Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2021, Az. 10 AZR 108/19

10. Senat | REWIS RS 2021, 8459

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Gegenstand

Jubiläumsgeld nach dem TVöD-AT - Beschäftigungszeit - Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten in Überleitungsfällen


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. Oktober 2018 - 5 Sa 18/18 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf [X.].

2

Der Kläger war vom 1. November 1991 bis zum 31. Dezember 2001 bei der [X.] beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2002 ist er bei der beklagten [X.] [X.] ([X.]) angestellt.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien sieht in § 2 vor, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem [X.] und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der [X.] ([X.]) jeweils geltenden Fassung bestimmt.

4

Nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-[X.]) vom 13. September 2005 ersetzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Allgemeiner Teil - ([X.]-AT) vom 13. September 2005 iVm. dem TVÜ-[X.] mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 ua. den [X.]. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a [X.]-AT erhalten Arbeitnehmer bei Vollendung einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren iSv. § 34 Abs. 3 [X.]-AT ein [X.] iHv. 350,00 Euro.

5

§ 34 [X.]-AT lautet in der am 1. November 2016 geltenden Fassung auszugsweise:

„…

(3)

1Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte [X.], auch wenn sie unterbrochen ist. 23Wechseln Beschäftigte zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasst werden, werden die [X.]en bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt. 4Satz 3 gilt entsprechend bei einem Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber.“

6

Der [X.]-AT trat nach seinem § 39 Abs. 1 Satz 1 am 1. Oktober 2005 in Kraft.

7

Der TVÜ-[X.] enthält im Abschnitt [X.] unter der Überschrift „[X.]“ mit § 14 eine Regelung der Beschäftigungszeit. Die Tarifnorm sieht vor, dass bestimmte [X.]en, die vor dem 1. Oktober 2005 zurückgelegt oder nach Maßgabe der jeweiligen tarifrechtlichen Vorschriften anerkannt wurden, berücksichtigt werden.

§ 14 Beschäftigungszeit

(1) Für die Dauer des über den 30. September 2005 hinaus fortbestehenden Arbeitsverhältnisses werden die vor dem 1. Oktober 2005 nach Maßgabe der jeweiligen tarifrechtlichen Vorschriften anerkannten Beschäftigungszeiten als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 TVöD berücksichtigt.

(2) Für die Anwendung des § 23 Abs. 2 TVöD werden die bis zum 30. September 2005 zurückgelegten [X.]en, die nach Maßgabe

-

des [X.] anerkannte Dienstzeit,

-

des [X.]/[X.]stdeutsche Sparkassen, [X.]/[X.]-O anerkannte Beschäftigungszeit

sind, als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 TVöD berücksichtigt.

(3) …“

8

Diese Vorschrift des Überleitungsrechts nimmt in ihrem zweiten Absatz ua. Bezug auf die Regelungen des bis zum 30. September 2005 geltenden [X.] ([X.], Länder, Gemeinden) vom 23. Februar 1961 idF vom 31. Januar 2003 ([X.]) und des Tarifvertrags zur Anpassung des [X.] - Manteltarifliche Vorschriften - vom 10. Dezember 1990 idF vom 31. Januar 2003 ([X.]). Der [X.] unterschied zwischen Beschäftigungszeit und Dienstzeit. Nach § 19 Abs. 1 [X.] war Beschäftigungszeit die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte [X.], auch wenn sie unterbrochen wurde. Die Dienstzeit umfasste nach § 20 Abs. 1 [X.] die Beschäftigungszeit iSd. § 19 [X.] und zusätzlich die nach § 20 Abs. 2 bis 6 [X.] angerechneten [X.]en einer früheren Beschäftigung, soweit diese nicht schon bei der Berechnung der Beschäftigungszeit berücksichtigt wurden. [X.] waren ua. die [X.]en einer nach Vollendung des 18. Lebensjahres beruflich im Beamten-, Angestellten- oder Arbeiterverhältnis verbrachten Tätigkeit beim [X.], bei den Ländern, bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden und sonstigen Mitgliedern der Arbeitgeberverbände, die der [X.] oder der [X.] angehörten (§ 20 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a [X.]). Demgegenüber sah der [X.] in § 19 nur die Beschäftigungszeit vor, während eine dem § 20 [X.] entsprechende Dienstzeit nicht geregelt war. § 19 Abs. 1 [X.] idF des [X.] Nr. 13 vom 31. Januar 2003 lautete:

§ 19 Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte [X.], auch wenn sie unterbrochen ist.

