Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2011, Az. V ZB 309/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6773

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 309/10
vom

12. Mai 2011

in der Abschiebungshaftsache

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-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 12. Mai 2011 durch den
Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
Krüger, die [X.] [X.] und
Prof. Dr.
Schmidt-Räntsch und die [X.]innen Dr. [X.] und Weinland
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr.
A.
beigeordnet.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 15.
November 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiti-gen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurück-verwiesen.

Der Wert des Rechtsbesc

Gründe:
I.
Der Betroffene, nach eigenen Angaben [X.] Staatsangehöriger, reiste am 21.
Dezember 2004 ohne Pass und ohne Aufenthaltstitel nach [X.] ein. Er wurde im Jahre 2006 bestandskräftig zur Ausreise aufge-fordert. In der Folgezeit war die Abschiebung des Betroffenen mehrmals, zuletzt 1
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bis zum 6.
März 2010, vorübergehend ausgesetzt. Am 26.
August 2010 wurde er zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft genommen. Auf Antrag des
Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht nach Einholung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 27.
August 2010 die Haft zur Siche-rung der Abschiebung des Betroffenen für die Dauer von drei Monaten an, be-ginnend mit seiner Entlassung aus der Ersatzfreiheitsstrafe. Am 30.
August 2010 wurde er aus der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe entlassen und die [X.] vollstreckt. Die gegen die [X.]anordnung gerichtete Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 15. November 2010 zu-rückgewiesen. Während des Beschwerdeverfahrens hat der Betroffene am 1.
Oktober 2010 einen Asylantrag gestellt, der durch Bescheid des Bundesam-tes für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend [X.]) vom 28.
Oktober 2010 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Gegen den Bescheid hat der Betroffene am 3.
November 2010 bei dem Verwaltungsgericht Klage eingereicht und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ge-stellt.
Am 22.
November 2010 wurde der Betroffene aus der [X.] entlassen und eine Freiheitsstrafe vollstreckt.
Mit der Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung der Betroffene die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt, will er die Feststellung errei-chen, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des [X.] ihn in seinen Rechten verletzt haben.

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4
-

II.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung auf die in §
62 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 und Nr.
5 [X.] genannten Haftgründe gestützt. Dem stünden weder die dem Betroffenen bis zum 6. März 2010 bewilligte Duldung noch sein Asylantrag entgegen. Es stehe auch nicht fest, dass eine Abschiebung des Be-troffenen innerhalb von drei Monaten nicht möglich sei. Etwaige Verzögerungen bei der Dauer des [X.] habe der Betroffene zu vertreten, da er seinen Mitwirkungspflichten bei der Identitätsfeststellung nicht nachge-kommen sei.

III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist auch nach Erledigung der Hauptsache, die hier durch Vollzug der dreimonatigen [X.] nach Beendigung des Be-schwerdeverfahrens eingetreten ist, statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 17.
Juni 2010 -
V
ZB
13/10, Rn.
7, juris) und auch im Übrigen zulässig (§
71 FamFG).
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
Die Beschwerdeentscheidung und die amtsgerichtliche Haftanordnung, die aufgrund des gestellten Feststellungsan-trages ebenfalls Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist (vgl. Senat, Beschluss vom 4.
März 2010 -
V
ZB
184/09, [X.] 2010, 152, 154 Rn. 14), halten einer rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Beschwerde-entscheidung aber nicht deshalb zu beanstanden, weil es an der Darstellung eines Sachverhalts fehlt (vgl. Senat, Beschluss vom 11.
November 2010
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V
ZB
113/10, Rn.
3,
juris; Beschluss vom 18.
August 2010 -
V
ZB
119/10, 4
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5
-

