung der [X.] entgegen stehe, komme es daher nicht an. Der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme in der Vertrauensschadenversicherung sei hinsichtlich der noch streitigen [X.] nach § 150 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F. nicht zu berücksichtigen, da der [X.] durch das Verbot in der Berufshaftpflichtversicherung, an den [X.] zu leisten (§ 5 Nr. 5 AHB), veranlasst worden sei. Zinsen seien aus den bereits rechtskräftig titulierten Hauptforderungen zu berechnen. Diese seien nicht wegen Erschöpfung der Jahresdeckungssumme zu kürzen, nachdem sich die Beklagte nicht gegen das Urteil des [X.] gewendet habe.

8

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

9

1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht, jedoch mit unzutreffender Begründung davon ausgegangen, dass den geltend gemachten [X.]n die Deckungsbeschränkung in § 4 Ziff. 3 [X.] nicht entgegen gehalten werden kann.

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die [X.] des [X.] nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] durch dessen Regressansprüche gegenüber dem [X.] begrenzt. Bereits aus Wortlaut und Zweck der Regelung ergibt sich, dass der [X.] nur in der Höhe vorleistungspflichtig ist, in der eine Einstandspflicht und damit eine Regresspflicht des [X.]s besteht. Indem § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] eine [X.] "bis zur Höhe" der für den [X.] geltenden Mindestversicherungssumme anordnet, ist zum einen klargestellt, dass es sich lediglich um eine Obergrenze handelt. Zum anderen folgt aus der Formulierung, dass eine [X.] im Verhältnis zum [X.] angeordnet wird. Dem entspricht die Begründung des Gesetzgebers für die Neuregelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.]. Hiernach soll eine zügige Befriedigung des Geschädigten bei Streit über die Frage der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung zwischen Berufshaftpflicht- und [X.] erreicht werden, indem eine "[X.] des [X.] des Notars im Verhältnis zum [X.]" begründet wird (vgl. BT-Drucks. 13/11034 [X.] f.). Der Forderungsübergang nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] und der Aufwendungsersatzanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 4 [X.] sollen ihm für seine Vorleistung einen vollen Ausgleich gewähren. Mit dem Charakter als [X.] wäre eine Erweiterung der Einstandspflicht des [X.] über die des [X.]s hinaus und damit unabhängig von einer Regressmöglichkeit nicht zu vereinbaren. Zwar gehen nach § 19a Abs. 2 Satz 3 [X.] auch die Ansprüche des Geschädigten gegen den Notar auf den [X.] über. Es würde jedoch dem durch die Regressansprüche verfolgten Ziel eines vollen Ausgleichs der Vorleistung widersprechen, wenn der [X.] das Insolvenzrisiko des Notars tragen müsste. Dieses Risiko ist bei Notaren, die sich zu wissentlichen Pflichtverletzungen verleiten lassen, generell erhöht.

b) Obwohl aus den dargelegten Gründen Deckungsbeschränkungen in der Vertrauensschadenversicherung auch im Rahmen der [X.] nach § 19a Abs. 2 Satz 2 [X.] zu berücksichtigen sind, steht § 4 Ziff. 3 [X.] den [X.]n der Klägerin nicht entgegen. Der generelle Ausschluss einer Deckung mittelbarer Schäden ist nach dem hier anzuwendenden § 9 [X.] (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) wegen unangemessener Benachteiligung der Notarkammer als Versicherungsnehmerin unwirksam.

aa) Eine Auslegung der Ausschlussklausel ergibt, dass die noch streitigen [X.] jedenfalls teilweise als mittelbare Schäden [X.] des § 4 Ziff. 3 [X.] anzusehen sind.

(1) Eine gesetzliche, von der Rechtsprechung entwickelte oder in der Literatur anerkannte Definition des Begriffs "mittelbarer Schaden" gibt es nicht, so dass dessen Inhalt im Wege der Auslegung aus dem jeweiligen Vertrag, insbesondere der [X.] selbst zu ermitteln ist ([X.], Urteil vom 8. Juni 1994 - [X.], NJW 1994, 2228 unter [X.] b).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.]Z 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Bei [X.] geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel es erfordert. Daher sind [X.] nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eng auszulegen und nicht weiter, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - [X.], [X.], 236 unter [X.]; vom 17. März 1999 - [X.], [X.], 748 unter 2 a).

