Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.04.2011, Az. IX R 31/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 7870

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Gegenstand

Keine Anwendung des Halbabzugsverbots wegen symbolischem Kaufpreis


Leitsatz

NV: Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot sind nicht allein deshalb anzuwenden, weil objektiv wertlose Anteile zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 €) veräußert werden.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das [X.] zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger und sein Vetter gründeten mit notariellem [X.] die [X.] Sie waren am Stammkapital in Höhe von 100.000 DM jeweils zur Hälfte beteiligt und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Am 31. Oktober 1991 wurde das Stammkapital auf 300.000 DM erhöht, am 28. Dezember 1992 auf 400.000 DM.

2

Mit notariellem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 30. Juli 2004 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile an der GmbH an den [X.] seines Vetters zu einem Kaufpreis von 1 €. Das am 1. Dezember 2005 beantragte Insolvenzverfahren über die GmbH wurde am 30. Januar 2006 eröffnet.

3

In der Einkommensteuererklärung für 2004 machten die Kläger einen Verlust des [X.] aus der Veräußerung seines GmbH-Anteils in Höhe von 184.064,70 € gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, der wie folgt ermittelt wurde:

Anschaffungskosten:
Anteil am Stammkapital:       

   102.259,00 €

zuzüglich nachträgliche Anschaffungskosten:

Verlust von Darlehen in Höhe von 160.000 DM

 81.806,70 €

abzüglich Kaufpreis     

  1,00 €

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) stellte mit Bescheid vom 6. Juli 2006 den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 in Höhe von 31.114 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesondert fest.

5

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2007 hob das [X.] den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2004 auf, da der Anteil am Stammkapital gemäß § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte in Höhe von 51.130 € und die [X.] in Höhe von 0 € zu berücksichtigen seien.

6

Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Kläger nach einer tatsächlichen Verständigung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ([X.]) den Ansatz eines Veräußerungsverlustes in Höhe von 162.258 € (ohne Anwendung des Halbabzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG) begehrten, hatte z.T. Erfolg. Das [X.] entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1589 veröffentlichten Urteil, der Kläger habe einen Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 1 und 2 EStG in Höhe der tatsächlichen Verständigung (162.258 €) erzielt, auf den allerdings das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden sei.

7

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügen (§ 17 EStG, § 3c Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG). Die Wertlosigkeit der veräußerten Anteile sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Veräußerer habe nicht die Erzielung einer Einnahme angestrebt. Es sollten lediglich die Grundsätze eines Kaufvertrages zur Anwendung kommen.

8

Die Kläger beantragen,

1. das Urteil des [X.] Düsseldorf aufzuheben und den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2004 insoweit zu ändern, dass der Veräußerungsverlust i.S. des § 17 EStG in Höhe von 162.258 € in voller Höhe berücksichtigt wird;         
2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) die Entscheidung des [X.] ([X.]) über die Vereinbarkeit des Halbabzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG für den Fall von [X.] oder Veräußerungsverlusten einzuholen;  
3. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 GG die Entscheidung des [X.] über die Vereinbarkeit des Halbabzugsverbots des § 3c Abs. 2 EStG mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG für den Fall von Verlusten aus der Veräußerung wertloser Anteile an Kapitalgesellschaften bei Vereinbarung eines symbolischen Kaufpreises von 1 € einzuholen.

9

 Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das Halbeinkünfteverfahren sei von dem Grundgedanken geprägt, dass bei seiner Anwendung Gewinne und Verluste gleichermaßen der Einkommensteuer unterliegen sollen. Für eine abweichende Behandlung von Verlusten sei kein Raum. Eine Bagatellgrenze sei insoweit nicht vorgesehen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des Urteils des [X.] und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung --[X.]O--). Zu Unre[X.]ht hat das [X.] die Ans[X.]haffungskosten des Klägers für die streitbefangenen Anteile nur zur Hälfte bei der Bere[X.]hnung von dessen Veräußerungsverlust angesetzt.

1. Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] EStG ist die Hälfte des [X.] von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen (§ 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerli[X.]her Vorteil dur[X.]h den zusätzli[X.]hen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (Urteil des [X.] --BFH-- vom 6. Juli 2005 [X.], [X.], 332, [X.], 163).

Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, ist § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG ni[X.]ht anzuwenden und der [X.] in vollem Umfang abziehbar (BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 [X.], [X.], 445, [X.], 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, [X.], 399; BFH-Bes[X.]hluss vom 18. März 2010 IX [X.]/09, [X.], 177, [X.], 627).

Keine Einnahmen liegen vor, wenn objektiv wertlose Anteile zu einem symbolis[X.]hen Kaufpreis (z.B. von 1 €) veräußert wurden. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil [X.]/10 vom 6. April 2011, [X.], 1411.

2. Na[X.]h diesen Grundsätzen führt au[X.]h im Streitfall der symbolis[X.]he Kaufpreis von 1 € ni[X.]ht zu einem Veräußerungspreis [X.] von § 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] und mithin ni[X.]ht zu Einnahmen [X.] von § 3[X.] Abs. 2 EStG, die dur[X.]h die Beteiligung vermittelt werden; der symbolis[X.]he Kaufpreis ist na[X.]h den gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O den Senat bindenden tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen des [X.] einem Veräußerungspreis von 0 € glei[X.]h zu era[X.]hten. Er wurde ni[X.]ht als Entgelt für die Werthaltigkeit der übertragenen Anteile vereinbart; die Anteile waren vielmehr wertlos. Anhaltspunkte für eine S[X.]henkung hat das [X.] trotz des Angehörigenverhältnisses der Vertragsparteien ni[X.]ht festgestellt.

3. Die Bere[X.]hnung des festzustellenden Betrages wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O dem FA übertragen.

4. Die Kostenents[X.]heidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmä[X.]htigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig (BFH-Urteil vom 10. September 2003 [X.], [X.], 75).

Meta

IX R 31/10

06.04.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 14. April 2010, Az: 2 K 2190/07 F, Urteil

§ 3 Nr 40 S 1 Buchst c EStG 2002, § 3c Abs 2 EStG 2002, § 17 Abs 1 EStG 2002, § 17 Abs 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.04.2011, Az. IX R 31/10 (REWIS RS 2011, 7870)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7870

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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