Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2014, Az. VI ZR 507/13

6. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2068

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Gegenstand

Schadenersatz bei Kfz-Unfall: Wirksamkeit der Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung von Sachverständigenkosten durch einen Sachverständigen an ein Factoring-Unternehmen


Leitsatz

Die Abtretung einer Forderung (hier: des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten) durch einen Sachverständigen an ein Factoring-Unternehmen, das nicht über eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verfügt, ist wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß § 134 BGB nichtig, wenn das Factoring-Unternehmen nicht das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des [X.] vom 24. Oktober 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die ein Unternehmen für Factoring-Dienstleistungen betreibt, macht gegenüber dem beklagten [X.] aus abgetretenem Recht Ansprüche auf Erstattung von Sachverständigenkosten geltend. Diese hat ein durch einen Verkehrsunfall Geschädigter an den von ihm mit der Begutachtung des Schadens beauftragten Kfz-Sachverständigen abgetreten, der seinerseits auf der Grundlage einer "Dienstleistungsvereinbarung" vom 27. Juli 2010 die Forderung an die Klägerin abgetreten hat. Nach Ziffer 1 der überwiegend formularmäßigen "Dienstleistungsvereinbarung" übernimmt die Klägerin für die eingereichten Forderungen den Einzug. Bei ankaufsfähigen Forderungen erfolgt der Einzug mit Vorfinanzierung und Übernahme des Ausfallrisikos. Die Auszahlung des Rechnungsbetrages der ankaufsfähigen Forderungen erfolgt nach Ziffer 2 der Vereinbarung zu (handschriftlich ergänzten) 80 % nach drei Bankarbeitstagen abzüglich der [X.]. Ferner enthält Ziffer 2 den handschriftlichen Zusatz: "Auszahlung der restlichen 20 % erfolgt nach Zahlungseingang".

2

Die Beklagte hält die Abtretungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (im Folgenden: [X.]) für unwirksam und hat hilfsweise die Aufrechnung mit einem vermeintlichen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Sachverständigen erklärt.

3

Das Amtsgericht hat die Abtretungen für wirksam erachtet und der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Auffassung des Berufungsgerichts fehlt der Klägerin die Aktivlegitimation, weil die Abtretungsvereinbarung zwischen ihr und dem Sachverständigen gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 3 [X.] nichtig sei. Eine Erlaubnis zur Erbringung von selbständigen Rechtsdienstleistungen sei der Klägerin unstreitig nicht erteilt worden. Die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Beklagten sei eine erlaubnispflichtige Inkassodienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 [X.], da die Klägerin auf fremde Rechnung handele. Ausweislich ihres Internetauftritts biete sie ihre Dienstleistungen im Rahmen des [X.] dergestalt an, dass das wirtschaftliche Ergebnis dem Zedenten zu [X.] kommen soll. An dem Tatbestandsmerkmal der Fremdheit ändere auch der vorgelegte [X.] zwischen dem Sachverständigen und der Klägerin nichts. Im Gegenteil bestätige dieser, dass die Klägerin nicht das volle Risiko der Beitreibung der Forderung übernommen habe, weil die Auszahlung der restlichen 20 % vom Zahlungseingang abhängig sei.

II.

5

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die (Zweit-)Abtretung der Forderung durch den Sachverständigen an die Klägerin ohne Rechtsfehler wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 3 [X.] gemäß § 134 BGB als nichtig erachtet.

6

1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen eine Rechtsdienstleistung, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nach § 3 [X.] nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. [X.] im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] dürfen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] nur von Personen, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde erbracht werden.