Rn.
7, juris). Der Beschwerdeentscheidung lassen sich die Umstände tatsächli-cher Art mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen. Sie gibt sowohl die erstin-stanzlichen Feststellungen als auch die Feststellungen des [X.] wieder.
b) Die Staatsanwaltschaft hat auch das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] erforderliche Einvernehmen zu der Abschiebung erteilt. Ob daneben eine weitere selbständige Zustimmung der Staatsanwaltschaft aufgrund der von ihr gegen den Betroffenen am 22.
November 2010 veranlassten Vollstreckung ei-ner weiteren Freiheitsstrafe erforderlich gewesen ist, kann dahinstehen, da es sich dabei um einen Umstand handelt, der erst nach der Beendigung des Be-schwerdeverfahrens eingetreten und daher ohne Auswirkungen auf die Recht-mäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen ist.
c) Ebenfalls ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde, die persön-liche Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht sei verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden.
aa) Der Zweck der persönlichen Anhörung nach §
420 Abs. 1 Satz 1 FamFG besteht darin, dem Betroffenen den Sachverhalt und die sich daraus ergebende Rechtsfolge bekannt zu geben und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen und seine Sichtweise bestimmter Vorgänge [X.]. Der [X.] soll sich einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen verschaffen, um seine Kontrollfunktion im Hinblick auf das Vorliegen der gesetz-lichen Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung wahrnehmen zu können (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 -
V
ZB 184/09, [X.] 2010, 152, 154, Rn. 15; vgl. auch [X.],
NJW
1990,
2309, 2310).
bb) Ist ein Betroffener der [X.] nicht mächtig, muss für die Gewährleistung eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens ein Dolmetscher zu-8
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gezogen werden (vgl. §
185 Abs. 1 Satz 1 [X.]; [X.], NJW 1983, 2762, 2763; Senat, Beschluss vom 4.
März 2010 -
V
ZB
184/09, [X.] 2010, 152, 154 Rn. 15). Dies ist nicht erst bei gänzlich unzureichenden Deutschkenntnis-sen geboten, sondern schon dann, wenn ein Beteiligter die [X.] nicht soweit beherrscht, dass er dem Verfahren folgen und seine zur [X.] Rechtsverfolgung erforderlichen Erklärungen abgeben und Anga-ben in [X.] machen kann; sie ist auch notwendig, wenn ein [X.] zwar ausreichend versteht, sich in dieser Sprache aber nur unzureichend auszudrücken vermag ([X.], NJW 1983, 2762, 2763). Die Entscheidung, ob ein Beteiligter der [X.] mächtig ist, hat das Tatgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dieses Ermessen kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur dahin überprüft werden, ob seine rechtlichen Grenzen eingehalten sind (vgl. [X.], Urteil vom 11. November 1952, NJW
1953, 114, 115; [X.], NJW 2006, 3796, 3798; OLG Frankfurt
a.M., NJW 1952, 1310;
MünchKomm-ZPO[X.], 3. Auflage, § 185 [X.] Rn.
9, 10; [X.]/Lückemann, ZPO, 28. Auflage, § 185 [X.], Rn. 3).
cc) Es ist nicht ersichtlich, dass das Amtsgericht den Rechtsbegriff der [X.] verkannt oder sonst sein tatrichterliches Ermessen überschrit-ten hätte. Wie das Anhörungsprotokoll des Amtsgerichts zeigt, hat der Betroffe-ne in [X.] Ausführungen zu den Gründen gemacht, die ihn aus seiner Sicht an einer Rückkehr nach [X.] hinderten. Das Amtsgericht hat hieraus rechtsfehlerfrei die Schlussfolgerung gezogen, dass sich der seit Ende 2004 in [X.] lebende Betroffene hinreichend der [X.] mächtig zeigte, um der Anhörung zu folgen und seine Interessen zu formulieren (vgl. Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts vom 6. Oktober 2010). Die [X.] der Rechtsbeschwerde, das Protokoll der Anhörung durch das Beschwer-degericht belege, dass die Hinzuziehung eines Dolmetschers erforderlich ge-wesen sei, um eine Reihe von Missverständnissen aufzuklären, auf denen die 12
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Entscheidung des Amtsgerichts aufbaue, trifft nicht zu. Weder dem Anhörungs-protokoll des [X.] noch der Beschwerdeentscheidung ist zu entnehmen, dass sprachlich bedingte Missverständnisse mit Hilfe des von dem
Beschwerdegericht zugezogenen Dolmetschers aufgeklärt werden mussten. Soweit die Rechtsbeschwerde auf die Fragestellung des [X.]
zum Geburtsort des Betroffenen hinweist, ging es nicht um die Aufklärung eines anlässlich der Anhörung vor dem Amtsgericht entstandenen [X.]. Vielmehr bezogen sich die Fragen auf die in dem
Bescheid des Bundes-amtes vom 28.
Oktober 2010 aufgeführten unterschiedlichen Geburtsorte des Betroffenen; dieser Bescheid war nicht Gegenstand der Anhörung vor dem Amtsgericht, da er in diesem Zeitpunkt noch nicht existierte.
d) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, haben die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen des Haftgrundes der unerlaubten Einreise gemäß §
62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] bejaht. An der erforderlichen Ursächlichkeit der unerlaubten Einreise für die vollziehbare Ausreisepflicht (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens, BT-Drucks. 12/2062, [X.]; [X.], Beschluss vom 28.
Oktober 2010 -
V
ZB
210/10, [X.] 2011, 71, 73 Rn.
19) fehlt es nicht. Zwar lässt eine zwischenzeitliche [X.] die Ursächlichkeit entfallen (Senat, Beschluss vom 28.
Oktober 2010
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V
ZB
210/10, [X.] 2011, 71, 73 Rn. 19). Aus der dem Betroffenen bewil-ligten Duldung (§
60a [X.]) folgt jedoch kein Recht zum Aufenthalt; eine solche Duldung lässt die Pflicht zur Ausreise unberührt. Sie stellt lediglich einen befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht dar (Senat, Beschluss vom 22.
Juli 2010 -
V
ZB
29/10 [X.] 2011, 27, 28 Rn. 13 mwN). Auch der von dem Betroffenen während der Siche-rungshaft gestellte Asylantrag unterbricht die Ursächlichkeit der unerlaubten Einreise nicht, da er innerhalb von vier Wochen von dem [X.] als [X.]
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sichtlich unbegründet abgelehnt wurde
(vgl. Senat, Beschluss vom 28.
Oktober 2010 -
V
ZB
210/10, [X.] 2011, 71, 73 Rn. 20).
e) Das Beschwerdegericht hat mit zutreffender Begründung auch den Haftgrund nach §
62
Abs.
2
Satz
1
Nr.
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[X.]
bejaht. Die Rechtsbe-schwerde erhebt insoweit keine Einwendungen.
f) Die Rechtsbeschwerde rügt aber zu Recht, dass das Amtsgericht und das Beschwerdegericht die Vorschrift des §
62 Abs. 2 Satz 4 [X.] fehler-haft angewendet haben. Danach darf die Haft nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu ver-treten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Der Haftrichter hat dazu eine Prognose anzustellen und diese auf alle im kon-kreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden
Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 20.
Januar 2011 -
V
ZB
226/10, Rn.
18, juris mwN).
Maßgeblicher Zeit-punkt für die Prognose, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate möglich erscheint, ist der Erlass der Haftanordnung, nicht der mutmaßliche Be-ginn des Vollzugs der Abschiebungshaft (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 -
V
ZB 261/10, Rn. 11, juris). Dies gilt auch im Fall der Anordnung von [X.] als Überhaft im [X.] an eine Strafhaft ([X.], Beschluss vom 24.
Mai 2005 -
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Wx 052/05, Rn.
9, juris; [X.], [X.] 2002, 364).
Die Prognose ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur eingeschränkt überprüfbar (Senat, Beschluss vom 20.
Januar 2011
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V
ZB
226/10, Rn. 18, juris), in diesem Rahmen aber zu beanstanden.
aa) Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass das Rückübernahme-verfahren erfahrungsgemäß eine entsprechende Dauer in Anspruch nehme. Diese -
in keiner Weise näher konkretisierte
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formelhafte Wendung ist nicht geeignet, konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, 14
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in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010
-
V
ZB 203/09, Rn.
9, juris), zu ersetzen.
bb) Auch das Beschwerdegericht hat den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des §
62 Abs. 2 Satz 4 [X.] verkannt.
(1) Im Ergebnis ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde allerdings gel-tend, dass das Beschwerdegericht den von dem Betroffenen bei
dem Verwal-tungsgericht gestellten Eilantrag in seine Prognose nicht mit einbezogen hat.
Ist über die Fortdauer der Abschiebungshaft eines Ausländers zu [X.], der zur Verhinderung der Abschiebung einstweiligen Rechtsschutz bei
dem Verwaltungsgericht beantragt hat, setzt eine verfassungsrechtlich un-bedenkliche Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] voraus, dass der Haftrichter den Stand und voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtli-chen Verfahrens aufklärt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt ([X.], NJW 2009, 2659, 2660 Rn. 26; Senat, Beschluss vom 3.
Februar 2011 -
V
ZB
12/10, Rn.
8, juris; Beschluss vom 25.
Februar 2010 -
V
ZB
172/09, NVwZ 2010, 726, 728 Rn. 24). Wird solchen Eilanträgen regelmäßig entspro-chen, darf er,
wenn die Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen (Senat, Beschluss vom 6.
