Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2013, Az. V ZR 232/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2357

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES [X.]LKES

URTEIL

V [X.]
Verkündet am:

27. September 2013

Langendörfer-Kunz

Justizamtsangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2013
durch die
Vorsitzende Richterin
Dr.
Stresemann
und [X.] Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub
und Dr.
Kazele
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2010 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufge-hoben, als die Berufung gegen die Abweisung der Klage gegen die [X.] zu 5 und 10 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der [X.] zu 3, 6, 7 und 9, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der [X.] zu 3, 6, 7 und 9 in beiden Rechtsmittelinstanzen trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[X.]gehörte ein Grundstück auf der [X.] im heutigen [X.] im früheren Ostteil von [X.], auf dem er einen Uhrengroßhandel betrieb. Er wurde durch das [X.] verfolgt und musste deshalb sein Grundstück an einen Dritten verkaufen. Das Grundstück wurde später durch die 1
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DDR enteignet, mit anderen staatlichen Grundstücken zusammengelegt
und von dem Land [X.]
und der [X.], denen es mit dem Einigungsvertrag zugefallen war, am 19. Dezember 1997 an einen Investor
ver-kauft, und zwar im Hinblick auf die von den [X.] zu
1 bis 10 angemelde-ten [X.] nach näherer Maßgabe des [X.]. Die Restitutionsbehörde stellte nach dem Verkauf fest, dass die [X.] begründet waren, und wies das Land [X.], das auch für die [X.] handelte, an, den [X.] zu 1 bis 10 den Teil des Verkaufserlöses, der dem Anteil des Grundstücks von [X.]an dem Gesamtareal entsprach, auszukehren. Bei der Durchführung dieser Auszahlung unterlief dem Land [X.] ein Fehler. Es überwies dem mit der Vertretung der [X.] zu 1 bis 10 beauftragten Rechtsanwalt, dem [X.] zu 11, nicht nur diesen Kaufpreisanteil, sondern den gesamten Kaufpreis, den dieser unter die [X.] zu 1 bis 10 verteilte. Das Land [X.] fordert im vorliegenden Rechtsstreit von dem
in [X.] ansässigen [X.] zu 1 und von den im Aus-land
ansässigen [X.] zu 2 bis 10 den überzahlten Betrag, den es auf et-was über e-klagten zu 11, dem es im Zusammenhang mit der Weiterleitung des Betrags eine unerlaubte Handlung vorwirft, vor dem [X.] [X.] als Gesamt-schuldner verklagt. Die [X.] zu 3, 5 bis 7, 9 und 10 wenden unter ande-rem ein, das [X.] [X.] sei für sie international nicht zuständig.

Das [X.] hat die Klage mit einem Teilurteil gegen die [X.] zu 3, 5 bis 7, 9 und 10 als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision
verfolgt
der Kläger seine Anträge weiter.

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Entscheidungsgründe:

[X.]

Das Berufungsgericht meint, die internationale Zuständigkeit der deut-schen Gerichte sei für die Klage gegen die [X.] zu 3, 5 bis 7, 9 und 10 nicht gegeben. Aus Art. 6 Nr. 1 der [X.] ([X.]) Nr. 44/2001 ([X.]. [X.] Nr. L 12 S. 1) folge sie nicht, weil diese Verordnung nicht anwendbar sei. Bei der Streitigkeit handele es sich nämlich nicht um eine zivilrechtliche, sondern um eine öffent-lich-rechtliche Streitigkeit, für die die Verordnung nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nicht gelte. Die Zahlung des [X.] an die [X.] dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass sie auf Grund des Bescheids über die Feststellung des Rückgabeanspruchs der [X.] erfolgt sei. Eine internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte sei auch nach dem deut-schen internationalen Prozessrecht nicht gegeben.

I[X.]

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht in allen Punk-ten stand.

