Bundessozialgericht, Urteil vom 05.08.2015, Az. B 4 AS 9/15 R

4. Senat | REWIS RS 2015, 7041

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB 2 - Anforderungen an die Leistungen bzw Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben - Notwendigkeit einer regelförmigen bzw strukturierten Maßnahme - BINS50plus)


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für behinderte Menschen während der Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben.

2

Der 1954 geborene Kläger hat die Staatsangehörigkeit [X.] und verfügt über eine zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigende Niederlassungserlaubnis. In [X.] war er zuletzt von Oktober 2005 bis Ende 2006 als Ofen- bzw Kaminbauer beschäftigt und erhält - nach dem Bezug von [X.] nach dem [X.]I bis Mitte 2009 - laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. Bei ihm ist ein GdB von 20 (Einzel-GdB 20 vH für eine Sehminderung links, [X.] für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und [X.] für eine arterielle Verschlusskrankheit des rechten Beins sowie [X.] der 1. und [X.] rechts) anerkannt (Bescheid des [X.]). Er kann drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten. In dem [X.]raum vom 1.1.2012 bis 31.12.2012 bewilligte der Beklagte zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt in Höhe von 706,54 Euro monatlich (Bescheide vom 1.12.2011 und 24.5.2012: KdU in Höhe von 332,54 Euro, Regelbedarf 374 Euro) und vom 1.1.2013 bis 31.12.2013 in Höhe von 714,54 Euro (Bescheide vom 24.11.2012 und 29.5.2013).

3

In den Eingliederungsvereinbarungen vom 8.2.2012, [X.] und 23.10.2013 hatte sich der Kläger verpflichtet, für jeweils sechs Monate ("je nach Eignung im Initiativzentrum oder den Teilprojekten") an dem Projekt [X.] (Beschäftigungsinitiative Süd für über 50-Jährige) teilzunehmen. Wie bereits seit September 2009 nahm er in der [X.] vom 14.2.2012 bis 13.2.2014 das Teilprojekt "[X.] finden 50plus" wahr. Dieses Teilprojekt war nach allgemeiner Beschreibung mit berufs- und gesundheitsorientierenden sowie frei wählbaren Inhalten verbunden und beinhaltete ein dreitägiges "[X.]", die Teilnahme an dem [X.]programm über zwei Semester (Halbjahre) mit drei [X.]en je Semester aus den Themenbereichen Gesundheitsprävention, Persönlichkeitsentwicklung, gesellschaftliche Integration, Allgemeinbildung und berufliche/künstlerische/sprachliche Entwicklung sowie individuelle Beratung und Coaching (zweimal monatlich nach Vereinbarung). Als "Grundlagen und Ziele" waren Würdigung und Akzeptanz der Lebensleistung, Stärkung der Selbstverantwortung, persönliche Aktivierung, individuelle Unterstützung und begleitende Beratung benannt. Tatsächlich nahm der Kläger im streitigen [X.]raum an zwölf, teils nur eintägigen [X.]en (Kontakt und Grenzen, Arbeit im Künstleratelier, [X.] für Anfänger, Bogenschießen, Furcht und Angst, Wut und Aggression, Malen und Zeichnen an Orten mit besonderer Energie, Wertschätzung und Akzeptanz, Kontakt und Grenzen, Angst ist [X.], gnostische Evangelien und spielerische Monotypie - Bildermaltechnik aus dem 17. Jahrhundert) teil. Die Fahrtkosten wurden erstattet.

