Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2022, Az. IV ZR 138/20

4. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5029

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Gegenstand

Private Krankenversicherung: Anforderungen an die Mitteilung über eine Beitragserhöhung; bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer unwirksamen Prämienerhöhung; Beginn der Verjährungsfrist


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revisionen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 26. Mai 2020 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung der Klägerin.

2

Die Klägerin ist bei der [X.] krankenversichert; bis zum 31. Dezember 2014 bestand Versicherungsschutz in den Tarifen [X.]       und [X.]und bis zum 30. April 2016 im Tarif [X.].   . Die Beklagte informierte sie jeweils mit Schreiben aus dem November des Vorjahres über folgende Prämienerhöhungen: im Tarif [X.]       zum 1. Januar 2010 um 54,08 € monatlich und zum 1. Januar 2014 um 76,45 € monatlich, im Tarif [X.]zum 1. Januar 2011 um 6,51 € monatlich, zum 1. Januar 2012 um 4,27 € monatlich und zum 1. Januar 2013 um 8,69 € monatlich sowie im Tarif [X.].    zum 1. Januar 2016 um 90,52 € monatlich.

3

Dem Anschreiben von November 2015 waren "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016" beigefügt, in denen es unter "Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungsversicherung?" auszugsweise hieß:

"Mit ihrer privaten Kranken-/Pflege-Versicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung.

In der privaten Krankenversicherung ([X.]) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen - und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert.

Darüber hinaus wächst mit dem medizinischen Fortschritt der Umfang Ihres privaten [X.]. Denn er berücksichtigt neue Methoden bei Diagnostik, Therapie und Medikamenten.

Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankenhaustagegeld- und Pflegeergänzungs-Versicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und - für Verträge, die vor dem [X.] abgeschlossen wurden - zusätzlich nach Geschlecht.

Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge überprüft werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet.

Muss eine Beitragsanpassung erfolgen, müssen auch weitere Faktoren berücksichtigt werden. Denn nicht nur die Leistungsausgaben beeinflussen den Beitrag. Diese Faktoren sind:

Steigende Lebenserwartung

...

[X.]

...

Entwicklung des [X.]

..."

4

Die Klägerin hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom 6. Februar 2018 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung von 14 Tagen zur Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Prämien in Höhe von 5.199,04 € auf. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück.

5

Mit ihrer 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin, soweit für die Revision noch von Interesse, die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten [X.] in Höhe von 5.199,04 € nebst Zinsen ab dem 1. März 2018 sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vor dem 1. März 2018 aus diesem Betrag gezogen hat, verpflichtet ist und diese ab dem 1. März 2018 zu verzinsen hat.

6

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 362,08 € nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vor dem 1. März 2018 aus dem Prämienanteil, den die Klägerin in der [X.] vom 1. Januar 2016 bis zum 30. April 2016 auf die Beitragserhöhung im Tarif [X.].   zum 1. Januar 2016 in Höhe von monatlich 90,52 € gezahlt hat, gezogen hat, sowie zur Verzinsung der herauszugebenen Nutzungen ab dem 1. März 2018 verpflichtet ist.

7

Mit der Revision verfolgt die Klägerin die genannten Klageanträge, soweit das [X.] sie abgewiesen hat, weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision weiterhin die Klageabweisung. Die Klägerin hat vorsorglich für den Fall, dass der [X.] von einer wirksamen Beschränkung der Revisionszulassung ausgehen sollte, zudem auch [X.] eingelegt.

8

II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Tariferhöhung im Tarif [X.].      zum 1. Januar 2016 wegen einer unzureichenden Begründung in dem [X.] in formeller Hinsicht unwirksam. Die unzureichende Begründung habe im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung dieses Tarifs bis zum 30. April 2016 auch nicht - etwa durch Zustellung der Klageerwiderung am 10. September 2018 - nachträglich geheilt werden können. Es sei zunächst erforderlich, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 [X.] zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst habe. Die Benennung der Rechnungsgrundlage müsse auch bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen. Gemessen daran habe die streitgegenständliche Begründung aus November 2015 nicht die Mindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe erfüllt.

9

Die Klägerin könne die Rückzahlung geleisteter [X.] für den [X.]raum von Januar bis April 2016 in Höhe von 362,08 € (4 x 90,52 €) verlangen. Dagegen seien alle Rückforderungsansprüche wegen der bis zum Ende des Jahres 2014 geleisteten Prämien verjährt. Der Anspruch auf Rückzahlung sei mit der jeweiligen monatlichen Prämienzahlung entstanden gewesen. Die Klägerin habe mit Erhalt der [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt. Nachdem sie inzwischen Klage erhoben habe, sei ihr eine Klageerhebung trotz des bis heute noch bestehenden [X.] hinsichtlich der Anforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne von § 203 Abs. 5 [X.] nicht unzumutbar gewesen.

