Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 15.05.2017, Az. 2 BvR 865/17

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2017, 10969

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Maßnahmen von EU-Organen (hier: Beschlüsse und weitere Handlungen bzgl der EU-Datenschutz-Grundverordnung - juris: EUV 2016/679) sind keine Akte deutscher öffentlicher Gewalt iSd Art 93 Abs 1 Nr 4a GG, § 90 Abs 1 BVerfGG - Zurückweisung offensichtlich unzureichend begründetet Ablehnungsgesuche - Unzulässigkeit mangels Wahrung der Jahresfrist (§ 93 Abs 3 BVerfGG), soweit § 93d Abs 1 S 3 BVerfGG gerügt wird


Tenor

Die [X.] gegen den Präsidenten des [X.] und den Richter [X.] werden als unzulässig verworfen.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

1. Die Verwerfung der [X.] kann mit der Sachentscheidung erfolgen, weil sie offensichtlich unzulässig sind.

2

a) Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. [X.], 59 <60>). Die Entscheidungsbefugnis der Kammer folgt im Rahmen der Nichtannahmeentscheidung aus § 93d Abs. 2 Satz 1 [X.]G.

3

b) Die offensichtliche Unzulässigkeit hinsichtlich des Ablehnungsgesuchs gegen den Präsidenten des [X.] ergibt sich daraus, dass dieser nicht zur Mitwirkung in diesem Verfahren berufen ist ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 15. Dezember 1988 - 1 BvR 1487/87 -).

4

c) Die offensichtliche Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs gegen den Richter [X.] ergibt sich daraus, dass dieses lediglich Ausführungen enthält, die zur Darlegung einer Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind. Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln ([X.]E 20, 9 <14 f.>; 32, 288 <290>; 82, 30 <38>; 98, 134 <137>; 101, 46 <51>; 102, 122 <125>; 108, 279 <281>; 135, 248 <257>; stRspr). Aus der Perspektive eines verständigen Beschwerdeführers ist eine Interviewäußerung, die sich ausdrücklich mit den Möglichkeiten der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes befasst, die durch das Grundgesetz vorgegebene Ordnung zu modifizieren, offensichtlich schon nicht geeignet, einen Schluss darauf zu begründen, dass [X.] die dort von ihm gerade ausdrücklich betonten rechtlichen Grenzen für die verfassten Gewalten selbst nicht einhalten oder insgeheim verschieben möchte. Auch im Übrigen - insbesondere soweit bloße Spekulationen über persönliche Bekanntschaften im Umfeld der sogenannten "[X.]" Gegenstand der Ausführungen sind - ist ein zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit geeigneter konkreter Sachverhalt nicht dargelegt.

5

2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 [X.]G nicht vorliegt. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; sie ist unzulässig. Da der Senat die insoweit entscheidungserheblichen Fragen bereits entschieden hat, hat die Verfassungsbeschwerde auch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. [X.]E 90, 22 <24  f.>).

6

a) Soweit die Verfassungsbeschwerde sich unmittelbar gegen § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G richtet, ist die Jahresfrist nach § 93 Abs. 3 [X.]G nicht gewahrt.

7

b) Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die Beschlüsse des [X.], des Rats sowie die Unterzeichnung und die Verkündung der angegriffenen Verordnung richtet, handelt es sich nicht um taugliche Angriffsgegenstände im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 [X.]G. Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der [X.] sind keine Akte [X.] öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Vorschriften und daher auch nicht unmittelbarer Beschwerdegegenstand im Verfahren der Verfassungsbeschwerde (vgl. [X.]E 129, 124 <175 f.>; [X.], Urteil des [X.] vom 21. Juni 2016 - 2 [X.] -, juris, Rn. 97). Eine Prüfungsbefugnis des [X.] in Bezug auf Maßnahmen nicht[X.] Hoheitsträger besteht nur insoweit, als diese Maßnahmen entweder Grundlage von Handlungen [X.] Staatsorgane sind (vgl. [X.]E 134, 366 <382 Rn. 23>) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Reaktionspflichten [X.] Verfassungsorgane auslösen (vgl. [X.]E 134, 366 <394 ff. Rn. 44 ff.>; 135, 317 <393 f. Rn. 146>; [X.], Urteil des [X.] vom 21. Juni 2016 - 2 [X.] -, juris, Rn. 99).

8

c) Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde auch nicht den für eine inzidente Überprüfung [X.] durch den Senat entwickelten erhöhten Substantiierungsanforderungen (vgl. [X.]E 102, 147 <164>; 129, 124 <167 ff.>; [X.], Urteil des [X.] vom 21. Juni 2016 - 2 [X.] -, juris, Rn. 83).

9

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 865/17

15.05.2017

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

Art 93 Abs 1 Nr 4a GG, § 18 Abs 1 Nr 2 BVerfGG, § 19 Abs 1 BVerfGG, § 19 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 93 Abs 3 BVerfGG, § 93d Abs 1 S 3 BVerfGG, EUV 2016/679

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 15.05.2017, Az. 2 BvR 865/17 (REWIS RS 2017, 10969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10969

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Wird zitiert von

2 BvR 1400/17

L 5 SF 9/22 AB

L 5 SF 10/22 AB

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