Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. I ZR 202/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5259

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/02 Verkündet am: 27. Januar 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

Optimale Interessenvertretung

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 3 Nr. 1; [X.] § 43b; [X.] § 6

Ist in einer Werbung für eine Rechtsanwaltskanzlei die Angabe über eine "[X.] Vertretung" eingebettet in eine Reihe von Sachangaben, kann nach dem Kontext der gesamten Werbeaussage ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsge-bot nach § 43b [X.], § 6 [X.] zu verneinen sein.

[X.], [X.]. v. 27. Januar 2005 - [X.]/02 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 27. Januar 2005 durch [X.] [X.], Prof. [X.], [X.], [X.] und Dr. Schaffert für Recht erkannt:

Die Revision gegen das [X.]eil des [X.], 5. Zivilsenat, vom 3. Juli 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind in einer Sozietät zusammengeschlossene Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in [X.]. Der [X.] ist Partner einer aus Rechtsanwälten be- stehenden Partnerschaft, die ihren Sitz in [X.]-B.

hat. Auf der von der Partnerschaft eingerichteten Homepage heißt es u.a.:
"1950 gründete [X.] , der Vater des heutigen Seniorpartners [X.] , unsere Kanzlei im Zentrum von [X.]. Im Jahre 1978 wurde der Sitz der - zum damaligen Zeitpunkt von [X.]
K. allein betriebenen - Kanzlei nach [X.]-[X.] verlegt. Heute stehen Ih- nen acht Rechtsanwälte für die optimale Vertretung Ihrer Interessen in den verschiedensten Rechtsgebieten zur Verfügung. Eine moderne EDV, eine gut ausgestattete Fachbibliothek und der Zugriff auf umfangreiche juristische Datenbanken gewährleisten höchste Beratungsqualität." - 3 -
Die Kläger sind der Auffassung, der Hinweis auf eine "optimale Vertre-tung" sei eine reklamehafte Selbstanpreisung und stelle eine für einen Rechts-anwalt unzulässige Werbung dar.
Die Kläger haben beantragt,

dem [X.]n zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu [X.] für rechtsanwaltliche Tätigkeit wie folgt zu werben:
"Heute stehen Ihnen acht Rechtsanwälte für die optimale Vertretung Ihrer Interessen in den verschiedensten Rechtsgebieten zur Verfügung."
Der [X.] ist der Klage entgegengetreten.

Das [X.] hat den [X.]n antragsgemäß verurteilt. Die Beru-fung des [X.]n hat zur Abweisung der Klage geführt ([X.] NJW 2002, 3183).
Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter. Der [X.] beantragt, die Revision [X.].