Entgegen der Ansicht der [X.] müsse sich die Klägerin etwaige Vorteile aus den geleisteten erhöhten Prämienbeiträgen nicht anrechnen lassen. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf Entreicherung berufen. Sie habe nicht konkret dargetan, dass es ihr bei einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der erhöhten Prämien nicht möglich wäre, die zur Bildung von Sparprämien und gesetzlichen Beitragszuschlägen verwendeten erhöhten [X.] wieder zurück zu buchen.

Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihr gezahlten erhöhten [X.]n aufgrund der nicht wirksam begründeten Prämienerhöhung zum 1. Januar 2016 bis einschließlich April 2016. Der Zinsanspruch folge aus §§ 286, 288 BGB.

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revisionen im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht mehr vor und die Rechtsmittel haben auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

1. Die Zulassung der Revisionen ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Insbesondere der vom Berufungsgericht genannte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht mehr gegeben. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 16. Dezember 2020 ([X.], [X.], 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 [X.] genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 21 ff.). Dabei erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 [X.] veranlasst hat (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26). Wie der [X.] in dem genannten Urteil weiter ausgeführt hat, steht der Anwendung von § 203 Abs. 5 [X.] auch für den [X.]raum vor jener Entscheidung nicht entgegen, dass der Begriff der "maßgeblichen Gründe" der Auslegung bedurfte (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 37). Im Übrigen steht unabhängig davon, ob ein Versicherungsnehmer die streitgegenständlichen Prämienanpassungen auch in materieller Hinsicht angreift, § 242 BGB einer Wahrnehmung seiner Informationsrechte und des daraus folgenden Rückzahlungsanspruchs nicht entgegen (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 44).

Mit Urteil vom 17. November 2021 ([X.], [X.], 97) hat der [X.] außerdem entschieden, dass der Versicherungsnehmer bei einem Anspruch auf Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen aufgrund einer unwirksamen Prämienanpassung die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vom Fehlen des [X.] mit Erhalt der seiner Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilung erlangt (vgl. [X.]surteil vom 17. November 2021 aaO Rn. 42). Die Erhebung einer darauf gestützten Klage ist auch nicht unzumutbar, wenn der Versicherungsnehmer bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung zu den Anforderungen, die an die nach § 203 Abs. 5 [X.] mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung zu stellen sind, seine Ansprüche gegen den Versicherer geltend gemacht und Klage erhoben hat (vgl. [X.]surteil vom 17. November 2021 aaO Rn. 45).

2. Die Revisionen haben auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Entgegen der Ansicht der Revision der [X.] hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei der Klage im ausgeurteilten Umfang stattgegeben.

aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der [X.] mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhung zum 1. Januar 2016 die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 [X.] erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 [X.] genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden ([X.]surteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 38). Nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer den allgemein gehaltenen Erläuterungen in der Mitteilung zur Beitragserhöhung vom November 2015 nicht entnehmen, dass das Ergebnis der aktuellen Überprüfung gerade für seinen konkreten Tarif eine Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen ergeben und damit die Prämienanpassung ausgelöst hat.

bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in der Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassung nur zu einer Heilung ex nunc führen könnten (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 41), so dass für den bereits zum 30. April 2016 beendeten Tarif eine nachträgliche Heilung nicht in Betracht kam.

cc) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der [X.] der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die [X.], die sie ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst.

(1) Entgegen der Ansicht der Revision kommt im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 46).

(2) Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.

Es fehlt an einem dauerhaften Vermögensverlust, soweit die Beklagte die erhöhten Prämienzahlungen nach ihrem Vortrag zur Bildung von Rückstellungen verwendet haben will. Zahlungen des Versicherungsnehmers, die ohne wirksame Prämienerhöhung erfolgten, sind nicht nach den für Prämien geltenden Vorschriften zu verwenden (vgl. [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 51).

Falls die Beklagte aus den Zahlungen der Klägerin ohne gesetzliche Grundlage Rückstellungen gebildet haben sollte, kommt es - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber der Klägerin an. Eine Bereicherung ist nicht weggefallen, soweit der Bereicherte seine eigene Verfügung über den empfangenen Vermögensvorteil wieder rückgängig machen kann ([X.]surteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56 Rn. 52). Dass dies nicht möglich wäre, hat die für den Wegfall der Bereicherung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht konkret dargetan.

dd) Neben der Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen hat das Berufungsgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht angenommen, dass die Beklagte zur Verzinsung der gezogenen Nutzungen ab dem 1. März 2018 verpflichtet ist.

