Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2012, Az. XII ZR 40/10

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10263

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Gegenstand

Ergänzende Vertragsauslegung: Konkurrenzschutzklausel im Gewerberaummietvertrag


Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung bei einer mietvertraglich vereinbarten Konkurrenzschutzklausel.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 25. Februar 2010 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 20. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des [X.] einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer mietvertraglichen [X.] geltend.

2

Die Klägerin schloss 1986 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Mietvertrag über Gewerberäume in einem "Ärztehaus" zum Betrieb eines Optik- und [X.]örgerätegeschäfts. Der Mietvertrag enthält in § 14 die Klausel:

"Konkurrenzschutz für den Mieter wird in folgendem Umfang vereinbart:

Kein weiteres Optik- und [X.]örgerätegeschäft in Objekten der "[X.] in [X.]…"

3

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wurde in dem Gebäude bereits eine Praxis für [X.]als-, Nasen- und Ohrenheilkunde betrieben, die von der Streithelferin der Beklagten im Oktober 2005 übernommen wurde. Die Klägerin, die in den angemieteten Räumen zunächst nur ein Optikergeschäft betrieben hatte, erweiterte zum 1. August 2006 ihren Betrieb um eine [X.]örgeräteakustikabteilung.

4

In der Folgezeit begann die Streithelferin im sogenannten "verkürzten Versorgungsweg" [X.]örgeräte unmittelbar an Patienten abzugeben. Dabei übernimmt der [X.]NO-Arzt u. a. die audiometrische Messung und das Erstellen von [X.] zur Anpassung und Lieferung von [X.]örgeräten, die Feinanpassung der vom [X.]ersteller direkt an ihn gelieferten [X.]örgeräte sowie die Einweisung der Patienten.

5

Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen die in § 14 des [X.] enthaltene [X.]. Sie begehrt daher im vorliegenden Verfahren von der Beklagten, gegenüber der Streithelferin auf die Einhaltung der [X.] hinzuwirken (Klagantrag zu 1). Außerdem möchte die Klägerin gerichtlich feststellen lassen, dass sie wegen der Verstöße gegen die [X.] bis zu deren Beseitigung zur Minderung der Miete berechtigt ist (Klaganträge zu 2 u. 3). Schließlich macht die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Gewinns (Klaganträge 4 und 5) geltend.

6

Das [X.] hat einen Verstoß gegen die [X.] verneint und die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und im Wege eines Teil- und Grundurteils den Klaganträgen zu 1 bis 3 überwiegend und den Klaganträgen zu 4 und 5 dem Grunde nach stattgegeben. Die Revision hat das [X.] hinsichtlich der Frage zugelassen, ob der Mieter bei einem Verstoß gegen einen vereinbarten Konkurrenzschutz zur Minderung der Miete berechtigt ist.

7

Mit der Revision möchte die Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung erreichen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

I.

9

Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen die [X.] bejaht und zur Begründung ausgeführt, dies folge aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des § 14 des [X.]. Die dort vereinbarte [X.] erfasse nach ihrem Wortlaut zwar lediglich das Verbot, Räume innerhalb der Objekte der [X.] an Optik- und Hörgerätegeschäfte zu überlassen. Da diese Regelung ihrem Wortlaut nach der Klägerin jedoch keinen Schutz vor konkurrierenden Tätigkeiten biete, die nicht in Geschäften, sondern in Praxisräumen ausgeübt würden, läge eine Lücke der vertraglichen Regelung vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden müsse. Da es der Rechtsvorgängerin der Beklagten erkennbar darum gegangen sei, der Klägerin zu ermöglichen, als Optikerin und als Hörgeräteakustikerin konkurrenzlos Leistungen im gleichen Objekt zu erbringen, habe die Klägerin unabhängig von der Organisationsform und der Art der Räumlichkeiten, in denen die konkurrierende Tätigkeit erbracht werde, vor der Erbringung von Leistungen aus ihrem Berufsbild durch andere Mieter geschützt werden sollen. Dabei hätten die Parteien bei der Vereinbarung der [X.] nicht die Möglichkeit vor Augen gehabt, dass die im Mietobjekt praktizierenden Ärzte abweichend von den damaligen traditionellen Berufsbildern einmal selbst im Wege des "verkürzten Versorgungsweges" Leistungen erbringen würden, die sonst von Gesundheitshandwerkern erbracht würden.