Mai 2010 -
V
ZB
213/09, NVwZ 2010, 1510, 1511 Rn. 14).
Dieser Aufklärungspflicht ist das Beschwerdegericht nicht gerecht ge-worden. Allerdings rechtfertigt nicht schon dieser Verfahrensmangel die Fest-stellung der Rechtswidrigkeit. Unzureichende Ermittlungen im Zusammenhang mit der nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] zu treffenden Prognose entziehen der Haftanordnung nicht von vorneherein jede Grundlage und drücken der voll-zogenen Haft nicht ohne weiteres den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsent-17
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ziehung auf (Senat, Beschluss vom 8.
Juli 2010 -
V
ZB
203/09, Rn.
11, juris). Vielmehr bedarf es der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers (§
72 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Daran fehlt es hier. Anders als in den von dem Senat entschiedenen Fällen, in denen Betroffene mit Eilanträgen bei den Verwal-tungsgerichten ihre Zurückschiebung nach [X.] verhindern wollten und diesen Anträgen durch die Verwaltungsgerichte regelmäßig stattgegeben wurde (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 3.
Februar 2011 -
V
ZB
12/10, Rn.
9, juris mwN), legt die Rechtsbeschwerde eine solche Praxis der Verwaltungsgerichte bei Eilanträgen, die sich gegen die Abschiebung in die [X.] richten, nicht dar. Hierfür ist auch nach dem zu berücksichtigenden späteren tatsächlichen Geschehensablauf, aus dem auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Januar 2011 -
V
ZB
226/10, Rn. 19, juris; Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V [X.], [X.] 2011, 27, 29
Rn. 24), nichts ersicht-lich.
(2) Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde jedoch, die Entscheidung des [X.] enthalte keine Feststellungen zu
der Frage, ob die Ab-schiebung des Betroffenen -
ausgehend von der Haftanordnung
-
noch [X.] des in seinem Entscheidungszeitpunkt verbleibenden Zeitraums von zwölf Tagen möglich war.
Hieran musste das
Beschwerdegericht Zweifel haben, nachdem zur Beschaffung der erforderlichen [X.] unter [X.] noch die Vorführung des Betroffenen bei der Botschaft oder dem Konsulat [X.] zur Klärung seiner Identität erforderlich werden konnte.
g) [X.] ist die Entscheidung ferner, weil das Amtsgericht und das Beschwerdegericht nicht geprüft haben, ob die [X.] unver-hältnismäßig war, weil das [X.] möglicherweise nicht mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden ist. Das aus Art. 2 Abs. 2 GG ab-21
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zuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen ist verletzt, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um [X.] zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebungshaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, Beschluss vom 28.
Oktober 2010 -
V
ZB 210/10, [X.] 2011, 71, 74 Rn 25; Beschluss vom 18. August 2010 -
V
ZB 119/10, Rn.
18, juris) oder ganz entbehrlich wird ([X.], Beschluss vom 22.
April 1996 -
3
Wx
151/96, juris Rn. 28; [X.], Beschluss vom 3. Juli 2006 -
3 [X.]/06, juris Rn.
9).
aa) Da die dem Betroffenen erteilte Duldung bereits am 6.
März 2010 abgelaufen war, hätte Anlass zu der Prüfung bestanden, welche Maßnahmen der
Beteiligte zu 2 seitdem in die Wege geleitet hatte, um die Identität des Be-troffenen zu klären und die fehlenden [X.] zu beschaffen und so eine Abschiebung des Betroffenen vorzubereiten. Dazu fehlen Feststellungen sowohl des Amtsgerichts als auch des [X.]. Hat die [X.] ihr mögliche Anstrengungen unterlassen, ist die Haftanordnung bzw. die Fortsetzung der Haft unzulässig, wenn oder sobald der Zeitraum abgelaufen ist, der bei ordnungsgemäßer Behandlung für die Vorbereitung und [X.] der Abschiebung notwendig gewesen wäre ([X.], Beschluss vom 22.
April 1996 -
3
Wx
151/96, juris Rn. 28).
bb) Ob der
Beteiligte zu 2 dem Beschleunigungsgebot gerecht geworden ist, musste dem Beschwerdegericht auch deshalb zweifelhaft erscheinen, weil der Betroffene, der sich seit dem 26. August 2010 in Haft befand, erst 20 Tage später, nämlich am 16.
September 2010, bei dem [X.] Generalkonsulat zum Zweck der Identitätsfeststellung vorgeführt worden ist. Weshalb eine [X.] Vorführung unterblieben ist, hätte weiterer Aufklärung (§
26 FamFG) bedurft. Verzögerungen wären der Ausländerbehörde in diesem Zusammenhang dann nicht zuzurechnen, wenn diese auf die Bearbeitung des Verfahrens durch die 23
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12
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ausländischen Behörden zurückzuführen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 25.
Februar 2010 -
V
ZA
2/10, Rn.
16, juris).

