Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2007, Az. 4 StR 397/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2007, 709

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[X.] vom 22. November 2007 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. November 2007 gemäß §§ 154 Abs. 2, 154a Abs. 2, 349 Abs. 2 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Verfahren im Hinblick auf die Ziffern 2, 6, 9, 11, 13 bis 17, 19, 23, 25, 27 und 32 bis 35 der Anklage vom 21. Februar 2006 ein-gestellt. Insoweit trägt die St[X.]tskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 2. Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Februar 2007 als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten sei-nes Rechtsmittels zu tragen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen [X.] (richtig: in 20 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, vgl. [X.], 532, 533, 534) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das [X.] hat nur den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1 - 3 - 1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatten der Ange-klagte, [X.]und [X.]

vereinbart, über die Firma [X.], deren faktischer Geschäftsführer der Angeklagte war, im Einzelnen noch nicht konkretisierte Betrugstaten zu begehen, indem für die Firma Waren bestellt und nicht bezahlt werden sollten. Diese sollten dann weiterverkauft und die dadurch erzielten Geldbeträge als "Gewinn" geteilt werden. In Ausführung des gemeinsamen Vorhabens wurde dann eine Vielzahl von Warenbestellun-gen vorgenommen, wobei der Angeklagte - wie vereinbart - "im Hintergrund" blieb ([X.]). Der Verbleib der gelieferten und nicht bezahlten Waren ist bis auf wenige Ausnahmen nicht bekannt. 2 Das [X.] hat 20 Einzelfälle von Warenbestellungen festgestellt, wobei ein Gesamtschaden von mehr als 817.000 Euro entstand. Angeklagt war die mittäterschaftliche Begehung von 37 Betrugstaten. Diese rechtliche Bewer-tung lag auch dem Eröffnungsbeschluss zu Grunde. 3 [X.] hat an - nach der Anklage - geschädigte Firmen [X.] versandt, in denen um die Beantwortung der verfahrensrelevanten Fragen (u.a. über die Bestellungen, Lieferungen und eingetretenen Schäden) gebeten wurde. In den Anschreiben wurde mitgeteilt, dass das jeweilige Antwortschrei-ben ggf. in der Hauptverhandlung verlesen werden sollte, um den Firmen [X.] zu ersparen ([X.]. 628 [X.]). Nicht alle angeschriebe-nen Firmen haben auf die Anfrage geantwortet. 4 [X.] vom 25. Juli 2006 wurde der rechtliche Hinweis erteilt, dass die angeklagten Taten "auch unter dem Gesichtspunkt ei-nes Organisationsdeliktes, nämlich als ein Fall des Betruges in der Form des gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Betruges gesehen werden (könne)" 5 - 4 - (Prot. [X.]). Im Urteil ist ausgeführt, dass eine Freisprechung in Bezug auf einzelne nicht festgestellte Fälle im Sinne der Anklage, nämlich die Fälle, in [X.] die [X.] keine Rückantworten der geschädigten Firmen erhalten habe, vor dem Hintergrund des angenommenen Organisationsdelikts, d.h. ei-nes Betruges im Rechtssinne, nicht in Betracht komme ([X.]). Diese Würdigung begegnet rechtlichen Bedenken, weil im Hinblick auf die angeklagten, aber nicht festgestellten Fälle Anklage und Eröffnungsbe-schluss nicht erschöpft sind (vgl. [X.]St 44, 196, 202; [X.], Beschluss vom 20. Juni 2007 [X.] 2 StR 181/07; [X.] StPO 50. Aufl. § 260 Rdn. 13). Der Senat stellt daher auf Antrag des [X.] das Verfahren im [X.] auf diese Taten (= Ziffern 2, 6, 9, 11, 13 bis 17, 19, 23, 25, 27 und 32 bis 35 der Anklage vom 21. Februar 2006) gemäß den §§ 154 Abs. 2, 154a Abs.2 StPO ein. 6 2. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten - wie der Generalbun-desanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat - unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 7 Zu den Verfahrensrügen (Verstöße gegen die §§ 251 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, 251 Abs. 4 Sätze 1 und 2, 261 StPO) bemerkt der Senat: 8 Die Revision beanstandet, dass die [X.] zu den festgestellten Vermögensschäden nur im Hinblick auf elf Firmen u.a. durch Verlesung der Antwortschreiben der geschädigten Firmen [X.] erhoben habe, wobei in allen diesen Fällen der nach § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO erforderliche Gerichtsbeschluss nicht ergangen sei, sondern die Verlesungen "(teilweise) auf sachleitende Anordnung des Vorsitzenden, teilweise sogar ohne eine solche 9 - 5 - Anordnung" erfolgt seien. Von den Verfahrensbeteiligten sei [X.] mit Ausnahme der Fälle [X.] und Fa. W. AG [X.] nur der Verlesung der Antwortschreiben (z.T. nebst Anlagen) zugestimmt worden, nicht aber der Ver-lesung anderer Urkunden. Dem Angeklagten sei der Grund der Verlesungen nicht klar gewesen. Im Hinblick auf die übrigen (neun) Fälle sei über die [X.] überhaupt kein Beweis erhoben worden. a) Die Verfahrensrügen im Hinblick auf die beanstandeten Verlesungen (Verletzung des § 251 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO) sind schon unzulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision fol-gende Verfahrenstatsachen nicht vorgetragen hat: 10 [X.]) [X.]e sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt, erklärten sich die [X.] und ihre Verteidiger im [X.] vom 18. September 2006 grundsätzlich mit einem Anschreiben an die Geschäftspartner der Firma [X.](gemeint sind ersichtlich: die nach der Anklage Geschädigten) "entspre-chend dem vom Gericht erstellten Entwurf vom 18.09.2006 mit den Erweiterun-gen, wie sie besprochen worden sind, und der anschließenden Verlesung der schriftlichen Auskünfte grundsätzlich und insoweit gemäß den getroffenen [X.] einverstanden" (Prot. [X.]). 11 Die Revision hat weder diesen [X.] noch den [X.] vom 18.09.2006 mit den Erweiterungen, wie sie besprochen worden sindfi, noch den Inhalt der figetroffenen [X.] mitgeteilt. 12 - 6 - [X.]) In den von der Revision genannten Fällen, in denen [X.] erhoben wurde, erfolgte die Verlesung - was die Revision ebenfalls nicht vorge-tragen hat - "gem. § 251 Abs. 1 [X.] StPO auf gerichtliche Anordnung" (Prot. [X.]), was nahe legt - und ggf. im Wege des [X.] zu klären ge-wesen wäre -, dass ein Gerichtsbeschluss vorlag. 13 cc) Außer in den vom Beschwerdeführer genannten Fällen sind weitere Antwortschreiben auf die gerichtliche Anfrage - u.a. der Firmen [X.].