Der Vertrag sei insoweit ausfüllungsbedürftig, weil durch die konkurrierende Tätigkeit der Streithelferin im selben Objekt der Klägerin gerade der Standortvorteil genommen werde, der bei Abschluss des [X.] vereinbart worden sei. Daher sei anzunehmen, dass die Parteien auch einen entsprechenden Schutz der Klägerin vereinbart hätten, wenn sie bei Abschluss des [X.] die Möglichkeit bedacht hätten, dass die im selben Objekt praktizierenden Ärzte in Konkurrenz zur Klägerin treten könnten. Für die Klägerin sei der Umstand, dass die Ärzte nicht die gleichen Leistungen erbrächten, die auch sie anbiete, von zentraler Bedeutung. Denn für die Klägerin sei in diesen Fällen das Kerngeschäft des Verkaufs von Hilfsmitteln betroffen, während die dort praktizierenden Ärzte die Tätigkeiten der Vermittlung, des Verkaufs und der Abgabe der Hilfsmittel nur ergänzend zu ihren zentralen ärztlichen Leistungen erbringen würden. Dabei sei unbeachtlich, dass die Leistungen, die die HNO-Ärzte beim sogenannten "verkürzten Versorgungsweg" erbringen, als ärztliche Leistungen zu bezeichnen seien.

Die Klägerin sei auch nicht gehindert, den Verstoß gegen den vereinbarten [X.] geltend zu machen. Auch wenn die Klägerin zunächst nur ein Optikgeschäft betrieben und erst nach Abschluss des [X.] zwischen der Beklagten und der Streithelferin ihr Hörgerätegeschäft eröffnet habe, sei es der Klägerin unbenommen gewesen, das Ausmaß ihrer Tätigkeit auch schon zuvor auf die Abgabe von Hörhilfen auszudehnen. Dass sie diese Tätigkeiten erst später aufgenommen habe, beeinträchtige ihren von Beginn des Mietverhältnisses an zugesicherten [X.] nicht.

Der Klägerin stehe damit ein Anspruch auf Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 und 2 BGB zu. Nach herrschender Meinung berechtige eine vertragswidrige Konkurrenzsituation zur Minderung der Miete. Dabei könne im Ergebnis dahinstehen, ob ein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB vorliege. Jedenfalls stelle die ausdrückliche [X.]abrede eine zugesicherte Eigenschaft im Sinne des § 536 Abs. 2 BGB dar. Durch die streitbefangene [X.] sei der Klägerin zugesichert worden, dass andere Mieter im selben Objekt nicht zu ihr in Konkurrenz treten. Von der [X.] sei die Ertragsfähigkeit des Mietobjekts betroffen. Deshalb handele es sich um eine Eigenschaft der Sache. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe die Konkurrenzfreiheit auch zugesichert.

Da ein Mangel im Sinne des § 536 Abs. 2 BGB vorliege, stünden der Klägerin zudem Schadensersatzansprüche nach § 536 a Abs. 1 BGB wegen entgangenen Gewinns dem Grunde nach zu.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie beruhen auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung der in § 14 des Mietvertrags enthaltenen [X.].

1. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.

a) Grundsätzlich kann die Zulassung der Revision nicht auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen beschränkt werden ([X.], 276 = NJW 1987, 2586, 2587; Senatsurteile vom 15. September 2010 - [X.]/09 - FamRZ 2010, 1888 Rn. 18 und vom 13. April 2011 - [X.]/09 - NJW 2011, 2796 Rn. 13 ff.). Darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] eine Beschränkung der Revisionszulassung nur möglich, wenn sie sich auf einen abtrennbaren Teil der Klageforderung bezieht, der einem Teilurteil zugänglich gewesen wäre oder auf den die Revision hätte beschränkt werden können (Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 - [X.]/04 - FamRZ 2007, 117 und vom 25. Januar 1995 - [X.] - FamRZ 1995, 1405; [X.] Urteile vom 17. Juni 2004 - [X.]/03 - NJW 2004, 3264 und vom 3. März 2005 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 715). Danach ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung auf den Ausspruch zur Mietminderung (Klaganträge zu 2 und 3) unwirksam.

b) Sofern man die Entscheidung des Berufungsgerichts dahingehend versteht, dass die Revision allein zur Klärung der Frage zugelassen werden sollte, ob bei einem Verstoß gegen einen vereinbarten [X.] der Mieter zur Minderung der Miete berechtigt ist, wäre diese Beschränkung bereits deshalb unwirksam, weil es sich insoweit um eine reine Rechtsfrage handelt, die nicht allein Gegenstand einer Revisionszulassung sein kann.

c) Sollte das Berufungsgericht eine Beschränkung der Revisionszulassung auf seine Entscheidung zu den Klaganträgen zu 2 und 3 beabsichtigt haben, wäre diese ebenfalls unzulässig, weil über diese Klaganträge nicht im Wege eines Teilurteils hätte entschieden werden können.

