Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2017, Az. 1 StR 491/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2009

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Gegenstand

Schwerer Bandendiebstahl: Doppelverwertung der bandenmäßigen Tatbegehung bei der Strafzumessung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 10. Juli 2017, soweit es diesen Angeklagten betrifft, aufgehoben

a) im Schuldspruch in den Fällen 1.1 bis 1.3, 1.5 und 1.6, 1.10 und 1.11 sowie 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe,

b) im gesamten Strafausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „schweren [X.]s in elf tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit versuchtem schweren [X.] in Tateinheit mit Sachbeschädigung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

2

Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

Die nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]und [X.]sowie der Angeklagte [X.]     schlossen sich gemeinsam mit den anderweitig Verfolgten [X.]    , [X.]     , D.    und [X.].   und mindestens einem weiteren unbekannten Bandenmitglied zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 5. Oktober 2016 in der Absicht zusammen, künftig gemeinsam eine Mehrzahl von [X.] zu begehen und sich hieraus eine Einnahmequelle von gewisser Dauer und nicht unerheblichem Umfang zu erschließen. Dem gemeinsamen [X.] entsprechend begingen die nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]und [X.] als unmittelbar Tatausführende elf [X.] in verschiedene Geschäftsräume, und zwar in der Nacht vom 5. Oktober 2016 auf den 6. Oktober 2016 in   A.    (Fälle 1.1 bis 1.3, 1.5 und 1.6 der Urteilsgründe), zwischen dem 5. Oktober 2016, 22.40 Uhr und dem 6. Oktober 2016, 22.55 Uhr in [X.]     (Fall 1.8 der Urteilsgründe), am 6. Oktober 2016 zwischen 1.00 Uhr und 6.00 Uhr in [X.].     (Fälle 1.10 und 1.11 der Urteilsgründe) sowie in der Nacht vom 7. Oktober 2016 auf den 8. Oktober 2016 in    E.    (Fälle 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe).

5

Der Tatbeitrag des Angeklagten [X.]        bestand jeweils darin, die Mitangeklagten [X.]und [X.] von der Wohnung des weiteren - nicht revidierenden - Mitangeklagten [X.]     mit einem Pkw zu den [X.] sowie nach Ausführung der Taten wieder zurück zur Wohnung des Mitangeklagten [X.]     zu bringen und die [X.] zu transportieren.

6

Im Fall 3. der Urteilsgründe hebelten die Mitangeklagten [X.]und [X.] am 11. Oktober 2016, 00.24 Uhr, gemeinsam mit vier weiteren Bandenmitgliedern am und im Gebäude der Firma [X.]GmbH in [X.]        eine Außentüre sowie mehrere innenliegende Türen auf und versuchten, mit einem Vorschlaghammer [X.] im Obergeschoss des Gebäudes zu öffnen, um daraus Stehlenswertes zu entwenden. Nach ihrer Entdeckung brachen sie das Öffnen des Tresors ab und flüchteten ohne das darin befindliche Bargeld. Der Angeklagte [X.]       wartete währenddessen als Fahrer mit dem Pkw im Nahbereich des Gebäudes, um den Abtransport der Beute und die Flucht der Angeklagten [X.] und [X.]bzw. der anderweitig Verfolgten vom [X.] zu sichern.

II.

7

Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Teilaufhebung im Schuldspruch sowie zur Aufhebung im gesamten Strafausspruch. Im Übrigen weist das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

8

1. Die vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Art und Umfang der Tatbeteiligung des Angeklagten tragen - entgegen der Auffassung der Revision - in allen Fällen den Schuldspruch wegen mittäterschaftlich begangenen (versuchten) schweren [X.]s jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung.

9

Für jede einzelne (Banden-)Tat ist nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt und ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Beitrag geleistet haben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 24. Juli 2008 - 3 [X.], [X.], 130). Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an bzw. Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfasst sind. Maßgeblich sind dabei insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille, Tatherrschaft auszuüben, was sich danach beurteilt, ob objektiv oder jedenfalls aus der Sicht des [X.] die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt ([X.], Urteil vom 26. April 2012 - 4 [X.], [X.], 669; Beschlüsse vom 24. Juli 2008 aaO und vom 13. Mai 2003 - 3 [X.], [X.], 265, 267).

