Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2011, Az. B 14 AS 47/11 B

14. Senat | REWIS RS 2011, 3809

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Rüge der rechtswidrigen Ablehnung von Prozesskostenhilfe - unanfechtbare Vorentscheidung - Willkürverbot


Leitsatz

Die Rüge der rechtswidrigen Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel nur auf die Verletzung von Verfassungsrecht und insbesondere des Willkürverbots nach Art 3 Abs 1 GG gestützt werden.

Tenor

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem [X.] Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt [X.] beizuordnen, wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt von dem beklagten Jobcenter höhere Leistungen nach dem [X.] für die Zeit vom 1.1. bis [X.], vor allem eine [X.]rhöhung der Regelleistung gemäß der Mehrwertsteuererhöhung sowie der Leistungen für Unterkunft und Heizung wegen eines erhöhten Stromverbrauchs für das Beheizen seiner Wohnung. Das Sozialgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.11.2008); das [X.] (L[X.]) hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom [X.]).

2

In der gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] gerichteten Beschwerde rügt der Kläger als Verfahrensmängel insbesondere die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe ([X.]), wiederholt "Gehörsverletzungen", einen Verstoß gegen § 127 Sozialgerichtsgesetz ([X.]G) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen [X.]ntscheidung des L[X.] gerichtete Beschwerde des [X.] ist zurückzuweisen, weil sie zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet ist.

4

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 [X.]G genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die [X.]ntscheidung, von der das Urteil des L[X.] abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.]) erfordern diese Vorschriften, dass der [X.] schlüssig dargetan wird (vgl B[X.] SozR 1500 § 160a [X.], 47 und 58; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl, 2008, [X.], [X.] ff mwN). Andernfalls ist die Beschwerde schon als unzulässig zu verwerfen.

5

Von daher genügt es nicht, wenn in der Beschwerdebegründung allgemein ausgeführt wird, es seien "bei lediglich flüchtiger Lektüre des gesamten Vorgangs zahlreiche Verfahrensfehler im Sinne von § 160a V [X.]G erkennbar". Da der Beschluss kurz begründet werden soll, jedoch von einer Begründung abgesehen werden kann, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 [X.]G), beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise:

6

1. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel, dass ihm von beiden Vorinstanzen keine [X.] bewilligt worden sei, obwohl seine Klage ausweislich des Urteils des [X.] ([X.]) vom [X.] (1 BvL 1/09, 1 [X.], 1 [X.] - [X.][X.] 125, 175) begründet gewesen sei. Das L[X.] habe, obwohl er einen aktuellen Bescheid über die von ihm bezogenen Grundsicherungsleistungen vorgelegt habe, die [X.]-Bewilligung abgelehnt, weil er keine vollständig ausgefüllte [X.]rklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt habe.

7

Soweit sich die Rüge auf die Ablehnung einer [X.]-Bewilligung durch das [X.] bezieht, ist sie unzulässig, weil nicht dargelegt wird, wieso dies zu einem Verfahrensmangel des L[X.] geführt haben könnte.

8

Hinsichtlich der Ablehnung einer [X.]-Bewilligung durch das L[X.] ist die Rüge zumindest unbegründet.

9

Die Rüge einer rechtswidrigen Ablehnung von [X.] durch das L[X.] ist ebenso wie andere [X.], die sich gegen eine unanfechtbare Vorentscheidung richten, grundsätzlich ausgeschlossen (§ 202 [X.]G iVm § 557 Abs 2 Zivilprozessordnung ; B[X.] SozR 1500 § 160 [X.]). [X.]twas anderes gilt jedoch dann, wenn der gerügte Verfahrensmangel zu einem Mangel der angefochtenen [X.]ntscheidung selbst führt (vgl zur [X.]: B[X.] SozR 1500 § 160 [X.]; B[X.] SozR 4-1500 § 160a [X.]). Dementsprechend kann als Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G nicht die rechtswidrige Ablehnung von [X.] als solche geltend gemacht werden, sondern nur eine Ablehnung, die eine Verletzung von verfassungsrechtlich fundierten prozessualen Gewährleistungen beinhaltet, weil sie auf Willkür beruht und damit gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von [X.] und Unbemittelten verstößt (vgl zur Rechtsschutzgleichheit nur mwN: [X.][X.] 122, 39, Juris-RdNr 29 ff; ebenso zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren: BVerwG vom 8.3.1999 - 6 [X.]/98, Juris-RdNr 6; BVerwG[X.] 110, 40, Juris-Rd[X.]6 mwN).

Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden [X.]rwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein begründet noch keinen Verstoß gegen das aus Art 3 Abs 1 GG folgende Willkürverbot, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (stRspr, vgl [X.][X.] 4, 1, Juris-RdNr 23; [X.][X.] 96, 189, Juris-RdNr 49).

Daran gemessen verletzt die Ablehnung des [X.]-Antrags des [X.] durch das L[X.] in seinem Beschluss vom 15.11.2010 nicht das Willkürverbot. Der Beschluss wird nur mit der mangelnden Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Kläger begründet, sodass die Ausführungen des [X.] in der Beschwerdebegründung zur Begründetheit seiner Klage dahingestellt bleiben können. Warum das L[X.] die Vorlage des Bescheides über die Gewährung laufender Leistungen nach dem [X.] ([X.]B XII) seitens des [X.] nicht als ausreichend angesehen und gemäß § 2 Abs 3 Prozesskostenhilfevordruckverordnung ([X.]VV) die Vorlage einer ausgefüllten [X.]rklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angeordnet hat, hat es aufgrund von Unklarheiten in den Angaben des [X.] ([X.]innahmen des [X.] vom Bruder, Grundvermögen des [X.]) nachvollziehbar ausgeführt. Aus der Beschwerdebegründung des [X.] und dem Verweis auf die von ihm dem L[X.] vorgelegten Berechnungsbögen des [X.], denen die entsprechenden Angaben entnommen werden könnten, folgt nichts Anderes, weil eine inhaltliche Überprüfung der Anordnung des L[X.] über diesen Willkürmaßstab hinaus dem Senat versagt ist.

2. Auch die Rüge des weiteren [X.], das L[X.] habe gegen § 127 [X.]G verstoßen, ist unbegründet. Der Kläger trägt dazu vor, das L[X.] habe seinem Urteil ua ein Schreiben eines Herrn K vom 3.12.2008 zugrunde gelegt, das erst in dem Termin vom [X.] überreicht worden sei.

Daraus folgt jedoch keine Verletzung des § 127 [X.]G, der lautet: "Ist ein Beteiligter nicht benachrichtigt worden, dass in der mündlichen Verhandlung eine Beweiserhebung stattfindet, und ist er in der mündlichen Verhandlung nicht zugegen oder vertreten, so kann in diesem Termin ein ihm ungünstiges Urteil nicht erlassen werden." Denn ausweislich des Schreibens vom 7.1.2011, mit dem der Kläger vom L[X.] zu dem Termin geladen worden ist ([X.] 107 L[X.]-Akte) und das er nach seinem Schreiben vom 24.1.2011 ([X.] 124 f L[X.]-Akte) auch erhalten hat, wurde "darauf hingewiesen, dass auch im Falle Ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann".

3. Die vom Kläger insofern wie auch in anderen Zusammenhängen in seiner Beschwerdebegründung erhobenen [X.] von Gehörsverletzungen sind unzulässig, zumindest aber unbegründet.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine [X.]ntscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl B[X.] SozR 3-1500 § 153 [X.] mwN; [X.][X.] 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine [X.]rwägungen miteinbezogen wird ([X.][X.] 22, 267, 274; [X.][X.] 96, 205, 216 f).