(1) Nach § 301 ZPO, an dessen Grundsätzen die Beschränkung der Revisionszulassung zu messen ist, ist ein Teilurteil nur zulässig, wenn es über einen aussonderbaren, einer selbständigen Entscheidung zugänglichen Teil des Verfahrensgegenstandes ergeht und der Ausspruch über diesen Teil unabhängig von demjenigen über den restlichen Verfahrensgegenstand getroffen werden kann, so dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - [X.]/04 - FamRZ 2007, 117). Der Erlass eines Teilurteils setzt neben der Teilbarkeit des Streitgegenstandes oder einer Mehrheit von Streitgegenständen voraus, dass die Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil garantiert ist ([X.]/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 301 Rn. 7 mwN). Die Widerspruchsfreiheit ist in einem weiten Sinne zu verstehen und erfasst daher auch Fälle der Vorgreiflichkeit. Daher darf die Entscheidung über den weiter rechtshängigen Streit nicht eine Vorfrage umfassen, die bereits für die erledigte [X.] erheblich war ([X.]/Vollkommer aaO). Da einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen eine Entscheidung aufbaut, grundsätzlich nicht von der Rechtskraft erfasst werden, besteht sonst die Gefahr einer unterschiedlichen Beantwortung der Vorfrage, wenn das Verfahren durch den Erlass eines Teilurteils aufgespaltet wird. Dabei ist der Erlass eines Teilurteils bereits dann unzulässig, wenn sich die Gefahr durch die abweichende Beurteilung eines Rechtsmittelgerichts im Instanzenzug ergeben kann (Senatsurteil vom 24. Februar 1999 - [X.] - FamRZ 1999, 992, 993 mwN).

(2) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht bei der Prüfung des [X.] zu 1 einen Verstoß gegen die [X.]vereinbarung bejaht und dem Leistungsantrag der Klägerin durch Teilurteil entsprochen. Nach § 322 Abs. 1 ZPO reicht die Rechtskraft eines Urteils jedoch nur so weit, als über den erhobenen (prozessualen) Anspruch entschieden ist. Sie beschränkt sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, d.h. auf die Rechtsfolge, die auf eine Klage oder Widerklage aufgrund eines bestimmten Sachverhalts bei Schluss der mündlichen Verhandlung den Entscheidungssatz bildet ([X.]Z 170, 180 = NJW 2007, 1466 Rn. 7). Aus der Entscheidung über den Klagantrag zu 1 erwächst daher nur der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Verpflichtung der Klägerin, auf eine Einhaltung der [X.] hinzuwirken, in Rechtskraft. Die Frage, ob die Streithelferin gegen die [X.] verstößt, ist dabei nur eine Vorfrage, die an der Rechtskraft der (Teil-) Entscheidung nicht teilnimmt. Dieselbe Vorfrage ist jedoch auch für das Minderungsrecht entscheidungserheblich, auf das sich die Klägerin zur Begründung ihrer Klaganträge zu 2 und 3 beruft. Die Klägerin wäre nur dann zur Minderung der Miete berechtigt, wenn die Streithelferin durch die Abgabe der Hörgeräte im "vereinfachten Versorgungsweg" gegen die [X.] verstoßen würde. Bei einer isolierten Entscheidung über die Klaganträge zu 2 und 3 könnte diese Frage daher ohne Bindungswirkung an das Teilurteil zu Klagantrag zu 1 frei und damit auch gegenteilig entschieden werden. Dem Gebot der Widerspruchsfreiheit wäre nicht genügt. Der Erlass eines Teilurteils wäre daher unzulässig.

Das Berufungsgericht durfte daher insoweit die Revisionszulassung nicht beschränken. Die Beschränkung ist somit unbeachtlich (vgl. Senatsurteil vom 15. September 2010 - [X.]/09 - FamRZ 2010, 1888 Rn. 17).

