Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2010, Az. AnwZ (B) 8/10

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2010, 2332

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[X.][X.] ([X.]) 8/10 vom 15. Oktober 2010 in dem Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
hier: Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - 2 - Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch [X.] Ganter, die Richterinnen [X.] und [X.], den Rechtsan-walt Dr. [X.] sowie die Rechtsanwältin [X.] am 15. Oktober 2010 beschlossen: Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschie-benden Wirkung seiner sofortigen [X.]eschwerde gegen die Zurück-weisung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2009 wird zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Verfahrens über diesen Antrag wird auf 10.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Antragsteller ist seit Juli 1984 im [X.]ezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit [X.]escheid vom 11. Mai 2009 widerrief die An-tragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.]. Nachdem die Antragsgegnerin Kenntnis davon erlangt [X.], dass gegen den Antragsteller zwei rechtskräftige Strafbefehle wegen Un-treue zum Nachteil von Mandanten ergangen waren, ordnete sie mit [X.]escheid vom 25. August 2009 die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung an. Der [X.] hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung und den [X.] - 3 - trag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des [X.] zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung beider Anträge wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen [X.]eschwerde. I[X.] 2 Der Senat entscheidet vorab über die sofortige [X.]eschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Dieses Rechtsmittel ist unstatthaft, denn das bis zum 1. September 2009 geltende Recht, das nach den Überlei-tungsvorschriften in § 215 Abs. 2, 3 [X.]RAO auch auf den vorliegenden Fall an-zuwenden ist, schließt eine Anfechtung einer solchen Entscheidung ausdrück-lich aus (§ 16 Abs. 6 Satz 6, § 42 Abs. 1 [X.]RAO a.F.; vgl. hierzu Senatsbe-schluss vom 20. Oktober 2004 - [X.] ([X.]) 67/04, abrufbar über die Homepage des [X.]undesgerichtshofs). Jedoch gilt auch im Verfahrensrecht in entsprechender Anwendung des § 140 [X.]G[X.] der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zuläs-sige und wirksame Prozesserklärung umzudeuten ist, wenn deren Vorausset-zungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen ent-spricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (vgl. Se-natsbeschluss vom 20. Oktober 2004 - [X.]([X.]) 67/04, aaO, m.w.[X.]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Wird gegen die Hauptsacheentschei-dung sofortige [X.]eschwerde eingelegt, kann auf Antrag deren aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden (§ 215 Abs. 2, 3 [X.]RAO, § 42 Abs. 5 Satz 2 [X.]RAO a.F.). Die Umdeutung der unstatthaften sofortigen [X.]eschwerde in einen solchen statthaften Antrag entspricht dem mutmaßlichen Willen des [X.] - 4 - lers, zumal dieser gegen die Ankündigung des Senats, dass er diese Umdeu-tung in [X.]etracht ziehe, nichts erinnert hat. Auch die Antragsgegnerin hat sich nicht dagegen gewandt. II[X.] 4 Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der [X.] [X.]eschwerde ist nach § 215 Abs. 2, 3 [X.]RAO in Verbindung mit § 16 Abs. 6, § 42 Abs. 4 Satz 2 [X.]RAO a.F. statthaft und zulässig (vgl. hierzu Se-natsbeschluss vom 3. August 2010 - [X.] ([X.]) 100/09, Rn. 2, abrufbar auf der Homepage des [X.]undesgerichtshofs). In der Sache bleibt jedoch der vom [X.] nicht begründete Antrag ohne Erfolg. 1. Die sofortige Vollziehung des [X.] durfte nach § 16 Abs. 6 Satz 2 [X.]RAO a.F. nur angeordnet werden, wenn zu erwarten war, dass der Widerruf bestandskräftig wird und sein sofortiger Vollzug im überwiegenden öffentlichen Interesse zur schon vor [X.]estandskraft des [X.] notwendigen Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter ge-boten war (Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 2003 - [X.] ([X.]) 21/03, NJW-RR 2003, 1642, 1643 und vom 21. Juli 2003 - [X.] ([X.]) 37/03, Z[X.] 2003, 992). Diese Voraussetzungen lagen bei Anordnung der sofortigen Vollziehung vor und sind nach wie vor erfüllt. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und der Wi-derrufsbescheid [X.]estandskraft erlangen wird, weil die Zulassung des [X.]s zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO wegen [X.] zu widerrufen war und der [X.] auch nicht im Laufe des Verfahrens entfallen ist. Der sofortige Vollzug ist im Hinblick auf die sich bereits verwirklichte und nach wie vor bestehende Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden weiterhin geboten. 5 - 5 - 2. [X.]ei Erlass des angefochtenen [X.] lagen die Voraus-setzungen für einen Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsan-waltschaft wegen [X.] nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO vor. 6 7 a) Vermögensverfall nach dieser Vorschrift ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen [X.] nachzukommen; [X.]eweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwir-kung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 - [X.] ([X.]) 27/09, [X.], 1380, Rn. 4 m.w.[X.]). Ist der Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO, § 26 Abs. 2 [X.]) eingetragen, besteht nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO eine [X.] Vermutung dafür, dass er sich in Vermögensverfall befindet. b) Gemessen an diesen Maßstäben war zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] von einem Vermögensverfall des Antragstellers auszuge-hen. Er war bereits damals im Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) des [X.]eingetragen, nachdem vier Vollstreckungsgläubiger gegen ihn Haftbefehle erwirkt und er in drei Zwangsvollstreckungsverfahren die eidesstatt-liche Versicherung abgegeben hatte. [X.]ei Erlass des [X.] lagen [X.] von sechs Gläubigern vor; die Gesamtsumme der zu ihren Gunsten titulierten Forderungen beliefen sich auf 71.675,75 •. 8 c) Wie der [X.]estimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden [X.] sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit [X.]n und den damit möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfer-tigt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. Juni 2007 - [X.] ([X.]) 101/05, [X.], 2924 Rn. 8 m.w.[X.]). Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Mandanteninteressen ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hatte sich diese Gefahr zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] bereits in mehreren Fällen verwirklicht. Das [X.]hat im Dezember 2008 und Januar 2009 gegen den Antragsteller zwei Strafbefehle wegen Untreue zum Nachteil von Mandanten erlassen, die am 7. Mai 2009 beziehungsweise am 19. Mai 2009 rechtskräftig geworden sind. 3. Der Antragsteller hat auch nicht nachgewiesen, dass der [X.] im Verlaufe des Verfahrens nachträglich entfallen ist. 10 a) Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Wider-ruf der Zulassung aus, wenn der [X.] im Verlauf des Verfahrens ent-fällt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. November 1979 - [X.] ([X.]) 16/79, [X.]GHZ 75, 356, 357, und vom 17. Mai 1982 - [X.] ([X.]) 5/82, [X.]GHZ 84, 149, 150). Dies setzt aber voraus, dass der Fortfall des [X.], hier des [X.], zweifelsfrei nachgewiesen ist (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 - [X.] ([X.]) 27/09, aaO Rn. 10 m.w.[X.]). Hiervon ist nicht auszugehen. Die Ver-mögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht nachträglich konsoli-diert. Er ist nach wie vor im Schuldnerverzeichnis des [X.]. Die damit fortbestehende gesetzliche Vermutung für seinen [X.] hat er nicht entkräften können, denn er hat nicht den Nachweis er-bracht, dass der Vermögensverfall (nachhaltig) beseitigt ist. 11 Hierfür ist zunächst erforderlich, dass der betroffene Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend dartut und belegt. [X.] muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen konkret und nachvollziehbar vortragen, ob [X.] zwischenzeitlich getilgt worden sind oder in welcher Weise er die [X.] - 7 - henden Verbindlichkeiten zu tilgen gedenkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom [X.] - [X.] ([X.]) 40/91, juris Rn. 6; vom 10. August 2009 - [X.] ([X.]) 40/08, juris Rn. 10). Zudem setzt eine nachträgliche Konsolidierung voraus, dass der Rechtsanwalt über die [X.]egleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden auflaufen, deren ordnungsgemäße [X.]egleichung nicht sichergestellt ist, etwa durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Zahlungsvereinba-rungen mit den jeweiligen Gläubigern (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - [X.] ([X.]) 113/09, Rn. 10, abrufbar über die Homepage des [X.]undesgerichts-hofs). Diesen Anforderungen ist der Antragsteller nicht gerecht geworden. Er hat nur die auf keine belastbaren Angaben gestützte Erwartung geäußert, seine wirtschaftlichen Verhältnisse in absehbarer Zeit ordnen zu können. Diese [X.] hat sich ersichtlich nicht verwirklicht. Zwischenzeitlich sieht sich der Antragsteller zusätzlichen Forderungen ausgesetzt, wie etwa die im August 2009 eingereichte Klage eines ehemaligen Mandanten auf Auskehrung von 31.700 • oder das Versäumnisurteil des Amtsgerichts [X.]