4

Den auf die Bewilligungszeiträume seit 1.1.2012 bezogenen Überprüfungsantrag des Klägers vom August 2013 zur Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen Behinderung und der Erbringung von Teilhabeleistungen iS des § 21 Abs 4 [X.] lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 15.11.2013), bewilligte jedoch gleichzeitig für die [X.]räume vom 1.1.2012 bis 31.12.2013 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Warmwasserbereitung. Mit vier [X.] vom [X.] wurde das [X.] II in jedem Monat um den rückwirkend anerkannten "Mehrbedarf Warmwasser" (in 2012 monatlich 8,60 Euro, in 2013 monatlich 8,87 Euro) angehoben.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12.2.2014). Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Bewilligungsbescheide seien rechtmäßig. Der Kläger habe in dem streitigen [X.]raum keinen Anspruch auf höhere Leistungen gehabt. Weder sei eine Leistung nach § 54 Abs 1 [X.] bis 3 [X.]B XII (Schulbildung, schulische Ausbildung, sonstige Ausbildung) erbracht worden noch liege eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.]B IX vor. Es fehle an einem behinderungsspezifischen Inhalt, der notwendigen Regelförmigkeit der Maßnahme und einem organisatorischen Rahmen, der eine regelmäßige und nicht unerhebliche zeitliche Beanspruchung des Teilnehmers sowie eine Ausrichtung der Aktivitäten der Teilnehmer auf die Teilhabe am Arbeitsleben beinhalte. Bei [X.] handele es sich auch nicht um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben iS des § 21 Abs 4 [X.]. Auch bei derartigen Hilfen müsse es sich um regelförmige Maßnahmen und solche Hilfen handeln, die final auf die Ziele des § 33 Abs 1 [X.]B IX, also den Ausgleich behinderungsspezifischer Nachteile, ausgerichtet seien. Es sei weder eine regelmäßige, nicht unerhebliche zeitliche Beanspruchung des Teilnehmers gewährleistet noch die erforderliche Ausrichtung der Aktivitäten auf die Teilhabe am Arbeitsleben.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, bei [X.] handele es sich jedenfalls um eine sonstige Hilfe für die Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder sogar um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Teilnahme an einer regelförmigen Maßnahme sei gegeben, weil das Projekt jedenfalls weit über das hinausgehe, was auch nicht behinderten erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bei der Vermittlung und Beratung durch den Grundsicherungsträger abverlangt werde. Die Maßnahme habe einen organisatorischen Mindestrahmen und sei auch eine solche iS des § 33 [X.]B IX. Wie der Leistungsbeschreibung und der Zielsetzung einer Integration in den Arbeitsmarkt zu entnehmen sei, diene die Maßnahme der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigten. Die Maßnahme müsse abstrakt, nicht hinsichtlich der einzelnen wahrgenommenen [X.]e, beurteilt werden.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. Februar 2015 und des [X.] vom 12. Februar 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 4. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2013 zu verpflichten, ihm unter weitergehender Abänderung der Bescheide vom 1. Dezember 2011, 24. Mai 2012, 24. November 2012 und 29. Mai 2013 in der [X.] von 14. Februar 2012 bis 31. Dezember 2013 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen Behinderung nach § 21 Abs 4 [X.] zu bewilligen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er vertritt die Ansicht, es sei zwischen dem abstrakt-generellen Ziel der Maßnahme und deren konkret-individueller Ausgestaltung sowie der Inanspruchnahme durch die Teilnehmer zu unterscheiden. Die Maßnahme [X.] sei in hohem Maße individualisiert, weshalb hinsichtlich der Einordnung eine Gesamtschau der belegten [X.]e stattfinden müsse. Die von dem Kläger ausgewählten [X.]e hätten jeweils nur einen Tag gedauert und wiesen keinen Bezug zur Arbeitsmarkt- oder Berufsorientierung aus.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen der Erbringung einer Teilhabeleistung oder einer Leistung der Eingliederungshilfe hat.

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens in zeitlicher Hinsicht sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 14.2.2012 bis 31.12.2013, weil der Kläger die Überprüfung der ursprünglichen Bewilligungsbescheide nach seinem ausdrücklichen Klageantrag auf den Zeitraum ab Beginn der Maßnahme BINS50plus (14.2.2012) bis zum 31.12.2013 (Ende der durch die Bescheide vom [X.] erfassten Bewilligungsabschnitte) beschränkt hat. Gegenstand des Verfahrens ist daher zunächst der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2013, mit dem der Beklagte ausdrücklich auf den Überprüfungsantrag des [X.] vom 14.8.2013 Bezug genommen, einen "Mehrbedarf Warmwasser" anerkannt und die Erbringung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 [X.]B II abgelehnt hat. In rechtlicher Einheit hiermit stehen die vier - den Zeitraum vom 1.1.2012 bis 31.12.2013 betreffenden - Bewilligungsbescheide vom [X.], die gleichfalls in das Verfahren einbezogen sind (vgl zur Annahme einer rechtlichen Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides wegen zeitlich und inhaltlich korrespondierender Verwaltungsakte [X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - [X.], 221 = [X.] 4-1300 § 45 [X.], Rd[X.]8; B[X.] Beschluss vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 B - Rd[X.] 8; vgl zu möglichen Konstellationen einer rechtlichen Einheit im Asylbewerberleistungsrecht: [X.] vom 30.10.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.], 302 ff = [X.] 4-3520 § 1a [X.], Rd[X.]5; vgl auch [X.] vom 20.5.2014 - B 1 KR 3/14 R - [X.], 31 = [X.] 4-2500 § 272 [X.], Rd[X.]1 f zur Annahme einer rechtlichen Einheit bei Korrektur- und Jahresausgleichsbescheiden zum Risikostrukturausgleich).