Ist der Angestellte aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so gilt die vor dem Ausscheiden liegende [X.] nicht als Beschäftigungszeit, es sei denn, daß er das Arbeitsverhältnis wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaues oder wegen Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit infolge einer Körperbeschädigung oder einer in Ausübung oder infolge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung aufgelöst hat oder die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit aus sonstigen Gründen eine unbillige Härte darstellen würde.“

9

Der Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung war in beiden Tarifwerken jeweils in § 39 geregelt. Der [X.] knüpfte an die Dienstzeit des § 20 [X.] an, der [X.] an die Beschäftigungszeit iSv. § 19 [X.]. Für die Bestimmung der sog. [X.] sahen sowohl § 39 [X.] als auch § 39 [X.] eine noch weiter gehende Berücksichtigung bestimmter [X.]en vor. So waren nach § 39 Abs. 1 Unterabs. 3 [X.] zB [X.]en einer erfüllten Dienstpflicht in der [X.]eswehr sowie [X.]en des Zivildienstes anzurechnen.

Die Beklagte lehnte einen Antrag des Klägers ab, seine [X.] der Beschäftigung bei der [X.] für die Berechnung der Beschäftigungszeit iSv. § 23 Abs. 2 [X.]-AT zu berücksichtigen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er am 1. November 2016 eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren als Voraussetzung für das [X.] nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a [X.]-AT erfüllt habe. Für die sog. [X.] sei auch die vom 1. November 1991 bis zum 31. Dezember 2001 bei der [X.] zurückgelegte [X.] zu berücksichtigen. Die Verweisung in § 23 [X.]-AT erfasse den gesamten § 34 Abs. 3 [X.]-AT und nicht - wie etwa für den Kündigungsschutz - nur dessen Sätze 1 und 2. Vorbeschäftigungszeiten im öffentlichen Dienst seien daher im Rahmen des [X.]es als Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen. Indem die bei einem anderen öffentlichen Arbeitgeber zurückgelegten [X.]en nach § 34 Abs. 3 [X.]-AT zu berücksichtigen seien, komme zum Ausdruck, dass die Tarifvertragsparteien die Treue zum öffentlichen Dienst hätten honorieren und dem Gedanken der Einheit des öffentlichen Dienstes hätten Rechnung tragen wollen. Der Zweck des [X.]es, die Treue zum öffentlichen Dienst anzuerkennen und zu belohnen, gebiete es nach der Zusammenführung der Tarifgebiete im [X.]-AT, die in beiden ehemaligen [X.] zurückgelegten [X.]en kumulativ zu berücksichtigen. Nur so würden die Beschäftigten bei einem Wechsel zwischen den ursprünglichen [X.] gleichbehandelt. Es sei nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die ungleichen Folgen eines Wechsels weit in die Zukunft hinein aufrechterhalten wollten.

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 350,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf das [X.], weil er am 1. November 2016 die erforderliche Beschäftigungszeit von 25 Jahren noch nicht zurückgelegt habe. Die in § 14 Abs. 2 TVÜ-[X.] genannten [X.]en nach dem [X.] und dem [X.] seien nicht kumulativ zu berücksichtigen. Die Bestimmung diene dazu, den bis zum 30. September 2005 erworbenen Besitzstand zu wahren. Die Tarifvertragsparteien hätten auf die anerkannten [X.]en abgestellt. Im Fall des [X.] sei dies die Beschäftigungszeit nach §§ 19, 39 [X.] gewesen und damit nur die bei der Beklagten erbrachte Beschäftigungszeit. Die bei der [X.] zurückgelegte [X.] zähle nicht zum Besitzstand nach dem [X.]. Mit Einführung des [X.]-AT zum 1. Oktober 2005 sei nicht bezweckt gewesen, Beschäftigten eine bessere Rechtsposition zu verschaffen, als sie sie bis zum 30. September 2005 im Geltungsbereich des [X.] bzw. des [X.] gehabt hätten. Gleichheitswidrige Ergebnisse seien damit nicht verbunden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Interesse - stattgegeben. Auf die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision will der Kläger erreichen, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass die Beschäftigung des [X.] bei der [X.] vom 1. November 1991 bis zum 31. Dezember 2001 nicht als Beschäftigungszeit iSv. § 23 Abs. 2 Satz 1, § 34 Abs. 3 [X.]-AT iVm. § 14 Abs. 2 [X.] zu berücksichtigen ist. Der Kläger erfüllte daher am 1. November 2016 nicht die für den Anspruch auf [X.] vorausgesetzte Beschäftigungszeit von 25 Jahren.

I. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buch[X.]a [X.]-AT, der als den [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.] ersetzender Tarifvertrag auf der Grundlage von § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags zur Anwendung kommt, erhalten Beschäftigte mit einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren ein [X.] iHv. 350,00 Euro. Die Beschäftigungszeit bestimmt sich aufgrund des Klammerzusatzes grundsätzlich nach § 34 Abs. 3 [X.]-AT.

1. Beschäftigungszeit ist nach § 34 Abs. 3 Satz 1 [X.]-AT die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte [X.], auch wenn sie unterbrochen ist. Nach § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 [X.]-AT sind die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten [X.]en anzurechnen. Das gilt allerdings nur für Neueinstellungen nach dem 30. September 2005. Für übergeleitete Beschäftigte besteht mit § 14 [X.] eine abschließende Regelung ([X.] 19. November 2020 - 6 [X.] - Rn. 25; [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Stand November 2020 Teil II/1 § 34 Rn. 702; [X.]/[X.]/Kiefer/Lang/Langenbrinck [X.] Stand 1/2021 Teil B 1 § 34 Rn. 60).

2. § 14 Abs. 1 [X.] sichert den unter Geltung des bisherigen [X.] bis zum 30. September 2005 erworbenen Besitzstand. Für das [X.] nach § 23 Abs. 2 [X.]-AT enthält § 14 Abs. 2 [X.] eine Spezialregelung ([X.] 19. November 2020 - 6 [X.] - Rn. 26 f. [X.]). Aus der Aufzählung der bis zum 30. September 2005 zu berücksichtigenden [X.]en in § 14 Abs. 2 [X.] ergibt sich, dass andere [X.]en nicht anzurechnen sind ([X.]/Sponer in Sponer/Steinherr [X.] Stand Januar 2021 § 23 Rn. 75).

3. Nach § 14 Abs. 2 [X.] werden für die Anwendung des § 23 Abs. 2 TVÖD-AT [X.]en, die bis zum 30. September 2005 zurückgelegt wurden, als Beschäftigungszeiten iSd. § 34 Abs. 3 [X.]-AT berücksichtigt. Dabei handelt es sich ua. um anerkannte Dienstzeiten nach Maßgabe des [X.] und um anerkannte Beschäftigungszeiten nach dem [X.]. Entgegen der Auffassung der Revision sind die vom Kläger unter Geltung des [X.] und des [X.] zurückgelegten [X.]en nicht kumulativ zu berücksichtigen. Einzubeziehen sind nur die zurückgelegten [X.]en, die nach dem Tarifrecht anerkannt waren, das im [X.]punkt der Überleitung galt. Im Fall des [X.] ist es die nach dem [X.] anerkannte Beschäftigungszeit iSv. §§ 19, 39 [X.]. Das ergibt die Auslegung von § 14 Abs. 2 [X.].

a) Der Wortlaut der Tarifnorm ist nicht eindeutig. Die Bestimmung spricht in beiden Varianten von anerkannten [X.]en. Der Formulierung lässt sich nicht entnehmen, dass es sich nur um die [X.]en handelt, die das im [X.]punkt der Überleitung geltende Tarifrecht anerkannte. Die Darstellung mit jeweils einem Spiegelstrich und die Trennung mit einem Komma lassen sowohl eine kumulative als auch eine alternative Berücksichtigung der genannten [X.]en zu. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass eine alternative Geltung deutlich zum Ausdruck gekommen wäre, wenn die Aufzählung durch „oder“ getrennt worden wäre. Dass die Konjunktion fehlt, lässt allerdings nicht den Schluss zu, dass damit beide Varianten zusammen zur Anwendung kommen müssen. Andererseits setzt die Möglichkeit einer kumulativen Berücksichtigung der genannten [X.]en entgegen der Ansicht der Beklagten nicht voraus, dass sie durch ein „und“ verbunden sind. Es ist nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern liegt nahe, dass übergeleitete Arbeitnehmer nur unter Geltung eines der ersetzten [X.] beschäftigt waren.