Weder die eine noch die andere dieser beiden Alternativen ist der Beschwerdebegründung hinsichtlich einer konkreten Verletzung zu entnehmen. Darüber hinaus wird nicht aufgezeigt, dass der Kläger seinerseits von den gegebenen prozessualen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, um rechtliches Gehör zu erlangen, indem er die entsprechenden Anträge stellt (vgl § 202 [X.]G iVm § 295 ZPO; B[X.] SozR 3-1500 § 160 [X.]). Vorliegend also, wenn er an dem Termin zB aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte, hätte er aufzeigen müssen, dass er einen [X.] gestellt hat bzw warum er keinen gestellt hat.

Hinsichtlich der Rüge einer Gehörsverletzung wegen des Übergehens der Anträge des [X.] auf Vernehmung des [X.] mangelt es unabhängig von ihrer Zulässigkeit im Übrigen an deren [X.]ntscheidungserheblichkeit, weil das L[X.] eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme weiterer Kosten für die Heizung verneint hat, selbst wenn tatsächlich ein Defekt im Bereich der Heizung vorgelegen habe. Ist das Urteil des L[X.] auf mehrere von einander unabhängige Begründungen gestützt, muss der geltend gemachte [X.] für alle Begründungen gelten oder für jede Begründung ein [X.] dargelegt werden (B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]; B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]8; [X.]/[X.], aaO, [X.], [X.], 176). Für die weitere Begründung des L[X.] wird jedoch vom Kläger kein [X.] vorgebracht.

4. [X.]benfalls unzulässig ist die vom Kläger erhobene Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den [X.]inzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (B[X.] SozR 1500 § 160a [X.]1, 60).

Der Kläger hat als Fragen formuliert,
"welche Anforderungen an eine [X.]rklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu stellen sind und ob über einen Grundsicherungsbescheid nebst detaillierten Berechnungsbogen hinaus wie im vorliegenden Fall, das Ausfüllen der Punkte [X.] des [X.]-Vordrucks gefordert werden kann".

Der Kläger hat jedoch nicht aufgezeigt, inwieweit diese Fragen klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich im vorliegenden Rechtsstreit sind (vgl [X.]/[X.], aaO, [X.], [X.] ff). Insbesondere ist die Klärungsbedürftigkeit zu verneinen, wenn die Antwort aus dem Gesetz zu ersehen ist (B[X.] SozR 1300 § 13 [X.]) oder praktisch außer Zweifel steht (B[X.] SozR 1500 § 160a Nr 4).

Danach wäre vor allem die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Fragen aufzuzeigen gewesen. Denn § 2 Abs 2 und 3 [X.]VV lauten: "(2) [X.], die nach dem [X.] laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, muss die Abschnitte [X.] bis J des Vordrucks zunächst nicht ausfüllen, wenn sie der [X.]rklärung den letzten Bewilligungsbescheid des [X.] beifügt. (3) [X.] kann sich auf die Formerleichterung nach den Absätzen 1 und 2 nicht berufen, wenn das Gericht die Benutzung des in der Anlage bestimmten Vordrucks anordnet." Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann trotz Vorlage eines Bescheides nach dem [X.]B XII über laufende Leistungen zum Lebensunterhalt die Vorlage des Vordrucks verlangt werden und, welche Anforderungen an die [X.]rklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu stellen sind, ergibt sich aus dem Vordruck. Wieso darüber hinausgehende Zweifel und Unklarheiten bestehen, wird in der Beschwerdebegründung, die im Übrigen auf diesen [X.] nicht eingeht, nicht aufgezeigt.

[X.] gemäß § 73a [X.]G iVm § 114 ZPO ist dem Kläger nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf [X.]rfolg bietet. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a [X.]G iVm § 121 ZPO) ist abzulehnen, weil der Kläger keinen Anspruch auf [X.] hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 47/11 B

23.08.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Mainz, 27. November 2008, Az: S 10 AS 108/07

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a SGG, § 73a SGG, § 202 SGG, § 557 Abs 2 ZPO, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2011, Az. B 14 AS 47/11 B (REWIS RS 2011, 3809)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3809

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