Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.04.2011, Az. IX R 40/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 7918

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Gegenstand

Anwendung des Halbabzugsverbots im Verlustfall


Leitsatz

Werden bei der Anteilsveräußerung i.S. von § 17 EStG veräußerungsbedingte Einnahmen (Veräußerungspreis) erzielt, sind Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG) und Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) auch im Verlustfall anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit Herrn [X.] Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom 17. Oktober 2000 gegründeten [X.] GmbH (im Folgenden: GmbH). Seit dem 1. Oktober 2001 war er alleiniger Gesellschafter. Von dem Stammkapital in Höhe von 25.000 € war lt. Jahresabschluss zum 31. Dezember 2001 die Hälfte eingezahlt worden. Die GmbH erwirtschaftete 2000 einen Verlust in Höhe von 15.715,84 DM und 2001 in Höhe von 48.466,69 DM, wobei sich der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag auf 15.286,78 DM belief. Angesichts ihrer schwierigen wirtschaftlichen [X.]age stellte der Kläger der GmbH mit Vertrag vom 20. Oktober 2000 einen Darlehensrahmen zur Sicherung der [X.]iquidität in Höhe von 150.000 DM zur Verfügung. Am 6. Mai 2002 verkaufte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil zu einem Kaufpreis in Höhe von 2 x 5.112,92 € (= 10.225,84 €). Zudem verzichtete er auf die Rückzahlung seiner Forderungen aus dem Darlehen gegenüber der GmbH in Höhe von [X.] €.

2

Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (2002) setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Einkünfte des [X.] aus Gewerbebetrieb mit - 33.408 € an. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Nach Erhebung der Klage, mit der der Kläger die volle Berücksichtigung seines [X.] begehrte, änderte das [X.] den Einkommensteuerbescheid erneut und ermittelte darin die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit - 33.558 €, die es wie folgt berechnete:

3

   1/2 Veräußerungserlös (10.225,84 €) 

       5.112,92 €

- 1/2 Anschaffungskosten (12.500 €) 

   -   6.250,00 €

- Forderungsverzicht 

   - [X.] €         

= - 67.116,05 €   

davon 1/2

= - 33.558,00 €

                                                                                                                                           

4

Das Finanzgericht ([X.]) entschied, der angegriffene Einkommensteuerbescheid sei rechtswidrig, soweit das [X.] die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit - 33.558 € statt mit - 34.126,57 € angesetzt habe. Sowohl die Anschaffungskosten in Höhe von 12.500 € als auch die nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von [X.] € seien ebenso wie die Einnahmen in Höhe von 10.225,84 € nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Das fragliche Darlehen sei in der Krise gewährt, da die Gesellschaft nicht nur im Jahr ihrer Gründung, sondern auch folgend einen nicht mehr durch Eigenkapital gedeckten Verlust erwirtschaftet habe, so dass der Kläger der Gesellschaft ein Darlehen zur Finanzierung habe gewähren müssen.

5

Nach dem Wortlaut erstrecke § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) das Halbeinkünfteverfahren bereits auf einen Veräußerungspreis und nicht erst auf den Veräußerungsgewinn. Auch dann, wenn der Steuerpflichtige bei der Veräußerung seiner Beteiligung --wie hier-- einen Verlust erleide, erziele er damit Einnahmen, die dem Halbeinkünfteverfahren unterlägen. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG finde in diesem Fall Anwendung.

6

Die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb habe das [X.] nicht zutreffend berechnet. Von den Einnahmen und Ausgaben seien jeweils 1/2 anzusetzen, so dass sich folgende Berechnung ergebe:

7

   1/2 Veräußerungserlös (10.225,84 €) 

         5.112,92 €

- 1/2 Anschaffungskosten (12.500 €)  

      - 6.250,00 €

- 1/2 Forderungsverzicht ([X.] €) 

    - 32.989,49 €     

= - 34.126,57 €

                                                                                                   

8

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], mit der er die Verletzung von §§ 17, 3c Abs. 2 EStG rügt. Das [X.] sei vorliegend nicht anzuwenden; denn es ergäben sich nur Einnahmen in Höhe eines Betrages, der die ursprünglichen Anschaffungskosten nicht übersteige. [X.] man Veräußerungserlös (10.225,84 €) und Anschaffungskosten (12.500 €), so ergäben sich keine positiven Einkünfte. Das Halbeinkünfteverfahren solle eine Doppelbesteuerung bei Veräußerungsgewinnen vermeiden. Eine Anwendung auf Veräußerungsverluste sei nicht gewollt gewesen.

9

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] aufzuheben und den vollen Verlust in Höhe von 68.253 € für das Kalenderjahr 2002 ohne Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens zu berücksichtigen.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurü[X.]kzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgeri[X.]htsordnung). [X.] und [X.] (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.], § 3[X.] Abs. 2 EStG) sind im Streitfall anzuwenden.

1. Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] EStG ist die Hälfte des [X.] von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen; denn na[X.]h § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen [X.], Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in wel[X.]hem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entspre[X.]hendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berü[X.]ksi[X.]htigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerli[X.]her Vorteil dur[X.]h den zusätzli[X.]hen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 6. Juli 2005 [X.], [X.], 332, [X.], 163).

Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung na[X.]h § 3 Nr. 40 EStG ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Folgeri[X.]htig tritt die na[X.]h § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entspre[X.]henden Aufwand nur zur Hälfte zu berü[X.]ksi[X.]htigen, ni[X.]ht ein. Denn dieser steht ni[X.]ht --wie dies § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG s[X.]hon dem Wortlaut na[X.]h für die hälftige Kürzung [X.] in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang mit ledigli[X.]h zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, ist § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG ni[X.]ht anwendbar und der [X.] ist in vollem Umfang abziehbar. Dies entspri[X.]ht dem Gesetzeszwe[X.]k des [X.]s, eine Doppelbegünstigung auszus[X.]hließen ([X.]-Urteile vom 25. Juni 2009 [X.], [X.], 445, [X.], 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, [X.], 399; [X.]-Bes[X.]hluss vom 18. März 2010 IX [X.]/09, [X.], 177, [X.], 627).

Soweit das [X.] (§ 3 Nr. 40 EStG) eingreift, hat der [X.] dessen typisierende Verknüpfung mit dem [X.] (§ 3[X.] Abs. 2 EStG) für verfassungsgemäß era[X.]htet ([X.]-Urteil vom 19. Juni 2007 [X.], [X.]E 218, 251, [X.], 551), und zwar au[X.]h mit Bli[X.]k auf die systematis[X.]he Grundents[X.]heidung des [X.]s, [X.] den laufenden Gewinnauss[X.]hüttungen glei[X.]hzustellen.

2. Dana[X.]h bleibt für eine --ggf. verfassungskonforme-- Eins[X.]hränkung des [X.]s bei Verlusten in der Weise, dass die Ans[X.]haffungs- und Veräußerungskosten der jeweiligen Anteile voll berü[X.]ksi[X.]htigt werden, soweit sie den [X.] übersteigen (vgl. etwa [X.], Urteil vom 10. Mai 2007  11 K 2363/05 E, Ents[X.]heidungen der Finanzgeri[X.]hte 2007, 1239; Förster, GmbH-Runds[X.]hau --GmbHR-- 2010, 1009, 1013 f.), kein Raum (vgl. au[X.]h [X.]-Urteil vom 27. Oktober 2005 [X.], [X.]E 211, 273, [X.], 171; v. Be[X.]kerath, in: Kir[X.]hhof/Söhn/[X.], EStG, § 3[X.] Rz [X.]; Desens in [X.]/[X.]/Raupa[X.]h, § 3[X.] EStG [X.]; [X.]/Heini[X.]ke, EStG, 29. Aufl., § 3[X.] [X.]; Döts[X.]h/[X.], [X.], 977, 978; Döts[X.]h/[X.] in Döts[X.]h/[X.]/[X.], Die Körpers[X.]haftsteuer, § 3[X.] EStG Rz 49a; Bron/ [X.], Deuts[X.]he Steuer-Zeitung [X.], 859, 862 f.). Der Gesetzeszwe[X.]k, Doppelbegünstigungen auszus[X.]hließen, ist im eindeutigen Gesetzeswortlaut insoweit ledigli[X.]h typisierend umgesetzt worden. Der Umstand, dass der Steuerpfli[X.]htige die zum Verlust führenden Aufwendungen in voller Höhe getragen hat (darauf abstellend etwa Förster, GmbHR 2010, 1009, 1014, m.w.N. in Fn 52), re[X.]htfertigt dana[X.]h keine volle Berü[X.]ksi[X.]htigung der tatsä[X.]hli[X.]hen Aufwendungen, da diese na[X.]h § 3[X.] Abs. 2 EStG ledigli[X.]h in typisierender Weise --hälftig-- anzusetzen sind. Dass dies einen "Fallbeileffekt" (Förster, a.a.[X.]) bei au[X.]h nur geringen Einnahmen na[X.]h si[X.]h zieht, ist von der vom [X.] als verfassungsgemäß era[X.]hteten gesetzli[X.]hen Typisierung umfasst (vgl. au[X.]h Bron/[X.], [X.], 859, 862; [X.]/[X.], Finanz-Runds[X.]hau 2009, 1121, 1124 f.; [X.]/[X.], Deuts[X.]hes Steuerre[X.]ht --DStR-- 2010, 256, 258; [X.]/[X.], DStR 2010, 1163, 1166; [X.], Steuern und Bilanzen 2010, 251, 253; [X.]/[X.], Neue Wirts[X.]hafts-Briefe 2010, 1328, 1329; Döts[X.]h/[X.], [X.] 2010, 977 ff.; Döts[X.]h/[X.] in Döts[X.]h/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 3[X.] EStG Rz 49a; [X.], Betriebs-Berater 2009, 2128). Dana[X.]h sind [X.] und [X.] au[X.]h anzuwenden, wenn der Steuerpfli[X.]htige wegen ledigli[X.]h geringfügiger Veräußerungseinnahmen im Ergebnis einen Verlust erwirts[X.]haftet hat.

3. Na[X.]h diesen Grundsätzen hat das [X.] zutreffend das [X.] (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] EStG) auf den Veräußerungserlös des Klägers angewandt und das [X.] (§ 3[X.] Abs. 2 EStG) auf die Ans[X.]haffungskosten.

Meta

IX R 40/10

06.04.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 8. Juli 2010, Az: 2 K 1052/06, Urteil

§ 3 Nr 40 S 1 Buchst c EStG 2002, § 3c Abs 2 EStG 2002, § 17 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.04.2011, Az. IX R 40/10 (REWIS RS 2011, 7918)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7918

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Keine Kürzung von im Jahr 2000 geleisteten Aufwendungen aufgrund von erstmals hälftig steuerfreien Einnahmen im …


Referenzen
Wird zitiert von

5 K 1003/16

IX R 61/10

IX R 29/10

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