Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.11.2015, Az. I ZR 211/14

1. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2416

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Unzulässige Rechtsdienstleistung bei Rechtsberatung durch einen von einem Unternehmen eingeschalteten Rechtsanwalt


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 29. August 2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin, eine bundesweit überwiegend auf dem Gebiet des Versicherungsrechts tätige Rechtsanwaltskanzlei, verfolgt gegenüber der [X.], die sich mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus gekündigten Lebens- und Rentenversicherungsverträgen befasst, wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz ([X.]).

2

Die Beklagte verfügt nicht über eine Registrierung nach § 10 [X.]. Potentielle Kunden der [X.] sind Versicherungsnehmer, die an ihren Versicherungsverträgen nicht mehr festhalten wollen.

3

Die Beklagte bietet ihren Kunden zwei Geschäftsmodelle an. Einerseits handelt es sich um eine sogenannte Kauf- und Abtretungsvereinbarung, bei der die Rechte des Kunden aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag an die Beklagte abgetreten werden ([X.] "[X.] 2011" und "[X.] 2012"). Andererseits handelt es sich um einen sog. Prozessbetreuungsvertrag, bei dem die Beklagte die Ansprüche des Kunden in dessen Namen durchsetzen soll und die Prozesskosten üblicherweise durch eine Rechtsschutzversicherung des Kunden getragen werden sollen ([X.] "Prüfauftrag Ökopaket", "Prüfauftrag [X.]", "[X.] 2011" und "[X.] 2012").

4

Die Beklagte hat für die Prozessbetreuungsverträge "[X.] 2011" und "[X.] 2012" Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, in denen es unter anderem wie folgt heißt:

[[X.] 2011] "(...) Deshalb beauftrage ich Sie hiermit, meine Ansprüche für [X.] gemäß der umseitigen Bedingungen über die Prozessbetreuung zur Anfechtung von Versicherungsverträgen (...) durchzusetzen. (...) Ich habe eine Rechtsschutzversicherung, die die Verfahrenskosten trägt. (...)"

[[X.] 2012] "(...) Deshalb beauftrage ich Sie hiermit, die Durchsetzung meiner Ansprüche für [X.] gemäß der umseitigen Bedingungen über die Prozessbetreuung zur Anfechtung von Versicherungsverträgen (...) zu betreuen. (...) Die Verfahrenskosten übernimmt meine Rechtsschutzversicherung. (...)"

"Bedingungen über die Prozessbetreuung zur Anfechtung von Versicherungsverträgen

Präambel

(...) Um schnellstmöglich über das Guthaben verfügen zu können, beauftragt der Anspruchsinhaber die p.     durch umstehende Erklärung mit der Betreuung und Steuerung der Anspruchsdurchsetzung. Die p.      hat hierzu eine Strategie entwickelt, die ihr Know-how und damit einen wesentlichen Teil ihrer Geschäftsgrundlage darstellt und mit welcher der gesamte Verfahrensablauf gesteuert werden soll. (...) Die p.      erbringt im Rahmen dieser Vereinbarung selbst keine Leistungen im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes ([X.]). Mit der Prüfung des Sachverhalts sowie der ggf. erforderlichen außergerichtlichen Korrespondenz zum Zwecke der Anspruchsdurchsetzung werden jeweils unabhängige Rechtsanwälte beauftragt, welche dem Netzwerk der p.      zugehörig sind.

(...)

§ 2 Leistungen der p.

(1) Die p.  übernimmt die Betreuung und Steuerung der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche des Anspruchsinhabers gegenüber der Versicherung. Hierfür bringt die p.      ihr gesamtes Know-how, das sie bereits erworben hat und stetig weiterentwickelt, ein.

(2) Die p.      ist (...) bevollmächtigt, für die gerichtliche und außergerichtliche Wahrnehmung der Interessen des Anspruchsinhabers gegenüber dem Versicherer einen unabhängigen Rechtsanwalt aus ihrem Netzwerk auszuwählen und mit der Anspruchsdurchsetzung zu beauftragen. Die p.      wird durch den Anspruchsinhaber ermächtigt, in Abstimmung mit den bevollmächtigten Rechtsanwälten in Vertretung für den Anspruchsinhaber zu entscheiden, welche außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Maßnahmen für die Durchsetzung der sich etwaig aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Ansprüchen eingeleitet werden. (...)"

