Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2013, Az. VI ZB 61/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2973

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
61/12

vom

10. September
2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 B, Fd
Das Büropersonal ist anzuweisen, bei einem fristgebundenen Schriftsatz die in einem Sendebericht ausgewiesene Faxnummer nach Ausdruck noch einmal anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle auf ihre Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt bezeichneten Empfangsgericht zu überprüfen.
[X.], Beschluss vom 10. September 2013 -
VI [X.]/12 -
KG
Berlin

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
10.
September
2013
durch den Vorsitzenden Richter Galke
und
die Richter
Zoll, Wellner, [X.] und Stöhr
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20.
Zivilsenats des [X.] vom 27.
September 2012 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
[X.]: 9.000

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld nach einer ärztli-chen Behandlung in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. [X.] das am 26.
März 2012 zugestellte Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem am 24.
April 2012 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit einem am 29.
Juni 2012 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz hat er die Berufung
begründet und für eine [X.] Fristverlängerung gedankt. Mit Verfügung vom 12.
Juli 2012 hat der [X.] darauf hingewiesen, dass ein Fristverlängerungsantrag beim [X.] nie eingegangen sei, dass sich aber bei den Akten
des Landge-richts
ein Fristverlängerungsgesuch adressiert an das [X.]
befinde, wel-ches am [X.], dem
29.
Mai 2012,
beim [X.] eingegangen sei.
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Daraufhin hat die Klägerin mit einem am 31.
Juli 2012 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist [X.]. Sie hat sinngemäß vorgetragen, die Rechtsanwaltsgehilfin ihres Pro-zessbevollmächtigten habe zunächst den Fristverlängerungsantrag an das [X.] Berlin adressiert und mit dessen Faxnummer
versehen. Dies sei ihrem Prozessbevollmächtigten bei der Unterschrift aufgefallen, worauf er die [X.] erteilt habe, den Schriftsatz zu vernichten und mit der korrek-ten Adresse wieder vorzulegen. Bei Unterschrift (am 25.
Mai 2012) unter dem neu vorgelegten Schreiben habe er die [X.] erteilt, diesen Antrag an das [X.] zu faxen. Am 29.
Mai 2012 habe die [X.] jedoch den ersten Schriftsatz an das [X.] gefaxt. Zur Glaubhaft-machung hat der Prozessbevollmächtigte eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin vorgelegt.
Das [X.] hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewie-sen und die Berufung der Klägerin verworfen. Es komme zwar auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung nicht mehr an, wenn der Rechtsanwalt einer [X.], die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, eine konkrete [X.] erteile, die bei Be-folgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Im Streitfall erfülle die vorgetrage-ne [X.] die Anforderungen der Rechtsprechung aber nicht. Es sei nicht einmal vorgetragen, dass die Kanzleiangestellte angewiesen worden sei, nach Übersendung der Berufungsschrift den Sendebericht auszudrucken und diesen auf die Richtigkeit der verwendeten [X.]
anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle zu überprüfen und die [X.] erst zu löschen, wenn eine solche Überprüfung erfolgt sei.

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-

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Vorausset-zungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müs-sen, nicht erfüllt sind.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin
weder in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechts-schutz (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsstaatsprinzip) noch de-ren rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG). Danach darf einer [X.] die [X.] in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 12.
Juni 2012 -
VI
ZB 54/11, [X.], 1411 Rn.
5 mwN).
2. Die angefochtene Entscheidung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltli-che Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Übersendung fristgebundener Schriftsätze per Telefax nicht überspannt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] muss der Rechtsanwalt bei Versendung von Schriftsätzen per Telefax durch organi-satorische Vorkehrungen sicherstellen, dass die Telefaxnummer
des ange-4
5
6
7
-
5
-

schriebenen Gerichts verwendet wird. Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten [X.]
überprüft wird, um nicht nur Fehler bei
der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Faxnum-mer
oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufdecken zu können. Die Über-prüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen [X.]
ist anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten [X.] vorzunehmen, aus dem bzw. der die Faxnummer
des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27.
März 2012
-
VI
ZB 49/11, NJW-RR 2012, 744
Rn.
7 und vom 12.
Juni 2012 -
VI
ZB 54/11, aaO
Rn.
7 mwN). Diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Übermittlung ausschließen, sondern auch die Feststellung ermöglichen, ob der Schriftsatz auch tatsächlich übermittelt worden ist. Eine [X.] darf erst nach einer solchen Kontrolle des [X.] gelöscht werden (Senatsbeschluss vom 12.
Juni 2012 -
VI
ZB 54/11, aaO; [X.], Beschlüsse vom 16.
Juni 1998
-
XI
ZB 13/98, -
XI
ZB 14/98, [X.], 996; vom 7.
Juli 2010 -
XII
ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn.
12, 14). Das Büropersonal muss daher stets angewie-sen werden, die angegebene Faxnummer noch einmal auf eine Zuordnung zu dem vom Rechtsanwalt angegebenen Empfangsgericht zu überprüfen, auch dann, wenn eine Kanzleiangestellte die anzuwählende Telefaxnummer
des Ge-richts aus einem in der Akte befindlichen Schreiben des Gerichts in einen
frist-gebundenen Schriftsatz überträgt ([X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2010
-
IX
ZB 34/10, NJW 2011, 312 Rn.
10). Sofern den Senatsbeschlüssen vom 13.
Februar 2007 -
VI
ZB 70/06, [X.], 272 und vom
22.
Juni 2004
-
VI
ZB 14/04, [X.], 573 etwas anderes zu entnehmen sein sollte, wird daran nicht festgehalten.
-
6
-

b) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat der Prozessbevollmächtigte der
Klägerin
nicht erfüllt.
Das Verschulden ihres [X.] ist der Klägerin zuzurechnen (§
85 Abs.
2, §
233 ZPO).
aa) Es entspricht zwar der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Se-natsbeschluss vom 17.
April 2012 -
VI
ZB 50/11, NJW-RR 2012, 1084
Rn.
17 mwN), dass der Rechtsanwalt Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem [X.] fristgebundener Schriftsätze grundsätzlich dem geschulten und [X.] eigenverantwortlich überlassen darf. Es trifft auch zu, dass
es
nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] für den Ausschluss des einer [X.] zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§
85 Abs.
2, §
233 ZPO) auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anwei-sungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer [X.], die sich bisher als zuverlässig [X.] hat, eine konkrete [X.] erteilt, die bei Befolgung die Frist-wahrung gewährleistet hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.
September 2011
-
VI
ZB 23/11, [X.], 1544 Rn.
8; vom 12.
Juni 2012 -
VI
ZB 54/11, aaO Rn.
9 mwN). Im Streitfall erfüllt die von
der
Klägerin
vorgetragene und durch die eidesstattliche Versicherung der [X.] glaubhaft gemachte [X.] die Anforderungen
der Rechtsprechung aber nicht. Es ist nicht einmal vorgetragen, dass die Kanzleiangestellte angewiesen worden sei, nach Übersendung des
Fristverlängerungsantrags
den Sendebericht auszudrucken und diesen auf die Richtigkeit der verwendeten [X.]
(hier also des Berufungsgerichts) anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer an-deren geeigneten Quelle zu überprüfen und die [X.] erst zu löschen, wenn eine solche Überprüfung erfolgt ist.
bb) Eine allgemeine Büroanweisung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, aus der
sich eine Anordnung hinsichtlich der Prüfungspflichten der 8
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Büroangestellten nach Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax ergibt, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Eine solche lässt sich auch nicht der ei-desstattlichen Versicherung der Büroangestellten entnehmen. Einen Hinweis des Berufungsgerichts nach §
139 ZPO, dass es den Vortrag als unzureichend ansieht, war insoweit entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht erforderlich. Dem Wiedereinsetzungsantrag lässt sich auch nicht ansatzweise entnehmen, dass die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt worden sind, so dass ein Hinweis zur Präzisierung oder Klarstellung einer zuvor bereits vor-getragenen Tatsache nicht veranlasst war
(vgl. Senatsbeschluss vom 12.
Juni 2012 -
VI
ZB 54/11, aaO Rn.
11).
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Unterlassen einer entsprechenden Ausgangskontrolle auch ursächlich geworden. Hätte die Kanzleiangestellte einen Sendebericht ausgedruckt und entsprechend den An-forderungen der Rechtsprechung überprüft, ob
die richtige Telefaxnummer und das richtige Gericht ausgewählt wurden, so hätte ihr auffallen können und müs-sen, dass das Telefax nicht an das [X.] übersandt worden ist. Dann hätte sie ihren Fehler entdecken können, weil es für eine zuverlässige Büroan-gestellte offensichtlich ist, dass ein Schriftsatz zur Verlängerung der Berufungs-begründungsfrist an das Berufungsgericht übersandt werden muss,
und zusätz-lich gemäß dem Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten eine entsprechende [X.] vorlag.
c) Entgegen dem
Vorbringen
der Rechtsbeschwerde ist kein Anhalts-punkt dafür ersichtlich, dass eine wirksame Verlängerung der Berufungsbe-gründungsfrist seitens des Berufungsgerichts erfolgt
ist. Soweit die Rechtsbe-schwerde dies aus der Verfügung des Vorsitzenden
Richters
vom 5.
Juli 2012, die den handschriftlichen Vermerk enthält "Begründungsfrist verlängert", ablei-ten will, beachtet sie nicht, dass diese Verfügung vor Eingang der Akten vom 11
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-

[X.] erfolgte. Bereits mit Verfügung vom 12.
Juli 2012
wies der [X.] darauf hin, nach Eingang der Akten sei festgestellt worden, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist an das [X.] gerichtet worden sei.
Galke
Zoll
Wellner

[X.]
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.02.2012 -
36 [X.]/09 -

KG Berlin, Entscheidung vom 27.09.2012 -
20 [X.] -

Meta

VI ZB 61/12

10.09.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2013, Az. VI ZB 61/12 (REWIS RS 2013, 2973)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2973

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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