Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. IV ZR 75/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4553

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 75/09

Verkündet am:

20. Juli 2011

Heinekamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] §§ 19a Abs. 2, 67 Abs. 3 Nr. 3; [X.] § 9 Bk (BGB §
307 n.F.
Bk)

1.
Die Vorleistungspflicht des [X.] nach §
19a Abs. 2 Satz 2 [X.] ist der Höhe nach durch den Umfang des Regressanspruchs gegen den [X.] begrenzt.

2.
Der Deckungsausschluss für mittelbare Schäden in § 4 Ziff. 3 der von den Notar-kammern gemäß § 67 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 [X.] abgeschlossenen [X.] ist nach § 9 [X.] (= §
307 BGB n.F.) unwirksam.

[X.], Urteil vom 20. Juli 2011 -
IV ZR 75/09 -
OLG [X.]

LG [X.] I

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsit-zende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin [X.], [X.], [X.] und die Richterin Dr.
Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2011

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 27.
Februar 2009 im Umfang der Zulassung der Revision aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der
Beklagten als ehemaligem
Berufs-haftpflichtversicherer des Notars Dr.
S.

die
Erstattung ihrer Schäden aus drei
Haftpflichtfällen.

Der Notar wurde in zwei
Haftpflichtprozessen rechtskräftig zur Leistung von Schadensersatz an die Klägerin wegen der Verletzung von [X.]handpflichten im Rahmen der Abwicklung von drei
Grundstücksge-schäften verurteilt. [X.] wurden auch [X.] wegen Verzugs 1
2
-
3
-

nach §
288 Abs.
1 Satz
2 BGB
und Ansprüche auf Erstattung von Zinsen, die vor [X.] ohne die Pflichtverletzung auf dem Notarander-konto in Form von Guthabenzinsen zugunsten der Klägerin angefallen wären. Nach Abtretung der
Deckungsansprüche aus dem Berufshaft-pflichtversicherungsvertrag, in dem
der Versicherungsschutz für Schäden infolge wissentlicher Pflichtverletzungen ausgeschlossen ist, nimmt
die Klägerin die Beklagte in Anspruch. Die Klägerin meint, dass sie von der Beklagten jedenfalls eine Vorleistung nach §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.] verlangen könne.

Zur Deckung von Schäden wegen wissentlicher Pflichtverletzungen von Notaren hat die für den Notar
Dr.
S.

zuständige [X.]

eine Vertrauensschadenversicherung abgeschlossen. Der von der Beklagten in Auszügen vorgelegte Versicherungsschein vom 15.
Juni 2005 (im Folgenden: [X.]) des [X.] enthält unter §
4 die folgende Klausel:

"Ausschlüsse
Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund von Schäden,

1.

3. die mittelbar entstehen, wie entgangener Gewinn, [X.], Rechtsverfolgungskosten des Anspruchstel-lers usw.

"

Die Beklagte hat den Einwand der Erschöpfung der Versiche-rungssumme erhoben.

3
4
-
4
-

Das Landgericht, das von wissentlichen Pflichtverletzungen des Notars ausgegangen
ist, hat die Ansprüche der Klägerin auf der [X.] von §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.] als im Wesentlichen begründet an-gesehen. Allerdings könne die Klägerin nicht die
in den [X.] titulierten [X.], sondern lediglich Prozesszinsen geltend machen, da im Rahmen der
Vorleistungspflicht der Beklagten der [X.] für mittelbare Schäden in
§
4 Ziff.
3 [X.] zu berück-sichtigen sei.
Auf die Berufung der Klägerin
hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Vorleistung nach §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.] auch hinsicht-lich
der titulierten [X.] verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

[X.] Nach dessen Auffassung ist die Vorleistungspflicht der Beklagten aus §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.] nicht auf den Betrag beschränkt, den sie im [X.] von dem [X.] ersetzt verlan-gen kann. Für eine derartige Einschränkung
enthalte der Wortlaut des §
19a Abs.
2 Satz
2
[X.] keine Anhaltspunkte. Auf die Frage, ob die Deckungsbeschränkung in §
4 Ziff.
3 [X.] wirksam sei und
einer Gel-tendmachung der [X.] entgegen
stehe, komme es daher nicht an. Der
Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme
in der Ver-trauensschadenversicherung
sei hinsichtlich der noch streitigen Zinsan-sprüche nach §
150 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F. nicht zu berücksichtigen, da 5
6
7
-
5
-

der [X.] durch das Verbot in der Berufshaftpflichtversicherung, an den [X.] zu leisten (§
5 Nr.
5 [X.]), veranlasst worden sei. Zinsen seien aus den bereits rechtskräftig titulierten Hauptforderungen zu [X.]. Diese seien
nicht wegen Erschöpfung der Jahresdeckungs-summe zu kürzen, nachdem sich die Beklagte nicht gegen das Urteil des Landgerichts
gewendet habe.

