Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.05.2011, Az. 6 AZR 806/09

6. Senat | REWIS RS 2011, 6429

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Geltendmachung des Anspruchs auf Sozialzuschlag nach § 33 BMT-G-O


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des [X.] vom 15. Juli 2009 - 23 [X.]/08 - teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des [X.] vom 26. September 2008 - 58 [X.] 1769/08 - teilweise abgeändert.

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 792,27 Euro brutto zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf [X.] für April bis Dezember 2005 verfallen ist.

2

Die Klägerin ist beim [X.] als Arbeiterin beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fanden im streitbefangenen Zeitraum kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Manteltariflichen Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G-O) nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV [X.]) vom 31. Juli 2003 Anwendung. Die Klägerin war der Lohngruppe 2 zugeordnet. Sie ist Mutter einer 1981 geborenen Tochter, die seit 2003 eine Lehre zur Kauffrau im Einzelhandel absolvierte, die sie im [X.] abschloss. Die Klägerin bezog bis einschließlich 2004 für die Tochter Kindergeld und [X.] nach § 33 BMT-G-O. Der [X.] wurde stets ohne gesonderten Antrag in Abhängigkeit vom Kindergeldanspruch gewährt. [X.] und [X.] wurden in dem Geschäftsbereich des beklagten [X.], in dem die Klägerin tätig ist, von derselben Personalstelle bearbeitet.

3

Mit einem von der Klägerin nicht angefochtenen Bescheid vom 17. März 2005 lehnte das beklagte Land ihren Kindergeldantrag vom 11. Januar 2005 für den Zeitraum Januar 2005 bis August 2006 ab, weil die Einkünfte ihrer Tochter nach einer Prognoseberechnung den maßgeblichen Grenzbetrag für die [X.] und 2006 überstiegen. Am 31. Oktober 2005 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld unter Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten sowie unter Anrechnung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 lehnte das beklagte Land das beantragte Kindergeld für das [X.] ab, setzte es jedoch für den Zeitraum 1. Januar bis 31. August 2006 fest. Eine Korrektur des Bescheides vom 17. März 2005 sei erst ab dem Folgemonat nach der Bekanntgabe des Bescheides vom Dezember 2005 möglich. Die Klägerin erhielt daraufhin für Januar bis August 2006 das Kindergeld sowie - ohne gesonderten Antrag - den [X.] gezahlt.

4

Gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2005 legte die Klägerin mit Schreiben vom 6. Januar 2006 Widerspruch ein. In der [X.] befasste sie sich ausschließlich mit den Voraussetzungen des Anspruchs auf Kindergeld. Das [X.] hob mit Urteil vom 3. April 2007 den Bescheid vom 22. Dezember 2005 teilweise auf und verpflichtete das beklagte Land, Kindergeld für den Zeitraum April bis Dezember 2005 festzusetzen. Das beklagte Land kam dem nach. Den [X.] für diesen Zeitraum zahlte es nicht. Dies beanstandete die Klägerin erfolglos mit Schreiben vom 1. September 2007 unter dem Betreff: „Widerspruch zur Nachzahlung von Kindergeld und Zuschlägen für das [X.]“. Mit ihrer am 30. Januar 2008 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des [X.]s für April bis einschließlich Dezember 2005.

5

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe mit dem Antrag auf Kindergeld auch den korrespondierenden Anspruch auf [X.] geltend gemacht. Das beklagte Land habe sich verpflichtet, bei einer Änderung des Bescheides über das Kindergeld auch die Wirkungen des [X.]s eintreten zu lassen, ohne dass dafür weitere Handlungen des Arbeitnehmers erforderlich seien. Jedenfalls handele das beklagte Land rechtsmissbräuchlich, wenn es sich auf die Ausschlussfrist berufe.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 816,54 Euro (Sozialzuschläge für den Zeitraum April 2005 bis Dezember 2005) zu zahlen.