1. Der Senat hat zu den mit dem Berufungsurteil aufgeworfenen Fragen der Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Nr. 1 der [X.] ([X.])
Nr.
44/2001 den Gerichtshof der [X.] um eine Vorabentscheidung ersucht ([X.] vom 18. November 2011 -
V [X.], [X.] 2012, 43). Der [X.] hat mit Urteil vom 11. April 2013
(Rs. [X.]/11, [X.], 1661) wie folgt entschieden:

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. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die [X.] und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und -
und Handgeleisteten Zahlung umfasst, wenn eine öffentliche Stelle durch ei-ne Behörde, die durch ein Gesetz zur Wiedergutmachung von [X.] seitens eines totalitären Regimes geschaffen wurde, an-gewiesen worden ist, einem Geschädigten zur Wiedergutmachung einen Teil des Erlöses aus einem Grundstückskaufvertrag auszu-zahlen, stattdessen aber versehentlich den gesamten Kaufpreis an diese Person überwiesen hat und anschließend die ohne Rechts-grund geleistete Zahlung gerichtlich zurückfordert.

2. Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass zwischen den Klagen gegen mehrere Beklagte, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten haben, eine en-ge Beziehung im Sinne dieser Bestimmung besteht, wenn sich [X.] [X.] unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auf weiter gehende [X.] berufen, über die einheitlich entschieden werden muss.

3. Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass er auf Beklagte, die ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet ei-nes Mitgliedstaats haben und die im Rahmen einer gegen mehrere Beklagte, zu denen auch Personen mit Wohnsitz in der [X.], gerichteten Klage verklagt werden, nicht anwendbar ist

2. Danach ist der Streit der Parteien über den Bereicherungsanspruch des [X.], anders als das Berufungsgericht meint, eine Zivil-
und Handelssa-che im Sinne von Art. 1 Abs. 1 [X.] ([X.]) Nr. 44/2001. Die internationale Zustän-digkeit der [X.] Gerichte bestimmt sich deshalb in erster Linie nach den Vorschriften dieser Verordnung und nur, soweit diese einen Gerichtsstand nicht bestimmt, nach autonomem [X.]
internationalen Prozessrecht.

3. Für die [X.] zu 5 und 10 ist der internationale Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art. 6 Nr. 1 [X.] ([X.]) Nr. 44/2001
gegeben. Nach 6
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dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem eine von mehreren zusammen verklagten Personen ihren Wohnsitz hat, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemein-same Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könn-ten. Diesen Zusammenhang hat der Gerichtshof hier daraus abgeleitet, dass die [X.] gegen den Bereicherungsanspruch weitergehende [X.] einwenden und darüber nur einheitlich entschieden wer-den kann
(Urteil vom 11. April 2013 -
[X.]/11, [X.], 1661, 1663 Rn.
4547).

4. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte für die Klage ge-gen die [X.] zu 3, 6, 7 und 9
hat das Berufungsgericht dagegen zu Recht verneint.

a) Aus Art. 6 Nr. 1 [X.] ([X.])
Nr. 44/2001 folgt sie nicht. Der dafür erfor-derliche, von dem Gerichtshof bejahte Zusammenhang zu den Klagen gegen die [X.] mit einem Gerichtsstand in [X.] besteht zwar in der [X.] nicht nur für die [X.] zu 5 und 10, sondern auch für die [X.] zu 3, 6, 7 und 9. Diese [X.] haben aber keinen Wohnsitz in einem [X.] der [X.]. Auf solche mitverklagten Personen ist Art. 6 Nr.
1 [X.] ([X.])
Nr. 44/2001 nach dem Urteil des Gerichtshofs nicht anzuwenden
([X.], 1661, 1663 Rn. 52-54).

b) Für diese [X.] besteht aber auch nach autonomem [X.]
internationalen
Prozessrecht
kein Gerichtsstand in [X.]. Auf das interne [X.] Recht kann zwar zurückgegriffen werden, da die Verordnung auf die-8
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se [X.] insgesamt nicht anwendbar ist und den Rückgriff auf das interne Recht der Mitgliedstaaten deshalb nicht sperrt. Nach [X.]m internationalen
Prozessrecht ist ein internationaler Gerichtstand insoweit aber nicht gegeben.

aa) Das [X.] Recht kennt den Gerichtsstand der Streitgenossen-schaft, wie ihn Art. 6 Nr. 1 [X.] ([X.]) Nr. 44/2001 vorsieht, nicht.