7

Die Einziehung einer abgetretenen Forderung auf fremde Rechnung (Inkassozession) soll nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 30. November 2006 unter Erlaubnisvorbehalt stehen, weil hier nur die formale Forderungsinhaberschaft auf den [X.] übertragen wird, die Einziehung aber weiterhin auf Risiko und Rechnung des Zedenten erfolgt und die Forderung für den Zessionar wirtschaftlich fremd bleibt (BT-Drucks. 16/3655, [X.] f., 48). Sie ist von den Fällen des Forderungskaufs abzugrenzen, "bei denen ein endgültiger Forderungserwerb stattfindet und das Risiko des [X.] auf den Erwerber übergeht" (aaO, S. 48), so dass die Einziehung auf eigene Rechnung erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem [X.] zukommen soll, wobei nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten ihr zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen ist, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die eine Umgehung des Gesetzes durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze vermeidet. Entscheidend ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das [X.], das heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (vgl. [X.], Urteile vom 30. Oktober 2012 - [X.], [X.], 59 Rn. 13 f., vom 11. Dezember 2013 - [X.], NJW 2014, 847 Rn. 18 und vom 11. Dezember 2013 - [X.], juris Rn. 18; Beschluss vom 11. Juni 2013 - [X.], [X.], 1559 Rn. 3; vgl. auch OLG Nürnberg, NJW-RR 2014, 852).

8

2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der zwischen dem Zedenten und der Klägerin geschlossenen "Dienstleistungsvereinbarung" vom 27. Juli 2010, wonach die Klägerin als [X.] das wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung nicht voll, sondern nur teilweise (zu 80 %) übernommen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

a) Das Revisionsgericht überprüft die Auslegung von Individualvereinbarungen durch den Tatrichter nur darauf, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, anerkannte Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 30. Oktober 2012 - [X.], aaO Rn. 12 mwN). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor und werden von der Revision nicht aufgezeigt.

b) Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht sich nicht nur in seinem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss auf den Internetauftritt der Klägerin gestützt, sondern darüber hinaus ausdrücklich die individuelle (handschriftliche) Vereinbarung zwischen dem Zedenten und der Klägerin berücksichtigt, wonach die Auszahlung der restlichen 20 % vom Zahlungseingang abhängig ist und mithin die Klägerin - ebenso wie in den [X.] in ihrem Internetauftritt - auch im konkreten Fall nicht das volle wirtschaftliche Risiko übernommen hat. Hiergegen ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

c) An der Beurteilung würde sich nichts ändern, wenn man der Revision darin folgte, dass die handschriftliche Zusatzvereinbarung als Fälligkeitsabrede anzusehen sei (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2013 - [X.], aaO Rn. 21). Denn der Zedent trägt einen Teil des [X.]s auch dann, wenn der Anspruch auf Auszahlung der restlichen 20 % mangels Zahlungseingangs niemals fällig wird. Da die Klägerin im konkreten Fall nicht das volle wirtschaftliche Risiko übernommen hat und sie deshalb mit der Einziehung der an sie abgetretenen Forderung insgesamt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 3 [X.] betreibt, kommt auch - wie die Revision in der mündlichen Verhandlung zu erwägen gegeben hat - eine Teilnichtigkeit nicht in Betracht.

3. Die Einziehung wird von der Klägerin zudem als eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] betrieben. Ein solches liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt ([X.], Urteile vom 30. Oktober 2012 - [X.], aaO Rn. 21, und vom 11. Dezember 2013 - [X.], aaO Rn. 29). Die Einziehung abgetretener Forderungen bildet nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Hauptgeschäft der Klägerin, wovon auch die Revision ausgeht. Damit ist zugleich festgestellt, dass die Inkassotätigkeit der Klägerin keine bloße Nebenleistung im Sinne von § 5 [X.] darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2013 - [X.], aaO Rn. 30).

Galke                    Wellner                       [X.]

              [X.]                      v. [X.]

Meta

VI ZR 507/13

21.10.2014

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hannover, 24. Oktober 2013, Az: 8 S 27/13

§ 134 BGB, § 2 Abs 2 S 1 Alt 2 RDG, § 3 RDG, § 10 Abs 1 S 1 Nr 1 RDG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2014, Az. VI ZR 507/13 (REWIS RS 2014, 2068)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 397 REWIS RS 2014, 2068

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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