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Kläger verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt: - 4 - Die Klagebefugnis der Kläger und die Passivlegitimation des [X.]n habe das [X.] zutreffend bejaht. Es sei auch zu Recht davon [X.], daß die Kläger nicht rechtsmißbräuchlich gegen den [X.]n vorge-gangen seien. Der angegriffene Teil des [X.]-Auftritts der Partnerschaft, der der [X.] angehöre, verstoße jedoch nicht gegen § 43b [X.], § 6 [X.]. Im Grundsatz sei davon auszugehen, daß Rechtsanwälten die Werbung für ihre berufliche Tätigkeit nicht verboten, sondern erlaubt sei. Das Sachlichkeitsgebot werde nicht durch auf den Beruf bezogene Tatsachenbehauptungen verletzt, deren Richtigkeit überprüft werden könne. [X.] Selbstbeschreibungen der persönlichen Kompetenz, die subjektive Werturteile seien, seien ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn sie [X.] zu haben schienen und nach Form und Inhalt nicht in der Einkleidung eines "marktschreierischen Werbungs-stils" daherkämen. Ein Teil des umworbenen Publikums werde die [X.] im Gesamtzusammenhang der Geschichte der Kanzlei dahin [X.], durch die gestiegene Zahl der Rechtsanwälte könne eine größere [X.] abgedeckt werden. Das Wort "optimal" beziehe sich bei einem derartigen Verständnis auf die Breite der angebotenen Rechtsbera-tung und beinhalte im wesentlichen eine der Überprüfung zugängliche [X.]. Aber auch wenn der Begriff als Bewertung der anwaltlichen Leistung aufgefaßt werde, entspreche die Aussage in der konkreten Verwendungssitua-tion noch dem Sachlichkeitsgebot. Zwar sei "optimal" ein Superlativ; der Begriff sei jedoch durch seinen inflationären Gebrauch in der Werbung verblaßt. In dem sprachlichen Kontext stelle er keine übermäßige reklamehafte Übertrei-bung oder marktschreierische Herausstellung dar.
I[X.] Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Kläger als unmittelbar Verletzte klagebefugt und aktivlegitimiert sind. Die [X.] - spruchsberechtigung des unmittelbar Verletzten, die sich unter Geltung des § 13 Abs. 2 UWG a.F. aus der verletzten Rechtsnorm selbst ergab ([X.], [X.]. v. 6.10.1999 - [X.], [X.], 616, 617 = [X.], 514 - [X.]), folgt nunmehr aus § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. [X.] den Parteien besteht nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstanden-den Feststellungen des Berufungsgericht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Parteien gehören mittelgroßen Kanzleien mit Sitz in [X.] und [X.] an. Im Streitfall ist deshalb davon auszugehen, daß die Parteien versuchen, gleichartige Dienstleistungen innerhalb derselben Verkehrskreise abzusetzen mit der Folge, daß das konkret beanstandete [X.] den ande-ren beeinträchtigen kann (vgl. [X.], [X.]. v. 5.10.2000 - I ZR 210/98, [X.], 258 = [X.], 146 - [X.]; [X.]. v. 6.12.2001 - I ZR 214/99, [X.], 985, 986 = [X.], 952 - [X.]).
2. Den Klägern steht gegen den [X.]n jedoch kein Unterlassungs-anspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 43b [X.], § 6 [X.] zu. Die beanstandete Passage in dem [X.]-Auftritt der Partnerschaft, der der [X.] angehört, verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen die die anwaltliche Werbung regelnden Vorschriften der § 43b [X.], § 6 [X.].
a) Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt derjenige unlauter i.S. des § 3 UWG, der einer gesetzlichen Bestimmung zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zu den [X.], die im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, auch das Verhalten von Unternehmen bestimmen, rechnen § 43b [X.], § 6 [X.]. Als Bestimmungen, die sich ausdrücklich mit der Zulässigkeit der [X.] befassen, kommt ihnen eine auf die Lauterkeit des Wett-bewerbs bezogene Schutzfunktion zu. - 6 -
Die Rechtsnormqualität i.S. von § 4 Nr. 11 UWG erfüllt auch § 6 [X.]. Denn zu den gesetzlichen Vorschriften nach § 4 Nr. 11 UWG zählt auch die durch Satzung nach § 59b Abs. 1, § 191a Abs. 2, § 191e [X.] ergangene [X.] (vgl. Harte/[X.]/[X.], UWG, § 4 Nr. 11 Rdn. 37; [X.]/ [X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11.24; Fezer/ Götting, UWG, § 4 Nr. 11 [X.]).
b) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt die beanstandete [X.] jedoch nicht gegen das Sachlichkeitsgebot nach § 43b [X.], § 6 [X.].