5

Das [X.] hat die Beklagte wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 2 Abs. 2, § 3 [X.] antragsgemäß verurteilt,

es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen,

(…)

b) Versicherungsnehmer geschäftsmäßig aufzufordern, Versicherungsverträge samt Korrespondenz mit dem betreffenden Versicherer einzureichen und eine entgeltliche rechtliche Prüfung hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer vollständigen oder teilweisen Beitragsrückforderung vorzunehmen,

wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:

[es folgt die Nennung näher bezeichneter, als Anlagen vorliegender Vertragsunterlagen]

6

Die Berufung der [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der angestrebten Revision möchte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten [X.] greifen nicht durch und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern auch im Übrigen eine Entscheidung des [X.] nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

8

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet allerdings zutreffend, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der vom Klageantrag zu b) erfassten Prozessbetreuungsverträge "[X.] 2011" und "[X.] 2012" zu Unrecht vom Bestehen eines Mandatsverhältnisses zwischen der [X.] und dem Rechtsanwalt ausgegangen ist. Auch bei Zugrundelegung der richtigen Annahme, dass in diesen Konstellationen ein Mandatsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Rechtsanwalt zustande kommt, ist jedoch die Revision nicht zuzulassen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch insoweit im Ergebnis als richtig, weil ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 UWG in Verbindung mit § 3 [X.] gegeben ist. Das ergangene Verbot ist zudem mit dem Grundrecht der [X.] aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar.

9

a) Die Struktur der [X.] "[X.] 2011" und "[X.] 2012", die den Eintritt der Rechtsschutzversicherung des Kunden vorsehen, bedingt ein Mandatsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Kunden. Nach § 5 der [X.] ([X.]) 2010 trägt der Versicherer bei Eintritt des Rechtsschutzfalles "die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes". Für die Rechtsverfolgung mithilfe eines durch einen Dritten mandatierten Rechtsanwalts träte die Rechtsschutzversicherung folglich nicht ein (vgl. [X.]/[X.], [X.], 29. Aufl., § 5 [X.] 2010 Rn. 4).

b) Das ergangene Verbot erweist sich aber bei Zugrundelegung der in der Senatsentscheidung "[X.]" (Urteil vom 29. Juli 2009 - [X.], [X.], 1077 = [X.], 1380) ausgesprochenen Maßstäbe gleichwohl als richtig, weil es sich bei der beanstandeten Handlung um eine außergerichtliche Rechtsdienstleistung in Form der entgeltlichen Rechtsprüfung im Sinne der §§ 2, 3 [X.] handelt.

Im Fall "[X.]", in dem ein Unternehmen einen "in Schuldenangelegenheiten versierten Rechtsanwalt" empfahl und dessen Kosten trug, war ein Verstoß gegen § 3 [X.] gegeben, weil dieser Rechtsanwalt der Sache nach ein Erfüllungsgehilfe des Unternehmens war, auch wenn er formal vom Kunden selbst beauftragt und bevollmächtigt wurde ([X.], [X.], 1077 Rn. 26 - [X.]).

Vorliegend steht der Umstand, dass im Rahmen der Verträge "[X.] 2011" und "[X.] 2012" zwischen dem Kunden der [X.] und dem Rechtsanwalt ein eigenständiges Mandatsverhältnis begründet wird, der Annahme einer unzulässigen Rechtsdienstleistung ebenfalls nicht entgegen, weil der Rechtsanwalt der Sache nach als Erfüllungsgehilfe der [X.] einzuordnen ist. Dies folgt aus der starken Stellung, die die Beklagte - wie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen erkennen lassen - im Rahmen der versprochenen Anspruchsdurchsetzung innehat. Sie steuert die Anspruchsdurchsetzung, indem sie den Rechtsanwalt auswählt, beauftragt und in Abstimmung mit diesem über die einzelnen Maßnahmen entscheidet. Hieran vermag der formale Umstand, dass das Mandatsverhältnis zwischen Kunden und Rechtsanwalt besteht, nichts zu ändern.

c) Das ergangene Verbot verletzt die der [X.] grundgesetzlich garantierte Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht. Es handelt sich um eine von dem Schrankenvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckte verhältnismäßige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit. Die Dienstleistung der [X.] lässt sich nicht in die - dem Rechtsanwalt überlassene - erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung und die sonstigen unterstützenden, nicht dem Erlaubnisvorbehalt unterfallenden Tätigkeiten aufteilen, die nur geringe Berührungspunkte mit der Rechtspflege aufweisen (vgl. [X.], NJW 2002, 3531, juris Rn. 30). Bei der Würdigung der Tätigkeit der [X.] ergibt sich kein maßgeblicher, von der Anspruchsdurchsetzung zu differenzierender Gehalt; die Tätigkeit der [X.] ist, weil sie selbst in der dargestellten Weise in die Anspruchsdurchsetzung eingebunden ist, vielmehr schwerpunktmäßig rechtspflegenah.

2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                             Koch                             Löffler

                  [X.][X.]

Meta

I ZR 211/14

12.11.2015

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 29. August 2014, Az: 6 U 13/14, Urteil

Art 12 Abs 1 S 2 GG, § 2 Abs 2 RDG, § 3 RDG, § 10 RDG, § 3 Abs 1 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 8 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.11.2015, Az. I ZR 211/14 (REWIS RS 2015, 2416)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2416


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 211/14

Bundesgerichtshof, I ZR 211/14, 12.11.2015.


Az. 6 U 13/14

Oberlandesgericht Köln, 6 U 13/14, 29.08.2014.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VI ZR 486/18

I ZR 211/14

II ZR 84/20

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