(2) Nicht unter den Begriff des "[X.]" und des "mittelbaren" Schadens im Sinne dieser Klausel fallen nach diesen Grundsätzen die von der Klägerin geltend gemachten Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 BGB.

Ausgehend von dem Wortlaut der Ausschlussklausel wird der verständige Versicherungsnehmer unter den Begriff "[X.]" in erster Linie den Vermögensnachteil fassen, der als Folge des durch das pflichtwidrige Verhalten eintretenden primären Vermögensnachteils in Form eines Verlustes von Zinsen entsteht, d.h. den entgangenen und damit "verlorenen" [X.]. Dagegen ist der Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 und 2 BGB unabhängig von dem Nachweis eines tatsächlichen Verlustes. Der Verzugszins ist dem Grunde und der Höhe nach als objektiver Mindestschaden gesetzlich festgelegt, so dass dem Schuldner der Beweis, dass tatsächlich kein Schaden entstanden ist, bzw. der Nachweis eines geringeren Schadens abgeschnitten wird ([X.]/[X.], [X.]. § 288 Rn. 4). Die [X.] ist allein an das Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen gekoppelt, so dass die [X.] nahe liegender ist als die eines Anspruchs auf Ersatz weitergehenden [X.]s oder entgangenen Gewinns. Da mit einer vorsätzlichen Pflichtverletzung oftmals die Zahlungsunfähigkeit des Notars verbunden ist, kann der [X.] regelmäßig von einer Verpflichtung des Notars zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB ausgehen.

Auch der erkennbare Zweck des Vertrauensschadenversicherungsvertrages und des [X.] spricht für eine enge Auslegung des Begriffs "[X.]". Die Vertrauensschadensversicherung dient in erster Linie dem Schutz der Geschädigten, außerdem der Wahrung des Ansehens des [X.] (Senatsurteil vom 12. Dezember 1990 - [X.], [X.], 299 unter I 3 a); vom 27. Mai 1998 - [X.], [X.], 1016 unter 1; vom 30. September 1998 - [X.], [X.], 1504 unter [X.]). Beide Zwecke sprechen dafür, dass der Geschädigte zumindest den mit dem primären Vermögensschaden nahezu zwangsläufig verbundenen gesetzlichen Verzugsschaden geltend machen kann. Soweit man den Grund für den Ausschluss mittelbarer Schäden in der Begrenzung und Kalkulierbarkeit des Schadenspotentials sieht, wird dieses Ziel bereits durch die in § 3 I Abs. 1 [X.] festgelegte Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall erreicht, was der durchschnittliche Versicherungsnehmer den [X.] ohne weiteres entnehmen kann. Eine weite Auslegung des Begriffs "mittelbarer Schaden" ist also auch nicht aufgrund berechtigter Interessen der [X.] oder der Prämien zahlenden Notarkammern und ihrer Mitglieder geboten.

Gesetzliche Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB sind daher nicht von der Ausschlussklausel des § 4 Ziff. 3 [X.] erfasst.

(3) Als mittelbarer Schaden sind hingegen die darüber hinaus streitigen Zinsen in Höhe von 1,5% aus [X.] € für die [X.] vom 2. Oktober 2000 bis zum 15. Februar 2002 und aus 83.432,61 € für die [X.] vom 2. Oktober 2000 bis zum 15. März 2003 anzusehen. Dabei handelt es sich um Zinsen, die vor [X.] ohne das pflichtwidrige Ereignis auf dem [X.] in Form von Guthabenzinsen zugunsten der Klägerin angefallen wären, d.h. um entgangenen Gewinn [X.] von § 252 BGB. [X.] Gewinn wird in § 4 Ziff. 3 [X.] ausdrücklich zur Konkretisierung des Begriffs des "mittelbaren" Schadens aufgeführt.

bb) Der so auszulegende Ausschluss einer Einstandspflicht für mittelbare Schäden benachteiligt die Notarkammer F.           , die Streithelferin der Beklagten, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 9 [X.] unwirksam.

(1) Die Klausel ist grundsätzlich kontrollfähig.

(a) Nach § 24 [X.] ist eine Inhaltskontrolle jedenfalls am Maßstab des § 9 [X.] vorzunehmen, so dass die Frage, ob die [X.] ausschließlich gegenüber der Notarkammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts "verwendet" wurden, keiner Entscheidung bedarf.