I[X.] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht, jedoch mit unzu-treffender Begründung
davon ausgegangen, dass den geltend gemach-ten [X.]n die Deckungsbeschränkung in §
4 Ziff.
3 [X.] nicht entgegen gehalten werden kann.

a) Entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts wird die [X.] des [X.]
nach §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.] durch dessen Regressansprüche gegenüber dem [X.] begrenzt. Bereits aus Wortlaut und Zweck der Regelung ergibt sich, dass der [X.] nur in der Höhe vorleistungspflichtig
ist, in der eine Einstandspflicht und damit eine Regresspflicht des [X.] besteht. Indem §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.] eine Vorleistungspflicht "bis zur Höhe"
der für den [X.] geltenden Mindestversicherungssumme anordnet, ist zum einen klargestellt, dass es sich lediglich um eine Ober-grenze handelt.
Zum anderen folgt aus der Formulierung,
dass eine [X.] im Verhältnis zum
[X.] ange-ordnet wird. Dem entspricht die Begründung des Gesetzgebers
für die 8
9
10
-
6
-

Neuregelung des §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.]. Hiernach soll eine zügige Befriedigung des Geschädigten bei Streit über die Frage der Wissent-lichkeit der Pflichtverletzung zwischen Berufshaftpflicht-
und Vertrauens-schadenversicherer erreicht werden, indem eine "Vorleistungspflicht des
[X.] des Notars
im Verhältnis zum
Vertrauens-schadenversicherer"
begründet wird
(vgl. BT-Drucks.
13/11034 S.
38
f.). Der Forderungsübergang nach §
19a Abs.
2 Satz
3 [X.] und der [X.] nach §
19a Abs.
2 Satz
4 [X.] sollen ihm für seine Vorleistung einen vollen Ausgleich gewähren.
Mit dem Charakter als Vorleistungspflicht wäre eine Erweiterung der Einstandspflicht des [X.] über die des [X.] hinaus und damit unabhängig von einer Regressmöglichkeit nicht zu vereinbaren. Zwar gehen nach §
19a Abs.
2 Satz
3
[X.] auch die [X.] des Geschädigten gegen den Notar auf den [X.] über. Es würde jedoch
dem durch die Regressansprüche ver-folgten Ziel
eines vollen Ausgleichs der Vorleistung widersprechen, wenn der
[X.] das Insolvenzrisiko des Notars tragen müsste. Dieses Risiko ist bei Notaren, die sich zu wissentlichen Pflicht-verletzungen verleiten lassen, generell erhöht.

b) Obwohl aus den dargelegten Gründen
Deckungsbeschränkun-gen in der Vertrauensschadenversicherung auch im Rahmen der [X.] nach §
19a Abs.
2 Satz
2 [X.] zu berücksichtigen sind,
steht §
4 Ziff.
3 [X.] den [X.]n der Klägerin nicht entgegen.
Der generelle Ausschluss einer Deckung mittelbarer Schäden ist nach dem hier anzuwendenden §
9 [X.] (Art.
229 §
5 Satz
1 EGBGB) wegen unangemessener Benachteiligung der Notarkammer als Versicherungs-nehmerin unwirksam.

11
-
7
-

aa) Eine Auslegung der Ausschlussklausel ergibt, dass die noch streitigen [X.] jedenfalls teilweise als mittelbare Schäden i.S. des §
4 Ziff.
3 [X.] anzusehen
sind.

[X.]) Eine gesetzliche, von der Rechtsprechung entwickelte oder in der Literatur anerkannte Definition des Begriffs "mittelbarer Schaden"
gibt es nicht, so dass dessen Inhalt im Wege der Auslegung aus dem [X.], insbesondere der Haftungsbegrenzungsklausel
selbst zu ermitteln ist ([X.], Urteil vom
8.
Juni 1994 -
VIII ZR 103/93, NJW 1994, 2228 unter II 2
b).