b) Sinn und Zweck sprechen jedoch dafür, dass lediglich eine der beiden Varianten gelten kann.

aa) § 14 Abs. 2 [X.] ist Teil des Abschnitts III [X.], der mit „[X.]“ überschrieben ist. Die Regelung dient dazu, den erworbenen Besitzstand zu wahren ([X.] 19. November 2020 - 6 [X.] - Rn. 26 f.; vgl. zu § 14 Abs. 1 [X.] [X.] 22. Februar 2018 - 6 [X.] - Rn. 23, [X.]E 162, 76). Die Tarifvertragsparteien wollten vermeiden, dass Arbeitnehmer mit der Einführung von § 34 Abs. 3 [X.]-AT Einbußen bei der sog. [X.] erleiden. Durch die Übergangsregelung des § 14 Abs. 2 [X.] sollte sichergestellt werden, dass die unter dem bisherigen Tarifrecht für die sog. [X.] anerkannten [X.]en erhalten bleiben. § 14 Abs. 2 [X.] ermöglicht, die bis zum 30. September 2005 erworbenen sog. [X.]en so zu behandeln, als wären sie Beschäftigungszeit iSd. § 34 Abs. 3 [X.] (BeckOK [X.]/[X.] Stand 1. Oktober 2012 [X.] § 14 Rn. 15, 16). Geschützt und als Beschäftigungszeit iSv. § 34 Abs. 3 [X.]-AT anzusehen sind deshalb nur die [X.]en, die nach Maßgabe des [X.], das im [X.]punkt der Überleitung in den [X.]-AT für das Arbeitsverhältnis galt, als Dienst- oder Beschäftigungszeit für die Berechnung der sog. [X.] anerkannt waren.

bb) Es ist nicht erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien mit der Bestimmung des § 14 Abs. 2 [X.] erreichen wollten, dass die Arbeitnehmer der [X.] und Ost hinsichtlich aller zurückgelegten [X.]en gleichbehandelt werden. Gegen einen solchen Zweck spricht entscheidend, dass die Tarifvertragsparteien keine Regelung getroffen haben, um die Beschäftigungszeiten anzurechnen, die unter Geltung des [X.] bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt wurden. Nach § 19 [X.] galten als Beschäftigungszeit grundsätzlich nur die bei demselben Arbeitgeber zurückgelegten [X.]en. Vorbeschäftigungszeiten bei einem Arbeitgeberwechsel im [X.] waren daher im Unterschied zum [X.] nicht zu berücksichtigen.

c) Auch systematische Überlegungen sprechen für eine alternative Anwendung der Varianten in § 14 Abs. 2 [X.]. Die Bestimmung stellt eine spezifische Übergangsregelung dar. Sie ist erforderlich, weil ua. § 39 [X.] bezüglich der erforderlichen Beschäftigungszeit zwar grundsätzlich auf die Beschäftigungszeit nach § 19 [X.] verweist, aber weiter gehende Sonderregelungen enthält (vgl. zu § 39 [X.] [X.] 19. November 2020 - 6 [X.] - Rn. 28; vgl. [X.] in [X.] Band IV Stand Dezember 2020 F § 14 Rn. 7). Die alternative Anwendung der Varianten führt deshalb nicht dazu, dass für § 14 Abs. 2 [X.] im Fall von Arbeitsverhältnissen, die aus dem [X.] übergeleitet wurden, neben § 14 Abs. 1 [X.] kein eigenständiger Anwendungsbereich bliebe.

d) Anders als die Revision meint, führt die Auslegung nicht zu gleichheitswidrigen Ergebnissen und einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Die Tarifvertragsparteien als Normgeber sind bei der tariflichen Normsetzung zwar nicht unmittelbar, jedoch mittelbar grundrechtsgebunden.

