Bundessozialgericht, Urteil vom 12.11.2015, Az. B 14 AS 34/14 R

14. Senat | REWIS RS 2015, 2435

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte - Leistungen zur Teilhabe im Arbeitsleben gem § 33 SGB 9 oder sonstige Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes - Ein-Euro-Job gem § 16d SGB 2)


Leitsatz

Zu den Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs für behinderte Leistungsberechtigte bei Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach dem SGB II.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. November 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21 Abs 4 [X.].

2

Bei dem am 11.3.1953 geborenen [X.]läger wurde mit Bescheid des [X.] vom 15.7.2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt. Das beklagte Jobcenter bewilligte dem [X.]läger mit Bescheid vom [X.] ([X.]) für die [X.] vom 1.3. bis 31.8.2011 in Höhe von 735,12 Euro monatlich (Regelbedarf 359 Euro, [X.]osten für Unterkunft und Heizung <[X.]dUH> 376,12 Euro). Gegen diesen Bescheid legte der [X.]läger Widerspruch ein mit der Begründung, in der [X.] vom [X.] bis 7.3.2011 habe er an einer Maßnahme, nämlich einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, teilgenommen. Daraus entstehe ein Mehrbedarf nach den §§ 33 und [X.] ([X.]) iVm § 21 Abs 4 [X.]. Nachdem dem [X.]läger für die [X.] vom 1.3. bis 31.8.2011 [X.] unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs in Höhe von 364 Euro pro Monat bewilligt worden war (Bescheid vom 26.3.2011), wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom [X.] zurückgewiesen, weil die vom [X.] bis 7.3.2011 ausgeübte Arbeitsgelegenheit in keinem Zusammenhang mit den nach § 21 Abs 4 [X.] zu gewährenden Leistungen stehe.

3

In dem anschließenden [X.]lageverfahren hat der [X.]läger Zeugnisse vorgelegt, wonach er vom [X.] bis zum 7.3.2011 im Rahmen der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten in der und vom 7.2. bis zum 4.3.2011 als Praktikant beim [X.] eingesetzt gewesen sei. Das Sozialgericht ([X.]) für das [X.] hat mit Urteil vom [X.] den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom [X.] und der hierzu ergangenen Änderungsbescheide und des Widerspruchsbescheids vom [X.] verurteilt, dem [X.]läger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 [X.] für den [X.]raum vom 1.3. bis zum 7.3.2011 zu gewähren; im Übrigen hat das [X.] die [X.]lage als unzulässig abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Beklagte hat die Berufung gegen das Urteil des [X.] eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Umstand, dass eine Maßnahme gerade wegen einer Behinderung durchgeführt werde, sei das einzig verlässliche [X.]riterium, um zu bestimmen, ob überhaupt ein Mehrbedarf erforderlich sei. Das [X.] (L[X.]) für das [X.] hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des [X.] vom [X.] geändert und die [X.]lage "zur Gänze" abgewiesen. Die vom [X.]läger absolvierte Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung stelle weder eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] im Sinne der ersten Alternative des § 21 Abs 4 Satz 1 [X.] dar, noch eine Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ([X.]B XII) im Sinne der dritten Alternative des § 21 Abs 4 Satz 1 [X.]. Aus der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs 4 [X.] ergebe sich, dass die hier in [X.]rage stehende Maßnahme auch nicht als sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes am Arbeitsleben zu qualifizieren sei. Davon seien nach dem Gesetzeswortlaut nur Leistungen umfasst, die mit den in § 21 Abs 4 Satz 1 [X.] ebenfalls genannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] nach Ziel, Zweck und Art der Hilfeleistung vergleichbar seien. Die Zuweisung zu einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d [X.] stelle ein allgemeines Instrument zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit dar, welches nicht in besonderem Maße auf die [X.]örderung von behinderten Menschen abziele.

5

Mit seiner Revision rügt der [X.]läger die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 21 Abs 4 Satz 1 [X.]. Zwar liege in der absolvierten Arbeitsgelegenheit in der [X.] keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] iS von § 21 Abs 4 Satz 1 Alt 1 [X.]. Zu Unrecht sei das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, dass der Gesetzeswortlaut "sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" nur Leistungen umfasse, die mit denen in § 21 Abs 4 Satz 1 [X.] ebenfalls genannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 [X.] vergleichbar seien. Die zweite Alternative des Gesetzes sei als Öffnungsklausel zu verstehen, die ein Anknüpfen an andere Maßnahmen zur Eingliederung ermögliche, wenn sie einen engen Bezug zum Arbeitsleben hätten. Eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d [X.] sei dann mehrbedarfsauslösend, wenn derjenige, der sie in Anspruch nehme, erwerbsfähiger behinderter Leistungsberechtigter sei und eine solche Maßnahme durchgeführt werde. Dafür spreche auch die Anknüpfung des § 21 Abs 4 [X.] an die Vorgängernorm des § 40 Bundessozialhilfegesetz ([X.]). Dass es zu Überlappungen zwischen den Maßnahmen der jeweiligen Alternativen kommen könne, sei hinzunehmen.