7

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags angeführt, der Anspruch auf Kindergeld und der [X.] beruhten auf voneinander rechtlich unabhängigen Grundlagen. Der [X.] sei vom Familienstand abhängig. Daher müsse der Arbeitnehmer den [X.] gesondert beantragen. Die Klägerin habe erstmals mit Schreiben vom 1. September 2007 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist den [X.] gefordert. Durch den Verweis auf die Ausschlussfrist verhalte es sich nicht rechtsmissbräuchlich. Für den streitbefangenen Zeitraum habe die von der Klägerin reklamierte Automatik gerade nicht vorgelegen. Die Berechtigung der Klägerin auf Kindergeld sei für diesen Zeitraum streitig gewesen. Die Klägerin habe darum nicht davon ausgehen können, dass ihr der [X.] ohne jede Geltendmachung bei geänderter Kindergeldentscheidung gezahlt werde.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit ihrer vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Revision ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, die Auslegung ihres Kindergeldantrags ergebe, dass damit zugleich der [X.] beantragt worden sei.

Entscheidungsgründe

9

I. Die Revision ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat für die streitbefangene [X.] von April 2005 bis einschließlich Dezember 2005 Anspruch auf den [X.] nach § 33 [X.]-O iVm. dem [X.] iHv. insgesamt 792,27 [X.] brutto. Diesen Anspruch hat sie innerhalb der Frist des § 63 [X.]-O durch die Beantragung von Kindergeld geltend gemacht.

1. Der Klägerin steht für die [X.] von April 2005 bis Dezember 2005 ein Anspruch auf den [X.] nach § 33 [X.]-O iVm. dem [X.] zu, weil ihr aufgrund des Urteils des [X.] vom 3. April 2007 Kindergeld für diesen [X.]raum zu zahlen war. Gemäß § 33 [X.]-O erhält der Arbeiter neben dem Lohn als [X.] den Betrag, den er bei identischen persönlichen Verhältnissen als Angestellter nach § 29 [X.] als kinderbezogenen Anteil des [X.]s der [X.] erhalten würde. Die Tarifvertragsparteien haben den Anspruch auf den [X.] damit vollständig an die Kindergeldberechtigung nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz geknüpft. Eine nach diesen Gesetzen ergangene Entscheidung über das Kindergeld soll ohne Weiteres auch für den Anspruch auf den [X.] maßgebend sein. Dies soll widersprüchliche Entscheidungen über das Kindergeld einerseits und den kinderbezogenen Bestandteil in der Vergütung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes andererseits vermeiden ([X.] 13. März 2008 - 6 [X.] - Rn. 14, [X.] 2008, 610). Diese vollinhaltliche tarifliche Verweisung auf gesetzlich geregelte Anspruchsvoraussetzungen ist rechtswirksam ([X.] 18. März 2010 - 6 [X.] - Rn. 14 ff., AP [X.] § 29 Nr. 6 = EzA GG Art. 3 Nr. 108).

2. Allerdings entbindet die Verknüpfung mit dem Kindergeldanspruch den Beschäftigten nicht davon, den Anspruch auf den kinderbezogenen [X.] form- und fristgerecht geltend zu machen (vgl. für § 70 Abs. 1 [X.] bzw. § 67 MTA [X.] 18. November 2004 - 6 [X.] - [X.] § 29 Nr. 39; 13. Dezember 2007 - 6 [X.] - Rn. 18, [X.]E 125, 216). Der Anspruch auf den [X.] muss also binnen sechs Monaten nach seiner Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Dabei wird der [X.] grundsätzlich monatlich mit dem jeweiligen Zahltag fällig. Etwas anderes gilt dann, wenn der Beschäftigte noch nicht überblicken kann, ob die Voraussetzungen des [X.] vorliegen, insbesondere ob die Einkommensgrenzen des § 32 Abs. 4 EStG überschritten werden. In diesem Fall beginnt die Ausschlussfrist erst ab Kenntnis der Höhe des Einkommens des Kindes und der entstandenen Werbungskosten zu laufen, ohne dass jedoch der [X.]ass des Einkommenssteuerbescheids oder die Bestandskraft eines solchen Bescheids abgewartet werden dürften. Die Geltendmachung vor der Entstehung des Anspruchs wahrt die Ausschlussfrist grundsätzlich nicht ([X.] 22. Januar 2009 - 6 [X.] § 70 Nr. 39 = [X.] 100 TVöD-AT § 37 Nr. 2; vgl. auch 16. Juni 2010 - 4 [X.] Rn. 35, [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79 = [X.] 100 TVöD-AT § 2 Bezugnahmeklausel Nr. 26).

a) Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin bereits mit dem Antrag vom 11. Januar 2005 auf Gewährung von Kindergeld für das [X.] bis einschließlich August 2006 die Ausschlussfrist des § 63 [X.]-O gewahrt.

