Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2009, Az. 3 StR 547/08

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2197

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[X.] vom 6. August 2009 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 6. August 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. [X.] wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen "Beihilfe zu fünf Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. 1 Das Urteil muss aufgehoben werden, weil das [X.] den Ange-klagten in rechtsfehlerhafter Weise während einzelner Teile der Verhandlung beurlaubt hat (§ 230 Abs. 1, §§ 231 c, 338 Nr. 5 StPO). 2 1. Nach den Feststellungen des [X.] bildete sich vor Juni 2004 eine Bande, die sich damit befasste, in [X.] mehrere Plantagen zum Zweck der industriellen Aufzucht von Cannabis zu errichten sowie die gewon-nenen Betäubungsmittel zu verwerten. Der Bande gehörten neben drei in [X.] ansässigen Personen auch die gesondert verfolgten [X.] und 3 - 3 - [X.]an, die als Stellvertreter der [X.] Hintermänner fungierten und die Plantagen leiteten. [X.]verrichtete zudem in zwei der Plantagen die erforderlichen Elektroinstallationsarbeiten. Im Juni / Juli 2004 vermietete der Angeklagte an Bandenmitglieder Räumlichkeiten auf seinem Hof in [X.]

. Er war sich dabei bewusst, dass auf der ca. 500 qm großen Fläche eine industriell betriebene Aufzuchtanlage errichtet werden soll-te. Er willigte wegen des in Aussicht gestellten Gewinns ein und schloss sich der Bande an. An den Ausbauarbeiten beteiligte er sich, abgesehen vom Transport eines Stromaggregats mit seinem Gabelstapler, nicht. In der [X.] wurden in der Plantage fünf Ernten erzielt und verwertet. Danach wurde die Aufzuchtanlage stillgelegt. Der Angeklagte erhielt insgesamt 20.000 •. 2. Der Verfahrensrüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 4 Das [X.] hat den Angeklagten auf seinen Antrag für den [X.] des 29. August 2007 beurlaubt, "da an diesem Sitzungstag nur [X.] Gegenstand der Sitzung sind, von denen der Angeklagte nicht betroffen ist, nämlich die Vernehmung des Zeugen [X.]". An [X.] ist in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zuerst der Zeuge [X.] hervorgerufen und, nachdem er von seinem [X.] Gebrauch gemacht hatte, alsbald wieder entlassen [X.]. Sodann hat der Verteidiger des Mitangeklagten [X.] , Rechtsanwalt [X.], einen Beweisantrag auf Vernehmung der in [X.] woh-nenden früheren Lebensgefährtin dieses Angeklagten verlesen. Nach einer [X.] hat der Vorsitzende mitgeteilt, dass die Zeugin, wie eine [X.] Nachfrage ergeben habe, nicht bereit sei, sich in der Hauptverhandlung vernehmen zu lassen. 5 - 4 - Durch einen weiteren Beschluss ist der Angeklagte auf seinen Antrag für den Sitzungstag am 17. Oktober 2007 beurlaubt worden, "da [X.] (Vernehmung der Zeugin [X.]. und weitere Anträge von [X.] ) stattfinden, von denen sie [= der Angeklagte sowie der ebenfalls be-urlaubte Mitangeklagte [X.]] nicht betroffen sein werden". An diesem Tag ist in Abwesenheit des Angeklagten die Zeugin [X.].

vernommen [X.]. Sodann hat der Verteidiger des Mitangeklagten [X.] einen Beweisantrag auf Vernehmung der Tochter dieser Zeugin verlesen. Daraufhin hat der Angeklagte per Telefax beantragt, "für den heutigen [X.]" beurlaubt zu werden. Diesem Antrag hat die [X.], da der Angeklagte "von den vorgesehenen Teilen der Verhandlung nicht betroffen" ist. In Abwesenheit des Angeklagten hat das [X.] an diesem Verhandlungstag sodann noch vier weitere Zeugen gehört, Lichtbilder in [X.] genommen und die Zeugin [X.]. erneut vernommen. 6 Zuletzt ist der Angeklagte auf seinen Antrag für den Sitzungstag am 15. November 2007 beurlaubt worden, "soweit der Zeuge S. vernommen werden soll und soweit Rechtsanwalt [X.] weitere Anträge stellt in Bezug auf seinen Mandanten." In Abwesenheit des Angeklagten ist der Zeuge [X.]