[X.]) Auch der internationale Gerichtsstand des Vermögens analog §
23 ZPO scheidet hier aus. Zwar verteidigen sich die [X.] gegen die Klage-forderung mit
einem Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem [X.] und dem Verkehrswert nach § 16 Abs. 1 Satz 3 [X.] Mit diesem Anspruch lässt sich der Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO aber nicht begründen. Dafür muss nicht entschieden werden, ob dieser Anspruch auf Grund der von den [X.] hilfsweise erklärten Aufrechnung erloschen ist, die entgegen der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht unter entsprechender (konkludenter) Zerlegung des Anspruchs in [X.] nach §
2042 Abs. 2, § 752 BGB rechtlich möglich wäre. Der [X.] nach § 23 ZPO scheidet jedenfalls deshalb aus, weil der Kläger [X.]n Anspruch bestreitet, und zwar nicht in einem anderen Verfahren, sondern in dem vorliegenden, gegen die [X.] zu 1 und 11 fortgesetzten Rechtsstreit. Nach dem -
für die Zulässigkeit der Klage allein maßgeblichen -
eigenen [X.] des [X.] haben die [X.] daher insoweit gerade kein Vermögen (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 1992 -
IX ZR 229/91, [X.]Z 120, 334, 346). Dass die [X.] zu 3, 6, 7 und 9 in [X.] anderes Vermögen hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich (Senat, Beschluss vom 18. November 2011

V [X.], [X.] 2012, 43
Rn.
4).

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cc) Die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte für die Klage gegen die [X.] zu 3, 6, 7 und 9 lässt sich schließlich auch nicht in ent-sprechender Anwendung von § 28 ZPO begründen. Der Anspruch auf Auskeh-rung des Erlöses aus dem Verkauf eines an die früheren Eigentümer zu restitu-ierenden Grundstücks für [X.] nach § 16 Abs. 1 Satz 3 InVorG ist als originärer
sondergesetzlicher Anspruch einem Nachlass schon nicht [X.]
(ebenso
[X.], Urteil vom 28. Januar 2004

[X.], [X.]Z
157, 379, 386 für die entsprechende Anwendung von §
1374 Abs. 2 BGB). Der Gerichtsstand wäre auch dann nicht gegeben, wenn § 28 ZPO
auf einen solchen Anspruch entsprechend
anwendbar wäre,
weil es an den Vo-raussetzungen der Vorschrift fehlte. Der Anspruch aus § 16 Abs. 1 Satz 3 [X.] auf Auskehrung des Verkaufserlöses, an den bei der entsprechenden Anwendung der Vorschrift anzuknüpfen wäre, ist nach dem insoweit maßgebli-chen Vortrag des [X.] erfüllt und damit nicht mehr im Gerichtsbezirk [X.]. Auch
haften die [X.] nicht, wie der Kläger meint, als Gesamtschuld-ner, sondern als Teilschuldner (vgl. Senat, Urteil vom 19. Januar 2001 -
V [X.], [X.]Z 146, 298, 309 mwN; ebenso für § 281 BGB aF = § 285 BGB: Senat, Urteil vom 17. Dezember 1998

[X.], [X.] 1999, 176, 177), weil jeder nur um den Geldbetrag ungerechtfertigt bereichert sein kann, den er selbst ohne Rechtsgrund erlangt hat.

II[X.]

Die gegen die [X.] zu 3, 6, 7 und 9 gerichtete Klage ist damit unzu-lässig. Insoweit ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif und
von dem [X.]

auch über die aussonderbaren und nach § 97 Abs. 1 ZPO von dem Kläger zu tragenden außergerichtlichen Kosten dieser [X.] -
abschließend zu entscheiden. Im Übrigen ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an 13
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das Berufungsgericht
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsstreits,
zurückzuverweisen. Dieses wird zunächst zu prüfen haben, ob ihm eine isolierte Sachentscheidung gegenüber den [X.] zu 5 und 10 möglich ist. Andernfalls wird es die Sache hinsichtlich dieser beiden [X.] an das [X.] zurückzuverweisen haben.

Stresemann

Ri[X.] [X.] ist

Schmidt-Räntsch

infolge Urlaubs an der

Unterschrift gehindert.

[X.], den 10. Oktober 2013

Die Vorsitzende

Stresemann

Czub

Kazele
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 15.08.2006 -
13 [X.]/03 -

KG [X.], Entscheidung vom 27.10.2010 -
11 U 25/06 -

Meta

V ZR 232/10

27.09.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2013, Az. V ZR 232/10 (REWIS RS 2013, 2357)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2357

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