(b) Einer Inhaltskontrolle der Deckungsbeschränkung am Maßstab des § 9 [X.] steht auch § 8 [X.] nicht entgegen. Hiernach ist lediglich die Leistungsbeschreibung, die den unmittelbaren Gegenstand der geschuldeten Hauptleistung festlegt und ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen [X.] ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann, einer Überprüfung entzogen. Die Vorschrift hindert eine richterliche Inhaltskontrolle hingegen nicht, wenn die betreffende Klausel nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Zweck das vom Versicherer gegebene [X.] lediglich einschränkt, verändert, ausgestaltet oder sonst modifiziert (Senatsurteil vom 26. September 2007 - [X.], [X.], 1690 Rn. 13). Das [X.] wird in §§ 1 und 2 [X.] derart umschrieben, dass der wesentliche Vertragsinhalt bestimmt werden kann. Nach § 1 Abs. 1 [X.] übernimmt der Versicherer Deckungsschutz für Vermögensschäden, die [X.] durch vorsätzliche Handlungen von Vertrauenspersonen [X.] von § 2 Abs. 1 [X.] in Ausübung ihrer Berufstätigkeit zugefügt werden. Bereits durch die Formulierung "Vermögensschaden" sind grundsätzlich alle Schadensarten von dieser primären Risikobeschreibung umfasst. Nach § 1 Abs. 2 [X.] wird die Höhe der Versicherungsleistung durch den "Umfang der Schadensersatzpflicht der Vertrauensperson" bestimmt, richtet sich also nach den allgemeinen Grundsätzen der [X.]. Dieses Versprechen wird durch § 4 Nr. 3 [X.] unter der Überschrift "Ausschluss" für den Bereich der mittelbaren Schäden wieder eingeschränkt.

(2) Die Frage der Wirksamkeit des Ausschlusses einer Einstandspflicht für mittelbare Schäden in den Vertrauensschadenversicherungen der Notarkammern ist in der Literatur umstritten.

Teilweise wird die Ausschlussklausel für unwirksam gehalten, da die Funktion der Vertrauensschadenversicherung, eine vollständige Schadloshaltung des Geschädigten auch im [X.] bis zur Höhe der gesetzlichen Mindestversicherungssumme ([X.] in [X.]/[X.], [X.] Rn. 225) und einen der Staatshaftung vergleichbaren Schutz zu gewährleisten ([X.], [X.]. Rn. 319), verfehlt werde.

Als Argument für die Wirksamkeit des Ausschlusses mittelbarer Schäden wird hingegen angeführt, dass § 67 Abs. 3 Nr. 3 [X.] lediglich bestimmte Mindestversicherungssummen vorschreibe, vertragliche Leistungsausschlüsse aber nicht generell verbiete ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] 6. Aufl. § 19a Rn. 15; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. Rn. 869). Der Gesetzgeber habe keinen [X.] gesehen, obwohl bei Einführung der [X.] die von den Notaren zuvor auf freiwilliger Basis abgeschlossenen Versicherungsverträge die Einschränkungen bereits enthalten hätten. Auch bei der Novelle der [X.] habe der Gesetzgeber das Versicherungskonzept nicht verändert, weil sich das bisherige System der [X.] bewährt habe (Barchewitz, [X.], 1258, 1261; [X.] aaO Rn. 871). Hingewiesen wird weiter auf die Marktüblichkeit der Ausschlusstatbestände ([X.] aaO Rn. 869) und die geringe wirtschaftliche Bedeutung mittelbarer Schäden ([X.] aaO Rn. 866).

(3) Einer Inhaltskontrolle stehen weder der Wortlaut des § 67 Abs. 3 [X.] noch das Verhalten des Gesetzgebers entgegen. Dass § 67 Abs. 3Nr. 3 Satz 1 und 2 [X.] vertragliche Leistungsausschlüsse nicht ausdrücklich verbietet, lässt nicht auf eine Entscheidung des Gesetzgebers für die Zulässigkeit eines Deckungsausschlusses für bestimmte Schadensarten schließen. Auch aus den Gesetzesmaterialien zur 1. Änderung der [X.] ergeben sich keine Hinweise darauf, dass dem Gesetzgeber die damals bereits existierenden (vgl. [X.], [X.] 1982, 90, 93) Deckungsbeschränkungen in den Vertrauensschadenversicherungen bekannt waren. Entsprechendes gilt für die Materialien zur 3. Änderung der [X.]. Die Diskussion in der juristischen Fachliteratur über die Wirksamkeit der Deckungsbeschränkungen entwickelte sich erst nach den Gesetzesänderungen. Mangels einer Erwähnung in der Gesetzesbegründung kann daher nicht angenommen werden, dass dem Gesetzgeber dieses Problem bewusst war.