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senatsurteil vom 23.
Juni 1993 -
IV ZR 135/92, [X.]Z 123, 83, 85). Dabei kommt es auf die Verständ-nismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrecht-liche Spezialkenntnisse und damit -
auch
-
auf seine Interessen an. Bei [X.] geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel es erfordert. Daher sind [X.] nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eng auszulegen und nicht weiter, als es ihr Sinn unter Beach-tung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat,
ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 11.
Dezem-ber 2002 -
IV ZR 226/01,
VersR 2003, 236 unter [X.]; vom 17.
März 1999 -
IV ZR 89/98,
VersR 1999, 748 unter 2 a).
12
13
14
-
8
-

(2) Nicht unter den Begriff des "[X.]es"
und des "mittelba-ren"
Schadens im Sinne dieser Klausel fallen nach diesen Grundsätzen
die
von
der
Klägerin
geltend gemachten
Verzugszinsen gemäß
§
288 Abs.
1 BGB.

Ausgehend von dem Wortlaut der Ausschlussklausel wird der ver-ständige Versicherungsnehmer unter den Begriff "[X.]"
in erster Linie
den Vermögensnachteil fassen, der als Folge des durch das pflichtwidrige Verhalten eintretenden primären Vermögensnachteils in Form eines Verlustes von Zinsen entsteht, d.h. den entgangenen und damit "verlorenen"
[X.]. Dagegen ist der Anspruch auf Verzugs-zinsen nach §
288 Abs.
1 und 2 BGB unabhängig von dem Nachweis ei-nes tatsächlichen Verlustes. Der Verzugszins ist dem Grunde und der Höhe nach als objektiver Mindestschaden gesetzlich festgelegt, so dass dem Schuldner der Beweis, dass tatsächlich kein Schaden entstanden ist, bzw. der Nachweis
eines geringeren Schadens abgeschnitten wird ([X.]/[X.], BGB 70.
Aufl. §
288 Rn.
4). Die [X.] ist allein an das Vorliegen der Verzugsvo-raussetzungen gekoppelt, so dass die [X.] nahe lie-gender ist als die eines Anspruchs auf Ersatz weitergehenden Zinsscha-dens oder entgangenen Gewinns. Da mit einer vorsätzlichen Pflichtver-letzung oftmals
die Zahlungsunfähigkeit des Notars verbunden ist, kann der [X.] regelmäßig
von einer
Verpflichtung des Notars zur Zahlung von Verzugszinsen nach §
288 Abs.
1 BGB aus-gehen.

Auch der erkennbare Zweck des Vertrauensschadenversiche-rungsvertrages und des [X.] spricht für eine enge
Ausle-gung des Begriffs "[X.]". Die Vertrauensschadensversicherung 15
16
17
-
9
-

dient in erster Linie dem Schutz der Geschädigten, außerdem der Wah-rung des Ansehens des [X.] (Senatsurteil vom 12.
Dezember 1990 -
IV ZR 213/89, [X.], 299 unter I 3
a); vom 27.
Mai 1998 -
IV ZR 166/97, [X.], 1016 unter 1; vom 30.
September 1998 -
IV ZR 323/97, [X.], 1504
unter II 2). Beide Zwecke sprechen dafür, dass der Geschädigte zumindest den mit dem primären [X.] nahezu zwangsläufig verbundenen gesetzlichen Verzugsschaden geltend machen kann. Soweit man den Grund für den Ausschluss mittel-barer Schäden in der Begrenzung und Kalkulierbarkeit des [X.] sieht, wird dieses Ziel bereits durch die in §
3 I
Abs.
1 [X.] fest-gelegte Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall erreicht, was der durchschnittliche Versicherungsnehmer den [X.] ohne weiteres ent-nehmen kann. Eine weite Auslegung des Begriffs "mittelbarer Schaden"
ist also auch nicht aufgrund berechtigter Interessen der
Vertrauensscha-denversicherer oder der Prämien
zahlenden Notarkammern und ihrer Mitglieder geboten.

