Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2014, Az. III R 4/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 118

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Kindergeld - Bindung des BFH an die Feststellungen des FG zum ausländischen Recht bei Prüfung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG)


Leitsatz

NV: Der BFH ist bei Prüfung der Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an die vom FG getroffenen Feststellungen zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts nicht gebunden, soweit sie auf einem nur kursorischen Überblick über die zu behandelnde Materie beruhen .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2011  10 K 16/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. [X.]s ist streitig, ob der Klägerin und [X.] (Klägerin) für ihre im Mai 1993 geborene [X.]ochter ([X.]) Kindergeld für den Zeitraum Januar 2008 bis Dezember 2008 (Streitzeitraum) in voller Höhe zusteht.

2

Die Klägerin lebte mit [X.] seit 2004 in der [X.] ([X.]), wo sie als Selbständige einer nicht sozialversicherungspflichtigen [X.]ätigkeit nachging. Der von der Klägerin geschiedene Kindsvater hielt sich in [X.] auf und hatte weder zur Klägerin noch zu seiner [X.]ochter Kontakt.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) setzte Kindergeld zugunsten der Klägerin für [X.] ab Oktober 2004 fest. [X.] zog im Dezember 2007 zu ihrer Großmutter nach [X.]. Die Klägerin selbst zog im Dezember 2008 nach [X.].

4

Die Familienkasse hob die Festsetzung von Kindergeld für [X.] mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 ab Januar 2008 auf, weil nicht nachgewiesen sei, dass die Großmutter keinen Anspruch auf [X.] Familienleistungen für [X.] habe. Zugleich forderte sie das für den Streitzeitraum gezahlte Kindergeld zurück. Im Rahmen des hiergegen geführten [X.] setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 8. Dezember 2010 zugunsten der Klägerin Kindergeld für [X.] für den Streitzeitraum in hälftiger Höhe fest. Im Übrigen wurde der [X.]inspruch als unbegründet zurückgewiesen ([X.]inspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2010).

5

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin für den Streitzeitraum Kindergeld in voller Höhe. Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. [X.]s entschied, dass der nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1 des [X.]inkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ([X.]StG) bestehende Kindergeldanspruch nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]StG ausgeschlossen sei. Nach letztgenannter Vorschrift werde nicht Kindergeld für ein Kind gezahlt, für welches im Ausland Leistungen gezahlt würden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die dem Kindergeld vergleichbar seien. Hier stehe weder der Klägerin noch dem Kindsvater für [X.] ein solcher Anspruch in [X.] zu. Für den Kindsvater ergebe sich dies aus der familiären Situation, für die Klägerin daraus, dass ihr [X.]inkommen die maßgebliche [X.]inkommensgrenze von 504 [X.] pro Familienmitglied übersteige. Die Großmutter habe --entgegen der Meinung der [X.] für [X.] ebenfalls keinen Anspruch auf [X.] Familienleistungen, weil sie nicht unter den in Art. 4 des Gesetzes über die Bewilligung von Familienleistungen in [X.] vom 28. November 2003 ([X.]) genannten Kreis der anspruchsberechtigten Personen falle. Danach würden [X.] Familienleistungen gezahlt: "1. an [X.]ltern, an einen [X.]lternteil oder an den rechtlichen Betreuer des Kindes; 2. an den tatsächlichen Betreuer des Kindes ...". Die Großmutter sei aber weder der rechtliche noch tatsächliche Betreuer von [X.] gewesen.

6

Mit der Revision macht die Familienkasse die fehlerhafte Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]StG geltend. Die Vorschrift begründe keine Pflicht der Familienkasse, bei Sachverhalten mit Auslandsbezug eigenständig die jeweiligen ausländischen Rechtsvorschriften zu ermitteln und zu prüfen. Vielmehr sei es Aufgabe der Klägerin, durch geeignete Mittel (z.B. durch den Vordruck [X.] 411) nachzuweisen, dass im Ausland kein Anspruch auf vergleichbare Leistungen bestanden habe.

7

Darüber hinaus fehle dem angegriffenen Urteil eine tragfähige [X.]atsachengrundlage. Das [X.] habe nicht dargelegt, welcher Vorschrift zu entnehmen sei, dass dem Kindsvater aufgrund der familiären Situation kein Anspruch auf [X.] Familienleistungen zustehe. Ferner gehe das [X.] ohne nähere Prüfung davon aus, dass die Klägerin mit ihrem monatlichen [X.]inkommen in Höhe von 700 € brutto die in Art. 5 Nr. 1 [X.] genannte [X.]inkommensgrenze überschreite. Die Berechnung dieser [X.]inkommensgrenze sei nach Maßgabe verschiedener Artikel vorzunehmen. Außerdem sei zweifelhaft, ob die Annahme des [X.] zutreffe, dass die Großmutter nicht unter den in Art. 4 [X.] genannten Personenkreis falle.