(4) Nach § 9 Abs. 1 [X.] sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist im Zweifel anzunehmen, wenn diese Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 9 Abs. 2 Ziff. 2 [X.]).

(a) Die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung ist hiernach zwar in erster Linie an den Interessen des Vertragsgegners des Verwenders, hier also an denen der Notarkammer, zu orientieren, während [X.] bei der Angemessenheitskontrolle grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind ([X.], Urteil vom 7. Oktober 1981 - [X.], NJW 1982, 178 unter [X.]; [X.]/Coester, BGB [2006] § 307 Rn. 145; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 307 Rn. 48; [X.]/[X.], [X.]. § 307 Rn. 10). Bei der Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung der Notarkammer ist jedoch auf die Interessen der Geschädigten abzustellen, weil die Notarkammer zum Abschluss der Vertrauensschadenversicherung nach § 67 Abs. 3 Nr. 3 [X.] verpflichtet ist. Wird der mit einer Pflichtversicherung bezweckte Schutz des [X.] wegen der Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen nicht erreicht, ist die Versicherung zur Erfüllung der gesetzlichen Versicherungspflicht untauglich. Eine Beschränkung des Deckungsumfangs, die von den gesetzlichen Vorgaben abweicht, ist daher wesentlich und gefährdet den Vertragszweck (Armbrüster/Dallwig, [X.], 150, 151 f.).

(b) Die Beschränkung der Einstandspflicht des [X.]s in § 4 Ziff. 3 [X.] gefährdet die Erreichung des Zwecks der Pflichtversicherung (§ 9 Abs. 2 Ziff. 2 [X.]).

Die Ausgestaltung als Pflichtversicherung dient nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Schadloshaltung des Geschädigten (Senatsurteile vom 12. Dezember 1990 aaO; vom 27. Mai 1998 aaO; vom 30. September 1998 aaO; [X.], Urteil vom 29. Juli 1991 - [X.] 25/90, NJW 1992, 2423 unter [X.]; ebenso: [X.], [X.], 272, 273; [X.]/Dageförde, 1. Aufl. § 43 Rn. 21; a.[X.], [X.] 1982, 90, 91). Die Einführung der Versicherungspflicht beruhte auf der Überlegung, dass der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes Funktionen ausübt, die aus dem Aufgabenbereich des Staates abgeleitet sind, während andererseits seine Zahlungsfähigkeit von seinen Vermögensverhältnissen abhängt, was für den Geschädigten schwer erträglich ist und eine Erweiterung der Versicherungspflicht in Ergänzung des Staatshaftungsrechts erforderte (BT-Drucks. 8/2782 S. 9; Bericht der Abgeordneten [X.] und [X.], BT-Drucks. 9/597 S. 9). Durch die [X.] wollte der Gesetzgeber den Vermögensschutz sicherstellen, den die Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger schafft (Senatsurteil vom 30. September 1998 aaO).

Diese Funktion eines der Staatshaftung vergleichbaren Schutzes der Geschädigten wird durch den generellen Ausschluss einer Deckung mittelbarer Schäden gefährdet. Aus der gesetzlichen Festlegung der Mindestversicherungssumme auf 250.000 € je Schadensfall folgt, dass eine Schadloshaltung des Geschädigten unterhalb dieser Grenze als unzureichend anzusehen ist. Dass sich diese Untergrenze nur auf den unmittelbar durch das pflichtwidrige Verhalten ausgelösten Vermögensschaden beziehen soll, kann unter Berücksichtigung der Funktion, einen der Staatshaftung vergleichbaren Vermögensschutz zu gewährleisten, nicht angenommen werden. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Amtshaftung wird nicht zwischen mittelbaren und unmittelbaren Schäden differenziert. Zu ersetzen ist das negative Interesse; der Geschädigte ist also so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Handeln des Amtsträgers stünde ([X.], Urteil vom 11. Juli 1996 - [X.], NJW 1996, 3343 unter [X.]). Mittelbare Schäden sind im Verhältnis zum primären Vermögensschaden auch nicht wirtschaftlich unbedeutend, sondern können bei längerem [X.]ablauf während des außergerichtlichen Regulierungsverfahrens und des [X.] einen erheblichen Teil des Gesamtschadens ausmachen. Insbesondere durch den Ausschluss des beispielhaft aufgeführten entgangenen Gewinns sind potentiell große Schadensbeträge durch die Vertrauensschadenversicherung nicht gedeckt (von [X.] in Handbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl. § 20 Rn. 103). Der nach §§ 249 Satz 1, 252 Satz 1 BGB zu ersetzende entgangene Gewinn umfasst alle Vermögensvorteile, die zum [X.]punkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zum Vermögen des Geschädigten gehörten, ohne dieses Ereignis aber angefallen wären ([X.], Urteil vom 11. Mai 1989 - [X.], NJW-RR 1989, 980 unter 2 a). Auch Rechtsverfolgungskosten und der Verlust von [X.]en können bis zum Abschluss des [X.] zu einer erheblichen Vergrößerung des Schadens führen, die vom Geschädigten kaum beeinflussbar, für ihn aber ebenso nachteilig ist wie der primäre Vermögensschaden.