aa) [X.] hat sowohl vor als auch nach dem streitbefangenen [X.]raum für den Anspruch auf den [X.] keine gesonderte Geltendmachung verlangt. Es hat jeweils bereits den Antrag auf Kindergeld zugleich als ausreichende Geltendmachung des Anspruchs auf den [X.] angesehen und dies zur Wahrung der Ausschlussfrist ausreichen lassen, sofern ein Kindergeldanspruch bestand. Entgegen der Auffassung des [X.] hat diese Praxis des beklagten [X.] nicht nur Bedeutung für die Frage, ob daraus ein schutzwürdiges Vertrauen darauf erwächst, dass tarifliche Ausschlussfristen in Streitfällen nicht zu beachten sind. Eine ordnungsgemäße Geltendmachung ist letztlich nichts anderes als die Klarstellung gegenüber dem Schuldner, dass ein näher bestimmter Anspruch erhoben wird, wobei unmissverständlich dargetan wird, dass auf der Erfüllung dieses Anspruchs bestanden wird ([X.] 23. September 2009 - 4 [X.] - Rn. 39, AP [X.] §§ 22, 23 Nr. 40 = [X.] 400 Eingruppierung [X.] Allg. Verwaltungsdienst VergGr Vc Nr. 2). Dem genügte die Stellung des [X.]s. Damit hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie mit dem Kindergeld zugleich die Zahlung des davon abhängigen [X.]s verlangte, wobei sich dessen Höhe aus den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträgen ergab. Ein solches Verständnis des [X.]s entsprach auch der Auffassung des Arbeitgeberkreises der [X.]-Kommission vom 16. November 1976 (vgl. [X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Dezember 2003 § 63 [X.]. 9.1, S. 45; zur Wahrung des Anspruchs auf den kinderbezogenen Bestandteil im [X.] bzw. des Anspruchs auf die kinderbezogene Besitzstandszulage durch den [X.] vgl. auch [X.] in [X.] [X.] Stand Februar 2011 [X.]/TV-L § 37 Rn. 98). Das gilt umso mehr, als in dem Geschäftsbereich des [X.] Berlin, in dem die Klägerin tätig ist, Kindergeldanträge und der [X.] von derselben Personalstelle bearbeitet wurden. Diesen Erklärungsgehalt des [X.]s der Klägerin berücksichtigt das [X.]arbeitsgericht nicht ausreichend, wenn es die Geltendmachung des [X.]s „als solchen“ verlangt.

bb) [X.] hat, wie sein Verhalten bezüglich des Anspruchs für das [X.] zeigt, auch einen vor Entstehung des [X.] gestellten Antrag auf Kindergeld für den Anspruch auf [X.] ausreichen lassen. Es hat damit zu erkennen gegeben, dass es den [X.], der eine formalisierte Anspruchsüberprüfung für künftige [X.]räume erforderlich macht, für die Geltendmachung des Anspruchs auf den [X.] als rechtlich erheblich ansieht (in diesem Sinne auch [X.] in [X.] [X.] Stand Februar 2011 [X.]/TV-L § 37 Rn. 98).

cc) Entgegen der Auffassung des beklagten [X.] war für die fristgerechte Geltendmachung des [X.]s nicht deshalb ein gesonderter Antrag erforderlich, weil der Anspruch auf Kindergeld zunächst streitig war und der Klägerin nur aufgrund der verfassungskonformen Auslegung des § 32 Abs. 4 EStG durch das [X.] (11. Januar 2005 - 2 [X.] - [X.] 112, 164) Kindergeld zustand. Nach der in dem für die Klägerin zuständigen Verwaltungsbereich geübten Praxis des beklagten [X.] hat der [X.] stets das rechtliche Schicksal des [X.] geteilt. Das hat das beklagte Land für die [X.] ab dem 1. Januar 2006 nicht anders gesehen, obwohl es auch insoweit den Anspruch auf das Kindergeld zunächst abgelehnt hatte und Kindergeld erst aufgrund der Auslegung des § 32 Abs. 4 EStG durch das [X.] bewilligt worden war. Es hat den Anspruch der Klägerin auf den [X.] insoweit ohne gesonderte Geltendmachung allein aufgrund des [X.]s erfüllt.