(1) Mit der Normsetzung auf der Grundlage der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie üben die Tarifvertragsparteien keine delegierte Staatsgewalt aus, sondern nehmen privatautonom ihre Grundrechte wahr ([X.] 9. Dezember 2020 - 10 [X.] - Rn. 26 [X.]). Allerdings haben die Grundrechte - Freiheits- und Gleichheitsrechte - mittelbare Drittwirkung in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten iSe. Ausstrahlungswirkung. Sie entfalten ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als „Richtlinien“ auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen aus. Dieser Ausstrahlungswirkung der Grundrechte müssen die Gerichte als staatliche Gewalt iSv. Art. 1 Abs. 3 GG bei ihren Entscheidungen genügen. Die wertsetzenden „Richtlinien“ sollen gleichberechtigte Freiheit im Fall kollidierender [X.] nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zur Geltung bringen (vgl. für die [X.]Rspr. [X.] 9. Juli 2020 - 1 BvR 719/19 ua. - Rn. 9; 11. April 2018 - 1 [X.] - Rn. 32 [X.], [X.]E 148, 267; [X.] 9. Dezember 2020 - 10 [X.] - Rn. 28 f. [X.]).

(2) Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags haben die Gerichte jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine besondere Form der Grundrechtskollision bewältigt und die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit den betroffenen [X.] in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden muss. Als selbständigen Grundrechtsträgern steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maß verfügen. Ihnen kommt eine [X.] zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Sie verfügen über einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Ausformung ihrer normsetzenden Regelungen. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen ([X.] 9. Dezember 2020 - 10 [X.] - Rn. 39 ff. [X.]). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind jedenfalls dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können ([X.] 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 ua. - Rn. 76, [X.]E 133, 377; [X.] 30. Januar 2019 - 10 [X.] - Rn. 46 [X.]).

bb) Die unterschiedliche Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten in § 14 Abs. 2 [X.] wird diesen Anforderungen gerecht.

(1) Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die in den [X.]-AT übergeleiteten Beschäftigten durch § 14 Abs. 2 [X.] iVm. dem [X.] bzw. dem [X.] mit Blick auf anrechenbare Vorbeschäftigungszeiten unterschiedlich behandelt werden. § 39 Abs. 1 [X.] bestimmte mit dem Bezug auf die Dienstzeit des § 20 [X.] für die Berechnung der sog. [X.], dass die bei einem anderen Arbeitgeber zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen waren. Demgegenüber waren [X.]en, die zuvor in einem Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zurückgelegt wurden, nach § 39 Abs. 1 iVm. § 19 Abs. 1 [X.] grundsätzlich ohne Bedeutung. Damit wurden Beschäftigte, die zwischen den [X.] wechselten, unterschiedlich behandelt. Indem der [X.] diese unterschiedliche Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten für die Berechnung der sog. [X.] nach § 23 Abs. 2 [X.]-AT aufrechterhält, behandelt er die vom [X.]-AT erfassten Arbeitnehmer ungleich.

(2) Diese Ungleichbehandlung ist aus Sicht des Senats gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit § 14 Abs. 2 [X.] das Ziel, den bei Inkrafttreten des [X.] am 1. Oktober 2005 erlangten Besitzstand bestimmter Personengruppen zu sichern ([X.] 19. November 2020 - 6 [X.] - Rn. 26 f.; vgl. zu § 14 Abs. 1 [X.] [X.] 22. Februar 2018 - 6 [X.] - Rn. 23, [X.]E 162, 76). Darin liegt ein legitimes Ziel (vgl. [X.] 19. Juni 2014 - [X.]/12 ua. - [[X.] ua.] Rn. 64: zwingender Grund des Allgemeininteresses; [X.] 27. April 2017 - 6 [X.] - Rn. 35, [X.]E 159, 92).

(a) Die Berücksichtigung solcher [X.]en, die nach Maßgabe des bei der Überleitung geltenden [X.] für die Bemessung der sog. [X.] anerkannt waren, ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. § 14 Abs. 2 [X.] knüpft an einen zum Stichtag des 1. Oktober 2005 erworbenen Besitzstand an.

(b) Die unter dem [X.] und dem [X.] zurückgelegten [X.]en werden als erworbener Besitzstand so behandelt, als seien sie unter Geltung des [X.]-AT zurückgelegt worden. Die Regelung geht damit nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um den Besitzstand zu wahren. Die Erforderlichkeit entfällt nicht deshalb, weil eine Überleitungsregelung möglich gewesen wäre, nach der alle zuvor bei anderen Arbeitgebern im Geltungsbereich des [X.] und des [X.] zurückgelegten Beschäftigungszeiten anzurechnen gewesen wären. Eine solche Bestimmung ginge über das verfolgte Ziel, den erworbenen Besitzstand zu sichern, deutlich hinaus. Im Ergebnis diente sie mit der vollständigen Gleichstellung der übergeleiteten Beschäftigten im Bereich des [X.]es einem völlig anderen Zweck.