6

Der [X.]läger beantragt,
das Urteil des [X.]s für das [X.] vom 22. November 2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das [X.] vom 9. Mai 2012 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beklagte hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision des [X.] ist das Urteil des [X.] aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Es konnte nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 [X.] zustehen.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom [X.] betreffend den Leistungszeitraum vom 1.3. bis zum 31.8.2011, durch den der ursprüngliche Bescheid vom [X.] für denselben [X.]raum wegen der Erhöhung des Regelbedarfs ab dem 1.1.2011 komplett ersetzt worden ist (§ 39 Abs 2 [X.] ), in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.5.2011.

In der Sache ist die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 [X.] im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts strittig. Der Streit um einen Anspruch auf eine Leistung nach § 21 [X.] stellt keinen eigenständigen und von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abtrennbaren Streitgegenstand dar ([X.], siehe nur [X.] B 4 AS 3/10 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]). Dem Antrag des [X.] kann ebenfalls mit hinreichender Deutlichkeit eine Beschränkung des Streitgegenstands insoweit entnommen werden, als die [X.] nicht im Streit stehen, was auch nach der Neufassung des [X.] zum 1.1.2011 möglich ist (BSG Urteil vom [X.] - B 14 [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.] 10). Sein Begehren verfolgt der Kläger in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und Abs 4 SGG).

2. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ergibt sich, dass der Kläger die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch gemäß §§ 7, 9 [X.] hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit, des Wohnsitzes und der Hilfebedürftigkeit im maßgeblichen [X.]raum erfüllt. Mit den Weiterbewilligungsanträgen des [X.] sind zugleich alle Leistungen als beantragt iS des § 37 [X.] anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen; dazu zählen auch die Leistungen für einen Mehrbedarf iS des § 21 Abs 4 [X.] ([X.], vgl nur BSG Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]; Urteil vom [X.] - B 14 [X.]/09 R - [X.] 106, 78 = [X.] 4-4200 § 37 [X.] 2).

3. Einschlägige Rechtsgrundlage für den hier geltend gemachten Mehrbedarf ist § 21 Abs 4 [X.]. Danach wird ein Mehrbedarf von 35 % des nach § 20 [X.] maßgebenden Regelbedarfs bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten anerkannt, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 bis 3 [X.] erbracht werden. Der Kläger erfüllt die Grundvoraussetzung insofern, als er mit einem GdB von 40, der mit Bescheid des [X.] vom 15.7.2004 festgestellt wurde, ein behinderter Mensch im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] ist. Ob aber die Arbeitsgelegenheit, an der der Kläger nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] in der [X.] vom [X.] bis zum 7.3.2011 teilgenommen hat, die Anforderungen erfüllt, die an eine den Mehrbedarf für behinderte Menschen auslösende Teilhabeleistung zu stellen sind, kann nicht beantwortet werden.

4. Soweit das [X.] einen Anspruch des [X.] auf höheres [X.] wegen eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach § 21 Abs 4 [X.] verneint hat, weil die Arbeitsgelegenheit schon deshalb keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] gewesen sei, weil das beklagte Jobcenter kein [X.] iS des § 6 [X.] sei, kann dem nicht gefolgt werden. Leistungsträger hinsichtlich der dem Kläger vom Beklagten im September 2010 bewilligten Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16d [X.] war nämlich nach § 6 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.] iVm § 6a [X.] die [X.] ([X.]), die ein Träger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist (§ 6 Abs 1 [X.] 2, § 5 [X.] 2 [X.]). Die Rechtsvorgängerin des beklagten [X.] besaß lediglich die Wahrnehmungszuständigkeit. Gemäß § 6d [X.] sind sodann sowohl die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b [X.] als auch die zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a [X.] unter der Bezeichnung "Jobcenter" zusammengefasst worden, wobei die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b [X.] unberührt geblieben ist und die gemeinsame Einrichtung weiterhin die Wahrnehmungszuständigkeit besitzt (§ 44b Abs 1 [X.]).