vernommen worden. Zudem sind Lichtbilder in Augenschein genommen worden. Sodann hat Rechtsanwalt [X.]
einen Antrag auf Verlesung von [X.] gestellt. Diesem Antrag ist die Strafkammer nachgekommen und hat 24 Urkunden (Rechnungen des Mitangeklagten [X.], gestellt gegen-über dem Zeugen [X.]über Küchenmontagen) verlesen. 7 3. Die Verfahrensweise der Kammer hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 8 - 5 - a) Das Gericht kann, wenn die Hauptverhandlung gegen mehrere Ange-klagte stattfindet, einem Angeklagten, ggf. auch seinem Verteidiger, auf Antrag gestatten, sich während einzelner [X.] zu entfernen, wenn er von diesen nicht betroffen ist. In dem Beschluss sind die [X.] zu be-zeichnen, für die die Erlaubnis gilt (§ 231 c Satz 1 und 2 StPO). 9 b) Danach ist bereits dann rechtsfehlerhaft in Abwesenheit des Ange-klagten verhandelt worden (§ 338 Nr. 5 StPO), wenn die in dem Beschluss über die [X.] festgelegte inhaltliche Begrenzung des [X.] nicht eingehalten worden ist. So liegt es hier bezüglich der Sitzung vom 29. August 2007, in der über den im Beschluss bezeichneten Umfang hinaus ein Beweisantrag entgegengenommen worden und über diesen - in Form der Mitteilung der von der Kammer ermittelten Umstände - verhandelt worden ist. Gleiches gilt für die Sitzung vom 15. November 2007, in der eine Augen-scheinseinnahme stattgefunden hat und zahlreiche Urkunden verlesen worden sind, obwohl sie in dem [X.] keine Erwähnung gefunden haben. 10 c) Zudem ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass der Angeklagte von den [X.]n, die in seiner Abwesenheit stattgefunden haben, betroffen war. Nicht betroffen wäre er nur gewesen, wenn ausgeschlossen wer-den könnte, dass die während seiner Abwesenheit behandelten Umstände auch nur mittelbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berühren ([X.], 400). Dies ist nicht möglich. Sämtliche Beweisanträge dienten dem Ziel, die Verteidigung des die Tatvorwürfe bestreitenden Mitangeklagten [X.] zu stützen und zur Entlastung dieses Angeklagten beizutragen. Die Beweiserhebungen dienten demzufolge dem Zweck, den entlastenden Behaup-tungen nachzugehen. [X.] war des Bandenhandels mit [X.] - 6 - bungsmitteln angeklagt. Die Art und das Ergebnis seiner [X.] konnten durchaus Bedeutung für den Angeklagten gewinnen, der sich zum Zeitpunkt der Beurlaubung ebenfalls bestreitend gegen den Vorwurf der Zugehörigkeit zu eben derselben Bande sowie der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmittel verteidigt hat. d) Der [X.] hat wiederholt darauf hingewiesen, dass von der Möglichkeit der Beurlaubung nach § 231 c StPO nur äußerst vorsichtig Gebrauch gemacht werden sollte, weil diese Verfahrensmaßnahme leicht einen absoluten Revisionsgrund schaffen kann ([X.] bei [X.] 1979, 807; bei [X.] NStZ 1989, 219; [X.]R StPO § 231 c Betroffensein 1; [X.] NStZ 1981, 111). Dem Senat erscheint es ausgeschlossen, von § 231 c StPO im Rahmen eines Strafverfahrens Gebrauch zu machen, das sich gegen mehrere Angeklagte wegen bandenmäßiger Begehung von Straftaten richtet. 12 4. Der Senat bemerkt ergänzend: Der Verfahrensrüge steht nicht entge-gen, dass der Angeklagte jeweils selbst seine Beurlaubung beantragt hat. Die-ser kann zwar einen Antrag auf Beurlaubung stellen, darüber hinaus aber über seine Anwesenheitspflicht nicht disponieren. Ob die Voraussetzungen des § 231 c Satz 1 StPO vorliegen, hat das Gericht jeweils eigenverantwortlich zu prüfen. 13 Die Rüge scheitert zuletzt auch nicht daran, dass der Angeklagte am 42. Hauptverhandlungstag im [X.] an eine Höchststrafenzusage der Strafkammer den Tatvorwurf eingeräumt hat. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen bleibt dem Angeklagten uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausge-gangen ist. Dies folgt aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im 14 - 7 - Strafverfahren vom 29. Juli 2009 ([X.]), das - entgegen früheren Über-legungen im Gesetzgebungsverfahren (vgl. § 337 Abs. 3 StPO-Diskussionsentwurf [X.], Stand: 22. März 2006; ebenso Gesetzesantrag Nie-dersachsen BR Drucks. 235/06) - nach einer solchen Verfahrensbeendigung keine Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis vorsieht. VRi[X.] [X.] hat Urlaub und ist deshalb gehindert, seine Unterschrift beizufügen. [X.] Sost-Scheible [X.]

Meta

3 StR 547/08

06.08.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.08.2009, Az. 3 StR 547/08 (REWIS RS 2009, 2197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2197

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