Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2014, Az. 4 StR 201/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 2301

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Gegenstand

Beweiswürdigung im Strafverfahren: Nichtbefassung mit naheliegendem alternativen Geschehensablauf


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und Diebstahl unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus einem anderen rechtskräftigen Urteil nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen suchten der Angeklagte und seine [X.]kannten       [X.],      S.    und     [X.]     am Abend des 24. April 2012 den zwischenzeitlich verstorbenen     [X.]in seiner Wohnung auf, in der sich zu dieser Zeit auch noch der ebenfalls inzwischen verstorbene     [X.].    befand. Gemeinsam tranken sie dort jeweils ein bis zwei Flaschen Bier. Nachdem kein Bier mehr verfügbar war, forderte     [X.] sowohl      [X.]als auch     [X.].    dazu auf, ihnen Geld zum Bier holen zu geben. Als beide dies ablehnten, schubsten     [X.] und der Angeklagte zunächst     [X.]herum und schlugen auf ihn ein, um der Forderung nach Geld Nachdruck zu verleihen. Dabei wurde     [X.] mindestens einmal auch von dem Angeklagten geschlagen. Im weiteren Verlauf hielt     S.    dem Geschädigten     [X.].    Eine Schreckschusspistole an den Kopf, während     [X.]  auf ihn eintrat und einschlug. Dabei setzte     [X.]  auch einen Schlagring ein, den er vor dem [X.]treten der Wohnung auf seine Bitte hin von dem Angeklagten erhalten hatte. Schließlich wurde       [X.]von     [X.]  mit so großer Wucht gegen einen Heizkörper geschleudert, dass er Blut spuckte. Da der inzwischen erheblich verletzte     [X.].    auch weiterhin nicht zur Herausgabe des geforderten Geldes zu bewegen war und der Angeklagte,     S.    und     [X.] daher einsahen, dass sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das geforderte Geld nicht ausgehändigt bekommen würden, beschlossen sie unter Änderung ihres ursprünglichen Tatplans in der Wohnung nach werthaltigen Gegenständen zu suchen. In der Folge nahmen sie das Mobiltelefon des Geschädigten     [X.].     und die Wii-Spielkonsole des Geschädigten     [X.]     an sich und verließen die Wohnung. Ihre [X.]ute verkauften sie später und teilten den Erlös unter sich auf.

3

2. Das [X.] stützt seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Angaben des Zeugen     [X.] und die Einlassungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren. Der Zeuge     [X.] habe angegeben, den Geschädigten      [X.].    ein- bis zweimal geschlagen zu haben, nachdem „einer" von diesem Geld gewollt habe, um weiteres Bier zu kaufen. Auch habe er die Mitnahme der [X.] und des Mobiltelefons bestätigt. Der Angeklagte habe sich im Ermittlungsverfahren dahingehend eingelassen, dass     [X.] damit begonnen habe, den Geschädigten      [X.]     herumzuschubsen, nachdem dieser seine - des Angeklagten - Frage nach Geld verneint habe. Als     [X.]     zu ihm gekommen sei, habe er „aus Reflex zugeschlagen".      [X.].     sei von      [X.]  und     S.    „bearbeitet" worden, als er mit      [X.]     im Bad gewesen sei ([X.]). In [X.]zug auf den Einsatz des [X.] und der Schreckschusspistole zum Nachteil des Geschädigten      [X.].    ist das [X.] zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass es sich jeweils um einen ihm nicht zurechenbaren Mittäterexzess gehandelt habe.

II.

4

Die der Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung zugrunde liegende [X.]weiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 261 StPO).

5

1. Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa dann der Fall, wenn die [X.]weiswürdigung lückenhaft ist, weil sich das Tatgericht nicht mit naheliegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem [X.]weisergebnis aufdrängt (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 [X.]; Urteil vom 10. Januar 2008 - 3 [X.], [X.], 12, 13 mwN).

6

2. So liegt es hier. Die [X.] hat nicht im Einzelnen dargelegt, worauf sie ihre Überzeugung stützt, der Angeklagte und seine [X.]gleiter hätten die Geschädigten misshandelt, um von ihnen Geld zu erpressen. Dieser [X.]weggrund ergibt sich hier jedoch nicht von selbst. Insbesondere kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es zu den körperlichen Übergriffen auf die Geschädigten aus Wut über die verweigerte Herausgabe des verlangten Geldes kam. Hierfür könnte sprechen, dass der wegen Körperverletzungsdelikten bereits mehrfach bestrafte Angeklagte und     [X.] am 18. September 2012 - und damit nur wenige Monate nach der verfahrensgegenständlichen Tat - eine räuberische Erpressung begingen, bei der es im [X.] an eine vom Tatopfer nicht erfüllte Geldforderung zu (weiteren) massiven Gewalthandlungen und Demütigungen kam, die zumindest teilweise auf einem neuen [X.] beruhten und nicht mehr dem ursprünglichen [X.] dienten ([X.]). Das [X.] hat diesen Sachverhalt nur als ein Indiz für die [X.]reitschaft des Angeklagten gewertet, sich an von     [X.] initiierten Gewalttätigkeiten zu beteiligen ([X.]). Die exzessive Gewaltanwendung nach der nicht erfüllten Geldforderung hat es dagegen nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, obgleich sich auch insoweit eine Parallele zum verfahrensgegenständlichen Tatgeschehen aufdrängte. Auch eine weitere Vorstrafe lässt erkennen, dass der Angeklagte Gewalt einsetzt (Faustschlag auf den Kopf seiner Schwester), weil er verärgert ist ([X.]). Da die von der [X.] als [X.]weisgrund für ein Erpressungsvorhaben herangezogenen Einlassungen nicht eindeutig belegen, dass es dem Angeklagten und     [X.] bei den von ihnen eingeräumten Schlägen tatsächlich (noch) um eine Durchsetzung ihrer Geldforderung ging, war eine Erörterung möglicher gegen diese Annahme sprechender Indizien hier auch nicht entbehrlich.

III.

7

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das [X.] von Tateinheit ausgegangen ist, zieht die Aufhebung der Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung auch die Aufhebung der Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls nach sich (vgl. [X.], Urteil vom 14. August 2014 - 4 [X.], Rn. 21 mwN).

Mutzbauer                      Roggenbuck                          Cierniak

                    [X.]nder                              [X.]

Meta

4 StR 201/14

09.10.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 13. Januar 2014, Az: 3 KLs 4/13

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2014, Az. 4 StR 201/14 (REWIS RS 2014, 2301)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2301

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 451/18

Zitiert

4 StR 163/14

Zitieren mit Quelle:
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