Gesetzliche Verzugszinsen nach §
288 Abs.
1 BGB sind daher nicht von der Ausschlussklausel des §
4 Ziff.
3 [X.] erfasst.

(3) Als mittelbarer Schaden sind hingegen die darüber hinaus strei-tigen Zinsen
in Höhe von 1,5% aus 96.150,99

Okto-ber 2000 bis zum 15.
Februar 2002 und aus 83.432,61

2.
Oktober 2000 bis zum 15.
März 2003
anzusehen. Dabei handelt es sich um Zinsen,
die vor [X.] ohne das pflichtwidrige Ereignis auf dem [X.] in Form von Guthabenzinsen zugunsten der Klägerin angefallen wären, d.h. um entgangenen Gewinn i.S.
von §
252 BGB. [X.] Gewinn wird in §
4 Ziff.
3 [X.] ausdrücklich zur [X.] des Begriffs
des
"mittelbaren"
Schadens
aufgeführt.
18
19
-
10
-

bb) Der so auszulegende Ausschluss einer Einstandspflicht für mit-telbare Schäden benachteiligt die [X.]

, die Streithelferin der Beklagten, entgegen den Geboten von [X.] und Glau-ben unangemessen und ist daher
nach §
9 [X.]
unwirksam.

[X.]) Die Klausel ist grundsätzlich kontrollfähig.

(a) Nach §
24 [X.] ist eine Inhaltskontrolle jedenfalls am Maß-stab des § 9 [X.] vorzunehmen, so dass die Frage, ob die [X.] aus-schließlich gegenüber der Notarkammer als Körperschaft des öffentli-chen Rechts "verwendet"
wurden, keiner Entscheidung bedarf.

(b) Einer Inhaltskontrolle der Deckungsbeschränkung am Maßstab des §
9 [X.] steht auch §
8 [X.] nicht entgegen. Hiernach ist ledig-lich die Leistungsbeschreibung, die den unmittelbaren Gegenstand der geschuldeten Hauptleistung festlegt und ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen [X.] ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann, einer [X.] entzogen. Die Vorschrift hindert eine richterliche Inhaltskontrolle hingegen nicht, wenn die betreffende Klausel nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Zweck das vom Versicherer gegebene Hauptleistungsver-sprechen lediglich einschränkt, verändert, ausgestaltet oder sonst modi-fiziert (Senatsurteil vom 26.
September 2007 -
IV ZR 252/06, [X.], 1690 Rn.
13). Das Hauptleistungsversprechen wird in §§
1 und 2 [X.] derart umschrieben, dass der wesentliche Vertragsinhalt bestimmt werden kann. Nach §
1 Abs.
1 [X.] übernimmt der [X.], die [X.] durch vorsätzliche Handlungen von Vertrauenspersonen i.S.
von §
2 Abs.
1 [X.] in Aus-20
21
22
23
-
11
-

übung ihrer Berufstätigkeit zugefügt werden. Bereits durch die
Formulie-rung "Vermögensschaden"
sind grundsätzlich alle Schadensarten von dieser primären Risikobeschreibung umfasst. Nach §
1 Abs.
2 [X.] wird die Höhe der Versicherungsleistung durch den "Umfang der Schadenser-satzpflicht der Vertrauensperson"
bestimmt, richtet sich also nach den allgemeinen Grundsätzen der [X.]. Dieses Versprechen wird durch §
4 Nr.
3 [X.] unter der Überschrift "Ausschluss"
für den Bereich der mittelbaren Schäden wieder eingeschränkt.

(2) Die Frage der Wirksamkeit des Ausschlusses einer Einstands-pflicht für mittelbare Schäden in den Vertrauensschadenversicherungen der Notarkammern ist in
der Literatur umstritten.

Teilweise
wird die Ausschlussklausel
für unwirksam gehalten, da die Funktion der Vertrauensschadenversicherung, eine vollständige Schadloshaltung des Geschädigten auch im [X.] bis zur Höhe der gesetzlichen Mindestversicherungssumme ([X.] in [X.]/[X.], Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
2006 A IV Rn.
225) und ei-nen der Staatshaftung vergleichbaren Schutz zu gewährleisten ([X.], [X.] 2.
Aufl. Rn.
319), verfehlt werde.