vom 17. März 2009 über 2.934 • zeigen. b) Die Gefährdung der Rechtsuchenden besteht im Hinblick auf den nicht ausgeräumten Vermögensverfall und das berufliche Fehlverhalten des [X.]s fort. Nach Erlass des [X.] wurde dem Antragsteller erneut zum Vorwurf gemacht, [X.] unberechtigt einbehalten zu haben. So hat die Staatsanwaltschaft [X.]

wegen des Verdachts einer erneuten Veruntreuung im August 2009 Anklage beim Amtsgericht [X.] erhoben. Ebenfalls im August 2009 hat ein weiterer Mandant des Antragstellers beim Landgericht [X.] Klage auf Auskehrung von [X.] in Höhe von 31.700 • eingereicht. 13 - 8 - 4. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilungen des Antragstellers we-gen Untreue zum Nachteil von Mandanten und den weiter bekannt geworden Veruntreuungsvorwürfen ist der sofortige Vollzug des Widerrufs nach wie vor zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden zwingend geboten. Der Antragsteller ist diesen Vorwürfen bislang nicht substantiiert entgegen getreten. Er hat lediglich vorgebracht, in den beiden zur Verurteilung gelangten Fällen schon vor erfolgter Strafanzeige den Schaden ausgeglichen zu haben. 14 Ganter [X.] Fetzer [X.]Hauger Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 18.09.2009 - 1 [X.] 38/09 -

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AnwZ (B) 8/10

15.10.2010

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2010, Az. AnwZ (B) 8/10 (REWIS RS 2010, 2332)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2332

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