Der Kläger hat den Streitgegenstand nach dem Inhalt seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] und seinen Anträgen in zulässiger Weise insofern beschränkt, als Unterkunftskosten nicht im Streit stehen. Da diese Abtrennung auch nach der Neufassung des [X.]B II zum 1.1.2011 möglich ist (vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]0), sind allein die Höhe der weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ([X.] vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.]1). Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Begrenzung des Streitgegenstandes nicht bezogen auf die Leistungen für Mehrbedarfe erfolgen kann. Die Überprüfung der Bewilligungsentscheidungen ist hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iS des § 19 S 1 [X.] [X.]B II vielmehr dem Grunde und der Höhe nach vorzunehmen.

Zutreffende Klageart ist hier die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und Abs 4 iVm § 56 [X.]G). Der Kläger begehrt mit der Anfechtungsklage die Teilaufhebung (Änderung) des eine weitergehende Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsentscheidungen ablehnenden Bescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2013. Die Verpflichtungsklage ist auf die Änderung der im Zeitpunkt des [X.] von August 2013 bereits bestandskräftigen Ausgangsbescheide vom 1.12.2001, 24.5.2012, 24.11.2012 und [X.] idF durch die einen Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasserversorgung im Wege des [X.] berücksichtigenden Bescheide vom [X.] gerichtet (vgl [X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.]1 mwN). Die ursprünglichen Bewilligungsbescheide sind auf der Grundlage des § 44 [X.]B X zu überprüfen. Diese Bescheide sind nicht rechtswidrig iS des § 44 [X.]B X, weil der Kläger keine höheren Leistungen beanspruchen konnte. Entsprechend ist auch die als auf die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, also über den von dem Beklagten bewilligten Betrag hinaus, gerichtet auszulegende Leistungsklage (§ 123 [X.]G) ohne Erfolg. Vorliegend sind in den die streitigen Zeiträume regelnden Bescheiden keine Sozialleistungen iS von § 44 Abs 1 [X.]B X zu Unrecht nicht erbracht worden. Nach § 44 Abs 1 [X.]B X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Nach den Feststellungen des [X.] erfüllte der Kläger zwar die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 [X.]B II. Er war hilfebedürftig (§ 9 [X.]B II) und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.]. Das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ist, soweit - wie hier - kein Feststellungsverfahren eingeleitet worden ist, bereits aus rechtlichen Gründen anzunehmen (vgl [X.]surteil vom [X.] - [X.] AS 26/13 R - B[X.]E 115, 210 = [X.] 4-4200 § 15 [X.], Rd[X.] 49; [X.] vom 7.11.2006 - [X.]b [X.]/06 R - B[X.]E 97, 231 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]0; [X.] vom 25.9.2014 - B 8 [X.] 6/13 R - [X.] 4-4200 § 44a [X.]). Auch Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 [X.]B II sind wegen der vorhandenen Niederlassungserlaubnis nicht gegeben; die Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 [X.]B II liegen nicht vor. Der Beklagte hat dem Kläger zutreffend Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 Abs 2 [X.]B II als Alleinstehender (374 [X.] in 2012 und 382 [X.] in 2013) sowie für den Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwassererzeugung nach § 21 Abs 7 [X.]B II (2,3 % des maßgeblichen Regelbedarfs; 8,60 [X.] bzw 8,79 [X.]) bewilligt. Einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II wegen eines Mehrbedarfs aufgrund der Teilnahme an einer Teilhabeleistung hat er nicht.