Als Argument für die Wirksamkeit des Ausschlusses mittelbarer Schäden wird hingegen
angeführt, dass §
67 Abs.
3 Nr.
3 [X.] ledig-lich bestimmte Mindestversicherungssummen vorschreibe, vertragliche Leistungsausschlüsse aber nicht generell verbiete ([X.] in [X.]/
[X.]/[X.], [X.] 6.
Aufl. §
19a Rn.
15; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 3.
Aufl.
Rn.
869). Der
Gesetzge-ber habe keinen [X.] gesehen, obwohl bei Einführung der [X.] die von den Notaren zuvor auf freiwil-24
25
26
-
12
-

liger Basis abgeschlossenen Versicherungsverträge die Einschränkun-gen bereits enthalten hätten. Auch bei der Novelle der [X.] habe der Gesetzgeber das Versicherungskonzept nicht verändert, weil sich das bisherige System der [X.] bewährt habe
(Barchewitz,
[X.], 1258, 1261; [X.]
aaO Rn.
871). Hingewiesen wird weiter auf die Marktüblichkeit der [X.] ([X.]
aaO
Rn.
869) und die geringe
wirtschaftli-che Bedeutung mittelbarer Schäden ([X.]
aaO Rn.
866).

(3) Einer Inhaltskontrolle stehen weder der Wortlaut des §
67 Abs.
3 [X.] noch das Verhalten des Gesetzgebers entgegen. Dass §
67 Abs.
3Nr.
3 Satz
1 und 2 [X.] vertragliche Leistungsausschlüsse nicht ausdrücklich verbietet, lässt nicht auf eine Entscheidung des Ge-setzgebers für die Zulässigkeit eines Deckungsausschlusses
für be-stimmte Schadensarten
schließen. Auch aus den Gesetzesmaterialien zur 1. Änderung der [X.] ergeben sich keine Hinweise darauf, dass dem Gesetzgeber [X.], [X.] 1982, 90, 93) Deckungsbeschränkungen in den [X.] bekannt waren. Entsprechendes gilt für die Materia-lien zur 3. Änderung der [X.]. Die Diskussion in der juristischen Fach-literatur über die Wirksamkeit der Deckungsbeschränkungen entwickelte sich erst nach den Gesetzesänderungen. Mangels einer Erwähnung in der Gesetzesbegründung kann daher nicht angenommen werden, dass dem Gesetzgeber dieses Problem bewusst war.

(4) Nach §
9 Abs.
1 [X.] sind Bestimmungen in Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des [X.] entgegen den Geboten von [X.] und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist im Zweifel anzunehmen, wenn diese Bestimmung 27
28
-
13
-

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks [X.] ist (§
9 Abs.
2 Ziff.
2 [X.]).

(a) Die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung ist [X.] zwar
in erster Linie an den Interessen
des Vertragsgegners des Verwenders, hier also an denen
der Notarkammer, zu orientieren, [X.] bei der Angemessenheitskontrolle grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind
([X.], Urteil vom 7.
Oktober 1981 -
VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178 unter [X.]; [X.]/Coester, BGB [2006] §
307 Rn.
145; [X.]/[X.], 5.
Aufl. §
307 Rn.
48; [X.]/[X.], BGB 12.
Aufl.
§
307 Rn.
10). Bei der Prüfung ei-ner
unangemessenen
Benachteiligung der Notarkammer
ist jedoch auf die Interessen der Geschädigten abzustellen, weil die Notarkammer
zum Abschluss der Vertrauensschadenversicherung nach §
67 Abs.
3 Nr.
3 [X.] verpflichtet ist. Wird der mit einer Pflichtversicherung bezweckte Schutz des [X.] wegen der Ausgestaltung der [X.] nicht erreicht, ist die Versicherung zur Erfüllung der gesetzlichen Versicherungspflicht untauglich. Eine Beschränkung des Deckungsum-fangs, die von den gesetzlichen Vorgaben abweicht, ist daher wesentlich und gefährdet den Vertragszweck (Armbrüster/Dallwig, [X.], 150, 151
f.).

(b) Die Beschränkung der Einstandspflicht des [X.] in §
4 Ziff.
3 [X.]
gefährdet die Erreichung des Zwecks der Pflichtversicherung (§
9 Abs.
2 Ziff.
2 [X.]).