2. Auch in der Sache begegnet das Berufungsurteil revisionsrechtlich durchgreifenden Bedenken. Denn die Auslegung der [X.] durch das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft.

a) Die Auslegung individueller privatrechtlicher Willenserklärungen unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur insoweit, als es sich darum handelt, ob sie gesetzlichen Auslegungsregeln, [X.] oder den Denkgesetzen widerspricht und ob sie nach dem Wortlaut der Erklärung möglich ist (Senatsurteile vom 27. Januar 2010 - [X.]/07 - NJW-RR 2010, 1508 Rn. 30 und vom 4. März 2009 - [X.] - FamRZ 2009, 768 Rn. 14). Die vom Berufungsgericht gewählte Auslegung erweist sich als rechtfehlerhaft. Denn es hat die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung verkannt. Insoweit unterliegt das Urteil der revisionsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2010 - [X.]/07 - NJW-RR 2010, 1508 Rn. 30).

b) Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist das Bestehen einer Regelungslücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts ([X.]Z 90, 69 = NJW 1984, 1177, 1178), die nicht durch die Heranziehung von Vorschriften des dispositiven Rechts sachgerecht geschlossen werden kann ([X.]Z 137, 153 = NJW 1988, 450, 451). Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (vgl. [X.]Z 170, 311 = NJW-RR 2007, 687 Rn. 28; [X.] Urteile vom 2. Juli 2004 - [X.] - NJW-RR 2005, 205, 206; vom 13. Februar 2004 - [X.]/03 - [X.], 2125, 2126 und vom 1. Juli 1999 - [X.] - [X.], 2553, 2555). Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem ganzen Zusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrages tatsächlich Vereinbarten stehen würde ([X.]Z 40, 91 = NJW 1963, 2071, 2075). Zudem darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer wesentlichen Erweiterung des Vertragsinhaltes führen ([X.]Z 40, 91 = NJW 1963, 2071, 2075).

c) Auf dieser rechtlichen Grundlage begegnet die Annahme des Berufungsgerichts, die [X.] in § 14 des [X.] weise eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke auf, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Es ist zwar richtig, dass die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei Abschluss des [X.] im Jahr 1986 die Möglichkeit der Versorgung von Patienten mit [X.] durch den in dem Objekt praktizierenden HNO-Arzt nicht berücksichtigen konnten, weil die Leistungserbringung im "verkürzten Versorgungsweg" nach § 126 [X.] erst zum 1. Januar 1989 durch das [X.] vom 20. Dezember 1988 ([X.]) eingeführt worden ist. Dennoch ist es zur Verwirklichung des Regelungsplans der Vertragsparteien nicht erforderlich, den durch § 14 des Mietvertrags vereinbarten [X.] auf die Abgabe von [X.] im "verkürzten Versorgungsweg" durch die Streithelferin auszudehnen.

Maßgeblich für die Prüfung, ob der Mietvertrag eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke enthält, ist, welchen Umfang an [X.] die Klägerin bei Abschluss des Mietvertrags erwarten konnte (vgl. [X.], 866; [X.] ZMR 1997, 581, 582).

Danach spricht bereits der Wortlaut der Vereinbarung, von dem jede Auslegung auszugehen hat und den auch das Berufungsgericht seiner Auslegung im Ansatz zugrunde legt, gegen die Annahme einer Regelungslücke. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Klägerin haben in § 14 des Mietvertrags den gewährten [X.] konkret beschrieben und auf das Verbot der Vermietung von Räumlichkeiten an Dritte zum Betrieb eines Optik- und Hörgerätegeschäfts begrenzt. Die Klägerin sollte demnach primär vor unmittelbarer Konkurrenz durch einen gleichartigen Geschäftsbetrieb geschützt werden.

Soweit das Berufungsgericht zur Begründung einer Regelungslücke ausführt, der Rechtsvorgängerin der Beklagten sei es erkennbar darum gegangen, der Klägerin zu ermöglichen, als Optikerin und als Hörgeräteakustikerin konkurrenzlos Leistungen im gleichen Objekt zu erbringen, unabhängig davon, in welcher Organisationsform oder in welcher Art von Räumlichkeiten die konkurrierende Tätigkeit erbracht werde, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Annahme findet weder im Wortlaut der [X.] noch in den weiteren Feststellungen eine tragfähige Grundlage.

Der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Klägerin war bei Abschluss des [X.] bekannt, dass in dem Mietobjekt eine Praxis für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten betrieben wird. Die Klägerin musste daher bereits zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, dass der dort praktizierende Facharzt sämtliche Leistungen erbringen wird, zu denen er berechtigt ist und es zu Überschneidungen zwischen ihrem Leistungsangebot und der ärztlichen Tätigkeit kommen kann. Hätten die Vertragsparteien, wie vom Berufungsgericht angenommen, tatsächlich die Absicht gehabt, die Klägerin auch vor ärztlichen Leistungen zu schützen, die sich mit ihrem eigenen Geschäftsbereich überschneiden, hätte es nahegelegen, bei der Formulierung der [X.] nicht auf den Betrieb eines weiteren Optik- und Hörgerätefachgeschäfts abzustellen, sondern die Leistungen, für die der Klägerin [X.] gewährt werden sollte, konkret zu benennen (vgl. dazu [X.] 2007, 540 ff.). Dass von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde, spricht dafür, dass nach dem Regelungsplan der Parteien die Klägerin tatsächlich nur vor der Konkurrenz durch ein weiteres Optiker- und Hörgerätegeschäft geschützt werden sollte.