8

Hieraus ergebe sich, dass die Festsetzung von Kindergeld im Streitfall nach § 65 [X.]StG ausgeschlossen sei. Denn die bestehenden Zweifel hinsichtlich einer Anspruchsberechtigung nach [X.]m Recht gingen zu Lasten der Klägerin. Diese habe keinen Nachweis über das Nichtbestehen eines [X.]n Kindergeldanspruchs vorgelegt. Da jedoch die [X.]n Vorschriften möglicherweise eine dem § 65 [X.]StG vergleichbare Regelung enthielten, sei der Klägerin aufgrund einer analogen Anwendung des Art. 12 Abs. 2 der Verordnung ([X.]WG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), und des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung ([X.]WG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung ([X.]WG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern (VO Nr. 574/72), Kindergeld in hälftiger Höhe zu gewähren.

9

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Aufgrund des eingetretenen gesetzlichen Beteiligtenwechsels ist Beklagte und Revisionsklägerin nunmehr die Familienkasse … der [X.] (vgl. z.B. Senatsurteil vom 18. [X.]ezember 2013 III R 52/11, [X.] 2014, 851, Rz 9). [X.]ies ist im Rubrum des Urteils entsprechend berücksichtigt worden.

III.

[X.]ie Revision ist begründet. [X.]ie Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) liegen im Streitzeitraum zwar die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch der Klägerin nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 EStG vor.

[X.]as [X.] hat aber den seiner Entscheidung zugrunde gelegten Ausschlusstatbestand des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtsfehlerhaft angewendet. [X.]enn die Feststellungen des [X.] zum [X.] Recht erlauben keine abschließende Beurteilung der Frage, ob weder der Klägerin noch einem [X.]ritten in [X.] ein Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Leistungen zustand.

1. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind. Für die Verwirklichung dieses [X.] ist es unerheblich, ob der Anspruch auf die entsprechenden Leistungen nach ausländischem Recht der nach [X.] Recht kindergeldberechtigten Person oder einem [X.]ritten zusteht (vgl. z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 27. November 1998 VI B 120/98, [X.] 1999, 614, unter 1.).

Nach den [X.] vom 13. Juni 2013 III R 10/11 ([X.], 562, [X.], 706, Rz 22 ff.) und [X.] ([X.], 34, [X.], 711, Rz 19 ff.) hat das [X.] bei Prüfung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG insbesondere folgende Grundsätze zu beachten:

a) [X.]ie Vorschrift verpflichtet zunächst die Familienkasse, aber in einem nachfolgenden Klageverfahren auch das [X.], selbst zu prüfen, ob für ein Kind ein Anspruch auf Gewährung von dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen nach ausländischem Recht besteht. [X.]iese Prüfung hätte nur dann zu unterbleiben, wenn bereits eine ausländische Behörde über den streitigen ausländischen Anspruch mit Bindungswirkung für die [X.] Behörden und Gerichte entschieden haben sollte. Ob aus solchen Entscheidungen/Bescheinigungen eine Bindungswirkung resultiert, ist allerdings höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt (vgl. z.B. Senatsurteil in [X.], 562, [X.], 706, Rz 26).

b) Bei bestehender Prüfungspflicht hat das [X.] das maßgebende ausländische Recht gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen. Es ist nicht Aufgabe des [X.], die Regelungen über das ausländische Recht im Einzelnen darzulegen.

[X.]aneben muss das [X.] den für die Subsumtion unter das maßgebliche ausländische Recht entscheidungserheblichen Sachverhalt unter Beachtung der erweiterten Mitwirkungspflichten des [X.] nach § 76 Abs. 1 Satz 4 [X.]O i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung von Amts wegen ermitteln und feststellen.

c) Nach alledem darf das [X.] nicht allein aus dem Umstand, dass der Kindergeldberechtigte keine (negative) Entscheidung/Bescheinigung einer ausländischen Behörde über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf ausländische Familienleistungen beigebracht hat, folgern, es habe ein Anspruch nach ausländischem Recht bestanden.

2. Für das Revisionsgericht sind die vom [X.] zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts getroffenen Feststellungen grundsätzlich bindend (§ 155 [X.]O i.V.m. § 560 ZPO); sie sind wie [X.]atsachenfeststellungen zu behandeln (Senatsurteile in [X.], 562, [X.], 706, Rz 38; in [X.], 34, [X.], 711, Rz 34).