Die Ausgestaltung als Pflichtversicherung dient nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie der Schadloshaltung des Geschädigten 29
30
31
-
14
-

(Senatsurteile
vom 12.
Dezember 1990 aaO; vom 27.
Mai 1998 aaO; vom 30.
September 1998 aaO; [X.], Urteil vom 29.
Juli 1991 -
NotZ 25/90, NJW 1992, 2423 unter [X.]; ebenso: [X.], [X.], 272, 273; [X.]/Dageförde,
1.
Aufl. §
43 Rn.
21; a.A. Zimmer-mann, [X.] 1982, 90, 91). Die Einführung der Versicherungspflicht be-ruhte auf der Überlegung, dass der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes Funktionen ausübt, die aus dem Aufgabenbereich des Staates abgeleitet sind, während andererseits seine Zahlungsfähigkeit von sei-nen Vermögensverhältnissen abhängt, was für den Geschädigten schwer erträglich ist und eine Erweiterung der Versicherungspflicht in Ergänzung des Staatshaftungsrechts erforderte
(BT-Drucks.
8/2782 S.
9; Bericht der Abgeordneten [X.] und Dr.
Langner, BT-Drucks.
9/597
S.
9). Durch die Gruppenanschluss-
und
Vertrauensschadenversicherung wollte der Gesetzgeber den Vermögensschutz sicherstellen, den
die Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger schafft
(Senatsurteil vom 30.
September 1998 aaO).

Diese Funktion eines der Staatshaftung vergleichbaren Schutzes der Geschädigten wird durch den generellen Ausschluss einer Deckung mittelbarer Schäden gefährdet. Aus der gesetzlichen Festlegung der Mindestversicherungssumme auf 250.000

eine Schadloshaltung des Geschädigten unterhalb
dieser Grenze als un-zureichend anzusehen ist. Dass sich diese Untergrenze nur auf den un-mittelbar durch das pflichtwidrige Verhalten ausgelösten Vermögens-schaden beziehen soll, kann unter Berücksichtigung der Funktion, einen der Staatshaftung vergleichbaren Vermögensschutz zu gewährleisten, nicht angenommen werden. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Amtshaftung wird nicht zwischen mittelbaren und unmittelbaren Schäden differenziert. Zu ersetzen ist das negative Interesse;
der Geschädigte ist 32
-
15
-

also so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Handeln des Amtsträgers stünde
([X.], Urteil vom 11.
Juli 1996 -
IX ZR 116/95, NJW 1996, 3343
unter [X.]). Mittelbare Schäden sind im Verhältnis zum primären Vermö-gensschaden auch nicht wirtschaftlich unbedeutend, sondern können bei längerem Zeitablauf während des außergerichtlichen [X.] und des [X.] einen erheblichen Teil des Ge-samtschadens ausmachen. Insbesondere durch den Ausschluss des [X.] aufgeführten entgangenen Gewinns sind potentiell große
Scha-densbeträge durch die Vertrauensschadenversicherung nicht gedeckt (von [X.] in Handbuch Versicherungsrecht, 4.
Aufl. §
20
Rn.
103). Der
nach §§
249 Satz
1, 252 Satz
1 BGB zu ersetzende entgangene Gewinn umfasst alle Vermögensvorteile, die zum Zeitpunkt des [X.] zwar noch nicht zum Vermögen des Geschädigten gehörten, ohne dieses Ereignis aber angefallen wären ([X.], Urteil vom 11.
Mai 1989 -
VII ZR 39/88, NJW-RR 1989, 980 unter 2 a). Auch
Rechtsverfolgungskosten und der
Verlust von [X.]en können
bis zum Abschluss
des [X.] zu einer erheblichen Vergröße-rung des Schadens führen, die vom Geschädigten kaum
beeinflussbar, für ihn aber ebenso nachteilig ist wie der primäre
Vermögensschaden.

Die Klausel des §
4 Ziff.
3 [X.] benachteiligt daher den Geschä-digten und damit auch die Notarkammer unangemessen und ist nach §
9 Abs.
1, §
2 Abs.
2 Ziff.
2 [X.] unwirksam.

2. [X.] ist
die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei der Berechnung der [X.] der Einwand der Erschöpfung der Versicherungssumme nicht zu berücksichtigen sei.

