Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2011, Az. B 4 AS 129/10 B

4. Senat | REWIS RS 2011, 10420

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - keine Verletzung des rechtlichen Gehörs - Terminverlegungsantrag


Tenor

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. April 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antrag des [X.] ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt K beizuordnen wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit steht die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für den Kläger im Zeitraum von Januar 2005 bis März 2006.

2

Seit 2005 bezieht der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. Der Beklagte legte der Berechnung die Regelleistung Ost für einen Alleinstehenden sowie Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe des [X.] für eine im Eigentum des [X.] stehende Wohnung, einem Abschlag für Erdgas und anteilige Darlehenszinsen bezogen auf seine Wohnung zu Grunde. Auf der Einnahmeseite berücksichtigte der Beklagte Mieteinnahmen aus der Vermietung der übrigen Wohnungen des Hauses, in dem auch die Wohnung des [X.] gelegen ist. Der Beklagte legte dabei die [X.] zu Grunde, gemindert um den auf die Mietwohnungen entfallenden Schuldzinsenanteil und eine [X.] von 30 Euro monatlich. Im Januar 2006 korrigierte der Beklagte diese Berechnung ab Februar 2006 mit der Begründung, die Mieteinnahmen seien nicht zutreffend berechnet worden. Insoweit sei der Bewilligungsbescheid vom 15.6.2005 von Anfang an rechtswidrig gewesen. Ua gegen diesen Änderungsbescheid sowie die seiner Ansicht nach unzutreffend berechnete Höhe der Leistungen für Unterkunft wendet sich der Kläger ebenso wie bereits zuvor gegen die Höhe der Regelleistung - Ost und die Nichtberücksichtigung einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter.

3

[X.] (Urteil vom 12.10.2007) und [X.] (Urteil vom [X.]) haben die Rechtsauffassung des Beklagten bestätigt. Das [X.] hat ua ausgeführt, von den als Bruttoeinkommen zu Grunde zu legenden Mieteinnahmen seien Zinslasten und die [X.] in Abzug zu bringen. Weitere Absetzungen seien nicht vorzunehmen gewesen. Insbesondere könne neben den Zinslasten nicht auch die Tilgungslast einkommensmindernd berücksichtigt werden. Sie mindere nicht die Mieteinnahmen, sondern stärke das Vermögen des [X.]. Auch Unterhaltszahlungen könnten nicht vom Einkommen abgesetzt werden, denn der Kläger sei seiner Verpflichtung insoweit seit 1998 nicht mehr nachgekommen. Der Beklagte habe zwar bei seiner Änderungsentscheidung nach § 45 SGB X kein Ermessen ausgeübt, die Entscheidung könne jedoch auch auf § 48 SGB X gestützt werden. Letztlich liege auf Grund der Tilgungsleistung ein monatliches Sinken der Zinslast vor, also insoweit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] wendet sich der Kläger mit der Beschwerde an das [X.]. Er rügt ua Divergenz im Hinblick auf die "[X.]" des 14. Senats und das Vorliegen eines Verfahrensfehlers in der Gestalt der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er habe um Terminsverlegung für die mündliche Verhandlung gebeten und für den Fall der Ablehnung dessen zu verstehen gegeben, an der Verhandlung - gegen Fahrkostenerstattung - teilnehmen zu wollen. Das [X.] habe den Termin trotz Kenntnis einer hinreichenden Entschuldigung jedoch nicht verschoben, sondern in seiner Abwesenheit verhandelt.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unbegründet. Weder ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 GG, § 62 [X.] iVm § 153 [X.]), noch die gerügte Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) liegen vor.