dd) Auch die Bestandskraft des auf den [X.] vom 11. Januar 2005 ergangenen abschlägigen Bescheids vom 17. März 2005 steht der Wahrung der Ausschlussfrist des § 63 [X.]-O für den Anspruch auf den [X.] nicht entgegen. Im Unterschied zum Kindergeldbescheid als Verwaltungsakt konnte die Ablehnung des darin zugleich liegenden Antrags auf die Gewährung des [X.]s nicht in Bestandskraft erwachsen und damit keine endgültige anspruchsvernichtende Wirkung entfalten. Die Ablehnung des Anspruchs durch den Arbeitgeber erzwingt bei einstufigen Ausschlussfristen wie der des § 63 [X.]-O keine weiteren Handlungen des Arbeitnehmers zur Anspruchswahrung. Bei demselben Sachverhalt genügt vielmehr gemäß § 63 Abs. 2 [X.]-O ein einmaliger, in die Zukunft fortwirkender Akt zur Wahrung auch künftiger Ansprüche. Derselbe Sachverhalt liegt dann vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage Ansprüche aus einem bestimmten Tatbestand herzuleiten sind ([X.] 22. Januar 2009 - 6 [X.] - Rn. 18, AP [X.] § 70 Nr. 39 = [X.] 100 TVöD-AT § 37 Nr. 2). Hier war die rechtliche und tatsächliche Lage vor und nach dem Bescheid vom 17. März 2005 unverändert. Das [X.] hat in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2005 (- 2 [X.] - [X.] 112, 164) bereits die im Jahr 1998 geltende Fassung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungskonform dahin ausgelegt, dass Einkünfte des Kindes nur soweit in den Jahresgrenzbetrag einfließen, wie sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung dienen, sodass die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge nicht in die Bemessungsgröße einzubeziehen sind. Nach der bereits vor Antragstellung am 11. Januar 2005 geltenden Rechtslage hätte also der Klägerin - wenn nicht der Bescheid vom 17. März 2005 bestandskräftig geworden wäre - auch für die [X.] von Januar bis einschließlich März 2005 Kindergeld zugestanden. Mit ihrem [X.] vom 11. Januar 2005 hat sie deshalb ungeachtet der Bestandskraft des Bescheids vom 17. März 2005 ihre Ansprüche auf den [X.] für die [X.] ab 1. April 2005, in der diese von der Bestandskraft des Bescheids auch nicht mittelbar erfasst waren, ausreichend geltend gemacht.

b) Jedenfalls mit ihrem erneuten Antrag auf Bewilligung von Kindergeld vom 31. Oktober 2005 sowie mit ihrem Widerspruch vom 6. Januar 2006 hat die Klägerin die Ausschlussfrist für den streitbefangenen [X.]raum gewahrt. Das gilt auch für den Anspruch auf den [X.] für den April 2005.

aa) Der [X.] wird gemäß § 33 „neben dem Lohn“ gezahlt. Für ihn gelten deshalb dieselben Fälligkeitsvorschriften wie für den Lohn als solchen ([X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Mai 2003 § 26a [X.]. 3). Der [X.] für April 2005 war grundsätzlich am 29. April 2005 zur Zahlung fällig, weil der 30. April 2005 als Monatsletzter ein Samstag war. Deshalb war Zahltag gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 [X.]-O der 29. April als vorhergehender Werktag. Nach § 26a Abs. 1 Satz 2 [X.]-O muss der Lohn am Zahltag für den Arbeiter verfügbar sein. Die Ausschlussfrist für den Monat April 2005 begann gemäß § 187 Abs. 1 BGB damit grundsätzlich am 30. April 2005 zu laufen und hätte gemäß § 188 Abs. 2 BGB am 29. Oktober 2005 geendet (vgl. für §§ 36 und 70 [X.] Uttlinger/[X.]/Kiefer/[X.]/[X.] [X.] Stand Juli 2010 § 70 [X.]. 9.1). Dieser Tag war jedoch ein Samstag, sodass die Frist erst am Montag, dem 31. Oktober, ablief (§ 193 BGB). Die bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des [X.]s vom 11. Januar 2005 (- 2 [X.] - [X.] 112, 164) mit der Pressemitteilung Nr. 40/2005 vom 13. Mai 2005 bestehende Ungewissheit über die Einbeziehung der Sozialversicherungsbeiträge in die Bemessungsgröße hinderte den Lauf der Ausschlussfrist nicht ([X.] 13. Dezember 2007 - 6 [X.] - Rn. 19 f., [X.]E 125, 216).