33
34
-
16
-

a) Zu Recht ist
das Berufungsgericht allerdings davon ausgegan-gen, dass nach §
150 Abs.
2 Satz
2 VVG a.F. Zinsen auch dann geltend gemacht werden können, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung die Versicherungssumme übersteigen, sofern die [X.] auf einer vom Versicherer veranlassten Verzögerung beruhen.

Diese
für Haftpflichtversicherungen geltende
Vorschrift ist auf-grund der
Funktion der Vertrauensschadenversicherung auch auf [X.] gegen den [X.] entsprechend
anzu-wenden.
Eine wirksame Ergänzung der Haftpflichtversicherung des No-tars, die einen der Staatshaftung vergleichbaren Schutz gewährleistet, setzt voraus, dass die Vertrauensschadenversicherung in ihrer Handha-bung den Regeln der Haftpflichtversicherung folgt
(Senatsurteile vom 27.
Mai 1998 aaO
unter 1; vom 30.
September 1998 aaO); die Vertrau-ensschadenversicherung hat die Funktion einer Haftpflichtversicherung, die das Risiko vorsätzlicher Pflichtverletzungen des Notars in den Versi-cherungsschutz einschließt (Senatsurteile vom 27.
Mai 1998 aaO und 30.
September 1998 aaO).

b) Entscheidend ist allerdings, ob der [X.] durch seine Versicherungsbedingungen oder durch sein Verhalten nach Eintritt der Schadensfälle die verspätete Befriedigung der Geschä-digten veranlasst hat. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststel-lungen getroffen.

c) Sollte hinsichtlich der Hauptforderungen die Jahresdeckungs-summe (vgl. §
67 Abs.
3 Satz
2 Halbsatz
2
[X.]) überschritten werden, so dass ein Verteilungsverfahren nach §
156 Abs.
3 VVG a.F.
analog
durchzuführen ist, können Zinsen nur aus den jeweils anteilig gekürzten 35
36
37
38
-
17
-

Hauptforderungen berechnet werden. Nur
insoweit kann der Vertrauens-schadenversicherer eine verzögerte Befriedigung veranlasst haben, so dass nur in dieser Höhe ein Regressanspruch des Berufshaftpflichtversi-cherers gegen den [X.] besteht.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht einer Be-rücksichtigung des Erschöpfungseinwands nicht entgegen, dass über die Hauptforderungen inzwischen rechtskräftig entschieden worden ist. Rechtskräftig festgestellt wurde damit nur das Bestehen einer [X.] der Beklagten
in Höhe der Hauptforderungen. Entscheidende Vorfrage für die [X.] ist hingegen, in welcher Höhe der [X.] gegenüber der Notarkammer bzw. der
Ge-schädigten leistungspflichtig ist, da er nur in diesem
Umfang eine verzö-gerte Befriedigung veranlasst haben kann.

39
-
18
-

Das Berufungsgericht hat daher dem von der Beklagten erhobenen Einwand einer Erschöpfung der Gesamtversicherungssumme nachzuge-hen.

Dr. [X.][X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 06.02.2008 -
25 O 22194/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.02.2009 -
25 U 2690/08 -

40

Meta

IV ZR 75/09

20.07.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. IV ZR 75/09 (REWIS RS 2011, 4553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4553

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 75/09 (Bundesgerichtshof)

Berufshaftpflichtversicherung des Notars: Begrenzung der Vorleistungspflicht; Wirksamkeit des Deckungsausschlusses für mittelbare Schäden in Vertrauensschadenversicherungsverträgen


IV ZR 291/10 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 291/10 (Bundesgerichtshof)

Haftpflichtversicherung der Notare: Aufwendungsersatzanspruch des Haftpflichtversicherers bei wissentlicher Pflichtverletzung des Notars und Übergang der Ansprüche …


IV ZR 209/10 (Bundesgerichtshof)

Berufshaftpflichtversicherung der Notare: Umfang der Vorleistungspflicht; Wirksamkeit der Ausschlussfristregelung für die Schadenmeldung in der Vertrauensschadenversicherung …


IV ZR 180/10 (Bundesgerichtshof)

Vertrauensschadensversicherung der Notarkammern: Anspruch der Berufshaftpflichtversicherung eines pflichtwidrig handelnden Notars auf Aufwendungsersatz; Ausschlussfristregelung für die …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 75/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.