Nach § 21 Abs 4 [X.]B II wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.]B IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 S 1 [X.] bis 3 [X.]B XII erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 [X.]B II maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] erfüllt der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen insofern, als er zum Kreis der erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten gehört. Auch ist nach dem Inhalt der Eingliederungsvereinbarungen davon auszugehen und ausreichend, dass seine Teilnahme an den Kursen des Projektes BINS50plus auf Veranlassung des Beklagten erfolgte (vgl zu diesem Erfordernis: [X.] vom 23.3.2010 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.]5).

Die vom Berufungsgericht festgestellte tatsächliche Teilnahme des [X.] an zwölf, teils nur eintägigen Kursen der [X.] ([X.]) im Rahmen des Projektes "Kurs finden 50plus" in dem hier streitigen Zeitraum erfüllte jedoch nicht die Anforderungen, die an eine den Mehrbedarf für Behinderte auslösende Teilhabeleistung in den drei Alternativen des § 21 Abs 4 [X.]B II zu stellen sind. Die Annahme einer Maßnahme der Eingliederungshilfe scheidet von vornherein aus. Die von § 54 Abs 1 S 1 [X.] bis 3 [X.]B XII in Bezug genommenen Maßnahmen beinhalten eine angemessene Schulbildung ([X.]), die Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf ([X.]) und die Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit ([X.]). Sie sind damit - für Leistungsberechtigte mit abgeschlossener Schulbildung - ausdrücklich auf einen bestimmten Beruf oder eine angemessene Tätigkeit gerichtete Maßnahmen.

Des Weiteren kann dahingestellt bleiben, ob die Teilnahme des [X.] an dem Projekt BINS50plus nach dessen inhaltlicher Ausgestaltung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben einzuordnen ist. Das [X.] hat zugrunde gelegt, dass es für die Annahme einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.]B IX neben der [X.] der Maßnahme (dazu sogleich) auch an einer behinderungsspezifischen Ausrichtung fehle. Soweit das [X.] davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Teilnahme des [X.] an den Kursen um "allgemeine Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit" handele, bleibt allerdings offen, ob Rechtsgrundlage der Bewilligung im Falle behinderter Teilnehmer - wie hier dem Kläger - § 16 Abs 1 S 1 [X.]B II iVm § 45 [X.]B III oder § 16 Abs 1 S 2 [X.]B II iVm §§ 115 [X.], 45 [X.]B III war. Erfolgt die Bewilligung einer Teilhabeleistung aufgrund einer Behinderung, ist allerdings regelmäßig davon auszugehen, dass es sich um eine Teilhabeleistung iS des § 33 [X.]B IX handelt (vgl zur ansonsten erforderlichen Prüfung, welches die nach Inhalt und Schwerpunkt der Maßnahme zutreffende Rechtsgrundlage wäre: [X.] vom 15.12.2010 - [X.] [X.]4/09 R - FEVS 62, 541 ff; [X.] vom 6.4.2011 - [X.] AS 3/10 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]1 Rd[X.]1, 25 zur Bewertung von allgemeinen Beratungs- und Betreuungsleistungen sowie einer psychotherapeutischen Behandlung).

Jedenfalls könnte die Maßnahme BINS50plus den "sonstigen Hilfen" iS des § 21 Abs 4 [X.]B II zugeordnet werden, die innerhalb dieser Mehrbedarfsregelung gleichwertig neben den Leistungen nach § 33 [X.]B IX aufgeführt werden ([X.] vom 6.4.2011 - [X.] AS 3/10 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]1 Rd[X.]2). Ein Kausalitätserfordernis in dem Sinne, dass eine nach § 21 Abs 4 [X.]B II den Mehrbedarf auslösende Maßnahme nur vorliegt, wenn diese selbst schon nach ihrer abstrakten Ausgestaltung speziell auf die Bedürfnisse von behinderten Menschen zugeschnitten ist, ist nicht zugrundezulegen. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf knüpft vielmehr typisierend an die Teilnahme an einer Maßnahme an, durch die der Mensch mit Behinderung besser in das Erwerbsleben integriert werden kann ([X.] in [X.]/[X.], [X.]B II/[X.]B XII, [X.], § 21 Rd[X.] 41, Stand April 2012; [X.] Nordrhein-Westfalen Urteil vom [X.] [X.]1/06 - [X.], 515 ff). Ein damit verbundener Mehrbedarf ist möglicherweise sogar umfassender als bei einer nicht speziell oder vorrangig auf die Bedürfnisse von Behinderten ausgerichteten Maßnahme.