Die Klausel des § 4 Ziff. 3 [X.] benachteiligt daher den Geschädigten und damit auch die Notarkammer unangemessen und ist nach § 9 Abs. 1, § 2 Abs. 2 Ziff. 2 [X.] unwirksam.

2. Unzutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei der Berechnung der [X.] der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme nicht zu berücksichtigen sei.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass nach § 150 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F. Zinsen auch dann geltend gemacht werden können, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung die Versicherungssumme übersteigen, sofern die [X.] auf einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung beruhen.

Diese für Haftpflichtversicherungen geltende Vorschrift ist aufgrund der Funktion der Vertrauensschadenversicherung auch auf Ansprüche gegen den [X.] entsprechend anzuwenden. Eine wirksame Ergänzung der Haftpflichtversicherung des Notars, die einen der Staatshaftung vergleichbaren Schutz gewährleistet, setzt voraus, dass die Vertrauensschadenversicherung in ihrer Handhabung den Regeln der Haftpflichtversicherung folgt (Senatsurteile vom 27. Mai 1998 aaO unter 1; vom 30. September 1998 aaO); die Vertrauensschadenversicherung hat die Funktion einer Haftpflichtversicherung, die das Risiko vorsätzlicher Pflichtverletzungen des Notars in den Versicherungsschutz einschließt (Senatsurteile vom 27. Mai 1998 aaO und 30. September 1998 aaO).

b) Entscheidend ist allerdings, ob der [X.] durch seine Versicherungsbedingungen oder durch sein Verhalten nach Eintritt der Schadensfälle die verspätete Befriedigung der Geschädigten veranlasst hat. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

c) Sollte hinsichtlich der Hauptforderungen die Jahresdeckungssumme (vgl. § 67 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]) überschritten werden, so dass ein Verteilungsverfahren nach § 156 Abs. 3 [X.] a.F. analog durchzuführen ist, können Zinsen nur aus den jeweils anteilig gekürzten Hauptforderungen berechnet werden. Nur insoweit kann der [X.] eine verzögerte Befriedigung veranlasst haben, so dass nur in dieser Höhe ein Regressanspruch des [X.] gegen den [X.] besteht.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht einer Berücksichtigung des Erschöpfungseinwands nicht entgegen, dass über die Hauptforderungen inzwischen rechtskräftig entschieden worden ist. Rechtskräftig festgestellt wurde damit nur das Bestehen einer [X.] der Beklagten in Höhe der Hauptforderungen. Entscheidende Vorfrage für die [X.] ist hingegen, in welcher Höhe der [X.] gegenüber der Notarkammer bzw. der Geschädigten leistungspflichtig ist, da er nur in diesem Umfang eine verzögerte Befriedigung veranlasst haben kann.

Das Berufungsgericht hat daher dem von der Beklagten erhobenen Einwand einer Erschöpfung der Gesamtversicherungssumme nachzugehen.

Dr. [X.]                                                   Dr. Karczewski

                                    [X.] Brockmöller

Meta

IV ZR 75/09

20.07.2011

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 27. Februar 2009, Az: 25 U 2690/08, Urteil

§ 19a Abs 2 S 2 BNotO, § 67 Abs 3 Nr 3 S 1 BNotO, § 9 AGBG, § 307 BGB vom 02.01.2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2011, Az. IV ZR 75/09 (REWIS RS 2011, 4585)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4585

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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