6

Die beanstandete Verhandlung durch das [X.] trotz [X.] bzw Vertagungsantrag bietet keinen Anhalt für eine Gehörsverletzung. Denn erhebliche Gründe für die beantragte Verlegung bzw Vertagung der mündlichen Verhandlung ( § 202 [X.] iVm § 227 ZPO ) sind nicht ersichtlich. Wie das [X.] in dem Schreiben vom [X.] dargelegt hat, bot die Teilnahmebescheinigung des Bildungsträgers vom [X.] keinen Hinweis darauf, dass der Kläger aus in der Teilnahme an der Maßnahme liegenden Gründen nicht zum geladenen Termin zur mündlichen Verhandlung erscheinen könne. Die Mitteilung der Unterrichtszeiten und das Ausstehen von zwei Prüfungen besagt nicht, dass ein Sitzungstermin nicht gleichwohl wahrgenommen werden kann. Dieses hat der Kläger in seinem Schreiben vom [X.] zwar behauptet, bestätigte sich nach dem Beleg jedoch nicht.

7

Der Kläger konnte auch nicht darauf vertrauen, dass das [X.] seinem erneuten [X.] stattgeben würde. Zwar hat der Kläger das Schreiben des [X.] vom [X.], mit dem dieses den [X.] abgelehnt hat, nach seinem Vortrag erst am Sitzungstag erhalten. Unabhängig davon, ob das [X.] davon ausgehen konnte, dass das Schreiben den Kläger noch rechtzeitig vor der Verhandlung erreichen werde, was grundsätzlich seiner prozessualen Fürsorgepflicht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs entspricht (vgl hierzu [X.] 16.12.1993 - 13 RJ 37/93 - für den Fall des nicht ausdrücklich gestellten Terminsverlegungsantrags), oblag es in der hier vorliegenden Fallkonstellation dem Kläger, sich kundig zu machen, ob seinem Antrag stattgegeben werde. Im Gegenzug zu den prozessualen Fürsorgepflichten des Gerichts ist es Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer seinerseits alles ihm Obliegende getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl [X.] vom 5.10.1998 - B 13 [X.]; [X.] - B 9 V 58/03 B, unveröffentlicht; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], [X.], Kommentar, 8. Aufl, § 62 RdNr 11c).

8

Insoweit musste der Kläger hier berücksichtigen, dass es sich zum Einen bei dem Antrag vom [X.] bereits um seinen zweiten [X.] innerhalb kurzer Zeit, mit im Wesentlichen identischer Begründung gehandelt hat. Zum [X.] konnte er nach der Begründung des [X.] nicht davon ausgehen, seinem erneuten [X.] werde ohne Weiteres stattgegeben. Wesentlicher Gegenstand des Ablehnungsverfahrens war die [X.] des persönlichen Erscheinens des [X.] sowie die Ablehnung des ersten Verlegungsgesuchs. Er hatte den Beschluss über den Befangenheitsantrag vom [X.] ausweislich der sich in der Akte befindlichen [X.] am 1[X.] erhalten. In dieser Situation oblag ihm - zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs - sich vor dem Termin kundig zu machen, wie sein Antrag vom [X.] beschieden werde. Zudem ist er, wie es in seinem Schreiben vom [X.] zum Ausdruck kommt, wohl auch selbst davon ausgegangen, dass trotz des erneuten [X.]s die mündliche Verhandlung wie terminiert durchgeführt werden sollte. Denn in dem Schreiben stellt er die Vermutung an, dass das Gericht von seinem persönlichen Erscheinen deswegen Abstand genommen habe, weil es eine reibungslose Abfolge der geplanten Termine gewährleistet wissen wolle. Hieraus sowie auch aus den vorangegangenen Schreiben lässt sich entnehmen, dass es ihm, wie vom [X.] angenommen, letztlich auf die Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht ankam, um die Fahrtkosten erstattet zu bekommen. Eine wirkliche Verhinderung an der Teilnahme kommt hierin jedoch nicht zum Ausdruck.

9

Auch der weitere vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) liegt nicht vor.