Bezogen auf beide Leistungsarten fehlt es aber an einer Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme, die nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen [X.]e des B[X.] für den Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte vorausgesetzt wird und die allein geeignet ist, einen Mehrbedarf beim behinderten Leistungsberechtigten in seiner vom Gesetzgeber angenommenen Zielrichtung auszulösen. Insofern hat der [X.] bereits entschieden, dass auch die "sonstigen Hilfen" iS des § 21 Abs 4 [X.]B II über das hinausgehen müssen, was dem Jobcenter etwa im Rahmen des § 14 [X.]B II als allgemeine Unterstützungsaufgabe zugewiesen ist. Auch aus systematischen Gründen muss eine gewisse Gleichwertigkeit gefordert werden und darf eine sonstige Hilfe hinsichtlich ihrer Ausgestaltung nicht hinter den Anforderungen zurückstehen, die an die konkret in § 21 Abs 4 [X.]B II benannten Maßnahmen nach § 33 [X.]B IX und § 54 Abs 1 [X.] bis 3 [X.]B XII zu stellen sind ([X.] vom 6.4.2011 - [X.] AS 3/10 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]1 Rd[X.]2; [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.]0).

Das Erfordernis der Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme folgt aus dem Wortlaut und dem aus der Entstehungsgeschichte der Norm herzuleitenden spezifischen Sinn und Zweck dieser Mehrbedarfsregelung. Insofern weist bereits die Formulierung des § 21 Abs 4 S 2 [X.]B II ("nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit") aus, dass sich die Leistungserbringung innerhalb eines organisatorischen Rahmens vollziehen muss, der eine Bezeichnung als "Maßnahme" rechtfertigt. Auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folgt eine einschränkende Auslegung. Die Vorschrift zum Mehrbedarf für behinderte Leistungsberechtigte bei Inanspruchnahme einer Teilhabeleistung geht zurück auf Regelungen im [X.]. Insofern hatte das Recht der Eingliederungshilfe in § 41 Abs 2 S 2 [X.] (idF vom [X.], [X.] 815) vorgesehen, dass für Behinderte, die nicht mehr im volksschulpflichtigen Alter waren, für den laufenden Lebensunterhalt ein Mehrbedarf von [X.] des maßgebenden Regelbedarfs anzuerkennen war, wenn der Lebensunterhalt nach Regelsätzen bemessen war. Die enge Anlehnung an den Leistungsumfang der vormaligen [X.] belegt, dass der Mehrbedarf an strukturierte Maßnahmen geknüpft war, die jedenfalls vom Grundsatz geeignet waren, einen zusätzlichen Bedarf hervorzurufen (vgl [X.] vom 23.3.2010 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.]9 f mwN; [X.] vom 15.12.2010 - [X.] [X.]4/09 R - FEVS 62, 541; [X.] vom 6.4.2011 - [X.] AS 3/10 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]1 Rd[X.]0). Dieses Erfordernis bestätigend enthält die Parallelregelung des § 30 Abs 4 [X.]B XII zu entsprechendem Mehrbedarf im [X.]B XII eine strikte Anknüpfung ausschließlich an die strukturierten Maßnahmen des § 54 Abs 1 [X.] bis 3 [X.]B XII und unterstreicht damit das Erfordernis einer regelförmigen besonderen Maßnahme.