5. Ob die Arbeitsgelegenheit für den Kläger eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.] oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben war und somit die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 Satz 1 Alt 1 oder Alt 2 [X.] erfüllt, kann vom Senat aufgrund fehlender Feststellungen des [X.] nicht beurteilt werden.

a) Nach § 33 Abs 1 [X.] werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Zu den Leistungen, die die Voraussetzungen des § 33 Abs 1 [X.] erfüllen, zählen nach § 33 Abs 3 [X.] 1 [X.] die dort genannten Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Die in § 33 Abs 3 [X.] 1 [X.] bis zum [X.] verwendeten Begriffe "Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen" waren dem [X.] ([X.]I) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung entnommen (§ 100 [X.]I aF iVm §§ 45, 48, 53, 54 [X.]I aF). Mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom [X.] ([X.] 2917) wurden die verschiedenen Ermessensleistungen im [X.]I mit Wirkung vom 1.1.2009 unter dem neuen Oberbegriff "vermittlungsunterstützende Leistungen" zusammengefasst (§§ 45 bis 47 [X.]I). Nachfolgend hat der Gesetzgeber die Begrifflichkeiten in § 33 Abs 3 [X.] 1 [X.] wieder an das [X.]I angepasst (siehe zu diesem Komplex [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl 2015, § 33 Rd[X.] 13). Durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 ([X.] 2854) wurden die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung im [X.]I neu strukturiert und es wurde nachfolgend durch eine redaktionelle Änderung auf Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung Bezug genommen, die sich in §§ 44 bis 47 [X.]I näher ausgestaltet finden. § 45 [X.]I beschreibt insbesondere die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, ua durch Heranführung an den [X.] (§ 45 Abs 1 [X.] 1 [X.]I) oder zur Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen (§ 45 Abs 1 [X.] 2 [X.]I).

b) Ob die Arbeitsgelegenheiten nach § 16d [X.] als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in dem genannten Sinne zu fassen sind, weil diese Maßnahmen auf eine Aktivierung zielen, helfen sollen, eine Tagesstruktur zu schaffen, sozial stabilisierend wirken und zur Stärkung des Selbstvertrauens beitragen und damit die Integration ins Erwerbsleben fördern sollen (siehe [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl 2015, § 16d Rd[X.] 21; [X.] Verein, [X.] 2014, 2, 4), hängt somit von den oben beschriebenen Schnittstellen zwischen [X.] und [X.]I mit dem [X.] ab. Im [X.]I sind die Leistungen zur Teilhabe in den §§ 112 bis 129 [X.]I geregelt. Im [X.] gelten gemäß § 16 Abs 1 Satz 3 [X.] für Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige nach dem [X.] die §§ 112 bis 114, 115 [X.] 1 bis 3 mit Ausnahme berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe, § 116 Abs 1, 2 und 5, §§ 117, 118 Satz 1 [X.] 3, Satz 2 sowie §§ 127 und 128 [X.]I entsprechend. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass alle wesentlichen Eingliederungsleistungen des [X.] auch den Beziehern von [X.] zur Verfügung stehen. Es gelten die Verfahrens- und Leistungsgrundsätze des [X.] auch im [X.] ([X.], aaO, Rd[X.] 22).

Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben ist über die Verweisung in § 16 Abs 1 Satz 3 [X.] auf das [X.]I, dass die Aussichten eines behinderten Menschen, am Arbeitsleben teilzuhaben, wegen Art oder Schwere der Behinderung iS des § 2 Abs 1 [X.] nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und diese Menschen deshalb Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen (§ 19 Abs 1 [X.]I). Daraus folgt, dass nicht jede von § 2 Abs 1 [X.] erfasste Behinderung auch die Voraussetzungen des § 19 [X.]I erfüllt, wenn aus der Behinderung keine Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit folgen. Vielmehr müssen die Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben behinderungsbedingt nötig sein. Welche Behinderungen beim Kläger überhaupt bestehen und welche Auswirkungen diese auf seine Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben, nach sich ziehen, wird das [X.] daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren festzustellen haben.