bb) Ob der Antrag der Klägerin vom 31. Oktober 2005 noch am selben Tag dem beklagten Land zugegangen ist, kann allerdings dahinstehen. Am 30. April 2005 konnte die Klägerin nämlich die zu berücksichtigenden Einkünfte ihrer Tochter noch nicht endgültig überblicken. In den Fällen, in denen ungewiss ist, ob die Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 EStG erreicht oder überschritten wird, beginnt die Ausschlussfrist erst in dem Moment zu laufen, in dem die Einkünfte des Kindes überschaubar sind ([X.] 22. Januar 2009 - 6 [X.] - Rn. 20, AP [X.] § 70 Nr. 39 = [X.] 100 TVöD-AT § 37 Nr. 2).

(1) Ob und wann der Klägerin die von ihr im Antrag vom 31. Oktober 2005 geltend gemachten erhöhten Werbungskosten von 1.363,60 [X.] bekannt geworden sind, hat das [X.]arbeitsgericht nicht festgestellt. Diese Werbungskosten hätten ohnehin noch nicht zum Unterschreiten des [X.] geführt. Dafür wären ausweislich des Bescheids vom 22. Dezember 2005 anerkennungsfähige Werbungskosten in einer Gesamthöhe von 2.523,48 [X.] erforderlich gewesen.

(2) Die endgültige Höhe von Werbungskosten ist jedoch im Regelfall erst am Ende des Jahres überschaubar. Auch unvorhergesehene Ereignisse wie Unfälle mit dem eigenen Fahrzeug bei beruflich veranlassten Fahrten (zur Berücksichtigungsfähigkeit von derartig veranlassten Reparaturkosten siehe [X.] 31. Januar 1992 - VI R 57/88 - [X.]E 166, 502) oder ein Umzug, der zu einer Verlängerung der täglichen Fahrtstrecke zur Arbeit und damit zu einer Erhöhung der absetzungsfähigen Fahrtkosten führt, können zur Unterschreitung des [X.] des § 32 Abs. 4 EStG führen. Schließlich kann - etwa durch den Abbruch der Ausbildung und den dadurch eintretenden Verlust tariflicher Sonderzahlungen - ungeachtet der [X.] in § 32 Abs. 4 Satz 7 und Satz 8 EStG auch das Einkommen die prognostizierte Höhe unterschreiten (vgl. [X.] 19. März 2008 - III 11/2006 -).

(3) Angesichts vorstehend nur beispielhaft aufgezeigter Ungewissheiten ist im Regelfall bis zum Jahresende ungewiss, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 EStG überschritten wird. Nur wenn besondere Umstände im Einzelfall bereits vorher für Gewissheit sorgen, kann vor diesem [X.]punkt ein Anlaufen der Ausschlussfrist angenommen werden. Derartige Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.

(4) Die Unsicherheit über die Höhe der Bezüge war am 30. April 2005 auch noch rechtlich relevant. Zu diesem [X.]punkt war die erst am 13. Mai 2005 veröffentlichte Entscheidung des [X.] vom 11. Januar 2005 (- 2 [X.] - [X.] 112, 164) noch nicht bekannt. Damit war für die Klägerin am 30. April 2005 noch nicht erkennbar, dass sie unabhängig von der Höhe der Werbungskosten ihrer Tochter im [X.] für dieses Jahr einen Kindergeldanspruch hatte.

3. Der Klägerin steht ein monatlicher [X.] von 88,03 [X.] brutto zu, woraus sich für die neun streitbefangenen Monate ein Gesamtanspruch von 792,27 [X.] ergibt.

a) Die Klägerin hat ihren Anspruch anhand eines festen Prozentsatzes von 5,1346725 % aus dem Monatstabellenlohn ermittelt. Diese Berechnungsweise entspricht nicht der tariflich vorgesehenen.

b) § 33 [X.]-O verweist hinsichtlich der Höhe des [X.]s auf § 29 [X.], wobei die Verhältnisse eines Angestellten der [X.] zugrunde zu legen sind.

c) Für das [X.] fand der [X.]-O im streitbefangenen [X.]raum nach den Maßgaben des [X.] Anwendung. Gemäß § 2 Abs. 2 dieses Tarifvertrags fanden auf die Arbeiter die zwischen der [X.] ([X.]) und [X.] vereinbarten, für Arbeiter geltenden Tarifverträge in der am 1. Januar 2003 geltenden Fassung Anwendung, wobei noch die sich durch die Tarifverträge vom 31. Januar 2003 ergebenden Änderungen zu berücksichtigen waren. Diese Vergütung wurde sodann pauschal abgesenkt.