Der [X.] hat hiervon ausgehend bereits entschieden, dass für den Begriff der regelförmigen besonderen Maßnahme die Grundsätze herangezogen werden können, die das B[X.] zum Begriff der förderungsfähigen Maßnahme im Recht der Weiterbildungsförderung im Arbeitsförderungsrecht entwickelt hat ([X.] vom 23.3.2010 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.] Rd[X.]1 ff). Hiernach ist wesentlich für eine Maßnahme, dass ein mit der Förderung angestrebtes Maßnahmeziel formuliert wird, diese regelmäßig auf eine auf dem Arbeitsmarkt einsetzbare Qualifikation gerichtet ist ([X.] vom [X.], Rd[X.]3) und ihr ein festgelegter Lehrplan zugrunde liegt, in dem einzelne unselbständige Bestandteile in einem engen zeitlichen, inhaltlichen und organisatorischen Zusammenhang stehen. Erforderlich ist eine organisatorische Verbundenheit, die unterschiedliche Veranstaltungen in aller Regel schon im Vorhinein als einheitliche Maßnahme ausgewiesen sein lässt ([X.] vom 20.6.1978 - 7 [X.] - [X.] 4100 § 41 [X.]4, [X.]; [X.] vom 14.2.1985 - 7 [X.] - B[X.]E 58, 44, 47 = [X.] 4100 § 34 [X.], [X.]; [X.] in jurisPR-[X.] 16/2010, [X.] 2) Bei sinngemäßer Übertragung dieser Grundsätze müssen auch bei einer den Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 [X.]B II auslösenden Maßnahme deren einzelne Elemente von vornherein nach Inhalt und Dauer als einheitliche Maßnahme ausgewiesen sein und entsprechend ihrer Ausgestaltung, insbesondere auch hinsichtlich ihres zeitlichen Umfangs, geeignet sein, den Mehrbedarf in seiner vom Gesetzgeber historisch angenommenen Zielrichtung auszulösen.

Diese Schwelle erreichen die von dem Kläger tatsächlich wahrgenommenen Veranstaltungen des Projektes BINS50plus nicht. Besteht - wie hier - eine weitgehend freie Gestaltbarkeit der Bestandteile einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, findet - entgegen dem [X.] - keine "abstrakte" Betrachtung im Sinne einer Einbeziehung weiterer möglicher Inhalte des Projekts statt. Bei der Prüfung der [X.] der Maßnahme zugrundezulegen ist vielmehr die konkrete tatsächliche Ausgestaltung, die der Kläger im Einvernehmen mit dem [X.]B II-Träger gewählt hat. Insofern handelt es sich um einzelne, nicht in einem fachlichen oder inhaltlichen Zusammenhang mit dem finalen Ziel einer Teilhabe am Arbeitsleben stehende, teils nur eintägige Veranstaltungen je Halbjahr. Zwar können mit diesen einzelne - auch außerberufliche - Fähigkeiten gefördert werden. Der Beklagte weist jedoch zu Recht darauf hin, dass die weitestgehend freigestellte Wahl von Kursen an der [X.] A im Mittelpunkt steht. Da ein zeitlicher Mindestumfang der einzelnen Kurse nicht festgelegt wurde, ist schon nach dem Umfang der zeitlichen Einbindung des [X.] nicht erkennbar, dass die Maßnahme von vornherein strukturiert, etwa durch bestimmte, aufeinander aufbauende Lehrinhalte, Praktika und Prüfungen, verfolgt worden ist. Die stattdessen intendierte offene Ausgestaltung des Projekts BINS50plus entspricht dem Charakter der Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 [X.]B III in der Fassung des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 ([X.] 2854). In einer gegenüber abschließenden und strukturierten Leistungskatalogen für Bildungsmaßnahmen nach den Vorgängerregelungen (insbesondere im [X.]) veränderten Begrifflichkeit können nunmehr unter "Maßnahmen" alle Instrumente verstanden werden, die durch Einschaltung Dritter die berufliche Orientierung, Reintegration und Stabilisierung fördern (Bieback in Gagel, [X.]B II/[X.]B III, § 45 Rd[X.] 55, Stand März 2013). Diese erfüllen jedoch wegen ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung nicht von vornherein zugleich die Anforderungen, die an strukturierte Teilhabeleistungen iS der Mehrbedarfsregelung des § 21 Abs 4 [X.]B II zu stellen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 9/15 R

05.08.2015

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Augsburg, 12. Februar 2014, Az: S 11 AS 1219/13, Urteil

§ 21 Abs 4 S 1 SGB 2, § 33 SGB 9, § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.08.2015, Az. B 4 AS 9/15 R (REWIS RS 2015, 7041)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7041

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