GmbH und [X.], bei denen die Revi-sion behauptet, dass über die Schäden überhaupt kein Beweis erhoben worden sei - im [X.] vom 18. Januar 2007 "im Einverständnis aller Beteiligten ... gemäß § 251 Abs. 1 Ziffer 1 StPO" verlesen worden (Prot. [X.]). 14 b) Die Verfahrensrügen sind aber auch - insgesamt - unbegründet. 15 [X.]) Die Feststellungen zu der betrügerischen Absprache und fider prakti-schen Umsetzung dieses Vorhabensfi beruhen nach den Urteilsgründen im [X.] auf den Angaben des ehemaligen Mitangeklagten [X.]([X.], 23). Maßgebliche Beweismittel für die festgestellten Vermögensschäden waren, soweit [X.] erhoben wurde, die Antwortschreiben der geschädigten Firmen auf die gerichtliche Anfrage ([X.]). Aus ihnen ergeben sich die getrof-fenen Feststellungen zu den Schäden, soweit sie für den Schuldspruch und den Strafausspruch von Bedeutung sind. [X.]e die Revision selbst vorträgt, haben die Verfahrensbeteiligten der Verlesung dieser Schreiben zugestimmt. Ein Verstoß gegen § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO liegt somit nicht vor. Die Schreiben durften auch - soweit es um die Höhe der Vermögensschäden ging - nach § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO verlesen werden. 16 - 7 - Selbst wenn die Verlesungen deswegen rechtsfehlerhaft gewesen sein sollten, weil sie nicht durch Gerichtsbeschluss angeordnet wurden (§ 251 Abs. 4 Satz 1 StPO), beruhte das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO); denn es kann ausgeschlossen werden, dass sich den Verfahrensbetei-ligten der Grund der Verlesungen nicht erschlossen hat bzw. das Gericht die Verlesungsvoraussetzungen (§ 251 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 StPO) möglicherweise verneint hätte (vgl. [X.] NStZ-RR 2007, 52, 53). 17 [X.]) Ein Verstoß gegen § 261 StPO ist ebenfalls nicht erwiesen. 18 Im Urteil ist ausgeführt, dass die Feststellungen zu den einzelnen [X.] und Lieferungen auf den glaubhaften Angaben des ehemaligen Mitangeklagten [X.], soweit dieser Angaben hierzu machen konnte, und den im Einverständnis mit allen Beteiligten gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO [richtig wohl: § 251 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 StPO] verlesenen "entsprechenden [X.]" geschädigter Firmen beruhen ([X.]). Für elf der geschädigten Fir-men trägt die Revision selbst vor, dass die Antwortschreiben der Firmen auf die Anfragen des [X.]s verlesen wurden. Im Hinblick auf zwei weitere Fir-men ([X.]GmbH und [X.]. GmbH) wurden die Antwortschreiben ebenfalls verlesen. Aus den [X.] ergibt sich, dass der geständige ehemalige Mitangeklagte [X.]in sechs weiteren Fällen an den Taten selbst beteiligt war, die dazu getroffenen [X.] auf seinen Angaben beruhen können. In dem dann noch verblei-benden letzten Fall (Parkettkontor) können die den Schuld- und Strafausspruch tragenden Feststellungen zum Schaden (ungefähre Zeitpunkte der Bestellung und Lieferung, ungefähre Höhe des Schadens, Nichtzahlung) ebenfalls auf den Angaben des ehemaligen Mitangeklagten [X.] beruhen. Zusätzlich können dazu auch die geständige ehemalige Mitangeklagte [X.]oder auch der 19 - 8 - in der Hauptverhandlung vernommene (Prot. [X.]) polizeiliche [X.]gehört worden sein. Der geltend gemachte [X.] ist somit nicht bewiesen (vgl. [X.]St 16, 164, 167; 21, 4, 10). Eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist - wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - dem Revisionsgericht insoweit verwehrt (vgl. [X.]St 17, 351, 352 f.; 31, 139, 140). [X.] [X.] [X.]

Meta

4 StR 397/07

22.11.2007

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2007, Az. 4 StR 397/07 (REWIS RS 2007, 709)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 709

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