[X.]er [X.] hat daher solche Feststellungen des [X.] im Allgemeinen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, sofern hiergegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgetragen worden sind (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 9. Juli 2003 I R 82/01, [X.]E 202, 547, [X.] 2004, 4, unter II.2.). [X.]ie Bindungswirkung entfällt allerdings dann, soweit die erstinstanzlichen Feststellungen zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts nur einen kursorischen Überblick geben (Senatsurteile in [X.], 562, [X.], 706, Rz 38; in [X.], 34, [X.], 711, Rz 34; [X.] in [X.]/Gosch, [X.]O § 118 Rz 38.2).

3. [X.]anach ist die vom [X.] erfolgte Prüfung des [X.] Rechts revisionsrechtlich zu beanstanden.

a) [X.]as [X.] hat zwar zutreffend eine eigene Entscheidung darüber getroffen, ob nach [X.] Recht einer Person für [X.] ein Anspruch auf Gewährung von dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen zustand. Insbesondere bestehen nach den Feststellungen des [X.] keine Anhaltspunkte dafür, dass eine --ggf. Bindungswirkung besitzende-- negative Entscheidung/Bescheinigung einer [X.] Behörde über das Nichtbestehen eines solchen Anspruchs vorgelegen haben könnte.

b) [X.]ie vom [X.] zu Bestehen und Inhalt des [X.] Rechts getroffenen Feststellungen entfalten aber keine Bindungswirkung, weil sie --jedenfalls soweit sie die (fehlende) Anspruchsberechtigung des Kindsvaters und der Klägerin betreffen-- auf einem nur kursorischen (unzulänglichen) Überblick über das maßgebliche [X.] Recht beruhen.

[X.]er Vorentscheidung lässt sich zwar noch entnehmen, dass in [X.] die Familienleistungen auf der Grundlage des Gesetzes vom 28. November 2003 erbracht werden. Einzelheiten zu Inhalt und Auslegung dieses Gesetzes hat das [X.] aber nicht festgestellt.

aa) So hat das [X.] nicht dargelegt, aufgrund welcher Vorschrift(en) welchen Inhalts des [X.] Rechts eine Anspruchsberechtigung des Kindsvaters wegen der gegebenen familiären Situation ausgeschlossen gewesen sein soll. [X.]as insoweit maßgebliche [X.] Recht bleibt im [X.]unkeln.

bb) Ebenso stellt die Aussage des [X.], das Einkommen der Klägerin übersteige die insoweit maßgebliche Einkommensgrenze von 504 PLN pro Monat und Familienmitglied, keine tragfähige Grundlage für die Schlussfolgerung dar, die Klägerin sei nicht anspruchsberechtigt gewesen.

Es fehlen Feststellungen dazu, wer nach [X.] Recht als "Familienmitglied" gilt. [X.]aher erschließt sich nicht, weshalb allein auf das Einkommen der Klägerin als "Familienmitglied" abgestellt und nicht auch das Einkommen anderer "nahestehender Personen" (z.B. des Kindsvaters und/oder der Großmutter von [X.]) in die Berechnung des Familieneinkommens einbezogen worden ist. Bei entsprechender Berücksichtigung weiterer Personen wäre es vorstellbar, dass --ausgehend von dem dann maßgeblichen [X.] das monatliche Pro-Kopf-Einkommen der Familienmitglieder die genannte Einkommensgrenze nicht überschritten hat. Aber selbst wenn allein auf das Einkommen der Klägerin hätte abgestellt werden müssen, bliebe offen, nach welchen Regeln des [X.] Rechts der maßgebliche Einkommensbetrag zu ermitteln ist. [X.]as [X.] hat nicht festgestellt, was nach [X.] Recht als "Einkommen pro Familienmitglied" anzusetzen ist. [X.]amit bleibt unklar, ob der vom [X.] angeführte monatliche Verdienst der Klägerin von rd. 700 € --offensichtlich ihre im [X.] erzielten inländischen Einkünfte aus [X.] tatsächlich der nach [X.] Recht maßgebliche Betrag gewesen sein kann. Im Übrigen hat das [X.] auch nicht dargelegt, für welchen Zeitraum das Einkommen heranzuziehen ist, um beurteilen zu können, ob die maßgebliche Einkommensgrenze überschritten ist.

Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin in der Revisionsinstanz, wonach die maßgebliche Einkommensgrenze selbst dann überschritten wäre, wenn [X.] und die Großmutter als Familienmitglieder in die Berechnung des Familieneinkommens hätten einbezogen werden müssen. [X.]ie Vorentscheidung enthält weder aussagekräftige Feststellungen zum ausländischen Recht noch die erforderlichen Feststellungen zur Höhe des danach maßgeblichen Familieneinkommens.

4. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Im Streitfall hat das [X.] keine Feststellungen dazu getroffen, ob der dem § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorgehende Art. 10 der [X.] Nr. 574/72 anwendbar ist (zur Nichtanwendbarkeit des Art. 76 der [X.] Nr. 1408/71 vgl. Senatsurteil vom 15. März 2012 III R 52/08, [X.] 2012, 1519, Rz 31).

Im Streitfall könnte der persönliche Geltungsbereich der [X.] Nr. 1408/71 eröffnet sein, weil die Klägerin zwar nicht in [X.], aber ggf. in [X.] nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der [X.] Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit versichert war (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. August 2011 III R 55/08, [X.]E 234, 316, [X.] 2013, 619, Rz 19).

Sollte danach der persönliche Geltungsbereich eröffnet sein, käme eine Anwendung des Art. 10 der [X.] Nr. 574/72 dann in Betracht, wenn [X.] --was noch festzustellen wäre-- nach den Art. 13 ff. der [X.] Nr. 1408/71 der zuständige Beschäftigungsmitgliedstaat und [X.] --was das [X.] bereits festgestellt hat-- der Wohnmitgliedstaat des Kindes ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 16. Mai 2013 III R 8/11, [X.], 511, [X.] 2013, 1040, Rz 27; in [X.], 562, [X.], 706, Rz 44). Schließlich wäre eine Anwendung des Art. 10 der [X.] Nr. 574/72 nicht notwendigerweise deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin (oder ihre Mutter) nicht selbst die Voraussetzungen des Anhangs I [X.]eil I Buchst. E (bis April 2005 Buchst. [X.]; bis 2006 Buchst. [X.]) der [X.] Nr. 1408/71 erfüllte (vgl. z.B. Senatsurteil vom 5. Juli 2012 III R 76/10, [X.]E 238, 87, [X.] 2013, 1033, Rz 19 ff.).

b) Sollte hingegen bei eröffnetem persönlichen Geltungsbereich [X.] nach den Art. 13 ff. der [X.] Nr. 1408/71 der zuständige Mitgliedstaat sein, wäre § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anwendbar (vgl. z.B. Senatsurteil in [X.], 511, [X.] 2013, 1040, Rz 28 f.). [X.]abei hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass infolge der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] für den Fall, dass in dem anderen Mitgliedstaat (hier [X.]) dem Kindergeld vergleichbare Leistungen bezogen worden sind, der Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Allgemeinen nur in entsprechender Höhe gekürzt werden darf (vgl. z.B. Senatsurteil in [X.], 511, [X.] 2013, 1040, Rz 29). Noch nicht entschieden hat der Senat, ob bei dieser Ausgangslage für den Fall eines nach ausländischem Recht zwar bestehenden, aber nicht zur Auszahlung gelangten Anspruchs das [X.] Kindergeld gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ebenfalls nur in entsprechender Höhe gekürzt werden darf oder insgesamt ausgeschlossen ist.

c) Wäre § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG deshalb anwendbar, weil der persönliche Geltungsbereich der [X.] Nr. 1408/71 nicht eröffnet sein sollte, würde sich für den Fall, dass in [X.] ein Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Leistungen bestanden haben sollte, ebenfalls die Frage nach einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Gewährung von [X.]ifferenzkindergeld) stellen. Insoweit verweist der Senat auf das Urteil vom 13. November 2014 III R 1/13 (zur Veröffentlichung bestimmt).

IV. [X.]er Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O).

V. [X.]ie Kostenentscheidung wird gemäß § 143 Abs. 2 [X.]O dem [X.] übertragen.

Meta

III R 4/13

18.12.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 9. Juni 2011, Az: 10 K 16/11, Urteil

§ 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 90 Abs 2 AO, § 76 Abs 1 FGO, § 293 ZPO, § 560 ZPO, Art 10 EWGV 574/72, § 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 63 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, EStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2014, Az. III R 4/13 (REWIS RS 2014, 118)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 118

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III R 6/14 (Bundesfinanzhof)

Kindergeld: notwendiger Umfang der Feststellungen zum anwendbaren ausländischen Recht


III R 61/11 (Bundesfinanzhof)

Kindergeldanspruch einer in Deutschland wohnenden und in Polen beschäftigten Arbeitnehmerin für in Polen lebende Kinder


XI R 10/13 (Bundesfinanzhof)

Polnische Zulage für Alleinerziehende als anzurechnende Familienleistung bei der Gewährung von (Differenz-) Kindergeld


III R 10/11 (Bundesfinanzhof)

(Bindung des BFH an die Feststellungen des FG zu Bestehen und Inhalt ausländischen Rechts bei …


III R 16/14 (Bundesfinanzhof)

Kindergeldanspruch eines in Deutschland wohnenden Selbständigen für in Polen lebende Kinder


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.