Der [X.] war gemäß § 4 Abschn. [X.] 1 [X.] für Arbeiter der Lohngruppen 1 bis 6a, zu denen die in die Lohngruppe 2 eingruppierte Klägerin gehörte, auf 92 % abgesenkt. Dabei war allerdings für die Arbeiter, die wie die Klägerin den im Beitrittsgebiet geltenden Tarifverträgen unterfielen, das Gesetz zur Angleichung der Einkommensverhältnisse im öffentlichen Dienst [X.] ([X.] - [X.]) vom 7. Juli 1994 (GVBl. [X.] S. 225) zu berücksichtigen. Nach § 1 Ziff. 3 dieses Gesetzes war den Arbeitnehmern, die Anspruch auf Bezahlung nach Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes des [X.] hatten, seit dem 1. Oktober 1996 eine Vergütung von 100 % der im [X.] West des jeweiligen Arbeitgebers für Angestellte bzw. Arbeiter zustehenden Beträge zu zahlen.

d) Aufgrund dieser [X.] steht der ausweislich der zur Akte gelangten Abrechnungen im streitbefangenen [X.]raum durchgehend vollzeitbeschäftigten Klägerin ein [X.] wie einem im [X.] West beschäftigten Angestellten von 90,57 [X.] brutto monatlich zu (vgl. auch [X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand Mai 2003 § 33 [X.]. 12), der gemäß § 5 Abs. 2 des Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum [X.] für den Bereich der [X.] vom 31. Januar 2003 ua. für die [X.], [X.] und [X.]. I für das erste berücksichtigungsfähige Kind um 5,11 [X.] zu erhöhen war. Nach § 5 Abs. 1 des Monatslohntarifvertrags Nr. 28 zum [X.] vom 31. Januar 2003 stehen den Angestellten der [X.], [X.] und [X.]. I die Arbeiter mit einer Entlohnung nach den Lohngruppen 1a und 2 gleich. Der sich so insgesamt ergebende Betrag von 95,68 [X.] ist gemäß § 4 Abschn. [X.] 1 Satz 1 [X.] auf 92 % und damit auf 88,03 [X.] brutto monatlich zu kürzen. Daraus ergibt sich für den streitbefangenen [X.]raum von neun Monaten ein Gesamtbetrag von 792,27 [X.] brutto.

II. [X.] folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem Begehren zu weniger als 10 % unterlegen, sodass von der Regelung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Gebrauch gemacht werden kann ([X.] 23. September 2010 - 6 [X.] - Rn. 26, [X.] 200 TV-L Stufenzuordnung Nr. 6).

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Wollensak    

        

    B. Bender    

                 

Meta

6 AZR 806/09

19.05.2011

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 26. September 2008, Az: 58 Ca 1769/08, Urteil

§ 33 BMT-G-O, § 63 BMT-G-O, EStG, BKGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.05.2011, Az. 6 AZR 806/09 (REWIS RS 2011, 6429)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6429

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 AZR 397/10 (Bundesarbeitsgericht)

Besitzstandszulage - Verfall des Anspruchs im Stichmonat - unzulässige Rechtsausübung


6 AZR 452/10 (Bundesarbeitsgericht)

Kinderbezogene Besitzstandszulage - "zu berücksichtigende Kinder" - Ausschlussfrist


17 Sa 416/07 (Landesarbeitsgericht Hamm)


6 AZR 734/09 (Bundesarbeitsgericht)

Besitzstandszulage gemäß § 11 TVÜ-VKA nach Unterbrechung des Kindergeldanspruchs


10 AZR 152/09 (Bundesarbeitsgericht)

(Zulage wegen ständiger Wechselschichtarbeit nach § 8 Abs 5 TVöD - Unschädlichkeit von Unterbrechungen in …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.