Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.04.2011, Az. IX R 49/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 7883

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Gegenstand

Keine Anwendung des Halbabzugsverbots wegen Veräußerung wertloser Anteile in der Liquidation für 1 € - Fehlen eines förmlichen Revisionsantrags


Leitsatz

NV: Halbeinkünfteverfahren und Halbabzugsverbot sind nicht deshalb anzuwenden, weil wertlose Anteile in der Liquidation zu dem symbolischen Kaufpreis von 1 € veräußert werden.

Tatbestand

1

I. Im Februar 1990 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) sämtliche Gesellschaftsanteile an der [X.] zu einem Kaufpreis von 70.000 DM. Nachdem die [X.] mit Beschluss vom 12. Februar 2004 (Streitjahr) aufgelöst und der Kläger zum Liquidator bestellt worden war, veräußerte er die Gesellschaftsanteile mit Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 22. Dezember 2004 zum Preis von 1 € an Frau B. In Ziff. [X.] 2) des Vertrags heißt es: "Der Kaufpreis ist bezahlt, worüber der Verkäufer hiermit Quittung erteilt." Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger aus seiner Beteiligung an der GmbH keine dem Halbeinkünfteverfahren unterfallenden Gewinnausschüttungen erhalten hat.

2

Den erlittenen Verlust in Höhe von 35.789 € (Veräußerungspreis 1 € abzüglich gerundeter Anschaffungskosten von 35.790 €) machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2004) als [X.] von § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (EStG) geltend. Unter Hinweis auf das Halbeinkünfteverfahren berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) den erklärten Verlust nur zur Hälfte.

3

Der Einspruch blieb ohne Erfolg, ebenso die Klage, mit der sich die Kläger gegen die Anwendung von § 3c Abs. 2 EStG gewandt und beantragt haben, den Einkommensteuerbescheid 2004 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0 € festgesetzt wird.

4

Das Finanzgericht (FG) entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1676 veröffentlichten Urteil, auf den vom Kläger im Streitjahr realisierten [X.] von § 17 Abs. 1, 2 EStG sei das Halbeinkünfteverfahren i.S. von §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG anzuwenden mit der Folge, dass der Verlust steuerlich nur zur Hälfte berücksichtigungsfähig sei.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sich diese gegen die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens wenden.

6

Einen ausdrücklichen Revisionsantrag haben die Kläger nicht gestellt.

7

Das [X.] beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen.

8

Es fehle an einem Revisionsantrag. Auch ein Kaufpreis von 1 € führe zu Einnahmen, die die Anwendung von Halbeinkünfteverfahren und [X.] eröffneten.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Urteils des [X.] und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung --[X.]O--). [X.] hat das [X.] im Hinbli[X.]k auf den Kaufpreis von 1 € das Halbeinkünfteverfahren und [X.] (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.], 3[X.] Abs. 2 EStG) angewandt.

1. Die Revision ist trotz Fehlens eines ausdrü[X.]kli[X.]hen Revisionsantrags zulässig, da si[X.]h aus dem [X.] eindeutig ergibt, inwieweit si[X.]h die Kläger dur[X.]h das angefo[X.]htene Urteil bes[X.]hwert fühlen und dessen Aufhebung begehren (vgl. Urteile des [X.] --BFH-- vom 30. Januar 2008 [X.], [X.], 403, [X.], 520, und vom 27. August 2008 III R 50/06, [X.], 533); sie wenden si[X.]h gegen die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und damit des [X.]s.

2. a) Indem der Kläger na[X.]h Auflösung der GmbH diese als Liquidator für ledigli[X.]h 1 € veräußert hat, hat er in Gestalt der unstreitigen Ans[X.]haffungskosten einen [X.] von § 17 Abs. 1, 4 EStG erlitten.

b) Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] EStG ist die Hälfte des gemeinen Werts i.S. von § 17 Abs. 2, 4 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind nur zur Hälfte abzuziehen (§ 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerli[X.]her Vorteil dur[X.]h den zusätzli[X.]hen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 [X.], [X.], 332, [X.], 163).

Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, ist § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG ni[X.]ht anzuwenden und der [X.] in vollem Umfang abziehbar (BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 [X.], [X.], 445, [X.], 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, [X.], 399; BFH-Bes[X.]hluss vom 18. März 2010 IX [X.]/09, [X.], 177, [X.], 627).

Keine Einnahmen liegen vor, wenn objektiv wertlose Anteile in der Liquidation zu einem symbolis[X.]hen Kaufpreis (z.B. von 1 €) veräußert werden. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil [X.]/10 vom 6. April 2011, [X.], 446.

[X.]) Na[X.]h diesen Grundsätzen ist das [X.] des § 3[X.] Abs. 2 EStG im Streitfall ni[X.]ht anzuwenden.

Die streitbefangenen Anteile waren objektiv wertlos. Der Kaufpreis von 1 € wird für eine GmbH in Liquidation typis[X.]herweise ni[X.]ht als Gegenleistung für die Werthaltigkeit des Veräußerungsgegenstandes bezahlt.

Au[X.]h jenseits des symbolis[X.]hen Kaufpreises hat der Kläger keine Einnahmen aus der GmbH, insbesondere keine die Anwendung des [X.]s re[X.]htfertigende Gewinnauss[X.]hüttungen, erlangt. Sollten dem Kläger vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 52 Abs. 8a EStG [X.]. § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG) Gewinnauss[X.]hüttungen zugeflossen sein, könnten diese die Anwendung des [X.]s ni[X.]ht re[X.]htfertigen, da es insoweit an der das [X.] re[X.]htfertigenden systematis[X.]hen Korrespondenz mit nur zur Hälfte besteuerten Einnahmen fehlt. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 6. April 2011 in der Sa[X.]he IX R 28/10, [X.], 439.

3. Die Sa[X.]he ist spru[X.]hreif. Die volle Berü[X.]ksi[X.]htigung des Auflösungsverlustes führt im Streitjahr zu einer Einkommensteuer von Null.

Meta

IX R 49/10

06.04.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 9. Juli 2010, Az: 1 K 337/07 E, Urteil

§ 3 Nr 40 Buchst c EStG 2002, § 3c Abs 2 EStG 2002, § 17 Abs 1 EStG 2002, § 17 Abs 4 EStG 2002, § 120 Abs 3 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.04.2011, Az. IX R 49/10 (REWIS RS 2011, 7883)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7883

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