IV.
Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, §
74 Abs. 6 Satz 2 FamFG. Das Beschwerdegericht hat die für die Prognose nach §
62 Abs. 2 Satz 4
[X.]
sowie für die Beachtung des Beschleunigungsgebotes fehlenden Feststellungen zu treffen und danach über den Feststellungsantrag des Be-troffenen zu entscheiden. Dem Betroffenen bislang nicht bekannte Ergebnisse der ergänzenden Sachaufklärung nach §
26 FamFG
dürfen dabei allerdings zu seinem Nachteil nur verwertet werden, wenn ihm rechtliches Gehör gewährt wird. Sollte das nicht möglich sein, bliebe die Frage unaufklärbar. Das ginge zu Lasten des Beteiligten zu
2. Für den Fall, dass das Beschwerdegericht zu einer Zurückweisung des Fortsetzungsfeststellungsantrages gelangen sollte, weist der Senat im Hinblick auf die Kostenentscheidung darauf hin, dass in Abschie-

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bungshaftsachen von der Erhebung von [X.] abzusehen ist ([X.], Beschluss vom 4.
März 2010 -
V
ZB
222/09, [X.]Z 183, 323, 333 Rn. 21).
Krüger
[X.]
Schmidt-Räntsch

[X.]
Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.08.2010 -
15 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 15.11.2010 -
5 [X.] -

Meta

V ZB 309/10

12.05.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2011, Az. V ZB 309/10 (REWIS RS 2011, 6773)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6773

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 309/10

V ZB 29/10

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