(c) Die [X.] in § 14 Abs. 2 [X.] ist schließlich zumutbar. Sie entzieht übergeleiteten Beschäftigten keinerlei erworbene Rechtspositionen. Arbeitnehmer, die vor Inkrafttreten des [X.]-AT vom [X.] in den Geltungsbereich des [X.] gewechselt waren, konnten wegen § 19 [X.] und des Fehlens einer § 20 [X.] entsprechenden Tarifnorm im [X.] erkennen, dass ihre bisherigen Beschäftigungszeiten grundsätzlich nicht zu berücksichtigen waren. Es führt zu keiner Einbuße, dass der [X.]-AT diese bei Überleitung nicht bestehende Rechtsposition nicht begründet.

II. Der Kläger erfüllte die Voraussetzung einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buch[X.]a [X.]-AT am 1. November 2016 deshalb nicht.

1. Auf die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten nach § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 [X.]-AT kann sich der Kläger nicht stützen. Sie gelten nur für Neueinstellungen seit dem 1. Oktober 2005 ([X.] 19. November 2020 - 6 [X.] - Rn. 25; [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.] Stand November 2020 Teil II/1 § 34 Rn. 702; [X.]/[X.]/Kiefer/Lang/Langenbrinck [X.] Stand 1/2021 Teil B 1 § 34 Rn. 60).

2. Nach § 14 Abs. 2 Spiegelstrich 2 [X.] iVm. § 34 Abs. 3 [X.]-AT sind neben den seit dem 1. Oktober 2005 erbrachten [X.]en die bis zum 30. September 2005 zurückgelegten [X.]en einzubeziehen, soweit es sich um Beschäftigungszeiten handelt, die nach dem [X.] anerkannt waren.

a) Zu der anerkannten Beschäftigungszeit für das [X.] iSv. § 39 Abs. 1 [X.] gehörte die Beschäftigungszeit des § 19 [X.].

aa) Nach § 19 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] war das die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte [X.]. Im Fall des [X.] handelt es sich um die [X.] seit dem 1. Januar 2002. Ab diesem [X.]punkt stand er in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten.

bb) Weitere [X.]en sind nach § 19 [X.] nicht zu berücksichtigen. Die in § 19 Abs. 1 Unterabs. 2 [X.] genannten Sachverhalte betrafen die Anrechnung von [X.]en in Fällen, die wegen einer vom Angestellten veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht berücksichtigt werden durften. Es handelte sich dabei aber nur um Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber (vgl. [X.] 14. Oktober 2004 - 6 [X.] - zu [X.] 3 a der Gründe; [X.]/[X.]/Kiefer/[X.]/[X.] [X.] Stand 1/2007 § 19 [X.]. 4.5). Zurückgelegte [X.]en bei anderen Arbeitgebern waren auch über § 19 Abs. 1 Unterabs. 2 [X.] nicht anzurechnen. Daher kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der [X.] aufgegeben hat.

b) Andere [X.]en, die nach § 39 Abs. 1 [X.] anzurechnen gewesen wären, hat der Kläger nicht vorgetragen.

3. Damit ist von einer Beschäftigungszeit iSv. § 23 Abs. 2 [X.]-AT seit dem 1. Januar 2002 auszugehen. Am 1. November 2016 als dem vom Kläger geltend gemachten Jubiläumstag erfüllte er die erforderliche Beschäftigungszeit von 25 Jahren nicht.

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Gallner    

        

    Pulz    

        

    Pessinger    

        

        

        

    Petri    

        

    Meyer    

                 

Meta

10 AZR 108/19

24.02.2021

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stralsund, 17. Januar 2018, Az: 11 Ca 117/17, Urteil

Art 1 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 2 TVÜ-VKA, § 14 Abs 1 TVÜ-VKA, § 23 Abs 2 S 1 TVöD, § 34 Abs 3 S 3 TVöD, § 34 Abs 3 S 4 TVöD, § 19 Abs 1 BAT vom 31.01.2003, § 20 Abs 1 BAT vom 31.01.2003, § 39 BAT vom 31.01.2003, § 19 BAT-O, § 39 BAT-O

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2021, Az. 10 AZR 108/19 (REWIS RS 2021, 8459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8459

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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10 Sa 421/22

5 Sa 570/22

8 Sa 420/22

10 Sa 422/22

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