c) Liegt die genannte Voraussetzung für die Gewährung von Teilhabeleistungen vor, ist es aber nicht erforderlich, dass es sich um eine spezielle Maßnahme (nur) für behinderte Menschen handelt. Dies ergibt sich sowohl aus § 98 [X.]I in der vorliegend geltenden Fassung bzw aus § 113 [X.]I in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung. In beiden Vorschriften wird wortgleich zwischen allgemeinen Leistungen (Abs 1 [X.] 1) sowie besonderen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Abs 1 [X.] 2) unterschieden. Zu den allgemeinen Leistungen zählen solche, wie sie grundsätzlich in Art und Höhe in gleicher Weise Nichtbehinderten erbracht werden können (siehe [X.] in GK-[X.]I, 2. Aufl 2004, § 98 Rd[X.] 5). Beide Vorschriften sehen ein Stufenverhältnis von allgemeinen und besonderen Leistungen vor (BSG Urteil vom 25.3.2003 - B 7 AL 8/02 R - [X.] 91, 54, 57 = [X.] 4-4300 § 110 [X.] 1, Rd[X.] 9). Das Prinzip des Vorrangs der allgemeinen im Verhältnis zu den besonderen Leistungen hat zur Folge, dass die im Ermessen der [X.] ([X.]) stehenden allgemeinen Leistungen immer zuerst zu prüfen sind (siehe [X.] in GK-[X.]I, 5. Aufl 2013, § 113 Rd[X.] 7 und 9). Nur wenn der Betroffene nicht durch Leistungen eingegliedert werden kann, die nach Art und Umfang denjenigen für Nichtbehinderte entsprechen und die Voraussetzungen des § 117 Abs 1 Satz 1 [X.]I erfüllt sind, stehen den behinderten Menschen die besonderen Leistungen zu.

6. Ob alternativ die vom Kläger absolvierte Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung auch als sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS von § 21 Abs 4 Alt 2 [X.] qualifiziert werden kann, vermochte der Senat in Anlehnung an das zuvor Gesagte ebenfalls nicht abschließend zu beurteilen.

Es ist insofern aber bereits entschieden worden, dass auch die "sonstigen Hilfen" iS des § 21 Abs 4 [X.] über das hinausgehen müssen, was dem Jobcenter im Rahmen seiner Aufgaben (§ 1 [X.]) als allgemeine Unterstützungsaufgabe zugewiesen ist. Aus systematischen Gründen ist eine gewisse Gleichwertigkeit zu fordern, eine "sonstige Hilfe" darf hinsichtlich ihrer Ausgestaltung nicht hinter den Anforderungen zurückstehen, die an die konkret in § 21 Abs 4 [X.] benannten Maßnahmen nach § 33 [X.] und § 54 Abs 1 S 1 [X.] 1 bis 3 [X.] zu stellen sind (BSG Urteil vom [X.] - B 4 AS 59/09 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] 9 Rd[X.] 20; [X.] B 4 AS 3/10 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.] 22; BSG Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/15 R). Der Einordnung einer Maßnahme unter die sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes steht auch nicht ein Kausalitätserfordernis in dem Sinne entgegen, dass eine nach § 21 Abs 4 [X.] den Mehrbedarf auslösende Maßnahme nur vorliegt, wenn diese selbst schon nach ihrer abstrakten Ausgestaltung speziell auf die Bedürfnisse von behinderten Menschen zugeschnitten ist (BSG Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/15 R - mwN). Vielmehr knüpft der behinderungsbedingte Mehrbedarf typisierend an die Teilnahme an einer Maßnahme an, durch die der Mensch mit Behinderung besser in das Erwerbsleben integriert werden kann. Insoweit ist nach der Rechtsprechung des [X.] das Erfordernis der Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme, was aus dem dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm herzuleitenden spezifischen Sinn und Zweck der Mehrbedarfsregelung folgt (siehe ausführlich insbesondere [X.] B 4 AS 3/10 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.] 18 ff; BSG Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/15 R - Rd[X.] 20). Diese Voraussetzung wird eine strukturierte Maßnahme iS des § 16d [X.] in der Regel erfüllen.

Das [X.] wird darüber hinaus über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 34/14 R

12.11.2015

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 9. Mai 2012, Az: S 26 AS 376/11, Urteil

§ 21 Abs 4 S 1 Alt 1 SGB 2, § 21 Abs 4 S 1 Alt 2 SGB 2, § 16 Abs 1 S 3 SGB 2, § 16d SGB 2, § 19 Abs 1 SGB 3, § 44 SGB 3, § 44ff SGB 3, § 113 Abs 1 SGB 3, § 2 Abs 1 SGB 9, § 33 Abs 3 Nr 1 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.11.2015, Az. B 14 AS 34/14 R (REWIS RS 2015, 2435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2435

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