aa) Nach § 43b [X.] ist dem Rechtsanwalt Werbung erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Die Bestimmung wird inhaltlich teilweise konkretisiert durch §§ 6 ff. [X.]. Gemäß § 6 Abs. 1 [X.] darf der Rechtsanwalt über seine Dienstleistung und seine Person informieren, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind.
Die Vorschrift des § 43b [X.] eröffnet nicht eine ansonsten nicht be-stehende Werbemöglichkeit, sondern konkretisiert die verfassungsrechtlich ga-rantierte Werbefreiheit. Deshalb bedarf nicht die Gestattung der Anwaltswer-bung der Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung. Sie ist nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im übrigen dem Grundsatz der Verhält-nismäßigkeit entspricht (vgl. [X.], [X.]. v. 12.9.2001 - 1 BvR 2265/00, [X.], 1284, 1285; [X.]. v. 4.8.2003 - 1 BvR 2108/02, [X.], 965 f. = [X.], 1213; [X.] 147, 71, 74 f. - [X.]; [X.], [X.]. v. 15.3.2001 - I ZR 337/98, [X.], 71, 73 - [X.]). [X.] 7 - darstellungen des Rechtsanwalts unterliegen, soweit die Form und der Inhalt der Werbung nicht unsachlich sind, keinem generellen Werbeverbot. Das von den Angehörigen eines freien Berufs zu beachtende [X.] keine auf die Mitteilung nüchterner Fakten beschränkte Werbung (vgl. [X.], [X.]. v. 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02, [X.], 966, 968 = [X.], 1209; [X.]. v. 26.10.2004 - 1 BvR 981/00, [X.], 83, 87; [X.], [X.]. v. 9.10.2003 - I ZR 167/01, [X.], 164, 166 = [X.], 221 - Arztwerbung im [X.]).
[X.]) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Teil der angesproche-nen Verkehrskreise werde die Werbung aufgrund des Zusammenhangs mit der Kanzleigeschichte dahin verstehen, durch die gewachsene Zahl der [X.] könnten mehr Rechtsgebiete abgedeckt werden als durch lediglich einen Rechtsanwalt. Das Wort "optimal" beziehe sich auf die Breite der gebotenen Rechtsberatung und enthalte eine der Überprüfung zugängliche Sachaussage. Aber auch wenn andere Teile des Verkehrs die Werbung dahin auffaßten, die anwaltliche Leistung werde als "optimal" bezeichnet, liege im sprachlichen Kon-text keine übermäßige reklamehafte Übertreibung oder gar marktschreierische Herausstellung der Mitglieder der Kanzlei des [X.]n vor.
cc) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß die beanstandete [X.] nach Form und Inhalt noch nicht [X.] den Boden sachlicher Information verlasse, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Entgegen der Ansicht der Revision ist nicht jede positive Darstellung der Leistung des Rechtsanwalts in seiner Werbung mit dem [X.]. Zudem sind Einzeläußerungen wie der hier beanstandete Satz im Kontext der gesamten Werbeaussage auszulegen (vgl. [X.], [X.]. v. 28.2.2003 - 1 BvR 189/03, [X.]. 2003, 127). Im Streitfall ist die Aussage - 8 - über eine "optimale Vertretung" eingebettet in eine Reihe von Sachangaben, wonach - anders als in den Anfängen der Kanzlei - nunmehr acht [X.] für die Vertretung zur Verfügung stehen, eine moderne EDV und eine gut ausgestattete Fachbibliothek vorhanden sind und auf umfangreiche juristische Datenbanken zurückgegriffen werden kann.
Dies sind Grundlagen für eine mögliche optimale Vertretung der [X.]. Der beanstandete [X.] steht als Aussage über die Lei-stung der Kanzleimitglieder in einem engen inneren Zusammenhang mit diesen Angaben über die personelle und sachliche Ausstattung der Kanzlei. Das [X.] hat zudem rechtsfehlerfrei angenommen, daß die beanstandete Aussage auch nicht deshalb übermäßig reklamehaft sei, weil das Wort "opti-mal" auf das [X.] Wort "optimus" zurückgehe, das "der Beste" bedeute. Das Berufungsgericht hat dargelegt, daß das Wort "optimal" aufgrund seiner vielfachen Verwendung in der Werbung nicht als Superlativ empfunden werde. Es hat dementsprechend rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die beanstandete Werbung nach dem Kontext, in den das Wort "optimal" gestellt sei, nicht als Vergleich mit anderen Rechtsanwälten verstanden werde. - 9 - 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.] Bornkamm [X.]

Büscher Schaffert

Meta

I ZR 202/02

27.01.2005

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. I ZR 202/02 (REWIS RS 2005, 5259)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5259

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1 BvR 981/00

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