Gemessen daran hat der Angeklagte auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen in allen (versuchten) [X.] als Mittäter gehandelt. So hatte der Angeklagte das für die Annahme der Mittäterschaft erforderliche eigene Interesse am Erfolg der Tat, weil er anteilig an der Beute beteiligt werden sollte ([X.]). Ihm kam nach dem gemeinsam gefassten [X.] auch eine bedeutende Rolle zu. Er verbrachte die Mitangeklagten [X.]und [X.] in seinem Fahrzeug unter Verwendung des darin befindlichen Navigationsgerätes zu den jeweiligen [X.], stand während der Ausführung der Taten in unmittelbarer Nähe des jeweiligen [X.]s bereit und ermöglichte sodann den Abtransport des Diebesgutes und der Mitangeklagten in seinem Fahrzeug (UA S. 18).

2. Die tatrichterliche Annahme, dass die Taten 1.1 bis 1.3, 1.5, 1.6, 1.10, 1.11 und 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe jeweils im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen, hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand. Die Feststellungen des [X.]s tragen die Annahme von jeweils selbständigen, real konkurrierenden [X.] nicht.

a) Sind an einer Deliktserie - wie vorliegend - mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten [X.]. Leistet ein Mittäter für alle oder einige [X.] einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der [X.], durch die alle oder mehrere [X.] seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 11. April 2017 - 4 [X.], Rn. 4; vom 2. Juli 2014 - 4 StR 176/14, [X.], 437 und vom 30. Juli 2013 - 4 StR 29/13, [X.], 641; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.).

b) Danach träfe die Annahme des [X.]s, die Zahl der selbständigen [X.] des Angeklagten entspreche in den zuvor bezeichneten Fällen der Anzahl der von den unmittelbar tatausführenden Tätern begangenen [X.], nur unter der Voraussetzung zu, dass er hinsichtlich jedes Diebstahls einen (allein) diesen fördernden Beitrag geleistet hat. Hierzu verhält sich das Urteil jedoch nicht abschließend. Insbesondere hat die [X.] nicht festgestellt, was der Angeklagte konkret vor Ort gemacht hat, ob der Angeklagte von [X.] zu [X.] gefahren ist oder ob er seine Tatgenossen an den jeweiligen Tattagen nur an eine Stelle, beispielsweise in ein Gewerbegebiet gefahren, diese dort abgesetzt und nach Begehung von mehreren [X.]n in verschiedene Geschäftsräume wieder abgeholt hat. Sollten die Fälle 1.1 bis 1.3, 1.5 und 1.6 der Urteilsgründe (   A.    ), 1.10 und 1.11 der Urteilsgründe ([X.].    ) sowie 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe (   E.    ) in der Person des Angeklagten jeweils durch einen einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne von § 52 StGB verknüpft werden, lägen insoweit bei dem Angeklagten lediglich drei tatmehrheitlich begangene schwere Bandendiebstähle (in gleichartiger Idealkonkurrenz, vgl. insoweit [X.], Beschlüsse vom 11. April 2017 - 4 [X.], Rn. 6 und vom 28. März 2017 - 4 StR 82/17, Rn. 7, mwN) vor.

Diese Umstände zwingen zur Aufhebung der Schuldsprüche in den bezeichneten Fällen.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 1.1 bis 1.3, 1.5, 1.6, 1.10, 1.11 und 2.1 bis 2.3 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafe zur Folge. Die von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Einzelstrafen in den Fällen 1.8 und 3. der Urteilsgründe werden ebenfalls aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine einheitliche, widerspruchsfreie Strafzumessung zu ermöglichen. Demgegenüber haben die zugrundeliegenden Feststellungen, die von dem Rechtsfehler in der konkurrenzrechtlichen Beurteilung der Taten nicht betroffen sind, Bestand. Der neue Tatrichter kann ergänzende, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

4. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird dabei darauf Bedacht zu nehmen haben, dass die Berücksichtigung einer erheblichen kriminellen Energie im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten, die die [X.] aus dem planmäßigen, arbeitsteiligen Vorgehen der Angeklagten schließt ([X.]), eine unzulässige Doppelverwertung der bandenmäßigen Begehung beinhalten könnte.

Graf     

      

Jäger     

      

Bellay

      

Cirener     

      

Hohoff     

      

Meta

1 StR 491/17

21.11.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Traunstein, 10. Juli 2017, Az: 6 KLs 430 Js 90450/16

§ 25 Abs 2 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 244 Abs 1 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2017, Az. 1 StR 491/17 (REWIS RS 2017, 2009)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2009

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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