Die Streithelferin betreibt jedoch weder ein Hörgerätegeschäft noch übt sie die Tätigkeit eines Hörgeräteakustikers aus, wenn sie im "verkürzten Versorgungswege" Hörgeräte an Patienten abgibt. Bei den Tätigkeiten, die die Streithelferin in diesem Zusammenhang erbringt, handelt es sich um ärztliche Leistungen, die zum beruflichen Bereich eines HNO-Arztes gehören oder zumindest mit diesem in sehr engem Zusammenhang stehen ([X.] Urteil vom 29. Juni 2000 - [X.] - NJW 2000, 2745). Durch die Möglichkeit, Hörhilfen im "verkürzten Versorgungsweg" an Patienten abzugeben, hat sich lediglich der Umfang der ärztlichen Leistungen erweitert, die ein HNO-Arzt in seiner Praxis anbieten darf.

Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke lässt sich auch nicht damit begründen, dass ohne eine Vervollständigung des Vertrages keine angemessene und interessengerechte Lösung zu erzielen wäre. Der Standortvorteil, der der Klägerin durch die [X.] gewährt wurde, besteht auch nachdem die Streithelferin dazu übergegangen ist, Hörgeräte an ihre Patienten im "verkürzten Versorgungsweg" abzugeben, fort. Nach den in der Revisionsinstanz nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin nach Abschluss des [X.] zunächst viele Jahre nur ein Optikgeschäft betrieben. Erst nach der Übernahme der [X.] durch die Streithelferin hat die Klägerin ihr Geschäft um eine Akustikabteilung erweitert. Die wirtschaftliche Grundlage ihres Betriebs war bis dahin nicht von der Möglichkeit des Verkaufs von [X.] geprägt. Durch die Erweiterung ihres Geschäfts im [X.] hat die Klägerin sich nur die Möglichkeit geschaffen, durch eine Vergrößerung ihres Leistungsangebots ihre Ertragslage zu verbessern, indem sie den Vorteil nutzt, dass in dem Ärztehaus ein HNO-Arzt praktiziert. Da jedoch jeder Patient frei darüber entscheiden kann, wo er sich ein verordnetes Hörgerät anfertigen lässt, hat die Klägerin durch die Eröffnung der Akustikabteilung nur die Chance erworben, dass sie Patienten der [X.] als Kunden gewinnt. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass ohne eine Ausdehnung der [X.] auf die Tätigkeiten der Streithelferin im Rahmen des "verkürzten Versorgungswegs" der von den [X.] intendierte Schutz der Klägerin wesentlich beeinträchtigt und der Regelungsplan der Parteien unvollständig wäre.

d) Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des [X.] bereits im Rahmen des vertragsimmanenten [X.]es ein Vermieter nicht gehalten ist, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen, inwieweit nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist (vgl. [X.]Z 70, 79 = NJW 1978, 585, 586). Diese Wertung ist auch bei der Auslegung einer vertraglich vereinbarten [X.] zu berücksichtigen.

3. Nach all dem ergibt sich durch die Abgabe von [X.] im "verkürzten Versorgungsweg" durch die Streithelferin kein Verstoß gegen die [X.] aus § 14 des [X.]. Die Frage, ob ein Verstoß gegen eine [X.] den Mieter zur Minderung der Miete berechtigt, kann dahinstehen.

4. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist zur Endentscheidung reif, da sich die Klägerin zur Begründung aller ihrer Ansprüche allein auf einen Verstoß gegen die [X.] gestützt und keine anderweitigen Mängel der Mietsache geltend gemacht hat. Unter Abänderung des Berufungsurteils war daher die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht im Wege eines Teil- und Grundurteils entschieden hat. Im Rechtsmittelverfahren kann die Klage dann insgesamt abgewiesen werden, wenn dem Kläger insgesamt keine Ansprüche mehr zustehen können. Das ist hier der Fall.

[X.]                                                Weber-Monecke                                               Dose

                        Schilling                                                                [X.]

Meta

XII ZR 40/10

11.01.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 25. Februar 2010, Az: 8 U 98/09, Urteil

§ 157 BGB, § 535 BGB, § 536 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2012, Az. XII ZR 40/10 (REWIS RS 2012, 10263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10263

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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