Das Berufungsgericht hat der Klägerin Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen aus Verzug zugesprochen. Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung auf die Forderungen der Klägerin aus deren Schreiben vom 6. Februar 2018 die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, wodurch sie in Verzug geraten ist, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte hat dort die geltend gemachten [X.] - und damit auch die Herausgabe jeglicher aus den [X.]n gezogenen Nutzungen - bestimmt und ohne Einschränkung zurückgewiesen. Der [X.] kann die Auslegung des Schreibens selbst vornehmen, da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind.

b) Die - unbeschränkt zugelassene - Revision der Klägerin hat ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Rückgewähr der [X.], die die Klägerin bis zum 31. Dezember 2014 geleistet hat, sowie auf Herausgabe der daraus gezogenen Nutzungen (§ 217 BGB) vor Klageerhebung verjährt war.

aa) Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die [X.] gezahlt wurden, so dass die Frist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen Ende 2017 ablief.

(1) Die [X.] beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die [X.] entstanden hier jeweils mit der Zahlung der [X.].

(2) Wie sich aus dem [X.]surteil vom 17. November 2021 ([X.], [X.], 97 Rn. 42) ergibt, hatte die Klägerin die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vom Fehlen des [X.] mit Erhalt der ihrer Ansicht nach formal unzureichenden Änderungsmitteilungen erlangt. Die Erwägungen dieser Entscheidung lassen sich - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auf den Streitfall übertragen.

Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass der Klägerin eine Geltendmachung ihrer Ansprüche möglich und die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, jedenfalls nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar war (vgl. [X.]surteil vom 17. November 2021 - [X.], [X.], 97 Rn. 44). Entgegen der Ansicht der Revision war der Verjährungsbeginn nicht bis zur Klärung durch den [X.] (siehe dazu mittlerweile [X.]surteil vom 16. Dezember 2020 - [X.], [X.], 56) hinausgeschoben.

Für eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügte es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 [X.] mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der - soweit er in den Jahren 2010 bis 2014 überhaupt schon bestand - jedenfalls zu diesem [X.]punkt noch nicht geklärt war. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist ([X.]surteil vom 17. November 2021 - [X.], [X.], 97 Rn. 45 m.w.N.). Die Erhebung einer Klage ist nicht unzumutbar, wenn der Versicherungsnehmer bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung zu den Anforderungen, die an die nach § 203 Abs. 5 [X.] mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung zu stellen sind, seine Ansprüche gegen den Versicherer geltend gemacht und Klage erhoben hat (vgl. [X.]surteil vom 17. November 2021 aaO). So liegt es hier. Die Klägerin hat im Jahr 2018 ihre Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und Klage erhoben. Ungeachtet des damals ungeklärten [X.] ging sie von der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen aus. Umstrittener als zu diesem [X.]punkt war der Inhalt des § 203 Abs. 5 [X.] jedoch in den Jahren bis einschließlich 2014 nicht, so dass ihr die Klageerhebung auch damals nicht unzumutbar war.

bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist es für die Feststellung der Verjährung nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin mit Zugang der Änderungsmitteilungen auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihr ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen folgen könnte. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist dies ohne Bedeutung. Der Gläubiger eines [X.] aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des [X.] ergibt ([X.]surteil vom 17. November 2021 - [X.], [X.], 97 Rn. 47 m.w.N.). Maßgeblich ist daher das Fehlen des [X.], das der Klägerin mit Erhalt der Änderungsmitteilungen jedenfalls aufgrund der ihrer Auffassung nach bestehenden formalen Mängel bereits bekannt war. Eine erneute Kenntnisnahme vom Fehlen desselben [X.] aus weiteren Gründen setzt keine neue Verjährungsfrist in Gang ([X.]surteil vom 17. November 2021 aaO). Anders als bei Schadensersatzansprüchen gehört ein pflichtwidriges Verhalten der [X.], etwa bei der Neufestsetzung der Prämie oder deren Mitteilung, nicht zu den Voraussetzungen des [X.]. Entgegen der Ansicht der Revision ist daher die Rechtsprechung des [X.] zur Verjährung bei mehreren eigenständigen Beratungs- oder Aufklärungsfehlern in der Anlageberatung (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juni 2015 - [X.], [X.]Z 206, 41 Rn. 14 m.w.N.) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.

c) Da die Klägerin die [X.] nur vorsorglich für den Fall erhoben hat, dass der [X.] - wie nicht - von einer wirksamen Beschränkung der Zulassung seiner Revision ausgegangen wäre, ist dieses Rechtsmittel gegenstandslos.

Prof. Dr. Karczewski     

        

Harsdorf-Gebhardt     

        

Dr. Brockmöller

        

Dr. Bußmann     

        

Dr. Bommel     

        

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurücknahme der Revision erledigt worden.

Meta

IV ZR 138/20

30.03.2022

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 26. Mai 2020, Az: 9 U 180/18

§ 203 Abs 2 S 1 VVG, § 203 Abs 5 VVG, § 195 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 818 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2022, Az. IV ZR 138/20 (REWIS RS 2022, 5029)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5029

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