Der Kläger behauptet zwar, das [X.] habe den Rechtssatz aufgestellt, dass Aufwendungen der Schuldentilgung nicht als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen seien, da diese der Vermögensbildung dienten. Diese Behauptung ist jedoch unzutreffend, denn das [X.] behandelt die [X.] als nicht das Einkommen in Gestalt von Mieteinnahmen mindernden Posten. Es ordnet damit die [X.] nicht den Kosten der Unterkunft, sondern dem Einkommen zu.

Ferner behauptet der Kläger, dass das [X.] von dem abstrakten Rechtssatz ausgehe, Einkommen liege unabhängig davon vor, ob die Einnahme dem Leistungsempfänger zivilrechtlich und damit dauerhaft zustehe. Es sei allein auf das [X.] abzustellen und darauf, ob der Betroffene zum Zeitpunkt des Zuflusses vollen und alleinigen Zugriff auf die Zuwendungen habe. Abgesehen davon, dass auch diese Behauptung unzutreffend ist, denn das [X.] hat lediglich ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, ob die Einnahmen dem Kläger zivilrechtlich zuständen, es gelte das [X.], beruht die Entscheidung des [X.] nicht hierauf. Zum Einen hat sich das [X.] mit der Frage des dauerhaften Verbleibs der Einnahme beim Hilfebedürftigen und des alleinigen Zugriffs nicht abstrakt befasst. Lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung stellt es fest, dass der Kläger über das Konto, auf das die Mieteinnahmen flössen, alleine verfügen könne. Entscheidend ist jedoch, dass es die Auffassung vertritt, wenn der Kläger einen Teil seiner Mieteinnahmen an die Ehefrau weiterleiten und eine Nutzungsentschädigung für seine eigene Wohnung zahlen würde, ihm dieser Teil der Mieteinnahmen nicht zuzurechnen wäre. Nach der vom Kläger nicht mit hinreichenden [X.] angegriffenen Beweiswürdigung des [X.] ist das jedoch nicht der Fall.

Schlussendlich bringt der Kläger vor, das [X.] habe den Rechtssatz aufgestellt, dass nur solche Unterkunftsaufwendungen zu berücksichtigen seien, die an Dritte geleistet würden mit der Folge, dass der Leistende über den geleisteten Betrag nicht mehr verfügen könne. Diesem Rechtssatz, den das [X.] auch nach dem Vortrag des [X.] nicht ausdrücklich formuliert hat, stellt er keinen Rechtssatz des [X.] entgegen. Er führt zwar aus, dass es nach Auffassung des 14. Senats des [X.] ausreiche, wenn der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Zu der Frage, ob es sich insoweit um die Mietzinsforderung eines Dritten handeln müsse, hat sich das [X.] jedoch mit diesem Satz nicht verhalten. Gleichwohl kann der Kläger jedoch auch nicht im Sinne der Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.]) als der Rüge, die auch die [X.] umfasst, Erfolg haben.

In der vom Kläger angeführten Entscheidung des erkennenden Senats vom [X.] (B 4 AS 37/08 R, [X.] 4-4200 § 22 [X.]) hat dieser sich unmissverständlich wie vom Kläger vorgetragen geäußert. Hierzu hat das [X.] jedoch - vom Kläger nicht wirksam angegriffen - festgestellt, dass er eben keiner wirksamen Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen sei und auch nicht tatsächlich Miete gezahlt, sondern derartige Zahlungen nur von einem Konto des [X.] auf ein anders "verschoben" worden seien. Insoweit kommt es auf die Frage, ob es sich um eine Mietzinsforderung eines Dritten handeln müsse, hier nicht an.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die Beschwerde aus den zuvor dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 4 AS 129/10 B

18.01.2011

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Rostock, 12. Oktober 2007, Az: S 4 AS 52/06, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 202 SGG, § 227 Abs 1 ZPO, § 153 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2011, Az. B 4 AS 129/10 B (REWIS RS 2011, 10420)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10420

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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